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OLG Brandenburg, Urteil vom 27.12.2022 – 6 U 154/19O

sittenwidrige Kollusion

§ 138 BGB, § 181 BGB, § 242 BGB, § 280 BGB, § 426 BGB, § 430 BGB, § 812 BGB, § 817 BGB

1. Wenn der Vertreter einer Vertragspartei kollusiv mit dem Vertragsgegner zum Nachteil des VertretenenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Nachteil
zum Nachteil des Vertretenen
ein Geschäft abschließt, verstößt das Geschäft wegen einer sittenwidrigen Kollusion gegen die guten Sitten und ist gem. § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Aus diesem Grund ist insbesondere auch ein Vertrag nichtig, wenn ein von den Voraussetzungen des § 181 BGB befreiter Bevollmächtigter seine Vollmacht missbraucht, um mit sich als Geschäftsgegner ein Geschäft zum einseitigen Vorteil einer der vertretenen Gesellschaften abzuschließen.

2. Das sittenwidrige Zusammenwirken erfasst dabei regelmäßig das gesamte Rechtsgeschäft, weil davon auszugehen ist, dass der benachteiligte Geschäftsherr bei Kenntnis des kollusiven Zusammenwirkens zwischen seinem Angestellten und dem bevorteilten Vertragspartner den Vertrag insgesamt nicht geschlossen und vollzogen hätte.

3. Vereinbarungen, welche Angestellte, Bevollmächtigte oder sonstige Vertreter einer Partei im Einverständnis mit dem Vertragsgegner zum eigenen Vorteil hinter dem Rücken des Geschäftsherrn und zu dessen Schaden treffen, verstoßen gegen die guten Sitten und sind wegen sittenwidriger Kollusion nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig.

Gründe

I.

Die Parteien streiten über wechselseitig mit Klage und Widerklage geltend gemachte Zahlungsansprüche im Zusammenhang mit einem Unternehmenskaufvertrag.

Zur Klage:

Die Klägerin war bis zum Abschluss des streitgegenständlichen Unternehmenskaufvertrages alleinige Gesellschafterin der Beklagten. Mit Vertrag vom 18.7.2016 veräußerte und übertrug die Klägerin ihre Gesellschaftsanteile an der Beklagten an die (X) (…). In Ziff. 7.1 („Steuern“) des „Vertrages über den Verkauf und die Abtretung aller Geschäftsanteile“ heißt es auszugsweise:

„Mit der Veräußerung der Geschäftsanteile endet die zwischen dem Verkäufer und (Y) Protect und (Y) Verwaltung bestehende steuerliche Organschaft mit der Folge, dass [diese] in 2017 für das gesamte Geschäftsjahr 2016 steuerlich veranlagt werden. (…) In der Closing Bilanz ist in Höhe des bis zum Closing anfälligen Steueranteils der Gesellschaften eine Rückstellung zu bilden. Im Gegenzug stellt der Erwerber den Verkäufer von etwaigen Verpflichtungen aus dem Gewinn- und Beherrschungsvertrag ab dem 1. August 2016 frei. Das Gewinnbezugsrecht hinsichtlich der Gewinne des Geschäftsjahres steht dem Erwerber zu.“

In Ziff. 19 („Offene Forderungen“) vereinbarten die Kaufvertragsparteien zu offenen Forderungen der Beklagten in Abs. 1 bis 3:

„Die in der Closing Bilanz ausgewiesenen offenen Forderungen können fristgerecht zum jeweiligen Fälligkeitsdatum – soweit sie nicht in der Closing Bilanz zurückgestellt wurden – in voller Höhe eingezogen werden.

Die Parteien vereinbaren ausdrücklich, das Einziehungsrisiko der Restforderung gegenüber dem Kunden … am 30. Juni 2016 in Höhe von 318.930,82 € in der Closing Bilanz nicht zurückzustellen, da der Verkäufer die vollständige Einziehung der Forderung gegenüber dem Erwerber garantiert. Soweit die Forderung nicht vollständig zum 31. Dezember 2016 eingetrieben ist, verpflichtet sich der Verkäufer die Schuld des Kunden … zu übernehmen und den Gesellschaften die Forderungen gegenüber … zum Nennwert abzukaufen.

