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Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 16.12.2008 – 5 U 46/08

§ 242 BGB, § 280 Abs 1 BGB, § 68 GenG

1. Ein Betreiber eines Lebensmittelmarktes, der seit 1955 Mitglied in einer Einkaufsgenossenschaft war, kann sich mit Erfolg gegen seinen Ausschluss aus der Genossenschaft sowie einen gleichzeitig verhängten Warenlieferungsstopp wenden und ihm steht ein Anspruch auf Schadenersatz wegen des verhängten Lieferstopps zu, wenn sein Ausschluss aus der Genossenschaft unverhältnismäßig ist.

2. War der Ausschluss gestützt auf § 68 GenG in Verbindung mit einer Regelung in der Genossenschaftssatzung, die u.a. bestimmt, dass ein Ausschlussgrund dann gegeben ist, wenn ein Mitglied „in sonstiger Weise die Genossenschaft durch Handlungen oder Unterlassungen schädigt“, deshalb ausgesprochen worden, weil dem Betroffenen (bzw. seinem Sohn) vorgeworfen wurde, er habe 2 Monate lang bei der Leergutabwicklung vorsätzlich manipuliert, wodurch der Genossenschaft (wegen erfolgter Gutschriften) ein Schaden (in Höhe von 7.092,53 Euro) entstanden sei, ist der Ausschluss unrechtmäßig, wenn er mangels vorangegangener Abmahnung nicht sachlich gerechtfertigt und damit angesichts der mehr als 50 Jahre währenden Mitgliedschaft und der relativ geringen Schadenshöhe unverhältnismäßig ist.

Der Ausschluss des Klägers ist dennoch unrechtmäßig, weil er mangels vorangegangener Abmahnung nicht sachlich gerechtfertigt und damit angesichts der mehr als 50 Jahre währenden Mitgliedschaft unverhältnismäßig ist (§ 242 BGB).

Die Ausschließung muss mit der genossenschaftlichen Treuebindung vereinbar sein. Das ist nur dann der Fall, wenn die Ausschließung geeignet und erforderlich ist, um die Störung des Mitgliedschaftsverhältnisses zu beseitigen und nicht außer Verhältnis zu diesem Ziel steht. Soweit der Genossenschaft daher schonendere Mittel (z. B. Abmahnung oder Schadensersatzforderungen gegen den Genossen) zu Gebote stehen, hat sie zunächst diese anzuwenden (Beuthin, a.a.O. , § 68 RN. 10, mit Hinweis auf OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Düsseldorf
, DB 1969, 2130). Die Ausschließung muss „ultima ratio“ sein. Sie ist nur wegen solcher Satzungsverstöße gerechtfertigt, die trotz Abmahnung unter Androhung des Ausschlusses fortgesetzt werden oder so schwer wiegen, dass sich der Genosse aufgrund der Art des Verstoßen ohne Weiteres darüber klar sein muss, dass dieser zum sofortigen Ausschluss führt. Infolge der genossenschaftlichen Treubindung ist die Ausschließung unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls unverhältnismäßig, wenn die Ausschlussnachteile des Genossen besonders groß sind; vor allem, wenn sie dessen wirtschaftlichen Bestand bedrohen und im Vergleich dazu das Ausschließungsinteresse der Genossenschaft besonders geringfügig erscheint (Beuthin, a.a.O. , § 68 RN. 10 m. w. N. u. a. OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG München
BB 1974, 807). Insbesondere darf der Ausschluss dann nicht ausgesprochen werden, wenn es mildere Mittel zur Zielerreichung gibt. Deshalb kann wegen eines genossenschaftswidrigen Verhaltens in der Regel ein Ausschluss erst nach Ausspruch einer Abmahnung erfolgen (Pöhlmann u. a. – Fandrich, § 68 RN. 14, mit Hinweis auf LG Berlin, WuM 2006, 393-394 zur Wohnungsgenossenschaft; LG Stuttgart v. 22.2.2005 Az. 17 O 610/04 veröffentlicht in JURIS).

Hier liegt ein besonders schwerwiegender Verstoß angesichts der Schadenshöhe (unter 10 T€) nicht vor. Ein eigenes, strafbares Verhalten des Klägers liegt unstreitig nicht vor. Trotz der nachgewiesenen Leergutmanipulation in der Risikosphäre des Klägers ist die sofortige Sanktion durch Ausschluss und Lieferstopp unverhältnismäßig. Hier hätten alternativ zum Ausschluss mildere Mittel zur Verfügung gestanden (Abmahnung; Schadenersatzklage).

Schlagworte: Ausschluss des Gesellschafters, Dauer der Zugehörigkeit des Gesellschafters zu der Gesellschaft, Gesamtabwägung, Interessenabwägung, Wichtige Gründe für Ausschluss