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LG Berlin, Beschluss vom 31. Mai 2023 – 100 O 18/23

Restrukturierungsverfahren

§ 29 Abs 1 StaRUG, § 18 InsO

Tenor

1. Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu zweihundertfünfzigtausend Euro oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten – Ordnungshaft auch für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann – wegen jeder Zuwiderhandlung

untersagt,

das Restrukturierungsverfahren vor dem Amtsgericht Charlottenburg (Az. 36f RES 1604/23) ohne Gesellschafterbeschluss der Gesellschafter der Antragsgegnerin weiter zu betreiben.

2. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Der Verfahrenswert wird auf 25.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Wegen des Sachverhaltes wird auf die Antragsschrift vom 24.05.2023 sowie die damit vorgelegten Unterlagen Bezug genommen.Randnummer2

Der Antrag auf einstweilige Verfügung ist begründet. Die Antragsgegnerin darf das Restrukturierungsverfahren nach dem StaRUG nicht ohne Gesellschafterbeschluss fortführen. Zur Begründung wird zunächst auf die Ausführungen in der Antragsschrift verwiesen. Die Stellungnahme der Antragsgegnerin rechtfertigt keine andere Beurteilung.Randnummer3

Nach h.M. ist der Geschäftsführer einer GmbH dazu verpflichtet, einen Gesellschafterbeschluss herbeizuführen, wenn ein fakultativer Insolvenzantrag wegen drohender Zahlungsunfähigkeit zu stellen ist. Ein solcher Gesellschafterbeschluss ist zwar im Außenverhältnis keine Voraussetzung der Antragstellung oder Verfahrenseröffnung. Im Innenverhältnis einer von Zahlungsunfähigkeit bedrohten Gesellschaft ist das antragsberechtigte Organ jedoch zur Einholung eines entsprechenden Beschlusses verpflichtet, da es sich nicht um eine Geschäftsführungsmaßnahme, sondern um ein den Gesellschaftszweck änderndes Geschäft handelt (OLG München, Urteil vom 21. März 2013 – 23 U 3344/12 –, Rn. 55, juris, m.w.N.).Randnummer4

Für das StaRUG-Verfahren, das als Voraussetzung ebenfalls die drohende ZahlungsunfähigkeitBitte wählen Sie ein Schlagwort:
drohende Zahlungsunfähigkeit
Zahlungsunfähigkeit
(§ 18 InsO) hat (§ 29 Abs. 1 StaRUG), gilt nichts anderes. Ein in diesem Stadium gestellter Eigenantrag erfordert das Einverständnis der Gesellschafter. Denn dabei handelt es sich um ein den Gesellschaftszweck änderndes Grundlagengeschäft. Nachdem der deutsche Gesetzgeber das StaRUG gerade als funktionales Äquivalent zum Schutzschirmverfahren/Insolvenzplanverfahren konzipiert hat, liegt die Parallele zu § 18 InsO und den freiwilligen Insolvenzanträgen auf der Hand, selbst wenn die Restrukturierungssache nicht zur Auflösung der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Auflösung
Auflösung der Gesellschaft
Gesellschaft
führt (Thole, BB 2021, 1347, 1350). Da die Einleitung des Restrukturierungsverfahrens eine außergewöhnliche Maßnahme besonderer Bedeutung bildet, müssen die Geschäftsführer vor Einleitung des Verfahrens die Zustimmung der GesellschafterversammlungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschafterversammlung
Zustimmung
Zustimmung der Gesellschafterversammlung
einholen (Gehrlein, BB 2022, 1096, 1097). Es handelte sich hier zum Zeitpunkt der Entscheidung über das Restrukturierungsverfahren auch nicht um eine Situation, in der Insolvenzantragspflicht bestand, denn durch die Darlehen, die von der Antragsgegnerin im Februar und März aufgenommen wurden, war die Gesellschaft zunächst gerettet.Randnummer5

Nicht sachgerecht wäre es, ein gesellschaftsrechtliches Beschlusserfordernis auf den späteren Zeitpunkt der Vorlage bzw. Bestätigung des Restrukturierungsplans aus der Erwägung zu verlagern. dass mit der Anzeige alleine noch kein (wesentlicher) Eingriff in die Rechte der Gesellschafter verbunden ist. Ein Hinausschieben des Beschlusserfordernisses würde eine Zwangslage für alle Beteiligten hervorrufen, weil eine Verweigerung der Zustimmung zu einem späteren Zeitpunkt die Verhandlungen insgesamt vereiteln und die Gesellschaft in ein Insolvenzverfahren zwingen würde. Da ein solches Obstruktionspotenzial durch den präventiven Restrukturierungsrahmen gerade vermieden werden soll, müssen die Gesellschafter bereits im Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens eingebunden werden (Gehrlein, a.a.O.).Randnummer6

Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin reicht es auch nicht aus, dass die Gesellschafter innerhalb des Restrukturierungsverfahrens angehört werden. Das StaRUG-Verfahren ist keineswegs lex spezialis gegenüber den gesellschaftsrechtlichen Regelungen. Das StaRUG regelt lediglich die Durchführung der Restrukturierung, während das Gesellschaftsrecht die Willensbildung innerhalb der Gesellschaft und die Entscheidung über Ob eines solchen Verfahrens regelt.Randnummer7

Bei einem Restrukturierungsverfahren ist davon auszugehen, dass es sich jedenfalls dann um eine ungewöhnliche Maßnahme handelt, wenn der beabsichtigte Restrukturierungsplan in die Stellung der Gesellschafter eingreift (juris Literaturnachweis zu Brinkmann, KTS 2021, 303-325). Das ist hier der Fall. Sämtliche Gesellschafter, die der Antragsgegnerin keine Darlehen gegeben haben, sollen durch die geplante Kapitalherabsetzung auf Null und der anschließenden Kapitalerhöhung unter Ausschluss des BezugsrechtsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Ausschluss
Ausschluss des Bezugsrechts
der Altgesellschafter aus der Gesellschaft endgültig ausscheiden.Randnummer8

Die Antragsgegnerin kann auch nicht damit gehört werden, dass die Sache eilig und im Wege der Notgeschäftsführung zu entscheiden war. Es gab genügend Zeit, die Gesellschafter nach der Gesellschafterversammlung am 7.2.2023 einzubeziehen. Die Antragsgegnerin trägt selbst vor, dass bereits im Februar 2023 die Zahlungsunfähigkeit drohte. Die Darlehen über insgesamt 800.000. € wurden im Februar und März vereinbart und die Auffanggesellschaft xx xxx GmbH wurde bereits Mitte März gegründet. Es ist also davon auszugehen, dass die Planung, ein Restrukturierungsverfahren nach dem StaRUG durchzuführen, spätestens im März 2023 stand. Damit war genug Zeit, die Zustimmung der Gesellschafter einzuholen, zumal die Satzung der Antragsgegnerin für das Zustandekommen von Gesellschafterbeschlüssen keine großen Hürden aufstellt. Nach § 10 der Satzung können Gesellschafterbeschlüsse u.a. telefonisch, per Videokonferenz, per Email oder in Kombination dieser Verfahren gefasst werden. Dies erlaubt auch bei 29 Gesellschaftern eine rasche Willensbildung und Abstimmung. Die Auffassung der Antragsgegnerin, sie bilde eine Publikumsgesellschaft, für die die Willensbildung innerhalb des Gesellschafterkreises erschwert ist, erscheint weit hergeholt. Die Antragstellerin trägt selbst vor, dass es gelungen ist, die Zustimmung von Gesellschaftern einzuholen, die zusammen über 80 % des Stammkapitals repräsentieren; dann hätte auch um die Zustimmung aller Gesellschafter gebeten werden können.
Soweit die Antragsgegnerin sich mit den Folgen eines ablehnenden Beschlusses befasst, besteht angesichts der vorab gegebenen Zustimmung von über 80 % der Stimmen keine Gefahr und im übrigen könnte – wenn es tatsächlich keine anderweitige Finanzierung gibt – eine Verpflichtung zur Zustimmung bestehen.Randnummer9

Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin handelt es sich bei dem Erfordernis eines Gesellschafterbeschlusses nicht um eine bloße Förmelei. Eine auch für die Anteilseigner derart einschneidende Maßnahme muss von der Gesellschafterversammlung entschieden werden, die für die Gestaltung der zukünftigen gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse alleine zuständig ist. Es ist nicht auszuschließen, dass unter dem Druck, seine Anteile endgültig zu verlieren, einer oder mehrere Gesellschafter sich doch noch entschieden hätten, Kapital in die Antragsgegnerin einzubringen.Randnummer10

Auch das Argument, dass ohne Restrukturierung die Antragsgegnerin überschuldet sei, weil keine Fortführungsprognose mehr besteht, überzeugt nicht. Verboten wird der Antragsgegnerin nicht die Durchführung des Verfahrens an sich, sondern nur die Durchführung ohne Gesellschafterbeschluss. Ein solcher kann auch heute noch eingeholt werden. Im übrigen wird im Restrukturierungsplan ausgeführt, dass die Gesellschaft durch die Darlehen jedenfalls bis Mitte 2023 durchfinanziert sei, so dass – die Ausführungen als wahr unterstellt – keine unmittelbare Insolvenzantragspflicht besteht.Randnummer11

Eine Verpflichtung der Antragsgegnerin, dafür zu sorgen, dass der Termin am 1.6.2023 nicht stattfindet, war nicht auszusprechen, denn die Wahrnehmung des Termins durch die Antragsgegnerin würde dem Verbot bereits widersprechen.Randnummer12

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

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