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OLG Köln, Urteil vom 17.08.2022 – 22 U 30/22

BGB §§ 826, 852

Dem Restschadensersatzanspruch nach § 852 Satz 1 BGB steht nicht entgegen, dass der Kläger im Rahmen des verjährten Hauptanspruchs nur als sogenannten kleinen Schadensersatz den Betrag verlangt hat, um den er aufgrund eines sittenwidrigen vorsätzlichen Verhaltens des Schädigers einen Kaufgegenstand – gemessen an dem objektiven Wert von Leistung und Gegenleistung – zu teuer erworben hat.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 12. Zivilkammer – Einzelrichterin – des Landgerichts Aachen vom 17.02.2022 (12 O 328/21) dahin abgeändert, dass die Beklagte unter Klageabweisung im Übrigen verurteilt wird, an die Klägerin 4.080,81 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.01.2022 zu zahlen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz und des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 46 % und die Beklagte zu 54 %.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

(abgekürzt gemäß § 313a Abs. 1 Satz 1, § 540 Abs. 2, § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO)

Die Berufung des Klägers hat teilweise Erfolg.

I.

Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch dem Grunde nach gegen die Beklagte jedenfalls nach § 826 i.V.m. § 852 Satz 1 BGB zu.

1. Zu den Anspruchsvoraussetzungen des § 826 BGB gilt: 7

a) Durch das Inverkehrbringen des mit dem Motor EA189 versehenen Fahrzeugs, bei dem die sog. Umschaltlogik aktiviert war, schädigte die Beklagte den Kläger in sittenwidriger Weise. Wegen der Begründung im Einzelnen nimmt der Senat Bezug auf die umfangreichen Ausführungen des Bundesgerichtshofs in dessen Urteil vom 25.05.2020 (VI ZR 252/19, juris), die vorliegend gleichermaßen Geltung beanspruchen, insbesondere auch im Hinblick auf die der Entscheidung zugrunde zu legenden tatschlichen Umstände und die subjektiven Vorstellungen bei den im Hause der Beklagten für die Motorenentwicklung verantwortlichen Personen. 8

b) Aufgrund seiner sittenwidrigen Schädigung konnte der Kläger beanspruchen, von der Beklagten so gestellt zu werden, als hätte er den Kaufvertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug nicht geschlossen. Ebenso konnte er sich allerdings auch – wovon er hier Gebrauch gemacht hat – dafür entscheiden, den Kaufgegenstand zu behalten und als sogenannten kleinen Schadensersatz den Betrag zu verlangen, um den er diesen gemessen an dem objektiven Wert von Leistung und Gegenleistung zu teuer erworben hatte (vgl. BGH, Urteil vom 06.07.2021 – ZR 40/20, juris Rn. 15). 9

2. Der Anspruch nach § 826 BGB ist allerdings – jedenfalls soweit sich der Kläger zur Begründung seiner Klage auf das Vorhandensein einer Abschalteinrichtung in Form der sogenannten Umschaltlogik bzw. Prüfstandserkennung stützt – aufgrund des von der Beklagten erhobenen Verjährungseinwands nicht mehr durchsetzbar. Spätestens mit Erhalt des seitens der Beklagten verschickten Informationsschreibens war der Kläger im Jahr 2016 sowohl in allgemeiner Kenntnis über den sogenannten Dieselskandal als auch im Bilde über die konkrete Betroffenheit seines Fahrzeugs. Ihm war daher bereits im Jahr 2016 eine Klageerhebung zumutbar (vgl. BGH, Urteil vom 21.02.2022 – VIa ZR 8/21 – juris Rn. 33 ff.; vom 10.02.2022 – VII ZR 365/21 – juris Rn. 17 ff.). Der Lauf der dreijährigen Regelverjährungsfrist (§ 195 BGB) begann mithin gemäß § 199 Abs. 1 BGB am 31.12.2016 und endete bereits vor Klageerhebung mit Ablauf des 31.12.2019. 10

