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BGH, Urteil vom 12. Dezember 2019 -IX ZR 77/19

BGB § 307 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 2 BI, CI

Zu den Anforderungen des Transparenzgebots an die Verständlichkeit einer mit einem Verbraucher als Darlehensgeber formularmäßig vereinbarten Rangrücktrittsklausel.

Tenor

Hinsichtlich der Kostenforderung von 438,46 € nebst Zinsen ist der Rechtsstreit unterbrochen.

Im Übrigen wird das Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck vom 2. Juni 2016 auf die Revision der Klägerin – und unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels – im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Landgericht die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Lübeck vom 19. Mai 2015 hinsichtlich des Anspruchs gegen den damaligen Beklagten F.R.

auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 4.572 € zurückgewiesen hat. Die Klage auf Feststellung gegenüber dem beklagten Insolvenzverwalter, dass die Forderung in Höhe von 4.572€ auf einer vorsätzlich unerlaubten Handlung des Schuldners beruht, wird als unzulässig abgewiesen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

Die D. GmbH & Co. KG, die frühere Beklagte zu1 (nachfolgend: Schuldnerin), über deren Vermögen am 28. März 2014 ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde, befasste sich mit Umweltfragen, insbesondere der finanziellen Vorbereitung von Bauvorhaben zur Erzeugung und Verwertung von erneuerbaren Energien. Komplementärin der Schuldnerin ist die D. Verwaltungs GmbH, deren Geschäftsführer der frühere Beklagte (nachfolgend: Schuldner) ist, über dessen Vermögen während des vorliegenden Revisionsverfahrens am 5. Juli 2016 ebenfalls ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Die finanziellen Mittel zur Verfolgung ihres Unternehmensgegenstandes warb die Schuldnerin, die über keine bankrechtliche Erlaubnis verfügte, auf dem freien Kapitalmarkt mit Hilfe von Nachrangdarlehen ein. Die Klägerin, eine Zahnarzthelferin, gewährte der Schuldnerin am 4. August 2012 ein Nachrangdarlehen über 6.000 €. Vereinbart wurde ein Zinssatz von 7,5 vom Hundert jährlich sowie ein Bonusanspruch auf 150 vom Hundert des gewährten Nachrangdarlehens, auf den die während der Laufzeit des Darlehens gezahlten Zinsen anzurechnen sein sollten. Die Vereinbarung ist mit „Angebot über den Abschluss eines Nachrangdarlehensvertrages“ überschrieben. Auf der ersten Seite findet sich unter „Vorbemerkung“ auszugsweise fo-gender Hinweis:

„Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass es sich hier nicht um ein eigentliches Darlehen handelt, sondern um eine Sonderform, bei der kein unbedingter Rückzahlungsanspruch des Nachrangdarlehensgebers besteht, sondern dieser hinsichtlich Zins- und Rückzahlungsanspruch sowie hinsichtlich des Bonusanspruchs qualifiziert nachrangig ist und es sich insofern um bedingt rückzahlbare Gelder handelt.

Dieses ist in dem Umfang der Fall, in dem es erforderlich ist, eine Krise der Nachrangdarlehensnehmerin insbesondere im Hinblick auf Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung zu vermeiden; insbesondere in dieser Situation sind Rückzahlungsansprüche und Zinsansprüche und Bonusansprüche des Nachrangdarlehensgebers ausgeschlossen; damit ist für den Nachrangdarlehensgeber die Geltendmachung des Anspruchs auf Rückzahlung und auf Zinszahlung und auf Bonus solange und soweit ausgeschlossen, wie sie einen Grund für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Nachrangdarlehensnehmerin herbeiführen würde.

Dies bedeutet insbesondere, dass keine irgendwie geartete Pflicht des Nachrangdarlehensgebers besteht, über die vereinbarten Nachrangdarlehensbeträge hinaus weitere Zahlungen an die Nachrangdarlehensnehmerin zu leisten.

Dem Nachrangdarlehensgeber ist der Umstand bekannt, dass die Rückzahlung des Nachrangdarlehens ebenso wie die Zahlung der Zinsen und des Bonus maßgeblich davon abhängig ist, dass dies die finanzielle Lage der Nachrangdarlehensnehmerin erlaubt.

