Zur Klagebefugnis und Ausgleichsansprüchen der Minderheitsaktionären im Zusammenhang mit dem Ausschluss von Minderheitsaktionären (Squezze-out)

Urteile des BGH vom 22.03.2011, Az. II ZR 229/09, und vom 19.04.2011, Az. II ZR 237/09, II ZR 244/09

I. Der BGH hat in o. g. Urteilen folgende Leitsätze formuliert:

1. Der Aktionär, der sich mit der Beschlussmängelklage gegen einen Übertragungsbeschluss wendet, ist auch dann klagebefugt, wenn die Aktien vor der Zustellung der Klage durch Eintragung des Beschlusses in das Handelsregister auf den Hauptaktionär übergegangen sind.

2. Ein Übertragungsverlangen ist nur wirksam, wenn dem Hauptaktionär Aktien in Höhe von 95 vom Hundert des Grundkapitals in dem Zeitpunkt gehören, in dem das Verlangen dem Vorstand der Gesellschaft zugeht.

3. Ein Minderheitsaktionär hat weder ganz noch teilweise einen Anspruch auf Zahlung des festen Ausgleichs für ein Geschäftsjahr, wenn der Beschluss, die Aktien der Minderheitsaktionäre auf den Hauptaktionär zu übertragen, vor dem Entstehen des Anspruchs auf die Ausgleichszahlung in das Handelsregister eingetragen wird.

4. Der Anspruch auf die Zahlung des jährlichen festen Ausgleichs entsteht als regelmäßig wiederkehrender Anspruch jedes Jahr mit dem Ende der auf ein Geschäftsjahr folgenden ordentlichen Hauptversammlung der abhängigen Gesellschaft neu, soweit im Beherrschungs- und GewinnabführungsvertragBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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zugunsten der außenstehenden Aktionäre nichts anderes vereinbart ist.

II. Den Urteilen lag folgender Sachverhalt zu Grunde:

Auf der Hauptversammlung der beklagten Aktiengesellschaft wurde die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre auf die Hauptaktionärin beschlossen. Hiergegen haben die Minderheitsaktionäre fristgerecht (innerhalb eines Monats) Klage beim zuständigen Landgericht erhoben. Noch vor Zustellung der Klagen beim Aufsichtsrat und Vorstand der Aktiengesellschaft wurde der Übertragungsbeschluss ins Handelsregister eingetragen. Das Berufungsgericht hat die Klagen abgewiesen.

Zwischen der Aktiengesellschaft und dem beklagten Hauptaktionär bestand ein Beherrschungs- und GewinnabführungsvertragBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, wonach der Hauptaktionär den Minderheitsaktionären eine Ausgleichszahlung schuldete, die jeweils am Tag nach der ordentlichen Hauptversammlung der Aktiengesellschaft für das abgelaufene Geschäftsjahr fällig sein sollte. Dieser Ausgleich verminderte sich für das Geschäftsjahr zeitanteilig, falls der Vertrag während eines Geschäftsjahres der Aktiengesellschaft endete oder der Ausgleich für ein weniger als zwölf Monate dauerndes Geschäftsjahr zu leisten war. Das Geschäftsjahr der Aktiengesellschaft dauerte vom 1. Juli eines Jahres bis zum 30. Juni des Folgejahres.

In einer außerordentlichen Hauptversammlung der Aktiengesellschaft wurde auf Verlangen des Hauptaktionärs beschlossen, die Aktien der übrigen Aktionäre gegen Gewährung einer Barabfindung auf den Hauptaktionär zu übertragen; der Übertragungsbeschluss wurde in das Handelsregister eingetragen und bekannt gemacht. Die nächste ordentliche Hauptversammlung der Aktiengesellschaft für das streitige Geschäftsjahr 2006/2007 fand am 23. Januar 2008 statt.

Der Kläger als Minderheitsaktionär verlangt mit der Klage den Ausgleich für das Geschäftsjahr 2006/2007; das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen.

