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Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 11.02.2010 – 5 U 60/09

GmbHG § 64; InsO § 19

1. Eine Überschuldung i.S.d. § 19 Abs. 2 InsO liegt vor, wenn durch das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr gedeckt sind. Bei der Bewertung des schuldnerischen Vermögens sind die Fortführungswerte (anstelle der Liquidationswerte) zugrundezulegen, wenn eine Fortführung nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist. Darlegungs- und beweispflichtig im Hinblick auf eine rechnerische ÜberschuldungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
rechnerische Überschuldung
Überschuldung
ist dabei der Insolvenzverwalter als Kläger; die aus damaliger Sicht für eine positive FortführungsprognoseBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Fortführungsprognose
positive Fortführungsprognose
sprechenden Umstände muss dagegen der Beklagte darlegen.

2. Legt der anspruchstellende Insolvenzverwalter für seine Behauptung, die Gesellschaft sei überschuldet gewesen, nur eine Handelsbilanz vor, aus der sich ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag ergibt, hat er jedenfalls die Ansätze dieser Bilanz daraufhin zu überprüfen und zu erläutern, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang stille Reserven oder sonstige aus ihr nicht ersichtliche Vermögenswerte vorhanden sind. Ist der Anspruchsteller diesen Anforderungen nicht nachgekommen, ist es Sache des beklagten Geschäftsführers, im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast im Einzelnen vorzutragen, welche stillen Reserven oder sonstige für die Überschuldungsbilanz maßgeblichen Werte in der Handelsbilanz nicht abgebildet sind.

3. Die zur Feststellung der Überschuldung erforderliche Fortführungsprognose ist positiv, wenn sich die überwiegende Wahrscheinlichkeit ergibt, dass die Gesellschaft mittelfristig, d.h. in einem betriebswirtschaftlich überschaubaren Zeitraum, Einnahmenüberschüsse erzielen wird, aus denen die gegenwärtigen und künftigen Verbindlichkeiten gedeckt werden können. Bei dieser Fortbestehensprognose ist dem Geschäftsführer ein Beurteilungsspielraum einzuräumen; insofern reichen bereits begründete Anhaltspunkte für das Bestehen einer solchen Prognose aus, um zulässigerweise den Geschäftsbetrieb aufrechtzuerhalten.

4. In Bezug auf die positive Fortbestehensprognose ist die Aufstellung eines dokumentierten Ertrags- und Finanzplans zu fordern. Die Darlegung möglicher Einsparpotentiale und die behauptete Aufstockung des Kontokorrentkredits reichen hierfür nicht aus.

5. Der Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft kann sich nicht mit schuldbefreiender Wirkung darauf berufen, dass er nicht die erforderlichen Kenntnisse zur Ausführung des Geschäftsführeramts besessen und sich deshalb auf die Richtigkeit der von Dritten erstellten Steuererklärungen/Bilanzen verlassen habe. Ein GmbH-Geschäftsführer muss sich vielmehr bereits bei Übernahme des Geschäftsführeramts zunächst in eigener Person die notwendigen steuerlichen und handelsrechtlichen Kenntnisse verschaffen und entsprechende Informationen einholen. Soweit er sich zur Erfüllung seiner Pflichten der Hilfe durch Angehörige eines rechts- oder steuerberatenden Berufs bedient, trifft ihn weiterhin zumindest die Pflicht zur sorgfältigen Auswahl und Überwachung dieser Hilfsperson, so dass ein etwaiges Fehlverhalten rechtzeitig erkannt werden kann.

6. Der Geschäftsführer muss die von ihm nicht selbst erstellte Jahresbilanz zumindest einer gewissen Plausibilitätsprüfung unterziehen.

Schlagworte: Geschäftsführer, Insolvenzverfahrensverschleppung, Unterbilanz