Das Risiko, den an die Nachrangdarlehensnehmerin gezahlten Nachrangdarlehensbetrag teilweise oder gar ganz nicht zurückzuerhalten, ist dem Nachrangdarlehensgeber ebenso bekannt wie das Risiko, nur einen Teil der Zinsen oder gar keine Zinsen oder nur einen Teilbonus oder gar keinen Bonus zu erhalten.“

Nach der Überschrift „QualifizierterNachrang“ enthält Nr. 5 des Vertra-ges folgende Bestimmung:

„Zwischen der Nachrangdarlehensnehmerin und dem Nachrangdarlehensgeber wird nochmals ausdrücklich hinsichtlich der Rückzahlungs- und Zinsansprüche sowie der Bonusansprüche des Nachrangdarlehensgebers vereinbart, dass diese Ansprüche qualifiziert nachrangig sind und dass es sich jeweils nicht um einen unbedingten Rückzahlungsanspruch handelt, sondern um einen solchen, der von der wirtschaftlichen Entwicklung der Nachrangdarlehensnehmerin abhängt und somit nicht entsteht, wenn eine Krise vorliegt, insbesondere Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit der Nachrangdarlehensnehmerin.

In diesem Fall, wie auch im Falle der Liquidation oder der Insolvenz der Nachrangdarlehensnehmerin tritt der Nachrangdarlehensgeber mit seinen Ansprüchen hinter alle anderen Gläubiger zurück, die nicht nachrangig sind. In diesen Fällen erfolgt die Zahlung immer erst nach Ablösung der nicht nachrangigen Verbindlichkeiten.“

Die Schuldnerin führte das Darlehen gegenüber der Klägerin in Höhe von 1.428 € zurück. Vorliegend hat die Klägerin – soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung – den Schuldner gestützt auf § 823 Abs. 2 BGB, §§ 32, 54 KWG auf Erstattung des Restdarlehensbetrages von 4.572 € sowie Zahlung von weiteren 438, 46 € jeweils zuzüglich Zinsen in Anspruch genommen. Ferner hat sie die Feststellung begehrt, dass der Anspruch auf einer vorsätzlich begangenen deliktischen Handlung beruht.

Das Amtsgericht hat das antragsgemäß gegen den Schuldner ergangene Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit der von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt sie ihr Begehren weiter. Die Klägerin hat nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners die Forderung über 4.572 € zur Tabelle angemeldet. Infolge des Bestreitens durch den Beklagten begehrt sie nunmehr die Feststellung dieser Forderung und der Kostenforderung über 438,46 € zur Tabelle sowie die weitere Feststellung gegen den Beklagten, dass der Schaden auf einer vorsätzlich begangenen deliktischen Handlung beruht.

Entscheidungsgründe

I.

Die Revision ist teilweise begründet und führt insoweit zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Die Klägerin hat das unterbrochene Verfahren im Blick auf die Hauptforderung in Höhe von 4.572 € wirksam aufgenommen.

Das Revisionsverfahren ist mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners gemäß § 240 ZPO unterbrochen worden. Ist – wie hier – in einem Insolvenzverfahren eine Forderung vom Insolvenzverwalter oder von einem Insolvenzgläubiger bestritten worden, so bleibt es gemäß § 179 Abs. 1 InsO dem Gläubiger überlassen, die Feststellung gegen den Bestreitenden zu betreiben. War zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Rechtsstreit über die Forderung anhängig, so ist die Feststellung gemäß § 180 Abs. 2 InsO durch Aufnahme des Rechtsstreits zu betreiben. Die Aufnahme des Rechtsstreits ist auch möglich, wenn der Rechtsstreit zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens in der Revisionsinstanz anhängig war (BGH, Beschluss vom 31. Oktober 2012 -III ZR 204/12, BGHZ 195, 233 Rn. 7f). Der Gläubiger kann den wegen einer Insolvenzforderung geführten und durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners unterbrochenen Rechtsstreit erst aufnehmen, wenn die Forderung im Insolvenzverfahren angemeldet und geprüft worden und bestritten geblieben ist (BGH, Urteil vom 3. Juli 2014 -IX ZR 261/12, NJW-RR2014, 1270 Rn. 9). Dies ist im Streitfall hinsichtlich der Hauptforderung über 4.572 € geschehen. Mit Schriftsatz vom 8. April 2019 hat die Klägerin das Verfahren aufgenommen.