Ob in Bezug auf die Problematik des sogenannten Thermofensters eine andere verjährungsrechtliche Bewertung angezeigt ist, bedarf keiner Entscheidung. Der sich vorliegend aus § 852 BGB ergebende Restschadensersatzanspruch ist in gleicher Weise zu berechnen, wie der aus § 826 BGB folgende Schadensersatzanspruch (s.u.), so dass sich an der Höhe des klägerischen Anspruchs keine Änderungen ergeben. 11

3. Auch die weiteren Voraussetzungen des Restschadensersatzanspruchs liegen vor, da die Beklagte auf Kosten des Klägers einen ihr durch ihr sittenwidriges Verhalten zugeflossenen Vermögensvorteil im Sinne von § 852 BGB erlangt hat. 12

a) Die Beklagte hat – durch einen Vermögensabfluss auf Seiten des Klägers – einen Vermögensvorteil im Sinne von § 852 Satz 1 BGB erlangt. 13

Als erlangtes Etwas im Sinne des § 852 Satz 1 BGB ist jeder dem Ersatzpflichtigen zugeflossene Gegenstand anzusehen (Foerster, VuR 2021, 180, 181; BeckOGK BGB/Eichelberger § 852 Rn. 17; vgl. auch BGH, Urteil vom 13.10.2015 – II ZR 281/14, NJW 2016, 1083 Rn. 30 und 33; Urteil vom 17.12.2020 – VI ZR 739/20, NJW 2021, 918 Rn. 29), so etwa auch das Entgelt aus einem Kaufvertrag anzusehen. Die Beklagte hat aufgrund des vom Kläger ungewollt abgeschlossenen Vertrags einen Vermögensvorteil in Form eines Anspruchs gegen ihren Vertragshändler erlangt, der das Fahrzeug an den Kläger verkauft hat. Dieser Vermögensvorteil hat sich gemäß § 818 Abs. 1 Halbsatz 2 BGB nach Erfüllung dieser Forderung durch den Händler an dem erlangten Entgelt fortgesetzt (vgl. BGH, Urteile vom 21.02.2022 – VIa ZR 57/21, juris Rn. 13, 16; vom 21.02.2022 – VIa ZR 8/21, juris Rn. 82 mwN). 14

b) Die Bereicherung der Beklagten geschah auch auf Kosten des Klägers. 15

aa) Das Merkmal „auf Kosten … erlangt“ in § 852 Satz 1 BGB knüpft an die durch die unerlaubte Handlung bewirkte Vermögensverschiebung an. Es setzt voraus, dass die unerlaubte Handlung auf Seiten des Verletzten zu einem Vermögensnachteil und auf Seiten des Ersatzpflichtigen zu einem Vermögensvorteil geführt hat. Da es sich bei dem Anspruch aus § 852 Satz 1 BGB um eine Fortsetzung des Schadensersatzanspruchs in anderem rechtlichen Kleid handelt, ist für die Vermögensverschiebung eine wirtschaftliche Betrachtung maßgebend. (vgl. zu alledem BGH, Urteil vom 21.02.2022 – VIa ZR 8/21, juris Rn. 68 mwN). 16

bb) Der danach erforderliche Vermögensnachteil des Klägers liegt in der Zahlung des (vollen) Kaufpreises an den Verkäufer des Fahrzeugs. 17

