Ausgewählte Entscheidungen

Entscheidungen des OLG Thüringen

Thüringen OLG, Urteil vom 13.11.2024 – 2 U 129/24

Einziehung Aktien

Ein wichtiger Grund für den Ausschluss liegt vor, wenn den übrigen Gesellschaftern die Fortsetzung der Gesellschaft mit dem betroffenen Mitglied infolge seines Verhaltens oder seiner Persönlichkeit nicht mehr zuzumuten ist, seine weitere Mitgliedschaft also den Fortbestand der Gesellschaft unmöglich macht oder doch ernstlich gefährdet (Noack – Fastrich, aaO, Anh. § 34 GmbHG, Rn. 3). Dies bedarf einer umfassenden Prüfung aller Umstände des Einzelfalls und einer Gesamtabwägung der beteiligten Interessen sowie des Verhaltens der übrigen Gesellschafter (BGH, Urteil vom 13. Februar 1995 – II ZR 225/93 –, Rn. 15, juris). Ein schuldhaftes Verhalten ist zwar nicht erforderlich, da es allein auf die objektiven Umstände ankommt, wobei allerdings eine Pflichtwidrigkeit oder ein sonst schuldhaftes Verhalten die Ausschließung regelmäßig eher rechtfertigen wird. Bei der Gesamtwürdigung geht es nicht allein um das Verhalten des Auszuschließenden, sondern ebenso um das der anderen Gesellschafter (OLG München, Urteil vom 12. November 2009 – 23 U 2754/09)

OLG Jena, Urteil vom 26.01.2024 – 9 U 364/18

Anwaltshaftung

1. Zu den Beratungspflichten eines Rechtsanwalts bei Wegfall der Erfolgsaussicht eines Rechtsstreits nach Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung.

2. Einheitlichkeit des Streitgegenstandes einer Schadensersatzklage wegen anwaltlicher Beratungspflichtverletzung in Bezug auf die Einleitung und Fortführung eines aussichtslosen bzw. aussichtslos gewordenen Rechtsstreits.

3. Der Annahme der Aussichtlosigkeit der Rechtsverfolgung steht es hier nicht entgegen, dass sich der Bundesgerichtshof in einschlägigen Urteilen in Parallelverfahren nicht ausdrücklich mit der Vereinbarkeit seiner Entscheidung mit dem Unionsrecht auseinandergesetzt hat.

4. Die Möglichkeit einer Verfassungsbeschwerde gegen eine letztinstanzliche Entscheidung rechtfertigt die Fortführung eines nach der einschlägigen Rechtsprechung der Fachgerichte aussichtslosen Rechtsstreits grundsätzlich nicht.

5. An der der anwaltlichen Beratung zugrunde zu legenden fehlenden Erfolgsaussicht der weiteren Rechtsverfolgung ändert auch die Tatsache nichts, dass die Rechtsanwälte beim Bundesgerichtshof die Durchführung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens in Parallelverfahren befürwortet haben.

6. Die aktuelle einschlägige höchstrichterliche Rechtsprechung hat ein auf das betroffene Rechtsgebiet spezialisierter Rechtsanwalt, der mit einer Vielzahl ähnlich gelagerter Verfahren mandatiert ist, im besonderen Maße zeitnah zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Beratung zu berücksichtigen. Er ist gehalten, sich über die online verfügbare Entscheidungsdatenbank des Bundesgerichtshofs über die fortlaufende Rechtsprechung zu informieren.

7. Ein auf Kapitalanlagerecht spezialisierter Rechtsanwalt, der für die von ihm vertretenen Anleger massenhaft Güteanträge zur Hemmung der Verjährung gestellt hatte und bundesweit Klageverfahren betrieb, musste die Entwicklung der Rechtsprechung zu den Güteanträgen im besonderen Maße verfolgen. Dass im Jahr 2015 zahlreiche Revisions- bzw. Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren beim Bundesgerichtshof anhängig waren, bei denen (auch) die Hemmungswirkung von Güteanträgen gegenständlich war, musste einem auf diesem Feld tätigen Rechtsanwalt bekannt sein, so dass er die höchstrichterliche Entscheidung zu erwarten und zeitnah zur Kenntnis zu nehmen hatte. Dieser Zeitpunkt ist zum 30.09.2015 eingetreten.

8. Mit einem Inzidentantrag nach § 717 Abs. 2 Satz 2 1. Alt. ZPO können Rechtshängigkeitszinsen gem. § 717 Abs. 2 Satz 2 2. Alt. ZPO nur dann verlangt werden, wenn zugleich ein Vollstreckungsschaden i.S.d. § 717 Abs. 2 Satz 1 ZPO geltend gemacht wird.

OLG Thüringen, Beschluss vom 6.12.2023 – 2 W 233/23

Wichtiger Grund für das erweiterte Informationsrecht des Kommanditisten

1. Nach § 166 Abs. 3 HGB a.F. kann neben der (Kommandit-)Gesellschaft auch deren persönlich haftender Gesellschafter in Anspruch genommen werden.

2. Ein etwaiger Verstoß gegen das Verbot, widerstreitende Interessen zu vertreten, lässt die Wirksamkeit der Verfahrensvollmacht unberührt. Dies gilt auch dann, wenn zugleich ein Verstoß gegen § 356 StGB vorliegt.