Soweit die Klägerin die Feststellung einer Kostenforderung von 438,46 € beansprucht, fehlt es – worauf der Senat den Prozessbevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat – an der Zulässigkeitsvoraussetzung einer Aufnahme des Rechtsstreits nach einer ordnungsgemäßen Anmeldung. Der Gläubiger kann den wegen einer Insolvenzforderung geführten und durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners unterbrochenen Rechtsstreit erst aufnehmen, wenn die Forderung im Insolvenzverfahren angemeldet und geprüft worden und bestritten geblieben ist (BGH, Urteil vom 3. Juli 2014 -IX ZR 261/12, NJW-RR 2014, 1270 Rn. 10). Dies ist hinsichtlich der Nebenforderung nicht geschehen. Die Anmeldung zur Tabelle ist Sachurteilsvoraussetzung; eine Feststellungsklage ohne Anmeldung ist unzulässig (BGH, Urteil vom 11. Oktober 2018 -IX ZR 217/17, WM 2018, 2099 Rn.14).

II.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt:

Die Klägerin könne sich nicht auf § 823 Abs. 2 BGB, §§ 32, 54 KWG als Anspruchsgrundlage berufen. Ein Verstoß gegen §§ 32, 54 KWG und damit eine Schutzgesetzverletzung sei nicht festzustellen. Es handele sich bei dem zwischen der Klägerin und der Schuldnerin geschlossenen Vertrag nicht um ein erlaubnispflichtiges Bankgeschäft oder eine erlaubnispflichtige Finanzdienstleistung, weil zwischen den Vertragspartnern eine wirksame qualifizierte Nachrangabrede getroffen worden sei.

Die Nachrangabrede sei nicht überraschend (§ 305c Abs. 1 BGB). Bei einer auch nur überschlägigen Lektüre der Allgemeinen Geschäftsbedingungen hätte die Klägerin Klarheit erlangen können, dass es sich nicht um einen üblichen Darlehensvertrag, sondern um die Vereinbarung eines Darlehens mit qualifiziertem Nachrang handele. Dafür spreche die drucktechnisch hervorgehobene Überschrift „Nachrangdarlehensvertrag“ und die Bezeichnung der Vertragspartner als Nachrangdarlehensgeberin und Nachrangdarlehensnehmerin sowie der weitere Vertragstext, der den Begriff der Überschrift aufgreife und fortführe.

Die Klägerin werde durch die Nachrangdarlehensvereinbarung im Rahmen der hier anzustellenden Gesamtbetrachtung nicht unangemessen benachteiligt (§ 307 Abs.1 Satz1 BGB). Es entspreche dem Wesen eines Nachrangdarlehens, dass es vom gesetzlichen Standardmodell des Darlehensvertrages abweiche. Selbst wenn sich die Kontrolle auf das Produktmerkmal des Nachrangs erstrecke, sei festzustellen, dass die Abrede mit einer weit über dem Durchschnitt der am Markt für Kapitalanlagen erzielbaren Rendite korrespondiere. Dem Verlustrisiko hinsichtlich der Darlehensvaluta habe nach den Vereinbarungen eine hohe Gewinnchance gegenübergestanden.

Der Vertrag sei auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Intransparenz (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) unwirksam. Die vertraglichen Bestimmungen wiesen ausgehend von der Überschrift durchgehend daraufhin, dass es sich hier nicht um ein konventionelles Darlehen handele. Zu einer weiteren Erläuterung gängiger Rechtsbegriffe und der daraus folgenden Pflichten sei der Verwender nicht verpflichtet.

III.

Diese Würdigung hält rechtlicher Prüfung in einem Punkt nicht stand.

1.