Bei einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung wie im Streitfall liegt selbst bei – hier nicht gegebener (s.u.) – objektiver Werthaltigkeit von Leistung und Gegenleistung ein subjektbezogener Vermögensschaden vor, wenn der Betroffene durch das sittenwidrige Verhalten unter Verletzung seines wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts zum Abschluss eines Kaufvertrags über ein für seine Zwecke nicht voll brauchbares Fahrzeug gebracht wird, das er in Kenntnis dieser Umstände zu den konkreten Konditionen nicht gekauft hätte, und der Kaufvertrag deshalb seinen konkreten Vermögensinteressen nicht angemessen und damit wirtschaftlich nachteilig ist (BGH, Urteil vom 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 46 f. und 53; Urteil vom 20.07.2021 – VI ZR 533/20, NJW 2021, 3594 Rn. 16). Sein dadurch eingetretener Vermögensschaden setzt sich in dem Verlust des Kaufpreises fort, den er in Erfüllung der ungewollten Kaufvertragsverpflichtung zahlt (vgl. BGH, Urteil vom 20.07.2021 – VI ZR 575/20, ZIP 2021, 1922 Rn. 17; Urteil vom 19.10.2021 – VI ZR 148/20, VersR 2022, 186 Rn. 25). Dieser Schaden entfällt nicht, wenn sich der (objektive) Wert oder Zustand des Fahrzeugs in der Folge aufgrund neuer Umstände wie der Durchführung des Software-Updates verändert (BGH, Urteil vom 18.05.2021 – VI ZR 452/19, NJW-RR 2021, 1111 Rn. 13; Urteil vom 05.10.2021 – VI ZR 495/20, WM 2021, 2107 Rn. 10; Urteil vom 14.12.2021 – VI ZR 676/20, WM 2022, 343 Rn. 25; Urteil vom 16.12.2021 – VII ZR 389/21, ZIP 2022, 220 Rn. 15). 18

Der subjektbezogene Vermögensschaden ist vielmehr unabhängig davon gegeben, ob der Käufer einen Anspruch nach § 826 BGB durchsetzen kann oder nach Verjährung dieses Anspruchs sein Begehren auf § 852 Satz 1 BGB stützt. Die Bestimmung des § 852 Satz 1 BGB lässt den verjährten Schadensersatzanspruch als solchen unberührt und begrenzt lediglich den Umfang des danach zu ersetzenden Schadens nach Maßgabe der §§ 818 ff. BGB auf die durch die unerlaubte Handlung eingetretene Bereicherung des Ersatzpflichtigen (vgl. Ebert, NJW 2003, 3035, 3037; BeckOK BGB/Spindler § 852 Rn. 3; BeckOGK BGB/Eichelberger § 852 Rn. 25; MüKoBGB/Wagner, 8. Aufl., § 852 Rn. 6; zu § 852 Abs. 3 BGB in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung vgl. BGH, Urteil vom 14.02.1978 – X ZR 19/76, BGHZ 71, 86, 99). Sie hat daher dieselben Voraussetzungen wie der verjährte Schadensersatzanspruch. Soweit der Kläger aufgrund des ungewollt abgeschlossenen Kaufvertrags nach § 826 BGB geschädigt ist, geht ein daraus resultierender Vermögensvorteil der ihn schädigenden Beklagten daher auch nach § 852 Satz 1 BGB auf seine Kosten (BGH, Urteil vom 21. Februar 2022 – VIa ZR 8/21, juris Rn. 71). 19

cc) Der im Rahmen von § 852 Satz 1 BGB erforderliche Zusammenhang zwischen dem Vermögensnachteil des Klägers und dem Vermögensvorteil der Beklagten ist nicht deshalb zu verneinen, weil der Kläger selbst unmittelbar nur mit seinem Verkäufer in einer vertraglichen Beziehung stand. 20

