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Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 04.07.2014 – 17 U 24/14

BGB §§ 311, 705, 738

1. Das Verschulden bei Vertragsschluss durch den Abbruch von Vertragsverhandlungen ist begrenzt durch den grundsätzlichen Schutz der aus der Privatautonomie folgenden Abschlussfreiheit. Die Parteien sind bis zum endgültigen Vertragsschluss in ihren Entschließungen frei und zwar auch dann, wenn der andere Teil in Erwartung des Vertrages bereits Aufwendungen gemacht hat (Palandt/Grüneberg, 73. Aufl. 2014, § 311 Rn. 30 mwN.). Schadensersatzbegründend ist deshalb nicht schon, dass ein zunächst angebahnter Vertrag nicht zustande gekommen ist. Für ein Verschulden bei Vertragsschluss durch Abbruch von Vertragsverhandlungen ist vielmehr erforderlich, dass ab einem bestimmten Zeitpunkt ein Vertragspartner wider besseren eigenen Wissens dem anderen gegenüber Abschlussbereitschaft dargestellt und ihn dadurch zu vergeblichen Aufwendungen veranlasst hat (BGH, Urteil vom 29. März 1996 – V ZR 332/94 -,NJW 1996, 1884, 1885; vgl. auch BGH, Urteil vom 21. September 1987 – II ZR 16/87 -, NJW-RR 1988, 288, 289). Daraus folgt die Befugnis eines Vertragspartners, seinen ursprünglichen, auf Vertragsschluss gerichteten Willen zu ändern, ohne sich deshalb schadensersatzpflichtig zu machen. Er darf nur, wenn er diesen Willen geändert hat, die Gegenseite darüber nicht im Unklaren lassen.

2. Nach Beendigung einer Gesellschaft bürgerlichen RechtsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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sind die früheren Gesellschafter grundsätzlich gehindert, ihre jeweiligen Ansprüche gegen die Gesellschaft oder gegeneinander isoliert geltend zu machen. Die jeweiligen Forderungen sind vielmehr als unselbständige Rechnungsposten in eine Auseinandersetzungsbilanz einzustellen, ein Zahlungsanspruch besteht nur hinsichtlich des abschließenden Saldos (st. Rspr. des BGH, BGH, etwa Urteil vom 24.Oktober 1994 – II ZR 231/93 -, NJW 1995, 188, 189 mwN.). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt in dem Fall, dass feststeht, dass einem Gesellschafter Ansprüche in bestimmtem Umfang mindestens zustehen bzw. sie den bereits erlangten Betrag keinesfalls zurückzahlen müssen (MükoBGB/Schäfer a.a.O. mwN.).

3. Scheitert ein Zahlungsanspruch an der – durch das Erfordernis einer Auseinandersetzung gemäß § 730 BGB begründeten – Durchsetzungssperre (vgl. MükoBGB/Schäfer, 6. Aufl., § 730 Rn. 49 mwN.; Palandt/Sprau a.a.O. § 730 Rn. 6), ist die Klage nicht vollen Umfangs abzuweisen, sondern hilfsweise umzudeuten in einen Feststellungsantrag des Inhalts, dass der mit der Klage verfolgte Anspruch als unselbständiger Posten in eine Auseinandersetzungsbilanz einzustellen ist (vgl. BGH, Urteil vom 9. März 1992 – II ZR 195/90-, NJW 1992, 2757).

4. Vom Zeitpunkt des Zusammenschlusses der zukünftigen Gesellschafter zur Vorbereitung der Gründung einer GmbH, bis zum Abschluss eines wirksamen Gesellschaftsvertrages besteht die Vorgründungsgesellschaft (Merkt, Münchener Kommentar zum GmbHG, 2010, § 11 Rn. 100; Roth/Altmeppen, GmbHG, 7. Aufl. 2012, § 11 Rn. 68 ff., jeweils mwN.). Sie besteht aus den Gesellschaftern der avisierten GmbH und ihr Gesellschaftszweck ist, zur Gründung der GmbH zusammenzuwirken (Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, 20. Aufl. 2013, § 11 Rn. 35). Die Vorgründungsgesellschaft stellt im klassischen Fall der GmbH-Neugründung nach herrschender (BGH, Urteil vom 7. Mai 1984 – II ZR 276/83- , NJW 1984, 2164, zit. nach juris Rn. 7; Merkt a.a.O.; Baumbach/Hueck/Fastrich a.a.O. Rn. 36; Karsten Schmidt, GmbHR 1982, 6, 7; a. A. für den Fall, dass die Gründer noch keine gemeinsame Geschäftstätigkeit aufgenommen haben: Scholz/Emmerich, GmbHG, 10. Aufl., 2006, § 2 Rn. 86) und auch vom Senat vertretener Meinung eine Gesellschaft bürgerlichen RechtsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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gemäß §§ 705 ff. BGB dar.