Die Tabellenfeststellungsklage kann Erfolg haben, soweit die Klägerin ihre Hauptforderung in Höhe von 4.572 € mit der Revision verfolgt. Der Schuldner kann der Klägerin aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 32 Abs. 1 Satz 1, § 54 Abs. 1 Nr. 2 Fall 1, Abs. 2 KWG auf Schadensersatz haften, weil er im Rahmen der mit der Klägerin vereinbarten Darlehen ohne die dafür erforderliche behördliche Erlaubnis Bankgeschäfte in Form der Annahme anderer unbedingt rückzahlbarer Gelder des Publikums gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr.1 Fall 2 KWG betrieben hat.

a) Die Vorschrift des § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG stellt ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB zugunsten des einzelnen Kapitalanlegers dar (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 19. März 2013 -VI ZR 56/12, BGHZ 197, 1 Rn.11; vom 16. Oktober 2018 -VI ZR 459/17, NJW-RR 2019, 170 Rn. 7).

b) Das Vorliegen eines Einlagengeschäfts im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG setzt die Annahme von Geldern voraus. Darunter ist zunächst die tatsächliche Entgegennahme von Bargeld beziehungsweise – bei Buchgeld – die Kontogutschrift zu verstehen (BGH, Urteil vom 19. März 2013, aaO Rn. 18; vom 10. Juli 2018-VI ZR 263/17, NJW-RR 2018, 1250 Rn. 16).

Einlagen und anderen unbedingt rückzahlbaren Geldern des Publikums im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG ist gemein, dass der Kapitalgeber die eingezahlten Gelder bei Fälligkeit ohne zusätzliche Voraussetzung jederzeit wieder zurückfordern kann. Hieran fehlt es, wenn zwischen dem Kapitalgeber und dem Kapitalnehmer eine sogenannte qualifizierte Nachrangabrede des Inhalts getroffen wird, dass die Forderung des Kapitalgebers außerhalb des Insolvenzverfahrens nur aus ungebundenem Vermögen und in der Insolvenz nur im Rang nach den Forderungen sämtlicher normaler Insolvenzgläubiger befriedigt werden darf. Eine solche Abrede steht der Annahme einer Einlage oder anderer unbedingt rückzahlbarer Gelder des Publikums und damit eines Einlagengeschäfts im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG entgegen (BGH, Urteil vom 10. Juli 2018, aaO Rn. 21).

c) Voraussetzung für die entsprechende Wirkung einer qualifizierten Nachrangabrede ist allerdings, dass die Abrede wirksam ist. Denn nur eine wirksame Nachrangabrede kann einem ansonsten unbedingten Auszahlungsanspruch entgegenstehen. Stellt sich die in allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Abrede also etwa als überraschende Klausel iSv § 305c Abs. 1 BGB dar und wurde sie deshalb nicht Vertragsbestandteil oder hält sie der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle nach § 307 BGB nicht stand, steht sie auch der Annahme eines Einlagengeschäfts nicht entgegen (vgl. BGH, aaO Rn. 22).

d) Im Streitfall ist ein der Erlaubnispflicht des § 32 Abs. 1 Satz 1, § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Fall 2 KWG entzogenes qualifiziertes Nachrangdarlehen nicht gegeben. Zwar sehen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Schuldnerin den Abschluss eines qualifizierten, keinen unbedingten Rückzahlungsanspruch begründenden Nachrangdarlehensvertrages vor. Die formularmäßige Abrede ist jedoch unwirksam, weil den Anforderungen des Transparenzgebots (§ 307 Abs. 1 Satz2 BGB) nicht genügt ist. Der Senat kann die Auslegung der verwendeten Geschäftsbedingungen uneingeschränkt überprüfen (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juni 2010 – VIII ZR 294/09, NJW 2010, 2877 Rn. 11; vom 9. April 2014 – VIII ZR 404/12, BGHZ 200, 362 Rn. 25).

aa) Die Nachrangabrede verstößt, weil die Voraussetzungen ihres Anwendungsbereichs nicht klar umrissen sind, gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 2 BGB.

(1) Die Verwendung einer qualifizierten Rangrücktrittsklausel in einem Darlehensvertrag bewirkt eine Wesensänderung der Geldhingabe vom bankgeschäftstypischen Darlehen mit unbedingter Rückzahlungsverpflichtung hin zur unternehmerischen Beteiligung mit einer eigenkapitalähnlichen Haftungsfunktion. Diese Wesensänderung muss für die angesprochenen Verkehrskreise, insbesondere Anleger ohne Erfahrung in Fragen der Unternehmensfinanzierung oder des Insolvenzrechts, hinreichend deutlich zutage treten, um von einer Geldhingabe unter bewusster Inkaufnahme eines unternehmerischen Geschäftsrisikos über das ohnehin bestehende allgemeine Insolvenzausfallrisiko hinaus auszugehen (BaFin-Merkblatt: Hinweise zum Tatbestand des Einlagengeschäfts, Stand: März 2014, NZG 2014, 379, 381).

