Ausgewählte Entscheidungen

Entscheidungen des OLG Thüringen

OLG Jena, Urteil vom 26.01.2024 – 9 U 364/18

Anwaltshaftung

1. Zu den Beratungspflichten eines Rechtsanwalts bei Wegfall der Erfolgsaussicht eines Rechtsstreits nach Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung.

2. Einheitlichkeit des Streitgegenstandes einer Schadensersatzklage wegen anwaltlicher Beratungspflichtverletzung in Bezug auf die Einleitung und Fortführung eines aussichtslosen bzw. aussichtslos gewordenen Rechtsstreits.

3. Der Annahme der Aussichtlosigkeit der Rechtsverfolgung steht es hier nicht entgegen, dass sich der Bundesgerichtshof in einschlägigen Urteilen in Parallelverfahren nicht ausdrücklich mit der Vereinbarkeit seiner Entscheidung mit dem Unionsrecht auseinandergesetzt hat.

4. Die Möglichkeit einer Verfassungsbeschwerde gegen eine letztinstanzliche Entscheidung rechtfertigt die Fortführung eines nach der einschlägigen Rechtsprechung der Fachgerichte aussichtslosen Rechtsstreits grundsätzlich nicht.

5. An der der anwaltlichen Beratung zugrunde zu legenden fehlenden Erfolgsaussicht der weiteren Rechtsverfolgung ändert auch die Tatsache nichts, dass die Rechtsanwälte beim Bundesgerichtshof die Durchführung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens in Parallelverfahren befürwortet haben.

6. Die aktuelle einschlägige höchstrichterliche Rechtsprechung hat ein auf das betroffene Rechtsgebiet spezialisierter Rechtsanwalt, der mit einer Vielzahl ähnlich gelagerter Verfahren mandatiert ist, im besonderen Maße zeitnah zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Beratung zu berücksichtigen. Er ist gehalten, sich über die online verfügbare Entscheidungsdatenbank des Bundesgerichtshofs über die fortlaufende Rechtsprechung zu informieren.

7. Ein auf Kapitalanlagerecht spezialisierter Rechtsanwalt, der für die von ihm vertretenen Anleger massenhaft Güteanträge zur Hemmung der Verjährung gestellt hatte und bundesweit Klageverfahren betrieb, musste die Entwicklung der Rechtsprechung zu den Güteanträgen im besonderen Maße verfolgen. Dass im Jahr 2015 zahlreiche Revisions- bzw. Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren beim Bundesgerichtshof anhängig waren, bei denen (auch) die Hemmungswirkung von Güteanträgen gegenständlich war, musste einem auf diesem Feld tätigen Rechtsanwalt bekannt sein, so dass er die höchstrichterliche Entscheidung zu erwarten und zeitnah zur Kenntnis zu nehmen hatte. Dieser Zeitpunkt ist zum 30.09.2015 eingetreten.

8. Mit einem Inzidentantrag nach § 717 Abs. 2 Satz 2 1. Alt. ZPO können Rechtshängigkeitszinsen gem. § 717 Abs. 2 Satz 2 2. Alt. ZPO nur dann verlangt werden, wenn zugleich ein Vollstreckungsschaden i.S.d. § 717 Abs. 2 Satz 1 ZPO geltend gemacht wird.

OLG Jena, Urteil vom 29.03.2023 – 2 U 834/18

Untersagung des Vollzugs von Kauf- und Pachtverträgen eines Landwirtschaftsbetriebs I Untersagung des Abschlusses von Kaufverträgen

OLG Jena, Urteil vom 22.03.2023 – 2 U 948/21

Aktiengesellschaft I Anfechtung Hauptversammlungsbeschluss I Eigene Aktien I Einziehung der eigenen Aktien sei in § 237 AktG

OLG Jena, Urteil vom 22.03.2023 – 2 U 492/17

Gesellschafterstreit I Einziehung von Geschäftsanteilen I wichtiger Grund I Beschlussmängelstreitigkeiten I Anfechtungsklage I Nichtigkeitsklage I Anfechtungsfrist I Teilnahmerecht I Versammlungsleiter

OLG Jena, Beschluss vom 22.12.2022 – 7 W 216/22

Haftung wegen Verletzung der Steuerberaterpflichten I fehlerhaft erstellte Jahresabschlüsse I Fortführungswert I Liquidationswert

Thüringer OLG, Beschluss vom 05.01.2022 – 2 W 135/19

Spruchverfahren I Berechnung eines Barabfindungsanspruchs von Minderheitsaktionären

1. Bei einem werbenden Unternehmen ist die Ertragswertmethode eine grundsätzlich geeignete Methode zur Ermittlung des Unternehmenswerts (vgl. BGH, Beschluss vom 29. September 2015, II ZB 23/14).