5. Auch in der Vorphase der Durchführung einer Kapitalerhöhung (hier bei einer GmbH) können die Übernehmer der neu gebildeten Gesellschaftsanteile, die Altgesellschafter und auch die bereits bestehende Gesellschaft in einer Weise zusammen wirken, auf die wie bei einer Vorgründungsgesellschaft die §§ 705 ff. BGB anzuwenden sind („Vorbeteiligungsgesellschaft“). Anders als bei dem GmbH-Gründungsvertrag, der ein Vertrag allein zwischen den Gründer-Gesellschaftern ist (Roth/Altmeppen a.a.O. § 2 Rn. 4), handelt es sich nämlich bei dem Vertrag über die Übernahme von Gesellschaftsanteilen um einen korporationsrechtlichen Vertrag zwischen bereits errichteter GmbH und Übernehmer (BGH, Urteil vom 30. November 1967 – II ZR 68/65 -, NJW 1968, 398; Urteil vom 13. Oktober 1966 – II ZR 56/64 – , juris Rn. 21; Urteil vom 2. Mai 1966 – II ZR 219/63 -, NJW 1966, 1311, 1312; Roth/Altmeppen a.a.O. § 55 Rn. 31; Baumbach/Hueck/Zöllner/Fastrich a.a.O. § 55 Rn. 31). Dementsprechend führt die hier gezogene Analogie von der Neugründung einer GmbH zur Beteiligung an einer GmbH dazu, dass als Gesellschafter der Vorbeteiligungsgesellschaft die in Aussicht genommenen Übernehmer und die GmbH anzusehen sind. Dem steht nicht entgegen, dass damit Identität zwischen einem Gesellschafter der Vorbeteiligungsgesellschaft und – da sich die GmbH durch die Übernahme in ihrer Identität ja nicht ändert – der angestrebten GmbH besteht. Denn die Vorgründungsgesellschaft ist nicht Vorläufer der künftigen GmbH und geht deshalb nicht etwa bei deren Entstehung in diese über (BGH, Urteil vom 25. Oktober 2000 – VIII ZR 306/99 -, NJW-RR 2001, 1042, 1043; Urteil vom 7. Oktober 1991 – II ZR 252/90 -, NJW 1992, 362, 363; Urteil vom 7. Mai 1984 – II ZR 276/83 -, NJW 1984, 2164). Nichts anderes kann für die vorliegend angenommene Vorbeteiligungsgesellschaft gelten.

6. Das Stadium der Vorgründung setzt regelmäßig voraus, dass mehr als bloße Gespräche zwischen den Beteiligten stattgefunden haben (Priester, Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, § 15 Rn. 26). Es erfordert, dass sich die Gesellschafter bereits im Stadium der Verhandlung und Planung in Bezug auf die Vorbereitung der Gründung befinden (so auch Merkt, a.a.O. Rn. 98 mwN), und ist jedenfalls dann erreicht, wenn im Einvernehmen der Beteiligten bereits Aufwendungen getätigt wurden (Priester a.a.O.).

7. Der Senat übersieht nicht, dass die Errichtung einer Vorgründungsgesellschaft, mit der sich die Gesellschafter zur Gründung einer GmbH verpflichten, nach ganz herrschender Auffassung (BGH, Urteil vom 21. September 1987 – II ZR 16/87 -, NJW-RR 1988, 288; OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Frankfurt
, Urteil vom 30. Oktober 1997 – 3 U 178/95 -, MDR 1998, 957) formbedürftig ist. Dieser Fall – der sogenannten Vorgründungsgesellschaft im engeren Sinne – liegt indessen hier nicht vor. Der – durch Aufnahme vorbereitender Tätigkeit konkludent geschlossene – Vorgründungsvertrag (im weiteren Sinne) bedarf nicht der notariellen Form des § 2 GmbHG, weil er die Gesellschafter nicht zur Errichtung, sondern nur zur Vorbereitung und Planung der GmbH verpflichtet (BGH, Urteil vom 24. September 1984 – II ZR 311/83-, GmbHR 1985, 114, juris Rn. 8; OLG HammBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Hamm
, Urteil vom 13. Dezember 1988 – 7 U 104/88 -, NJW-RR 1989, 616; auch OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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a.a.O. unter II. 2. der Entscheidungsgründe, juris Rn. 59; Priester a.a.O. Rn. 22 mwN.; Baumbach/Hueck/Fastrich a.a.O. § 2 Rn. 35; Scholz/Emmerich a.a.O. § 2 Rn. 87; Scholz/Karsten Schmidt a.a.O. § 11 Rn. 9) oder – anders ausgedrückt – nicht auf die Gründung der GmbH abzielt, sondern sie voraussetzt (Priester, GmbHR 1995, 481, 483). Die Formgebundenheit der Übernahme der Anteile steht so lange nicht entgegen, wie die Übernehmer nicht zur Übernahme der Anteile verpflichtet sind.

8. Scheitert die Durchführung der Kapitalerhöhung und sind hierauf schon Aufwendungen getätigt werden, erfolgt die Auseinandersetzung in diesem Falle nicht nach den Grundsätzen des Verschuldens bei Vertragsschluss, sondern nach den §§ 738 ff. BGB.

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