(2) Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung des Vertragsgegners auch daraus ergeben, dass eine Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet, Rechte und Pflichten seiner Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Der Verwender muss folglich einerseits die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschreiben, dass für ihn keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Der Vertragspartner soll andererseits ohne fremde Hilfe möglichst klar und einfach seine Rechte feststellen können, damit er nicht von deren Durchsetzung abgehalten wird. Dies gilt auch für die Bestimmungen zu den Hauptleistungspflichten (§ 307 Abs. 3 Satz 2 BGB; BGH, Urteil vom 6. Dezember 2018 -IX ZR 143/17, WM 2019, 592 Rn. 35). Angesichts der Verwendung der Darlehensbedingungen gegenüber Verbrauchern sind die Verständnismöglichkeiten des typischerweise bei Verträgen dergeregelten Art zu erwartenden – juristisch unvorgebildeten – Durchschnittskunden maßgeblich (vgl. BGH, Urteil vom 24. November 1988 -III ZR 288/87, BGHZ 106, 42, 49).

(3) In allgemeinen Geschäftsbedingungen gegenüber Verbrauchern ist eine qualifizierte Nachrangvereinbarung nur dann hinreichend transparent, wenn aus ihr die Rangtiefe, die vorinsolvenzliche Durchsetzungssperre, deren Dauer und die Erstreckung auf die Zinsen (vgl. Schmidt, ZIP 2015, 901, 905) klar und unmissverständlich hervorgehen (vgl. Poelzig, WM 2014, 917, 926 f; Gehrlein, WM 2017, 1385, 1387 f). Dies erfordert auch, dass die Voraussetzungen der vorinsolvenzlichen Durchsetzungssperre hinreichend deutlich erläutert werden, insbesondere die Klausel klarstellt, inwieweit die Ansprüche aus dem Darlehen bereits dann nicht mehr durchsetzbar sind, wenn die Gesellschaft zum Zeitpunkt des Leistungsverlangens bereits zahlungsunfähig oder überschuldet ist oder dies zu werden droht (BGH, Urteil vom 6. Dezember 2018 – IX ZR 143/17, BGHZ 220, 280 Rn. 36).

bb) Diesen rechtlichen Anforderungen wird das hier zu beurteilende Klauselwerk nicht gerecht. Der Inhalt der im Zusammenhang mit der Nachrangigkeit des Darlehensrückzahlungsanspruchs verwendeten Vertragsbedingungen war für die Klägerin als bei Verträgen der vorliegenden Art typischerweise zu erwartende Durchschnittskundin nicht hinreichend nachvollziehbar.

(1) Die formularmäßige Einschränkung, wonach die Rückzahlung „maßgeblich“ davon abhängig sein soll, dass „dies die finanzielle Lageder Schuldnerin erlaubt“, lässt nicht erkennen, unter welchen konkreten Voraussetzungen keine Rückzahlung verlangt werden kann. Auch die Anknüpfung an die „Krise“ als Schüsselbegriff der Klauseln für den Ausschluss des Rückzahlungsanspruchs entbehrt der gebotenen Konkretisierung. Welche Sachverhalte mit Krise gemeint sind, wird nicht hinreichend bestimmt erläutert. Die nachfolgende Bezugnahme auf Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung enthält zwar juristische Begriffe bestimmten Inhalts. Sie ist gleichwohl nicht geeignet, die Sachverhalte, unter denen der Nachrang eintritt, hinreichend bestimmt und abschließend zu regeln, weil es sich dabei – wie die einschränkende Wendung „insbesondere“ belegt – nur um eine beispielhafte, nicht abschließende Aufzählung handelt, anhand derer dem Durchschnittskunden nicht erkennbar ist, auf welche Sachverhalte sich die Klausel über die Fälle der Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung hinaus möglicherweise noch erstreckt. Zudem eröffnet die Verknüpfung mit einer nicht näher bestimmten Krise, die es „zu vermeiden“ gilt, Interpretationsspielräume, zu welchem Zeitpunkt die Durchsetzungssperre eingreift.