III. Der BGH hat ausgeführt:

1. Zur Klage-/Anfechtungsbefugnis der Minderheitsaktionäre

a) Die Anfechtungsklage nach § 245 Nr. 1 bis 3 AktG kann ebenso wie die aktienrechtliche Nichtigkeitsklage (§ 249 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 AktG) nur von einem Aktionär erhoben werden. Der Kläger muss zum Zeitpunkt der Klageerhebung (§ 261 ZPO) durch Zustellung einer Beschlussmängelklage (§ 253 Abs. 1 ZPO) noch Aktionär sein (Hüffer, AktG, 9. Aufl., § 245 Rn. 7; MünchKommAktG/Hüffer, 3. Aufl., § 245 Rn. 26; K. Schmidt in Großkomm. AktG, 4. Aufl., § 245 Rn. 17).

b) Mit der Eintragung des Übertragungsbeschlusses in das Handelsregister verliert ein Minderheitsaktionär seine Stellung als Aktionär, weil die Aktien auf den Hauptaktionär übergehen (§ 327e Abs. 3 Satz 1 AktG); daher verliert ein Minderheitsaktionär auch grundsätzlich mit der Eintragung des Übertragungsbeschlusses seine Befugnis, Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage gegen Hauptversammlungsbeschlüsse zu erheben.

c) Durch den Übergang der Aktien verliert der Aktionär aber nicht die Befugnis, gegen den Übertragungsbeschluss selbst vorzugehen (Schwab in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl., § 245 Rn. 28; Singhof in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 327e Rn. 10; Heidel, AktG, 3. Aufl., § 245 Rn. 6; aA Hüffer, AktG, 9. Aufl., § 245 Rn. 7; Schnorbus in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl., § 327f Rn. 3; MünchKommAktG/Grunewald, 3. Aufl., § 327e Rn. 14; Goette, Festschrift K. Schmidt, 2009, S. 469, 474). Um den Minderheitsaktionär nicht rechtlos gegen die zwangsweise Übertragung seiner Aktien zu stellen, ist seine Mitgliedschaft in der beklagten Aktiengesellschaft, deren Erhaltung letztlich das Ziel der Klage ist, für diese Klage als fortbestehend anzusehen. Damit wird der vom Gesetzgeber vorgesehenen, verfassungsrechtlich gebotenen Rechtsschutzmöglichkeit gegen den von der Hauptversammlung gefassten Übertragungsbeschluss Geltung verschafft (BVerfG, ZIP 2010, 571 Rn. 25).

Bei einem Erfolg ihrer Klagen haben die Minderheitsaktionäre einen Anspruch auf Wiedereinräumung ihrer Mitgliedschaftsrechte und Rückübertragung der Aktien durch den Hauptaktionär (Habersack in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl., § 372e Rn. 8; Schnorbus in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl., § 327e Rn. 33; Singhof in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 327e Rn. 11; Fleischer in Großkomm. AktG, 4. Aufl., § 327f Rn. 23; aA Goette, Festschrift K. Schmidt, 2009, S. 469, 483; Paschos/Johannsen-Roth, NZG 2006, 327, 331; K. Schmidt, AG 2004, 299, 303); ein automatischer Rückfall scheidet hingegen mit Rücksicht auf den Schutz von Dritten im Hinblick auf die im Handelsregister verlautbarte Rechtslage aus.

2. Zur rechtzeitigen Geltendmachung von Beschlussmängeln

a) Die Gründe, auf welche die Anfechtung gestützt wird, müssen in ihrem wesentlichen tatsächlichen Kern innerhalb der Anfechtungsfrist in den Rechtsstreit eingeführt werden. Geschieht das erst nach Ablauf der Anfechtungsfrist, kommt dies einer verspäteten Klage gleich (BGH, Urteil vom 9. November 1992 – II ZR 230/91, BGHZ 120, 141, 157; Urteil vom 24. April 2006 – II ZR 30/05, BGHZ 167, 204, 211; Urteil vom 16. Februar 2009 – II ZR 185/07, BGHZ 180, 9 Rn. 34 – Kirch/Deutsche Bank; Beschluss vom 7. Dezember 2009 – II ZR 63/08, ZIP 2010, 879 Rn. 3).

