Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Teilurteil des Landgerichts München I vom 10.07.2024, Az. 14 HK O 10500/23, in Ziffer 3 seines Tenors aufgehoben und wie folgt neu gefasst:
„Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2.500,00 € vorläufig vollstreckbar“.
2. Die Kosten bleiben der Schlussentscheidung vorbehalten.
Gründe
A.
1
Die Parteien streiten um Provisionsansprüche der Klägerin gegen die Beklagte.
2
Die Beklagte, die in ihren Sitz in W., Österreich hat, ist als Handelsvertreterin im Textilbereich tätig.
3
Die Parteien schlossen im Februar 2022 die „Vereinbarung“ laut Anl K 1, aufgrund derer die Klägerin die Gelegenheit erhielt, selbständig und freiwillig Geschäfte mit Kunden für drei in der Vereinbarung näher bezeichneten Lieferanten der Beklagten (darunter die Firmen B. … und C. …) zu vermitteln. Die Vereinbarung laut Anl. K 1 enthielt in Ziffer 1. den Passus: „Eine Pflicht des Vermittlers ist mit dieser Vereinbarung nicht verbunden“. Als Gerichtsstand für Streitigkeiten aus dieser Vereinbarung vereinbarten die Parteien M..
4
Die Klägerin, die ihren Sitz in Ma. hat, vermittelte in der Folge für die Beklagte Geschäfte.
5
Die Klägerin behauptete (soweit für das Berufungsverfahren relevant), dass die Vereinbarung laut Anl. K 1 zwischen den Parteien ein Handelsvertreterverhältnis iSd. §§ 84 ff. HGB begründet habe, sodass die Klägerin gemäß § 87c Abs. 2 HGB gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs habe.
6
Die Klägerin verlangte mit ihrer Klage von der Beklagten bereits bezifferte Provisionen sowie im Wege der Stufenklage die Erteilung eines Buchauszugs und sodann weitere sich aus dem Buchauszug ergebende noch nicht bezifferbare Provisionen.
7
Hilfsweise „für den Fall, dass ein Buchauszug nicht möglich ist“, verlangte die Klägerin eine eidesstattliche VersicherungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
eidesstattliche Versicherung
Versicherung
der Richtigkeit der bisher erteilten Auskünfte der Beklagtenseite.
8
Die Beklagte beantragte
Klageabweisung.
9
Sie erwiderte (soweit für das Berufungsverfahren relevant), dass die Klägerin keine Handelsvertreterin sei. Denn es läge keine dauerhafte Betrauung der Klägerin mit der Vermittlung von Geschäften für die Beklagte vor. Die Klägerin sei nur als Gelegenheitsvermittlerin tätig gewesen. Außerdem fehle es nach der Vereinbarung laut Anl. K 1 an einer Verpflichtung der Klägerin zum Tätigwerden. In Ermangelung eines Handelsvertreterverhältnisses könne die Klägerin auch keinen Buchauszug verlangen.
10
Das Landgericht München I verurteilte mit Teilurteil vom 10.07.2024, Az. 14 HK O 10500/23, die Beklagte, der Klägerin einen Buchauszug zu erteilen, der in klarer und übersichtlicher Form Auskunft gibt über
a. (1) sämtliche Provisionsabrechnungen, die die Beklagte gegenüber der Firma B. …, …, … seit Vertragsbeginn im Zusammenhang mit von der Klägerin vermittelten Geschäften gestellt hat und wann Zahlungen auf die Provisionsabrechnungen geleistet wurden.
11
Der Buchauszug hat für jede Provisionsabrechnung folgende Angaben zu enthalten:
aa) Namen des Unternehmens mit Anschrift bb) Rechnungsdatum, Rechnungsnummer- und Rechnungsbetrag cc) Zahlungsdatum
(2) sämtliche Lieferverträge, die die Firma B. …, …, … seit Vertragsbeginn auf Vermittlung der Klägerin mit Dritten geschlossen hat.