(2) Soweit die Vorbemerkung und Nr. 5 der Darlehensbedingungen bestimmen, dass Zahlungsansprüche ausgeschlossen sind, solange und soweit sie einen Grund für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin herbeiführen, entbehrt diese Regelung einer hinreichend bestimmten Festlegung der Sachverhalte, die den Nachrang auslösen. Ein solcher allgemeiner Verweis genügt angesichts der unterschiedlichen Insolvenzeröffnungsgründe nicht (BGH, Urteil vom 6. Dezember 2018 – IX ZR 143/17, BGHZ 220, 280 Rn. 41). Die – ohnehin nur im Zusammenhang mit dem Begriff Krise – erfolgte Anknüpfung an Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung genügt schon deshalb nicht, weil die Formulierung „insbesondere“ nahelegt, dass weitere ungenannte Umstände den Nachrang begründen können. Der Begriff eines „qualifiziert nachrangigen „Darlehens, das keinen „unbedingten Rückzahlungsanspruch „begründet, ist den angesprochenen Verkehrskreisen fremd.

(3) Zudem zeigen die Darlehensbedingungen nicht unmissverständlich auf, dass die Nachrangklausel nicht nur nach, sondern auch vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens gilt (vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 2018 -IX ZR 143/17, BGHZ 220, 280 Rn. 40 ff). Einem Durchschnittskunden wird nicht in der gebotenen Klarheit verdeutlicht, dass sein Rückzahlungsanspruch bereits vor Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ausgeschlossen sein kann und der Ausschluss dieser Ansprüche aufgrund der Nachrangklausel dauerhaft für unbegrenzte Zeit wirken kann (vgl. BGH, aaO Rn. 42).

(4) Im Gegenteil wird die Rechtslage unzutreffend dargestellt und das bestehende Risiko verharmlost, soweit die Vorbemerkung hervorhebt, dass der Nachrang „insbesondere“ bedeutet, dass „keine irgendwie geartete Pflicht des Nachrangdarlehensgebers besteht, über die vereinbarten Nachrangdarlehensbeträge hinaus weitere Zahlungen an die Nachrangdarlehensnehmerin zu leisten“. Dieser Hinweis ist geeignet, bei den Adressaten die unzutreffende Schlussfolgerung zu wecken, dass mit der Vergabe des Nachrangdarlehens im Vergleich zu einem üblichen Darlehen keine besonderen Risiken verknüpft sind, weil ebenso wie bei einem üblichen Darlehen eine Nachschusspflicht nicht zu befürchten ist. Sind lediglich keine weiteren Zahlungen geschuldet, tritt eine mit dem Nachrang verbundene besondere Gefährdung des Rückzahlungsanspruchs aus der Sicht eines gutgläubigen Anlegers in den Hintergrund.

cc) Die Tatsache, dass die Vereinbarung des qualifizierten Rangrücktritts unwirksam ist, lässt gemäß § 306 Abs. 1 BGB die Wirksamkeit des Darlehensvertrages im Übrigen unberührt. Etwas Anderes hätte nur dann zu gelten, wenn nach Ausgrenzung der Erfüllungsvereinbarung ein der Auffüllung durch dispositives Recht oder durch ergänzende Vertragsauslegung zugänglicher Rest nicht mehr verbliebe (BGH, Urteil vom 30. Juni 1995 – V ZR 184/94, NJW 1995, 2637, 2638). Diese Gefahr ist hier nicht gegeben. Im Streitfall bestimmt sich die Fälligkeit des Darlehensrückzahlungsanspruchs nach dem sonstigen, beanstandungsfreien Vertragsinhalt sowie der gesetzlichen Regelung des § 490 BGB.

2.