b) (Verbleibende) Kläger können sich nicht auf Anfechtungsgründe stützen, die zuvor nur (!) von anderen Klägern geltend gemacht wurden, deren Klagen jedoch zwischenzeitlich mangels Anfechtungsbefugnis abgewiesen worden sind. Wenn ein Kläger aus dem Verfahren ausgeschieden ist, können die nur von ihm vorgetragenen Anfechtungsgründe den verbliebenen Klägern nicht mehr zugute kommen, weil dies auf ein Nachschieben von Anfechtungsgründen hinausliefe, das gerade verhindert werden soll (BGH, Urteil vom 27. März 2009 – V ZR 196/08, NJW 2009, 2132 Rn. 22 zu § 48 WEG). Einem anfechtungsbefugten Kläger kommt der rechtzeitig vorgetragene Anfechtungsgrund seines notwendigen Streitgenossen zwar zugute, soweit die Entscheidung aus prozessrechtlichen Gründen (§ 248 Abs. 1 AktG) für alle Aktionäre nur einheitlich ausfallen kann (BGH, Urteil vom 16. Februar 2009 – II ZR 185/07, BGHZ 180, 9 Rn. 17 und 55 – Kirch/Deutsche Bank; Urteil vom 16. März 2009 – II ZR 302/06, BGHZ 180, 154 Rn. 20 – Wertpapierdarlehen; Urteil vom 5. April 1993 – II ZR 238/91, BGHZ 122, 211, 240). Ein gemeinsames Prozessrechtsverhältnis besteht aber nicht, wenn einzelnen Klägern die Anfechtungsbefugnis fehlt. Dann ist auch keine einheitliche Entscheidung erforderlich (vgl. BGH, Urteil vom 8. Februar 2011 – II ZR 206/08, z.V.b.; Urteil vom 16. März 2009 – II ZR 302/06, BGHZ 180, 154 Rn. 19 – Wertpapierdarlehen; Urteil vom 16. Februar 2009 – II ZR 185/07, BGHZ 180, 9 Rn. 55 – Kirch/Deutsche Bank).

3. Zu den Informationspflichten beim Squeeze-out und den Rechtsfolgen bei Verstößen; Heilungswirkung von Bestätigungsbeschlüssen

a) Entgegen der Auffassung des Landgerichts waren die nach § 327c Abs. 3 Nr. 1 bis 4 AktG auszulegenden Unterlagen nicht am Satzungssitz (§ 5 AktG) der Beklagten in Köln auszulegen, sondern es genügte die Auslage entsprechend der Angabe in der Einberufung in den Geschäftsräumen der Verwaltung in Hamburg. Die Unterlagen können auch nur in einem Geschäftsraum an dem Ort, an dem sich die Verwaltung der Gesellschaft befindet, ausgelegt werden (Hüffer, AktG, 9. Aufl., § 175 Rn. 5; Schnorbus in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl., § 327c Rn. 26; Veil in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 293f Rn. 5; MünchKommAktG/Grunewald, 3. Aufl., § 327c Rn. 16; Fleischer in Großkomm. AktG, 4. Aufl., § 327c Rn. 54; Hasselbach in KK-WpÜG, 2. Aufl., § 327c AktG Rn. 68; aA Singhof in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 327c Rn. 11; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl., § 293f Rn. 4). § 327c Abs. 3 AktG und ähnliche Vorschriften (§ 52 Abs. 2 Satz 2, § 175 Abs. 2 Satz 1, § 179a Abs. 2 Satz 1, § 293f Abs. 1, § 319 Abs. 3 Satz 1, § 320 Abs. 4 Satz 1 AktG) machen keine Vorgaben zum Ort des Geschäftsraums, an dem die Unterlagen auszulegen sind, insbesondere schreiben sie nicht vor, dass Unterlagen am rechtlichen Sitz (§ 5 AktG) ausgelegt werden müssen. Dort muss die Gesellschaft auch keine Geschäftsräume unterhalten. Entscheidend ist, dass die Unterlagen an einem Ort ausliegen, der für die an einer Einsicht interessierten Aktionäre leicht zugänglich ist. Dazu eignet sich in der Regel am besten der Sitz der Hauptverwaltung.

b) Die vom Landgericht angenommenen Informationsmängel – unzureichende Auskunft zur Auslage der Unterlagen in Hamburg und zum Zeitpunkt der Übermittlung der Einladung zur Hauptversammlung an den Bundesanzeiger – können die Anfechtung des Übertragungsbeschlusses nicht mehr begründen, weil die Beklagte einen Bestätigungsbeschluss gefasst hat. Die Anfechtung kann nicht mehr geltend gemacht werden, wenn ein anfechtbarer Beschluss durch einen neuen Beschluss bestätigt und dieser Beschluss innerhalb der Anfechtungsfrist nicht angefochten ist (§ 244 Satz 1 AktG).