12
Der Buchauszug hat für jeden Liefervertrag folgende Angaben zu enthalten:
aa) Firmennamen des Dritten mit Anschrift
bb) Gegenstand des Liefervertrages
cc) Datum der Lieferung
b. (1) sämtliche Provisionsabrechnungen, die die Beklagte gegenüber der Firma C…., …, …, … (PT) seit Vertragsbeginn im Zusammenhang mit von der Klägerin vermittelten Geschäften gestellt hat und wann Zahlungen auf die Provisionsabrechnungen geleistet wurden.
13
Der Buchauszug hat für jede Provisionsabrechnung folgende Angaben zu enthalten:
aa) Namen des Unternehmens mit Anschrift
bb) Rechnungsdatum, Rechnungsnummer- und Rechnungsbetrag
cc) Zahlungsdatum
(2) sämtliche Lieferverträge, die die Firma seit Vertragsbeginn auf Vermittlung der Klägerin mit C. …, …, …, … (PT) seit Vertragsbeginn auf Vermittlung der Klägerin mit Dritten geschlossen hat.
14
Der Buchauszug hat für jeden Liefervertrag folgende Angaben zu enthalten:
aa) Firmennamen des Dritten mit Anschrift
bb) Gegenstand des Liefervertrages
cc) Datum der Lieferung Ziffer 3 des Tenors des landgerichtlichen Urteils lautete:
15
Das Teilurteil ist vorläufig vollstreckbar.
16
Zur Begründung seiner auf § 711 Nr. 11 ZPO gestützten Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit führte das Landgericht aus, dass die Erstellung des Buchauszugs nur eines geringen Arbeitsaufwands bedürfe, da Gegenstand des Buchauszugs nur Geschäftsbeziehungen der Beklagten zu drei Kunden [sic] im Zeitraum von Februar 2022 bis Frühjahr 2023 mit insgesamt lediglich sieben Rechnungsstellungen seien (LGU S. 8 unten und 9 oben).
17
Im Übrigen wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Teilurteils Bezug genommen.
18
Die Beklagte verfolgt mit ihrer Berufung ihr erstinstanzliches Klageabweisungsziel vollumfänglich weiter.
19
Die Beklagte wendet sich darüber hinaus mit ihrem Antrag auf Vorabentscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit gemäß § 718 Abs. 1 ZPO gegen die Entscheidung des Landgerichts hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit, da kein Fall des § 711 Nr. 11 ZPO gegeben sei.
20
Die Beklagte beantragt daher,
das angefochtene Urteil in seinem Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit abzuändern und das Urteil gegen eine der Höhe nach zu bestimmender Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären.
21
Die Klägerin teilte mit, es möge im Hinblick auf den Antrag auf Vorabentscheidung gemäß § 718 ZPO entschieden werden wie rechtens.
22
Mit Beschluss vom 16.09.2024 (Bl. 24/25 d.A.) ordnete der Senat an, dass gemäß § 718 Abs. 1 S. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung entschieden werde, bestimmte als Zeitpunkt, der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht und bis zu den Schriftsätzen eingereicht werden können, den 07.10.2014 und bestimmte einen Termin zur Verkündung einer Entscheidung.
23
Auf die zwischen den Prozessbevollmächtigten gewechselten Schriftsätze und den übrigen Akteninhalt wird Bezug genommen.
B.
24
I. 1. Der Senat entscheidet gemäß §§ 718 Abs. 1, 128 Abs. 2 S. 2 ZPO im schriftlichen Verfahren vorab über die vorläufige Vollstreckbarkeit. Eine Zustimmung der Parteien zu dieser Entscheidung im schriftlichen Verfahren ist gemäß § 718 Abs. 1 S. 2 2. Hs. ZPO nicht erforderlich, da sich der dortige Verweis nur auf § 128 Abs. 2 S. 2 ZPO, nicht aber (auch) auf § 128 Abs. 2 S. 1 ZPO erstreckt, der das Zustimmungserfordernis enthält.