(1) Liegt dem Schaden des Käufers der Kauf eines Neufahrzeugs zugrunde, schließt der Umstand, dass der Vermögensvorteil der Beklagten nicht unmittelbar auf dem schadensbegründenden Vertrag zwischen der Klägerin und dem Händler beruht, sondern durch den Vertrag der Beklagten mit dem Händler vermittelt wird, den zwischen Vermögensabfluss auf Seiten des Geschädigten und Vermögensvorteil auf Seiten des Fahrzeugherstellers erforderlichen Zusammenhang nicht zwingend aus. Denn im Rahmen des § 852 Satz 1 BGB kommt es nicht darauf an, auf welchem Weg die erforderliche Vermögensverschiebung stattgefunden hat; insbesondere muss sie sich nicht unmittelbar zwischen dem Ersatzpflichtigen und dem Verletzten vollzogen haben. Allerdings setzt der Anspruch nach § 852 Satz 1 BGB in diesem Fall voraus, dass der Bestellung des Fahrzeugs von dem Händler bei dem Fahrzeughersteller – hier der Beklagten – der Kaufvertrag zwischen Händler und Geschädigtem zugrunde gelegen hat. Hat der Händler das Fahrzeug demgegenüber unabhängig von einer Bestellung seines Käufers vor dem Weiterverkauf auf eigene Kosten und eigenes Absatzrisiko erworben, fehlt es an dem für §§ 826, 825 Satz 1 BGB erforderlichen Zurechnungszusammenhang (BGH, Urteil vom 21.03.2022 – VIa ZR 275/21, juris Rn. 27 f.). Diese Differenzierung kann lediglich in den Fällen des Gebrauchtwagenkaufs dahinstehen, da in dieser Konstellation grundsätzlich kein Anspruch nach § 852 Satz 1 BGB gegen den Fahrzeughersteller besteht, wenn der Käufer das Fahrzeug von einem Dritten erworben hat (vgl. BGH, Urteil vom 21.02.2022 – VIa ZR 57/21, juris Rn. 14 mwN). 21

(2) Nach diesen Maßstäben ist der erforderliche Zusammenhang zwischen Vermögenschaden auf Seiten des Klägers und dem in Gestalt des für das Fahrzeug erlangten Kaufpreises bestehenden Vermögensvorteil auf Seiten der Beklagten zu bejahen. Insbesondere handelte es sich bei dem Kauf des streitgegenständlichen Fahrzeugs um einen Neuwagenkauf. Auch wenn der Kläger diesen seinerzeit von dem als Verkäufer auftretenden VW-Vertragshändler mit einem Kilometerstand von 8 km erworben hatte, besteht bei einer Gesamtschau aller weiteren Umstände des Einzelfalls hieran kein Zweifel. So wird das Fahrzeug auch in der Rechnung vom 06.11.2012 das Fahrzeug von dem Verkäufer selbst als „Neuwagen“ bezeichnet. Zudem folgt aus der Auftragsbestätigung vom 06.10.2011, dass das Fahrzeug erst auf den mit dem Kläger abgeschlossenen Kaufvertrag von dem Verkäufer bei der Beklagten bestellt worden war (vgl. zu diesem Aspekt auch BGH, Urteil vom 21.03.2022 – VIa ZR 275/21 Rn. 28). Hierfür sprechen nicht nur die aus der Auftragsbestätigung ersichtlichen Sonderausstattungen, sondern insbesondere auch der Umstand, dass der Verkäufer des Klägers diesem im Oktober 2011 nur einen unverbindlichen Liefertermin für das 2. Quartal 2012 zusagen konnte. 22

dd) Schließlich steht dem im Rahmen von § 852 Satz 1 BGB erforderlichen Zurechnungszusammenhang auch nicht entgegen, dass der Geschädigte – wie hier der Kläger – vorliegend nur den sogenannten kleinen Schadensersatz geltend macht (so auch OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG München
, Urteil vom 19.05.2022 – 24 U 4614/21, juris Rn. 16). Dieser Anspruch richtet sich auf den Betrag, um den der Kläger den Kaufgegenstand – gemessen an dem objektiven Wert von Leistung und Gegenleistung – zu teuer erworben hat (vgl. BGH vom 06.07.2021 – VI ZR 40/20, juris Rn. 15; OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG München
aaO, Rn. 17). War ein derartiges Missverhältnis aufgrund des sittenwidrigen Verhaltens des Fahrzeugherstellers bei Vertragsschluss aber gegeben, entspricht der geltend gemachte Minderwert des Fahrzeugs dem Anteil des (objektiv) überhöhten Kaufpreises und damit zugleich der Bereicherung des Fahrzeugherstellers. 23