Dass die Minderheitsaktionäre den Bestätigungsbeschluss nicht anfechten konnten, weil sie nach der Eintragung des Übertragungsbeschlusses keine Aktionäre mehr waren, steht der Wirksamkeit des Bestätigungsbeschlusses nicht entgegen. Der Bestätigungsbeschluss muss nicht von denselben Aktionären gefasst werden, die den Ausgangsbeschluss gefasst haben, sondern ist von der Hauptversammlung der Gesellschaft in der jeweiligen Zusammensetzung zu fassen.

c) Die Beschlussmängelklage gegen den Übertragungsbeschluss führt auch nicht dazu, dass die Minderheitsaktionäre in Bezug auf den Bestätigungsbeschluss noch als Aktionäre zu behandeln sind. Die Übertragung ist aufgrund der Eintragung des Beschlusses jedenfalls zunächst wirksam. Sie müssen hinsichtlich des Bestätigungsbeschlusses auch nicht als Aktionäre behandelt werden, um der verfassungsrechtlich gebotenen Rechtsschutzmöglichkeit gegen den von der Hauptversammlung gefassten Übertragungsbeschluss Geltung zu verschaffen. Die Minderheitsaktionäre können aufgrund des Bestätigungsbeschlusses nur zur Anfechtung führende Verfahrensfehler des Übertragungsbeschlusses nicht mehr erfolgreich geltend machen. Inhaltliche Mängel des Übertragungsbeschlusses können durch einen Bestätigungsbeschluss nicht geheilt werden (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2003 – II ZR 141/01, BGHZ 157, 206, 210; Urteil vom 12. Dezember 2005 – II ZR 253/03, ZIP 2006, 227 Rn. 18; Beschluss vom 21. Juli 2008 – II ZR 1/07, ZIP 2009, 913 Rn. 10). Die Möglichkeit der Heilung von Verfahrensfehlern beeinträchtigt die Rechtsschutzmöglichkeiten nicht unzumutbar. Die Hauptversammlungsmehrheit kann der auf die Rüge von Verfahrensmängeln gestützten Anfechtung immer, unabhängig von der Übertragung der Aktien, durch einen fehlerfreien Bestätigungsbeschluss die Grundlage entziehen (§ 244 Satz 1 AktG), soweit es sich um behebbare Mängel handelt. Weiter, als dass diese Fehler beseitigt werden, kann das Interesse des Aktionärs nicht gehen (vgl. BGH, Urteil vom 15. Dezember 2003 – II ZR 194/01, BGHZ 157, 206, 211).

Der Wirksamkeit des Bestätigungsbeschlusses steht es auch nicht entgegen, wenn die Hauptaktionärin – wie von den Klägern behauptet – unzureichende Mitteilungen nach §§ 21 ff. WpHG gemacht hat, deshalb gemäß § 28 Satz 1 WpHG kein Stimmrecht hatte und dies auch zum Zeitpunkt des Bestätigungsbeschlusses noch der Fall gewesen sein sollte. Ein Hauptversammlungsbeschluss, der unter Mitwirkung eines nicht stimmberechtigten Aktionärs gefasst worden ist, ist nicht nichtig, sondern lediglich wegen Gesetzesverletzung nach § 243 Abs. 1 AktG anfechtbar (BGH, Urteil vom 24. April 2006 – II ZR 30/05, BGHZ 167, 204 Rn. 26).