25
2. Die Entscheidung ergeht nicht – wie nach der alten Rechtslage – durch Teilurteil, sondern durch Beschluss. Der Senat folgt insoweit der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 19/13828, S. 21, ebenso Seiler in Thomas/Putzo, ZPO, 45. Auflage, München 2024, Rdnr. 1b zu § 718 ZPO, Götz in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Auflage, München 2020, Rdnr. 4 zu § 718 ZPO; aA OLG CelleBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Celle
, Teilurteil vom 16.05.2023 – 2 U 37/23, Rdnr. 1, OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Frankfurt
, Teilurteil vom 16.02.2024 – 21 U 65/23, Rdnr. 16, KG, Teilurteil vom 07.05.2024 – 21 U 129/23, Rdnr. 5, Lackmann in Musielak/Voith, ZPO, 21. Auflage, München 2024, Rdnr. 2 zu § 718 ZPO, Herget in Zöller, ZPO, 35. Auflage, Köln 2024, Rdnr. 3 zu § 718 ZPO, Schmidt in Anders/Gehle, ZPO, 82. Auflage, München 2024, Rdnr. 3 zu § 718 ZPO, Ulrici in BeckOK ZPO, 53. Edition, Stand 01.07.2024, Rdnr. 6 zu § 718 ZPO, Kindl in Saenger, Zivilprozessordnung, 10. Auflage, München 2023, Rdnr. 3 zu § 718 ZPO: Teilurteil; Heinze in Stein/Jonas, Kommentar zur Zivilprozessordnung, 23. Auflage, München 2024, Rdnr. 4 zu § 718 ZPO: vorläufiges Teilendurteil), die für eine Entscheidung nach § 718 Abs. 1 ZPO, die ohne mündliche Verhandlung ergeht, ausdrücklich von einer „Entscheidung im Beschlusswege“ spricht. Dies korrespondiert auch mit der Regelung des § 537 Abs. 1 S. 1 ZPO, wonach ein nicht oder nicht unbedingt für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil des ersten Rechtszuges auf Antrag vom Berufungsgericht durch Beschluss für vorläufig vollstreckbar erklärt werden kann. Dies deutet darauf hin, dass Entscheidungen im Berufungsverfahren, durch die der erstinstanzliche Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ohne mündliche Verhandlung abgeändert wird, grundsätzlich in Beschlussform ergehen sollen. Dadurch wird auch nicht – wie Ulrici meint (BeckOK ZPO, 53. Edition, Stand 01.07.2024, Rdnr. 6 zu § 718 ZPO) – § 128 Abs. 4 ZPO „auf den Kopf gestellt“. Denn im Rahmen des § 718 Abs. 1 ZPO gilt die allgemeine Regelung des § 128 Abs. 4 ZPO gar nicht, da § 718 Abs. 1 S. 2 ZPO insoweit die speziellere Regelung darstellt.
26
3. Obwohl die Klägerin hinsichtlich des Antrags der Beklagten auf Abänderung des landgerichtlichen Ausspruchs zur vorläufigen Vollstreckbarkeit nur mitteilte, es möge „entschieden werden wie rechtens“ und damit keinen Antrag stellte, war keine Versäumnisentscheidung zu treffen, sondern kontradiktorisch zu entscheiden. Denn nachdem der Senat entsprechend der Anordnung in seinem Beschluss vom 16.09.2024 im schriftlichen Verfahren entscheidet, kommt der Erlass einer Versäumnisentscheidung nicht in Betracht, da nach § 331 ZPO der Erlass einer Versäumnisentscheidung nur bei säumnis in einem Termin zur mündlichen Verhandlung (§ 331 Abs. 1ZPO) oder bei unterbliebener Verteidigungsanzeige im schriftlichen Vorverfahren (§ 331 Abs. 3 ZPO) möglich ist. Eine analoge Anwendung des § 331 ZPO auf Fälle einer unterbliebenen Antragstellung im schriftlichen Verfahren nach § 718 Abs. 1 S. 2 ZPO ist – wie auch bei Entscheidungen im schriftlichen Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO – aufgrund fehlender Vergleichbarkeit der Sachverhaltskonstellationen nicht geboten (vgl. zur Unzulässigkeit einer Versäumnisentscheidung in schriftlichen Verfahren nach § 128 ZPO Stadler in Musielak/Voit, ZPO, 21. Auflage, München 2024, Rdnr. 20 zu § 128 ZPO, Fritsche in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Auflage, München 2020, Rdnr. 46 zu § 128 ZPO, Kern in Stein/Jonas, Kommentar zur Zivilprozessordnung, 23. Auflage 2016, Rdnr. 93 zu § 128 ZPO, zur fehlenden Vergleichbarkeit der Sachverhaltskonstellationen BVerfG, Beschluss vom 29.03.1993 – 1 BvR 129/93, unter 2).