4. Zur Höhe des klägerischen Anspruchs gilt: 24

a) Da es sich bei dem Restschadensersatzanspruch aus § 852 Satz 1 BGB um die (lediglich der Höhe nach auf das Erlangte gedeckelte) Fortsetzung des ursprünglichen Schadensersatzanspruchs aus § 826 BGB handelt, steht dem Geschädigten auch in diesem Rahmen die Wahl des kleinen statt des großen Schadensersatzes frei. Dabei ist der kleine Schadensersatzanspruch im Rahmen des § 852 Satz 1 BGB genauso zu berechnen wie es vor Eintritt der Verjährung im Rahmen des § 826 BGB der Fall war (OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG München
, Urteil vom 19. Mai 2022 – 24 U 4614/21, juris Rn. 16). Ausgangspunkt für die Höhe des kleinen Schadensersatzanspruchs ist der Betrag, um den der Kläger „den Kaufgegenstand – gemessen an dem objektiven Wert von Leistung und Gegenleistung – zu teuer erworben hat“ (vgl. BGH vom 06.07.2021 – VI ZR 40/20, juris Rn. 15; OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG München
aaO, Rn. 17). 25

Allerdings hat die Beklagte den vom Kläger erlangten Kaufpreis nur insoweit herauszugeben, als dieser sich darauf nicht durch die Vollziehung des Kaufvertrages erlangte Vorteile anrechnen lassen muss. Dem Kläger kann als Restschadensersatz nach § 852 Satz 1 BGB nicht mehr zugesprochen werden, als er vor der Verjährung seines Schadensersatzanspruchs aus § 826 BGB verlangen konnte. Wegen der Rechtsnatur des § 852 Satz 1 BGB als im Umfang beschränkter Schadensersatzanspruch wird die herauszugebende Bereicherung des Ersatzpflichtigen durch den Schaden des Verletzten begrenzt. Auf den von der Beklagten erlangten Kaufpreis sind daher insbesondere die vom Kläger gezogenen Nutzungen anzurechnen. Dies gilt wegen des schadensersatzrechtlichen Bereicherungsverbots auch für diejenigen Nutzungen, die der Kläger nach Eintritt der Verjährung gezogen hat. Die Vorteilsanrechnung basiert darauf, dass der Kläger mit der fortgesetzten Nutzung des Fahrzeugs einen geldwerten Vorteil erzielt hat. Die Verjährung seines Schadensersatzanspruchs ändert hieran nichts. (vgl. zu alledem BGH, Urteil vom 21.02.2022 – VIa ZR 8/21, juris Rn. 83 f, mwN). Zudem ist der in dem Restwert des Fahrzeugs liegende Vorteil bei der Schadensbestimmung zu berücksichtigen, da auch dieser Vorteil bei Geltendmachung des kleinen Schadensersatzes im Vermögen des Klägers verbleibt (vgl. OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG München
, Urteil vom 19. Mai 2022 – 24 U 4614/21, juris Rn. 18, 21). 26

b) Nach diesen Maßstäben hat der Senat zunächst den Minderwert des Fahrzeugs – wie in der Berufungsverhandlung erörtert – gemäß § 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO geschätzt und mit 15 % des Bruttokaufpreises bemessen. Dem liegen folgende Erwägungen zugrunde: 27

aa) Für die Berechnung des sogenannten kleinen Schadensersatzes ist zunächst der Vergleich der Werte von Leistung und Gegenleistung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgeblich. Dies schließt eine schadensmindernde Berücksichtigung später eintretender Umstände im Rahmen der Vorteilsausgleichung zwar nicht aus. So ist etwa auch eine etwaige Aufwertung des Fahrzeugs durch ein Software-Update als nachträgliche Maßnahme der Beklagten, die gerade der Beseitigung der Prüfstanderkennungssoftware dienen soll, zu berücksichtigen; dabei sind allerdings etwaige mit dem Software-Update verbundene Nachteile in die Bewertung des Vorteils gleichermaßen einzubeziehen und in den so zu bemessenden Schaden „einzupreisen“ (BGH, Urteil vom 05.10.2021 – VI ZR 136/20, juris Rn. 17). Da diese Umstände in dem Restwert des Fahrzeugs zum Ausdruck kommen, hat der Senat sie bei dessen Bestimmung berücksichtigt. 28