4. Zu den Voraussetzungen des Übertragungsverfahrens

a) Ein Übertragungsverlangen ist nur wirksam, wenn dem Hauptaktionär Aktien in Höhe von 95 vom Hundert des Grundkapitals in dem Zeitpunkt gehören, in dem das Verlangen dem Vorstand der Gesellschaft zugeht (OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Düsseldorf
, NZG 2004, 328, 331; OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Köln
, Der Konzern 2004, 30, 32; OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Düsseldorf
, AG 2009, 535, 536; Habersack in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl., § 327a AktG Rn. 18; Hasselbach in KK-WpÜG, 2. Aufl., § 327a AktG Rn. 58; Holzborn/Müller in Bürgers/Körber, AktG, § 327a Rn. 12; Grzimek in Geibel/Süßmann, WpÜG, 2. Aufl., § 327a AktG Rn. 50; Koppensteiner in KK-AktG, 3. Aufl., § 327a Rn. 11). Es genügt nicht, wenn der erforderliche Aktienbesitz erst alsbald danach bei der Einberufung (so Singhof in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 327a AktG Rn. 18) oder bei der Beschlussfassung der Hauptversammlung (so MünchKommAktG/Grunewald, 3. Aufl., § 327a Rn. 10) erreicht ist. Nach dem Wortlaut von § 327a Abs. 1 Satz 1 AktG müssen dem Hauptaktionär in dem Zeitpunkt, in dem das Verlangen wirksam wird (§ 78 Abs. 2 Satz 2 AktG), Aktien in Höhe von 95 vom Hundert gehören. Auch dem Zweck der Vorschrift genügt es nicht, wenn erst am Tag der Hauptversammlung der erforderliche Aktienbesitz vorliegt. Der Vorstand ist nur nach dem Übertragungsverlangen eines Aktionärs, dem die erforderliche Anzahl Aktien gehört, zur Einberufung der HauptversammlungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Einberufung der Hauptversammlung
Hauptversammlung
verpflichtet. Wenn er bereits bei einem Verlangen eines Aktionärs, der nur angibt, bis zur Hauptversammlung die erforderliche Mehrheit zu erreichen, die Hauptversammlung einberufen müsste, könnte sich das als überflüssig erweisen, wenn die erstrebte Kapitalmehrheit nicht erworben werden kann. Seiner Pflicht, vor Einberufung das Übertragungsverlangen darauf zu überprüfen, ob die Voraussetzungen der Übertragung auch hinsichtlich der notwendigen Kapitalmehrheit vorliegen (Koppensteiner in KK-AktG, 3. Aufl., § 327a Rn. 19), könnte er ebenfalls nicht sachgerecht nachkommen. Zu einer Überprüfung der Kapitalmehrheit erst in der Hauptversammlung steht dort unter Umständen nicht genügend Zeit zur Verfügung. Schließlich könnte ein den gesetzlichen Anforderungen genügender Bericht des Hauptaktionärs zu den Voraussetzungen der Übertragung, zu denen die erforderliche Kapitalmehrheit gehört (§ 327c Abs. 2 Satz 1 AktG), nicht mit der Einberufung ausgelegt werden (§ 327c Abs. 3 Nr. 3 AktG), wenn noch ungewiss ist, ob die notwendige Zahl von Aktien erworben werden kann.

b) Ein im Fehlen der erforderlichen Kapitalmehrheit begründeter Mangel des Beschlusses konnte durch den am 17. September 2008 gefassten Bestätigungsbeschluss nicht geheilt werden. Dabei kann offenbleiben, ob das Fehlen der erforderlichen Kapitalmehrheit zur Nichtigkeit des Übertragungsbeschlusses nach § 241 Nr. 3 AktG (KG, AG 2010, 166, 168; OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG München
, NZG 2004, 781, 782; OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG München
, NZG 2007, 192, 193; Koppensteiner in KK-AktG, 3. Aufl., § 327a Rn. 13; Habersack in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl., § 327f Rn. 3; Schnorbus in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl., § 327f Rn. 4 m.w.N.) oder nur zur Anfechtbarkeit führt (MünchKommAktG/Grunewald, 3. Aufl., § 327a Rn. 13), weil jedenfalls ein Inhaltsmangel vorliegt. Ein Beschluss, der an einem Inhaltsmangel leidet, kann nicht wirksam bestätigt werden. Voraussetzung für die Bestätigungswirkung nach § 244 Satz 1 AktG ist, dass der Bestätigungsbeschluss die behaupteten oder tatsächlich bestehenden Mängel des Ursprungsbeschlusses beseitigt und seinerseits nicht an Mängeln leidet (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2003 – II ZR 194/01, BGHZ 157, 206, 210; Urteil vom 12. Dezember 2005 – II ZR 253/03, ZIP 2006, 227 Rn. 18; Beschluss vom 21. Juli 2008 – II ZR 1/07, ZIP 2009, 913 Rn. 10). Erst recht können nichtige Beschlüsse nicht bestätigt werden. Wie schon der Wortlaut von § 244 Satz 1 AktG zeigt, können nur an fechtbare Beschlüsse bestätigt werden (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2003 – II ZR 194/01, BGHZ 157, 206, 212; Urteil vom 20. September 2004 – II ZR 288/02, BGHZ 160, 253, 256).