27
II. Der Antrag auf Vorabentscheidung der Beklagten ist zulässig, insbesondere hat die Beklagte gegen das ihr am 10.07.2024 zugestellte Teilurteil mit Schriftsatz der Beklagtenvertreterin vom 24.07.2024 (Bl. 5 f.) form- und fristgerecht Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz der Beklagtenvertreterin vom 09.09.2024 (Bl. 15 ff.) auch form- und fristgerecht begründet.
28
III. Der Antrag auf Vorabentscheidung ist auch begründet.
29
Das Landgericht hat sein Teilurteil zu Unrecht ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt, da die Voraussetzungen des § 708 Nr. 11 ZPO nicht vorliegen und auch sonst kein Fall des § 708 ZPO gegeben ist. Das Landgericht hätte vielmehr gemäß § 709 S. 1 ZPO sein Teilurteil gegen eine von ihm zu bestimmende Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklären müssen. Denn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache, d.h. die Verpflichtung zur Erteilung eines Buchauszugs, übersteigt 1.250,00 €.
30
Zwar macht die Klägerin die bereits von ihr bezifferten Provisionsansprüche aus insgesamt nur sieben Rechnungen (Anl. K 2 – K 8) geltend, dies bedeutet jedoch nicht, dass sich der Buchauszug ebenfalls nur auf sieben Geschäftsvorgänge beschränkt. Denn Gegenstand des Buchauszugs, zu dessen Erteilung die Beklagte vom Landgericht verurteilt wurde, sind nicht nur die Rechnungen der Klägerin laut Anl. K 2 bis 8, sondern auch die Rechnungen, die die Beklagte ihren beiden streitgegenständlichen Prinzipalen (Firmen O. B. und C. N.) stellte und darüber hinaus sämtliche Lieferverträge, die die beiden streitgegenständlichen Prinzipale auf Vermittlung der Klägerin mit Dritten schlossen.
31
Darüber hinaus wäre der vom Landgericht zu Gunsten der Klägerin ausgeurteilte Buchauszugsanspruch nach § 887 ZPO dadurch zu vollstrecken, dass die Klägerin ermächtigt würde, auf Kosten der Beklagten den Buchauszug durch einen Wirtschaftsprüfer erstellen zu lassen. Unter Annahme eines moderaten Stundensatzes von 150,00 € (vgl. OLG DresdenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Dresden
, Beschluss vom 13.05.2020 – 8 W 277/20, Rdnr. 38, das OLG HammBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Hamm
geht sogar von einem Stundensatz von 220,00 € aus, Beschluss vom 13.10.2022 – I-18 W 20/22, Rdnr. 41) wäre bereits bei 8,5 Stunden der Betrag von 1.250 € überschritten. Dieser Aufwand dürfte aber nach Einschätzung des Senats auch unter Zugrundelegung des tatsächlich nur relativ geringen Umfangs des Buchauszugs ohne weiteres erreicht sein.
32
Der Senat hält daher eine Sicherheitsleistung in Höhe von 2.500,00 € für angezeigt. Insoweit war daher der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit im landgerichtlichen Teilurteil abzuändern.
C.
33
I. Die Kostenentscheidung war der Schlussentscheidung vorzubehalten.
34
II. Einer Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit dieses Beschlusses bedarf es nicht (vgl. Senatsurteil vom 05.06.2019 – 7 U 1844/19, Rdnr. 45).
Schlagworte: Handelsvertreter, Handelsvertretervertrag, Provision, Provisionsabrechnung, Provisionsvereinbarung, Vollstreckung