Im Falle des Nichteinzugs der Forderungen verpflichtet sich der Verkäufer, auf erste Anfrage des Erwerbers die betroffene Forderung zu ihrem Nennwert oder soweit eine Rückstellung erfolgte, in Höhe des nichtrückgestellten Betrages abzukaufen.“

Vor Abschluss des Unternehmenskaufvertrages schloss die Beklagte mit der … GmbH (im Folgenden: …) Verträge zur Bewachung von Objekten, woraus die Beklagte gegen die … einen Anspruch in Höhe von 318.927,85 € herleitete. Die Beklagte erhob vor dem Landgericht Potsdam in entsprechender Höhe am 29.4.2016 Zahlungsklage gegen die …. Die Beklagte legte durch

ihren Geschäftsführer M. G. am 10.4.2017 gegenüber der Klägerin unter Verweis auf den Unternehmenskaufvertrag als Kaufpreis für die gegen die … gerichtete Gesamtforderung eine Rechnung über 180.659,24 € („Forderungen …“), ausgehend vom ursprünglichen Forderungsbetrag von 318.930,82 € und abzgl. einer Einzelwertberichtigung „per 30. Juni 2017“ i.H.v. 138.271,58 € (…). Zu dieser Zeit war der Geschäftsführer der Beklagten M. G. zugleich Geschäftsführer der Klägerin und jeweils von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Ob die Beklagte per 30.6.2016 eine wirtschaftlich-bilanziell gerechtfertigte Einzelwertberichtigung hinsichtlich der Forderung i.H.v. 138.271,58 € vornahm, ist zwischen den Parteien streitig. Den Rechnungsbetrag von 180.659,24 € überwies die Klägerin an die Beklagte am 13.4.2017 (…). Die Beklagte berief in der Folgezeit Herrn M. G. als Geschäftsführer ab.

Der von der Beklagten nach Abschluss des Unternehmenskaufvertrages gegen die … weitergeführte Rechtsstreit endete mit einem gerichtlich festgestellten Vergleich, in dem sich die … zur Zahlung von 191.500 € verpflichtete (…). Diesen Betrag zahlte die … in der Folgezeit an die Beklagte. Die Klägerin forderte die Beklagte mit Schreiben vom 23.4.2018 auf, den von der … erhaltenen Betrag an sie auszukehren oder die betreffende Vergleichsforderung an sie abzutreten (…). Die Beklagte wies dies mit Schreiben vom 7.5.2018 zurück, woraufhin die Klägerin die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 10.8.2018 nochmals erfolglos aufforderte, die Forderung an sie abzutreten oder gegebenenfalls den vereinnahmten Betrag von 191.500 € auszukehren (…).

Zur Widerklage:

Zwischen den Parteien bestand ein am 27.7.2004 abgeschlossener und im Jahr 2014 neu gefasster „Beherrschungs- und GewinnabführungsvertragBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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“ (…). Für die Dauer des Vertrages war die Beklagte finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in die Klägerin eingegliedert. Auf Weisung der Klägerin zahlte die Beklagte am 8.2.2016 einen Betrag i.H.v. 467.414 € zur Abdeckung einer umsatzsteuerlichen Sondervorauszahlung für das Jahr 2016 an das Finanzamt …. Der Betrag diente als Leistung einer Sicherheit für die Klägerin, um eine Dauerfristverlängerung für abzuführende Vorsteuern zu erlangen. Die Dauerfristverlängerung berechtigte die Klägerin, ihre monatlich zu erstellende umsatzsteuerliche Voranmeldung – den Saldo aus abzuführender eingenommener Umsatzsteuer und aus ihrerseits geleisteten Vorsteuern – nicht wie üblich schon zum 10. des Folgemonats, sondern erst zum darauf folgenden Monat abgeben und ausgleichen zu können. Ob der Betrag der Sondervorauszahlung vom Finanzamt an die Klägerin zurückgezahlt oder ganz oder teilweise mit Umsatzsteuerschulden verrechnet worden ist, ist zwischen den Parteien streitig. Wie im Unternehmenskaufvertrag zwischen der Klägerin und der Erwerberin zu Ziff. 7.1 vorgesehen wurde der Beherrschungs- und GewinnabführungsvertragBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag
Gewinnabführungsvertrag
mit Wirkung zum 31.7.2016 gekündigt (…).