5. Zum Ausgleichsanspruch

a) Dem Kläger steht kein Anspruch auf Ausgleichszahlung mehr zu. Ein Minderheitsaktionär hat weder ganz noch teilweise einen Anspruch auf Zahlung des festen Ausgleichs für ein Geschäftsjahr, wenn der Beschluss, die Aktien der Minderheitsaktionäre auf den Hauptaktionär zu übertragen, vor dem Entstehen des Anspruchs auf die Ausgleichszahlung in das Handelsregister eingetragen wird. Er hat seine Stellung als Aktionär der W. AG verloren, bevor ein Anspruch auf Zahlung des jährlichen Ausgleichs für dieses Geschäftsjahr entstehen konnte. Der Anspruch auf die Zahlung des jährlichen Ausgleichs steht demjenigen zu, der zu dem für die Entstehung eines solchen Anspruchs maßgebenden Zeitpunkt außenstehender AktionärBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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ist.

b) Der Anspruch auf die Zahlung des jährlichen Ausgleichs entsteht als regelmäßig wiederkehrender Anspruch jedes Jahr neu, nicht schon als betagter Anspruch mit der Ausgleichsberechtigung bei der Eintragung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags in das Handelsregister des abhängigen Unternehmens. Mit dem Wirksamwerden des Unternehmensvertrags werden die außenstehenden Aktionäre nur dem Grunde nach zum Ausgleich berechtigt (BGH, Urteil vom 16. September 2002 – II ZR 284/01, BGHZ 152, 29, 31).

Der Anspruch auf die jährliche Ausgleichszahlung entsteht nicht schon mit der Feststellung des JahresabschlussesBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Feststellung des Jahresabschlusses
(aA Heidel/Meilicke, AktG, 3. Aufl., § 304 Rn. 12).

Aus dem Zweck des Ausgleichsanspruchs, den Verlust der mitgliedschaftlichen Vermögensrechte auszugleichen und den Anspruch auf Zahlung der Dividende zu ersetzen, folgt, dass der Anspruch auf Zahlung des jährlichen festen Ausgleichs grundsätzlich mit dem Ende der auf ein Geschäftsjahr folgenden ordentlichen Hauptversammlung der abhängigen Gesellschaft entsteht, soweit im Beherrschungs- und GewinnabführungsvertragBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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zugunsten der außenstehenden Aktionäre nichts anderes vereinbart ist (vgl. OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG München
, ZIP 2007, 582; OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, Urteil vom 18. Dezember 2008 – I-6 U 139/07, juris Rn. 53; OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Köln
, ZIP 2010, 519, 521; Koppensteiner in KK-AktG, 3. Aufl., § 304 Rn. 9; MünchKommAktG/Paulsen, 3. Aufl., § 304 Rn. 108; Hüffer, AktG, 9. Aufl., § 304 Rn. 13; Veil in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 304 Rn. 34; Stephan in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl., § 304 Rn. 35; Tebben, AG 2003, 600, 601; MünchHdbGesR IV/Krieger, 3. Aufl., § 70 Rn. 68; aA Heidel/Meilicke, AktG, 3. Aufl., § 304 Rn. 12; Hasselbach/Hirte in Großkomm. AktG, 4. Aufl., § 304 Rn. 42; Henze, Konzernrecht, Rn. 363; Wackerbarth, EWiR 2010, 377; offengelassen bei OLG HamburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Hamburg
, ZIP 2002, 754, 757; KG, ZIP 2009, 1223, 1227).

Der Dividendenanspruch wäre mit dem Gewinnverwendungsbeschluss der Hauptversammlung (§ 174 Abs. 1 AktG) entstanden (BGH, Urteil vom 12. Januar 1998 – II ZR 82/93, BGHZ 137, 378, 381).