bb) Nach diesen Maßstäben hat der Senat bei der wirtschaftlichen Bewertung des Fahrzeugs und seines damaligen Wertes die im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestehende Unsicherheit in den Blick genommen, dass das Fahrzeug aufgrund der verbauten Prüfstandserkennung dem Risiko einer (späteren) Betriebsuntersagung bzw. -stilllegung ausgesetzt war. Den hierin begründeten Minderwert des Fahrzeugs schätzt der Senat auf 15 % des Bruttokaufpreises. Ausgehend von einem Kaufpreis in Höhe von 30.010 € beträgt er damit 4.501,50 €. 29

c) Spiegelbildlich zu diesem Minderwert betrug der tatsächliche Wert des Fahrzeugs bei Abschluss des Kaufvertrages damit 25.508,50 €. Nur soweit der Wert der seit diesem Zeitpunkt von dem Kläger gezogenen Nutzungen und der tatsächliche Restwert des Wagens diesen Betrag übersteigen, muss sich der Kläger die Differenz im Wege des Vorteilsausgleichs anrechnen lassen, da er andernfalls – könnte er den gesamten Minderwert verlangen – vermögensmäßig besser stünde, als wenn er den Kaufvertrag nicht geschlossen hätte (vgl. OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, Urteil vom 19. Mai 2022 – 24 U 4614/21, juris Rn. 22). Dies führt vorliegend zu einem Anspruch des Klägers in Höhe von noch 4.080,81 €. Im Einzelnen: 30

aa) Den im Rahmen des Vorteilsausgleichs (gegebenenfalls) zu berücksichtigenden tatsächlichen Restwert des streitgegenständlichen Autos schätzt der Senat gemäß § 287 Abs. 1 ZPO auf 10.000 €. Grundlage dafür ist – wie in der Berufungsverhandlung erörtert – im Ausgangspunkt eine Recherche auf der Internetseite der „A“ (Internetadresse 1; vgl. hierzu auch OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, Urteil vom 19.05.2022 – 24 U 4614/21, juris Rn. 20) am 27.07.2022. Die dortige Wertermittlung berücksichtigt insbesondere die Postleitzahl des Eigentümers (also die Region, in der das Fahrzeug verkauft werden würde), die Erstzulassung und Laufleistung des Fahrzeugs sowie den Fahrzeugtyp Volkswagen Tiguan Track & Field 4Motion 2,0 l TDI sowie die Motorleistung. Die Recherche des Senats hat eine Wertindikation von 8.100 € ergeben. Diesen Wert hat der Senat indes nur als Ausgangspunkt seiner Schätzung genommen, da Fahrzeuge der streitgegenständlichen Art auf anderen Verkaufsportalen mit teilweise deutlich höheren Preisen angeboten werden, wobei hierbei wiederum relativierend zu berücksichtigen ist, dass es sich bei den dort angezeigten Verkaufswerten nur um die Angebote der Verkäuferseite und nicht um die letztlich erzielten Verkaufspreise handelt. Unter Berücksichtigung dieser Umstände erscheint die Annahme eines Restwertes für das klägerische Fahrzeug in Höhe von 10.000 € angemessen. 31

bb) Bei der Beurteilung, ob von dem Anspruch des Klägers im Hinblick auf die Grundsätze des Vorteilsausgleichs Abzüge vorzunehmen sind, war des Weiteren der Vorteil in den Blick zu nehmen, den dieser durch die Nutzung des Fahrzeugs erzielt hat. Diesen hat der Senat ebenfalls gemäß § 287 ZPO geschätzt, wobei er entsprechend seiner ständigen Rechtsprechung, von der abzuweichen der vorliegende Sachverhalt keinen Anlass bietet, für das streitgegenständliche Dieselfahrzeug eine zu erwartende Gesamtfahrleistung in Höhe von 250.000 km zugrunde gelegt hat. Unter Berücksichtigung des Kaufpreises von 30.010 € sowie einer Fahrtleistung durch den Kläger in Höhe von 132.699 km (133.707 km Fahrleistung im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat abzüglich des Kilometerstandes von acht km bei Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger) ergibt dies nach der Formel Kaufpreis / zu erwartende Gesamtfahrleistung * Fahrleistung des Klägers eine Nutzungsentschädigung in Höhe von 15.929,19 €. 32