Unzulässig ist – worauf der Senat den Prozessbevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat – das neu gegenüber dem beklagten Insolvenzverwalter verfolgte Feststellungsbegehren, dass die Forderung in Höhe von 4.572 € auf einer vorsätzlich unerlaubten Handlung des Schuldners beruht. Dieser Antrag ist gegen den Schuldner selbst zu richten, wenn dieser gegen den Bestand der Forderung oder beschränkt auf den Rechtsgrund der unerlaubten Handlung Widerspruch einlegt (vgl. BGH, Urteil vom 16. Dezember 2010 – IX ZR 24/10, WM 2011, 271 Rn. 9 mwN), und nicht entsprechend der Verfahrensweise der Klägerin gegen den Insolvenzverwalter. Die Feststellung des Anspruchsgrundes berührt ausschließlich die Rechtsposition des Schuldners. Sie kann daher nur außerhalb des Insolvenzverfahrens dem Schuldner gegenüber erfolgen (BGH, Urteil vom 17. Januar 2008 – IX ZR 220/06, WM 2008, 650 Rn. 15; vom 7. Mai 2013 – IX ZR 151/12, BGHZ 197, 186 Rn. 9). Für die Klage gegen den Insolvenzverwalter fehlt mithin ein Feststellungsinteresse.

Das Feststellungsbegehren gegen den Schuldner ist nicht aufgenommen worden.

IV.

Die Sache ist gemäß § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Insoweit weist der Senat auf Folgendes hin:

Das Berufungsgericht wird im Blick auf die Hauptforderung von 4.572 € insbesondere zu untersuchen haben, ob die subjektiven Voraussetzungen des § 823 Abs. 2 BGB, § 32 Abs. 1 Satz 1, § 54 Abs. 1 Nr. 2 Fall 1, Abs. 2 KWG erfüllt sind.

1. Wer entgegen § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG ohne entsprechende Erlaubnis Bankgeschäfte erbringt, macht sich bei fahrlässigem oder vorsätzlichem Handeln gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 2 Fall 1, Abs. 2 KWG strafbar. Wirken die Geschäfte berechtigend und verpflichtend für eine juristische Person – wie hier die Schuldnerin -, so ist diese zivilrechtlich der Betreiber der Geschäfte; die strafrechtliche Verantwortlichkeit ergibt sich aus § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB. Sie trifft denjenigen, der in organschaftlicher Stellung für die juristische Person tätig ist, bei einer GmbH mithin gemäß § 35 Abs. 1 GmbHG den oder die Geschäftsführer (BGH, Urteil vom 15.Mai 2012 – VI ZR 166/11, WM 2012, 1333 Rn.19; vom 19. März 2013 -VI ZR 56/12, BGHZ 197, 1 Rn. 30, 32).

2.

Näherer Prüfung bedarf es, ob der Schuldner möglicherweise einem unvermeidbaren Verbotsirrtum unterlag.

Hält der Täter seine Geschäfte für rechtlich zulässig und nicht erlaubnispflichtig, so stellt dies nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung aus strafrechtlicher Sicht einen Verbotsirrtum im Sinne des § 17 StGB dar. Mangels Unrechtsbewusstseins unterliegt der Täter einem Verbotsirrtum auch dann, wenn er bei Begehung der Tat die Möglichkeit, Unrecht zu tun, zwar nicht ausschließen kann, sie aber nicht billigend in Kauf nimmt. Zivilrechtlich scheidet in einem solchen Fall eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB aus (BGH, Urteilvom 16. Mai 2017 – VI ZR 266/16, NJW 2017, 2463 Rn. 16; vom 27. Juni 2017 – VI ZR 424/16, NJW-RR 2017, 1004 Rn. 10; vom 10. Juli 2018 – VI ZR 263/17, NJW-RR 2018, 1250 Rn. 24).

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Schlagworte: Anlagevermittler, Anlagevermittlung, Anlagevermittlung im Sinne des § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1 KWG, Einlagengeschäft nach 1 Abs. 1 KWG, Erlaubnisfreie Tätigkeit nach § 2 Abs. 6 Satz 1 Nr. 8 KWG, Erlaubnispflicht § 32 Abs. 1 KWG, Haftung Geschäftsführer, Haftung Geschäftsführer einer GmbH, Haftung wegen Erlaubnispflichtverletzung bei Finanzdienstleistungen (Anlagevermittlung), KWG § 54, Rangrücktritt, Verletzung von Schutzgesetzen nach § 823 Abs. 2 BGB