Der Beherrschungs- und GewinnabführungsvertragBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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enthält keine den außenstehenden Aktionären günstigere Bestimmung zur Entstehung des Anspruchs. Danach wird der Ausgleich – entsprechend der allgemein üblichen Praxis für die Dividendenzahlung börsennotierter Gesellschaften (Stephan in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl., § 304 Rn. 35) – jeweils am Tag nach der ordentlichen Hauptversammlung der W. AG für das abgelaufene Geschäftsjahr fällig.

Der Kläger war kein außenstehender AktionärBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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der W. AG mehr, als die auf das Geschäftsjahr 2006/2007 folgende ordentliche Hauptversammlung der W. AG am 23. Januar 2008 stattfand. Der Kläger hatte seine Stellung als Aktionär der W. AG schon zuvor mit der Eintragung des Übertragungsbeschlusses in das Handelsregister verloren. Mit der Eintragung des Übertragungsbeschlusses gingen die Aktien der Minderheitsaktionäre auf die Hauptaktionärin über (§ 327e Abs. 3 Satz 1 AktG).

c) Dem Minderheitsaktionär steht auch kein Anspruch auf Ausgleichszahlung aus Treu und Glauben, aus § 101 Nr. 2 Halbsatz 2 BGB (analog) oder wegen einer „Verzinsungslücke“ zu.

IV. Bewertung

1. Die Entscheidung des BGH (Az. II ZR 229/09) zur Anfechtungsbefugnis bereits ausgeschiedener Minderheitsaktionäre sowie zu den Rechtsfolgen einer verfrühten Eintragung des Übertragungsbeschlusses bei späterer Feststellung der Begründetheit der Anfechtungsklage ist zu begrüßen und wurde auch in der Literatur weitestgehend zustimmend aufgenommen. Entsprechend dem Postulat des BVerfG räumt der BGH dem Rechtsschutzinteresse des Minderheitsaktionärs den Vorrang ein und sorgt durch die angedrohte Rückabwicklung des Übertragungsbeschlusses für eine effiziente Durchsetzung der Minderheitsinteressen.

2. Mit den Ausführungen zur rechtzeitigen Geltendmachung von Beschlussmängeln und zur Möglichkeit und Reichweite der Heilungswirkung von bestätigenden Beschlüssen hat der BGH seine ständige Rechtsprechung aufgegriffen, bestätigt und fortgeführt.

3. Die besondere Bedeutung der Entscheidung liegt in den Ausführungen des BGH zu den auszulegenden Unterlagen, den Informationspflichten sowie zum Zeitpunkt, wann einem Aktionär 95 % der Aktien gehören müssen. Hier hat das Gericht mit seinen Ausführungen für erhebliche Rechtsicherheit im Bereich des aktienrechtlichen Squeeze-out gesorgt.

4. Die gleichlautenden Entscheidungen des BGH (Az. II ZR 229/09 und II ZR 244/09) zum Ausgleichsanspruch des Minderheitsaktionärs haben zu einer höchst umstrittenen Rechtsfrage für Rechtsklarheit gesorgt. Dies ist allerdings auch das einzig Positive, was zu diesen Urteilen angemerkt werden kann.

Die Entscheidung überzeugt inhaltlich nicht, zudem steht sie im Widerspruch zur Rechtsprechung des erkennenden (II.) Senats aus dem Jahr 2007 sowie zu der Rechtsprechung anderer Senate des BGHs und diverser Oberlandesgerichte in vergleichbaren – aber unstreitigen Rechtsfragen. Hinzu kommt, dass der BGH zwar eine Vielzahl von möglichen Zeitpunkten für die Entstehung des Anspruchs in Erwägung zieht (und letztendlich verneint), den Beginn des Geschäftsjahrs (wofür rechtsdogmatisch einige Argumente sprechen) jedoch vollständig aus seiner Betrachtung ausklammert. Für weiterführende Nachweise zur Kritik an diesen BGH-Urteilen verweisen wir neben diversen kritischen Stellung in den einschlägigen Aufsätzen insbesondere auf die Ausführungen von Wackerbarth unter http://blog.fernuni-hagen.de/blawg/2011/06/07/a-foolish-consistency-ausgleichsanspruche-und-squeezeout/.

Somit bleibt festzuhalten, dass das Urteil zumindest der Rechtssicherheit in der Praxis dient.