Ausgewählte Entscheidungen

Entscheidungen zum Steuerrecht

BFH, Urteil vom 10. November 2022 – IV R 8/19

Zur Einlage i.S. des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG

1. Ein Kommanditist kann sein Verlustausgleichsvolumen i.S. des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG auch durch die Erbringung einer freiwilligen Einlage erhöhen.

2. Eine derartige freiwillige Einlage ist allerdings nur dann gegeben, wenn sie gesellschaftsrechtlich, insbesondere nach dem Gesellschaftsvertrag, zulässig ist. Dementsprechend führt die Buchung einer freiwillig vom Kommanditisten erbrachten Einlage auf einem variablen Eigenkapitalkonto nur dann zu einer Erhöhung des Verlustausgleichsvolumens, wenn es sich um eine gesellschaftsrechtlich zulässige Einlage in das Gesamthandsvermögen der Gesellschaft handelt.

Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 8. November 2022 – 8 K 8111/21

Nach § 8 Abs. 3 Satz 3 KStG erhöhen verdeckte Einlagen grundsätzlich nicht das Einkommen. Eine verdeckte Einlage erhöht ausnahmsweise dann das Einkommen, wenn eine vGA das Einkommen des Gesellschafters gemindert hat (§ 8 Abs. 3 Satz 4 KStG) oder wenn die verdeckte Einlage auf einer verdeckten Gewinnausschüttung einer dem Gesellschafter nahe stehenden Person beruht und bei der Besteuerung nicht berücksichtigt wurde, es sei denn, die vGA hat bei der leistenden Körperschaft das Einkommen nicht gemindert (§ 8 Abs. 3 Satz 5 KStG).

BFH, Urteil vom 28. September 2022 – II R 13/20

Welches Unternehmen „herrschendes Unternehmen“ und welche Gesellschaft „abhängige Gesellschaft“ i.S. des § 6a GrEStG ist, richtet sich nach dem jeweiligen Umwandlungsvorgang, für den die Steuer nach § 6a Satz 1 GrEStG nicht erhoben werden soll. Unerheblich ist, ob bei mehrstufigen Beteiligungen das herrschende Unternehmen selbst von einem oder weiteren Unternehmen abhängig ist.

BFH, Urteil vom 28. September 2022 – VIII R 20/20

Steuerliche Behandlung eines punktuell satzungsdurchbrechenden inkongruenten Vorabgewinnausschüttungsbeschlusses

1. Ein punktuell satzungsdurchbrechender Beschluss über eine inkongruente Vorabausschüttung, der von der Gesellschafterversammlung einstimmig gefasst worden ist und von keinem Gesellschafter angefochten werden kann, ist als zivilrechtlich wirksamer Ausschüttungsbeschluss der Besteuerung zugrunde zu legen (entgegen BMF-Schreiben vom 17.12.2013, BStBl I 2014, 63).

2. Ein Gesellschafter, an den nach einem solchen Beschluss kein Gewinn verteilt wird, verwirklicht den Tatbestand der Einkünfteerzielung gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG nicht.

3. Ob eine inkongruente Vorabgewinnausschüttung nach § 42 AO gestaltungsmissbräuchlich ist, ist bei zivilrechtlich wirksamen punktuell satzungsdurchbrechenden Beschlüssen nach denselben Maßstäben zu beurteilen, die für satzungsgemäße inkongruente Ausschüttungen gelten.

BFH, Urteil vom 28. September 2022 – II R 13/20

Bestimmung des herrschenden Unternehmens i.S. des § 6a GrEStG bei mehrstufigen Beteiligungen

Welches Unternehmen „herrschendes Unternehmen“ und welche Gesellschaft „abhängige Gesellschaft“ i.S. des § 6a GrEStG ist, richtet sich nach dem jeweiligen Umwandlungsvorgang, für den die Steuer nach § 6a Satz 1 GrEStG nicht erhoben werden soll. Unerheblich ist, ob bei mehrstufigen Beteiligungen das herrschende Unternehmen selbst von einem oder weiteren Unternehmen abhängig ist.

FG Nürnberg, Urteil vom 19. Juli 2022 – 1 K 1489/20

Verdeckte Gewinnausschüttung bei Gewinn- und Umsatztantiemen an Vorstand einer Aktiengesellschaft

BFH, Urteil vom 13. Juli 2022 – I R 42/18

Auslegung eines Gewinnabführungsvertrags I Zur Frage der steuerlichen Rückwirkung eines notariellen Nachtragsvermerks nach § 44a Abs. 2 Satz 1 BeurkG

1. Gewinnabführungsverträge sind nach objektiven Gesichtspunkten einheitlich aus sich heraus auszulegen. Umstände, für die sich keine ausreichenden Anhaltspunkte im Vertrag finden, können zur Auslegung grundsätzlich nicht herangezogen werden (Bestätigung der Rechtsprechung).

2. Die Korrektur einer Unstimmigkeit in einem Gewinnabführungsvertrag durch einen notariellen Nachtragsvermerk nach § 44a Abs. 2 Satz 1 BeurkG entfaltet jedenfalls dann keine steuerliche Rückwirkung, wenn sich der tatsächlich gewollte Vertragsinhalt nicht objektiv aus den Vertragsregelungen heraus ergibt und unklar ist, wie eine mögliche Lücke in der Vertragsurkunde zu füllen ist.