Die Klägerin hat erstinstanzlich Zahlung des von der Beklagten nach dem Rechtsstreit mit der … vereinnahmten Vergleichsbetrages verlangt und den Anspruch unter Verweis auf den in Ziff. 19 Abs. 2 des Unternehmenskaufvertrages vorgesehenen Forderungskaufvertrag auf einen Schadensersatzersatzanspruch wegen pflichtwidriger Nichtabtretung der gegen die … gerichteten Forderung seitens der Beklagten i.H.v. 191.500 € gestützt. Die Klägerin hat dazu vorgetragen, sie habe vertreten durch ihren Geschäftsführer M. G. mit Stellung der Rechnung vom 10.4.2017 der Beklagten den Umständen nach zumindest konkludent gegen Abtretung der Ansprüche gegen die … angeboten, die Forderung gegen die … für 180.659,24 € und mithin zu dem Preis, zu dem sie am 31.12.2016 in der Bilanz gestanden habe, zu erwerben. Die zugrunde liegende Wertberichtigung der Forderung gegen die … sei betriebswirtschaftlich nicht zu beanstanden. Die Beklagte, die Erwerberin (X) und deren Wirtschaftsprüfer hätten den Gewinn und das EBITDA („Earnings Before Interest, Taxes, Depreciation and Amortization“) der Beklagten für 2017 selbst so berechnet, als habe ein Kauf über die wertberichtigten Forderungen gegen … zwischen den Parteien stattgefunden. Die Beklagte habe dieses Vertragsangebot zum Forderungskauf durch ihren damaligen Geschäftsführer M. G. auch jedenfalls konkludent durch Entgegennahme der klägerischen Zahlung angenommen und sei daher aufgrund des Kaufvertrages verpflichtet gewesen, ihren Anspruch gegen die … an sie abzutreten. Soweit diese Forderung nachfolgend bereits eingetrieben worden sei, sei die Beklagte nunmehr zum Schadensersatz wegen Unmöglichkeit der Abtretung in Höhe des vereinnahmten Vergleichsbetrages gem. § 280 Abs. 1 und 3, § 283 BGB verpflichtet. Die Klägerin hat ferner die Auffassung vertreten, sofern der Anspruch auf Zahlung von 191.500 € nicht begründet sei, stehe ihr zumindest ein Bereicherungsanspruch in Höhe der Kaufpreiszahlung von 180.659,24 € zu, die sie auf die Rechnung vom 10.4.2017 an die Beklagte für den – etwaig unwirksamen – Forderungskauf geleistet habe.

Das LG hat wegen säumnis der Klägerin im Termin am 20.2.2019 ein klageabweisendes Versäumnisurteil verkündet, gegen das die Klägerin fristgerecht Einspruch eingelegt hat. …

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, eine Forderungsabtretung sei zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits nicht wirksam vereinbart worden. Eine solche Abtretung ergebe sich zum einen nicht aus dem Unternehmenskaufvertrag, an dem sie als Partei nicht beteiligt gewesen sei. Eine Abtretungsverpflichtung könne aber auch nicht aus dem Bezahlvorgang hinsichtlich des von der Klägerin geleisteten Teilbetrages von 180.659,24 € hergeleitet werden, weil ein betreffender Kaufvertrag mit der Klägerin über die Forderung gegen die … mit der Folge eines erheblichen Forderungsverzichts jedenfalls nichtig gewesen sei. … [Wird ausgeführt.]