2. Nach der Systematik des in der Betriebswirtschaftslehre und in der gerichtlichen Bewertungspraxis anerkannten IDW S1 ergibt sich der Unternehmenswert grundsätzlich aus den finanziellen Überschüssen, die bei Fortführung des Unternehmens und Veräußerung nicht betriebsnotwendigen Vermögens erwirtschaftet werden.

3. Ein im Jahr 2012 nicht vorhergesehener Gewinneinbruch kann bei einer Unternehmensbewertung auf den Stichtag 4.11.2011 nicht mehr berücksichtigt werden.

4. Es obliegt weder dem Gericht noch der Gesellschaft, umfassende Studien zur Ermittlung der Marktrisikoprämie als einer ohnehin nicht zweifelsfrei ermittelbaren Größe in Auftrag zu geben; stattdessen kann der Empfehlung des Fachausschusses für Unternehmensbewertung und Betriebswirtschaft (FAUB) gefolgt werden.

5. Es ist anerkannt, dass der relevante Betafaktor anhand einer Peergroup geschätzt werden kann, sofern der eigene Wert der Gesellschaft nicht aussagekräftig ist.

6. Geht man davon aus, dass nicht notwendiges Vermögen an die Aktionäre ausgeschüttet wird, fällt darauf Steuer an, die auch bei der Bewertung zu berücksichtigen ist.

Thüringer Oberlandesgericht, Urteil vom 25.08.2021 – 2 U 89/17

Es reicht für die Bejahung der Sittenwidrigkeit nicht aus, wenn die Veräußerung der Grundstücke und die mit ihr verbundene Umgestaltung der Beklagen von einer Landwirtschaft betreibenden Gesellschaft in eine reine Vermögensverwaltungsgesellschaft zur Umgehung der Verpflichtung aus der Gewinnabführungsabrede erfolgt ist.

Thüringer OLG, Beschluss vom 10.08.2021 – 1 OLG 121 SsRs 30/21

Bußgeld wegen der Verletzung von Aufenthaltsbeschränkungen nach der Dritten Thüringer Verordnung über erforderliche Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 vom 23.04.2020 (3. ThürSARS-CoV-2-EindmaßnVO) ist rechtswidrig

Thüringer OLG, Beschluss vom 27.05.2021 – 2 W 172/21

1. Lädt der Vorstand einer eingetragenen Genossenschaft auf das Verlangen einer Minderheit der Mitglieder zu einer Präsenzversammlung ein und wählt nicht – wie von diesen Mitgliedern gewünscht – das schriftliche Umlaufverfahren, führte dies nicht zu einer schuldhaften Verzögerung der Einladung, denn für die Wahl der Versammlungsart durch den Vorstand ist maßgeblich, auf welchem Wege dem Einberufungsverlangen unverzüglich rechtssicher genügt werden kann.

2. Zwar können nach §§ 3 Abs. 1, 7 Abs. 3 des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht (im Folgenden: COVMG) Beschlüsse der Mitglieder im Jahre 2021 abweichend von § 43 Abs. 7 GenG auch dann schriftlich oder elektronisch gefasst werden, wenn dies in der Satzung der Genossenschaft nicht ausdrücklich zugelassen ist, bleibt aber mangels einer diesbezüglichen Satzungsregelung offen, wie den Teilnahmerechten der Genossen im schriftlichen Umlaufverfahren zu genügen ist, ist es nicht schuldhaft, wenn der Vorstand nicht das schriftliche Umlaufverfahren wählt.

Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 21. Juli 2021 – 2 W 244/21

1. Eine Änderung des Geschäftsjahres der GmbH durch satzungsändernde Beschlussfassung ist grundsätzlich zulässig, auch unter Bildung eines Rumpfgeschäftsjahres, wenn es hierfür einen sachlichen Grund gibt.

2. Die rückwirkende Änderung eines Geschäftsjahres – also die Änderung des abgelaufenen Geschäftsjahres nach dessen Ablauf – ist aber unzulässig. Die Bildung eines Rumpfgeschäftsjahres ist nur dann zulässig, wenn die Eintragung der entsprechenden Satzungsänderung vor dem Ablauf des durch die Änderung gebildeten Rumpfgeschäftsjahrs erfolgt.

3. Geht die Anmeldung der Satzungsänderung über die Änderung des Geschäftsjahres während des neu zu bildenden Rumpfgeschäftsjahres beim Registergericht ein und kann die Eintragung auch noch während des neu zu bildenden Rumpfgeschäftsjahres erfolgen, wird keine Rückwirkung entfaltet und besteht auch keine Manipulationsgefahr. Durch die Einsichtnahme in das Handelsregister kann der Rechtsverkehr feststellen, wann die Satzungsänderung durch deren Eintragung wirksam wurde, wenn sich aus dem Wortlaut der geänderten Satzung ergibt, dass die Änderung des Geschäftsjahres ohne Rückwirkung erfolgt, da der Zeitpunkt der Umstellung auf das neue Geschäftsjahr nicht genannt wird.