cc) Damit summieren sich die im Vermögen des Klägers vorhanden Vorteile auf insgesamt 25.929,19 € (10.000 € [Restwert] + 15.929,19 € [Nutzungsvorteile]). Erhielte er nunmehr den Minderwert in voller Höhe von 4.501,50 €, hätte er in Folge des Kaufvertragsschlusses insgesamt 30.430,69 € erhalten, indes nur 30.010 € gezahlt. In Höhe der Überkompensation von 420,69 € ist sein Anspruch daher zu kürzen; dies ergibt den zuerkannten Betrag in Höhe von 4.080,81 €. 33

d) Dass durch die Beklagte im Sinne von § 852 Satz 1 BGB Erlangte entsprach auch wertmäßig mindestens diesem Betrag. Zwar ist bei der Bestimmung des Erlangten zu berücksichtigen, dass die Beklagte das Fahrzeug nicht zu dem von dem Kläger gezahlten Kaufpreis, sondern unter Berücksichtigung der Händlermarge an den in der Leistungskette zwischengeschalteten Autohändler veräußert hatte (vgl. BGH, Urteil vom 21.02.2022 – VIa ZR 57/21, juris Rn. 16). Der Senat kann offenlassen, wie hoch diese Marge vorliegend konkret ausgefallen ist. Jedenfalls ist bei lebensnaher Betrachtung ausgeschlossen, dass die Beklagte das Fahrzeug zu einem Preis von lediglich 4.080,81 € (oder darunter) an ihren Vertragshändler geliefert hatte. 34

Aufwendungen der Beklagten wie die Kosten für die Herstellung des Fahrzeugs, die Entfernung der Steuerungssoftware oder die diesbezügliche Information der Öffentlichkeit haben im Übrigen gemäß § 852 Satz 1, § 818 Abs. 4, § 819 Abs. 1 BGB bei der Bestimmung des Erlangten außer Betracht zu bleiben (vgl. BGH, BGH, Urteile vom 21.02.2022 – VIa ZR 57/21, juris Rn. 17; vom 21.02.2022 – VIa ZR 8/21, juris Rn. 92 ff.). 35

5. Der zuerkannte Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2, § 187 Abs. 1 analog BGB; der auf die Geltendmachung des kleinen Schadensersatzes gerichtete Klageantrag wurde der Beklagten am 10.01.2022 zugestellt. Bei der Zinsentscheidung hat der Senat unberücksichtigt gelassen, dass die zwischenzeitliche Fahrleistung des Klägers bei Klageerhebung und damit zugleich die im Wege des Vorteilsausgleichs zu berücksichtigende Nutzungsentschädigung geringer gewesen sein dürften. Aus dem Umstand, dass das Fahrzeug seit Übergabe an den Kläger innerhalb von rund zehn Jahren 132.399 km zurückgelegt hat, ergibt sich allerdings eine (nicht unerhebliche) durchschnittliche jährliche Fahrtleistung des Klägers von rund 13.270 km. Angesichts dessen geht der Senat gemäß § 287 ZPO davon aus, dass der geringeren Fahrleistung zugleich eine entsprechende Erhöhung des Fahrzeugwertes entsprochen hat, so dass sich hinsichtlich des Vorteilsausgleichs bezogen auf den Zeitpunkt der Zustellung des Klageantrags kein anderes Ergebnis ergibt. 36

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1, § 269 Abs. 3 Satz 2  ZPO. Grundlage der Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit sind § 708 Nr. 10, § 713 ZPO. 38

III.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine Zulassungsgründe im Sinne von § 543 Abs. 2 ZPO vorliegen.

IV.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 7.502,50 € festgesetzt. Der zwischenzeitlich zurückgenommene Antrag auf Erstattung vorgerichtlich angefallener Rechtsanwaltskosten ist ohne eigenständigen Wert, § 43 Abs. 1 GKG.

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