3. Ein wichtiger Grund i.S.d. § 166 Abs. 3 HGB a.F. ist anzunehmen, wenn die sofortige Überwachung der Geschäftsführung im Interesse des Kommanditisten geboten ist, z.B. bei drohender Schädigung von Gesellschaft oder Kommanditist, bei begründetem Verdacht nicht ordnungsgemäßer Geschäfts- oder Buchführung oder bei der Verweigerung oder längeren Verzögerung der Kontrolle nach § 166 Abs. 1 HGB. Hierfür bedarf es der Darlegung konkreter Umstände, aus denen sich Erforderlichkeit und Bedeutung der beantragten Information ergeben (Anschluss OLG München, Beschluss vom 12. April 2011 – 31 Wx 189/10).

4. Die Aufnahme von Darlehen zur Verfolgung des Unternehmenszweckes stellen eine gewöhnliche Geschäftstätigkeit dar, wenn sie Hilfsmaßnahmen zu gesellschaftstypischen, gewöhnlichen Geschäften sind. Etwas anderes gilt, wenn die Fremdfinanzierungsquote so hoch wird, dass Zins- und Tilgungsdienst eine riskante Geschäftsstrategie oder die Auflösung von Vermögenswerten erzwingen, die für andere Zwecke vorgehalten werden oder den bisherigen Zuschnitt des Handelsgewerbes charakterisieren. Erst recht gilt dies, wenn die Schuldenlast existenzgefährdend wird.

5. Die Interessen des Kommanditisten werden durch das Einsichtsrecht nach § 166 Abs. 1 HGB dann nicht hinreichend gewahrt, wenn die Unterlagen der Gesellschaft keine ausreichenden Informationen enthalten oder die Einsicht durch die Gesellschaft verweigert wird. Die Verweigerung des Prüfungsrechts kann deshalb einen wichtigen Grund darstellen (Anschluss OLG München, Beschluss vom 9. August 2010 – 31 Wx 2/10).

OLG Jena, Urteil vom 29.03.2023 – 2 U 834/18

Untersagung des Vollzugs von Kauf- und Pachtverträgen eines Landwirtschaftsbetriebs I Untersagung des Abschlusses von Kaufverträgen

OLG Jena, Urteil vom 22.03.2023 – 2 U 948/21

Aktiengesellschaft I Anfechtung Hauptversammlungsbeschluss I Eigene Aktien I Einziehung der eigenen Aktien sei in § 237 AktG

OLG Jena, Urteil vom 22.03.2023 – 2 U 492/17

Gesellschafterstreit I Einziehung von Geschäftsanteilen I wichtiger Grund I Beschlussmängelstreitigkeiten I Anfechtungsklage I Nichtigkeitsklage I Anfechtungsfrist I Teilnahmerecht I Versammlungsleiter

OLG Jena, Beschluss vom 22.12.2022 – 7 W 216/22

Haftung wegen Verletzung der Steuerberaterpflichten I fehlerhaft erstellte Jahresabschlüsse I Fortführungswert I Liquidationswert

Thüringer OLG, Beschluss vom 05.01.2022 – 2 W 135/19

Spruchverfahren I Berechnung eines Barabfindungsanspruchs von Minderheitsaktionären

1. Bei einem werbenden Unternehmen ist die Ertragswertmethode eine grundsätzlich geeignete Methode zur Ermittlung des Unternehmenswerts (vgl. BGH, Beschluss vom 29. September 2015, II ZB 23/14).

2. Nach der Systematik des in der Betriebswirtschaftslehre und in der gerichtlichen Bewertungspraxis anerkannten IDW S1 ergibt sich der Unternehmenswert grundsätzlich aus den finanziellen Überschüssen, die bei Fortführung des Unternehmens und Veräußerung nicht betriebsnotwendigen Vermögens erwirtschaftet werden.

3. Ein im Jahr 2012 nicht vorhergesehener Gewinneinbruch kann bei einer Unternehmensbewertung auf den Stichtag 4.11.2011 nicht mehr berücksichtigt werden.

4. Es obliegt weder dem Gericht noch der Gesellschaft, umfassende Studien zur Ermittlung der Marktrisikoprämie als einer ohnehin nicht zweifelsfrei ermittelbaren Größe in Auftrag zu geben; stattdessen kann der Empfehlung des Fachausschusses für Unternehmensbewertung und Betriebswirtschaft (FAUB) gefolgt werden.

5. Es ist anerkannt, dass der relevante Betafaktor anhand einer Peergroup geschätzt werden kann, sofern der eigene Wert der Gesellschaft nicht aussagekräftig ist.

6. Geht man davon aus, dass nicht notwendiges Vermögen an die Aktionäre ausgeschüttet wird, fällt darauf Steuer an, die auch bei der Bewertung zu berücksichtigen ist.

Thüringer Oberlandesgericht, Urteil vom 25.08.2021 – 2 U 89/17

Es reicht für die Bejahung der Sittenwidrigkeit nicht aus, wenn die Veräußerung der Grundstücke und die mit ihr verbundene Umgestaltung der Beklagen von einer Landwirtschaft betreibenden Gesellschaft in eine reine Vermögensverwaltungsgesellschaft zur Umgehung der Verpflichtung aus der Gewinnabführungsabrede erfolgt ist.

Thüringer OLG, Beschluss vom 10.08.2021 – 1 OLG 121 SsRs 30/21

Bußgeld wegen der Verletzung von Aufenthaltsbeschränkungen nach der Dritten Thüringer Verordnung über erforderliche Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 vom 23.04.2020 (3. ThürSARS-CoV-2-EindmaßnVO) ist rechtswidrig