BFH, Urteil vom 30.Juni 2022 – IV R 19/18

Bewertung der Einlage einer GmbH-Beteiligung bei Ausschüttungen aus dem steuerlichen Einlagekonto

1. Die Einlage eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft ist mit den Anschaffungskosten zu bewerten, wenn der Steuerpflichtige an der Gesellschaft im Zeitpunkt der Einlage wesentlich i.S.v. § 17 EStG beteiligt ist (Bestätigung des BFH-Urteils v. 5.6.2008 – IV R 73/05, BFHE 222, 277 = BStBl. II 2008, 965 = GmbHR 2008, 1276 = FR 2009, 339).

2. Bei der Bewertung ist auch der Wertzuwachs zu erfassen, der sich im Privatvermögen zu einer Zeit gebildet hat, als der Anteilsinhaber noch nicht wesentlich beteiligt war.

3. Ausschüttungen einer Kapitalgesellschaft aus dem steuerlichen Einlagekonto sind bei dem gewerblich tätigen Gesellschafter im Rahmen des Betriebsvermögensvergleichs erfolgswirksam zu erfassen, soweit sie die Anschaffungskosten der Beteiligung übersteigen.

FG Münster, Beschluss vom 3. Mai 2022 – 8 V 246/22 GrE

Anwendbarkeit von § 6a GrEStG auf die Ausgliederung eines Einzelunternehmens auf eine neu gegründete GmbH I Hinreichende Bestimmtheit eines Grunderwerbsteuerbescheids

1. Auf welchen Lebenssachverhalt ein Bescheid Bezug nimmt und diesen damit zum Regelungsgegenstand macht, ist durch Auslegung unter Berücksichtigung der Auslegungsregeln der §§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs festzustellen. Entscheidend sind der erklärte Wille der Behörde und der sich daraus ergebende objektive Erklärungsinhalt der Regelung, wie ihn der Betroffene nach den ihm bekannten Umständen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte.

2. Die Ausgliederung eines Einzelunternehmens auf eine Kapitalgesellschaft zur Neugründung ist vom Wortlaut des § 6a Satz 1 GrEStG i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 2 UmwG erfasst.

3. Die Anwendung des § 6a GrEStG ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil der spätere Alleingesellschafter der Kapitalgesellschaft als Einzelunternehmer beteiligt ist. (Herrschendes) „Unternehmen“ meint im Rahmen des § 6a GrEStG alle Rechtsträger, die wirtschaftlich tätig sind, unabhängig von der Rechtsform.

4. Für die Anwendung des § 6a GrEStG muss die Beteiligung an den abhängigen Gesellschaften auch nicht im Betriebsvermögen gehalten werden.

BFH, Urteil vom 5. April 2022 – IX R 19/20

Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen des Privatvermögens I Kein Veräußerungsverlust wegen Ansatzes des gemeinen Werts der Anteile bei Absenkung der Wesentlichkeitsschwelle

1. Eigene Anteile der Kapitalgesellschaft sind bei der Bestimmung der relevanten Beteiligungsquote i.S. des § 17 EStG nicht zu berücksichtigen (Bestätigung von BFH-Urteil vom 25.11.1997 – VIII R 36/96, BFH/NV 1998, 691).

2. Bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns i.S. des § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG ist von den tatsächlichen Anschaffungskosten auszugehen; der Ansatz des gemeinen Werts der Beteiligung im Zeitpunkt des Erreichens der Relevanzschwelle kommt nicht in Betracht (vgl. ständige Rechtsprechung).(Rn.17) (Rn.18) Dies gilt auch für § 17 EStG in der seit 1999 geltenden Fassung.

3. Verfassungsrechtlich gebotener Vertrauensschutz nach Maßgabe des BVerfG-Beschlusses vom 07.07.2010 – 2 BvR 748/05, 2 BvR 753/05, 2 BvR 1738/05 (BVerfGE 127, 61, BStBl II 2011, 86) setzt u.a. voraus, dass die bis zum 31.03.1999 entstandenen Wertsteigerungen im Falle einer Veräußerung nach dem 31.03.1999 auch im Zeitpunkt der Veräußerung nach der bis zum 31.03.1999 geltenden Rechtslage steuerfrei hätten realisiert werden können.(Rn.27) Ist das nicht der Fall, beruht die rückwirkende Verstrickung der Wertsteigerungen nicht auf der (dem Gesetzgeber zurechenbaren) Absenkung der Wesentlichkeitsschwelle, sondern –wie hier– auf dem (der Sphäre des Steuerpflichtigen zurechenbaren) Hineinwachsen in die Wesentlichkeit; Vertrauensschutz ist insoweit nicht geboten.

4. Ist verfassungsrechtlicher Vertrauensschutz geboten, werden die bis zum 31.03.1999 entstandenen Wertsteigerungen vom steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn abgezogen und insoweit von der Besteuerung ausgenommen. Gegebenenfalls wird der Veräußerungsgewinn bis auf Null gemindert.

5. Verluste, die sich ergeben, wenn der gemeine Wert der Anteile am 31.03.1999 dem Veräußerungserlös gegenübergestellt wird, sind nicht steuerbar.