Die Beklagte hat hilfsweise mit einem Anspruch auf Rückzahlung der Umsatzsteuersondervorauszahlung i.H.v. 467.414 € die Aufrechnung erklärt und Widerklage in überschießender Höhe erhoben; ferner hilfsweise hat sie erstinstanzlich die Aufrechnung mit Beitreibungskosten für die Forderung i.H.v. 10.000 €, die ihr durch den Rechtsstreit gegen die … als Kosten entstanden seien (…), sowie mit einer Schadensersatzforderung i.H.v. 127.430,82 € erklärt, mithin in Höhe der Differenz zwischen dem Nominalwert der Forderung gegen die … und der von dieser erhaltenen Vergleichszahlung (318.930,82 € – 191.500 €). Sie hat dazu die Auffassung vertreten, … [Wird ausgeführt.]

[Die Beklagte hat Wider- und Hilfswiderklage erhoben; die Klägerin hat beantragt, Widerklage und Hilfswiderklage abzuweisen.]

Das LG hat mit dem angefochtenen Urteil das klageabweisende Versäumnisurteil vom 20.2.2019 aufrechterhalten und zur Ab

Weisung der Klage und Stattgabe der Widerklage im Wesentlichen ausgeführt: … [Ausführungen des LG.]

Wegen der weiteren erstinstanzlichen Feststellungen wird gem. § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf das landgerichtliche Urteil verwiesen.

Gegen das ihr am 16.9.2019 zugestellte Urteil des LG richtet sich die am 16.10.2019 eingelegte und innerhalb verlängerter Frist mit am 17.12.2019 eingegangenem Schriftsatz begründete Berufung der Klägerin. Sie rügt insbesondere die vom LG angenommene Nichtigkeit des streitgegenständlichen Forderungskaufvertrages und die infolgedessen Verneinung eines Schadensersatzanspruchs aus §§ 280 Abs. 1 und 3, 283 BGB. Ein bewusst kollusives Handeln des Herrn M… G… zur Begründung der Sittenwidrigkeit liege nicht vor, die Einzelwertberichtigung der betreffenden Forderung sei wirtschaftlich gerechtfertigt gewesen. Jedenfalls stehe ihr ein bereicherungsrechtlicher Anspruch auf Rückzahlung der an die Beklagte als Kaufpreis geleisteten 180.659,24 € nebst Zinsen zu, weil das LG insoweit zu Unrecht eine Anspruchskürzung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben angenommen habe. Eine aufrechenbare und überschießend mit der Widerklage geltend gemachte Gegenforderung der Beklagten auf Erstattung der Umsatzsteuersondervorauszahlung bestehe – wie bereits erstinstanzlich ausgeführt – insbesondere mit Rücksicht auf den zwischen den Parteien geschlossenen und insoweit fortwirkenden Beherrschungs- und GewinnabführungsvertragBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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nicht.

[Die Klägerin hat beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern; die Beklagte hat beantragt, die Berufung zurückzuweisen.]

Die Beklagte ist der Auffassung, hinsichtlich der Widerklage sei die Berufung schon nicht wirksam eingelegt respektive unzulässig, weil die Berufungsschrift die Parteieigenschaften der Widerklägerin und Widerbeklagten nicht aufgegriffen und damit die Widerklage nicht erkennbar zum Gegenstand des Rechtsmittels gemacht habe. …

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin (§§ 511, 517, 519, 520 ZPO) hat überwiegend Erfolg. Der Klägerin ist ein Teilbetrag der Klageforderung i.H.v. 53.228,42 € wegen des in der Berufung zu beachtenden Verbots der reformatio in peius zuzusprechen. Die Widerklage ist hingegen insgesamt abzuweisen, denn die von der Beklagten zur Hilfsaufrechnung gestellte und im Übrigen im Wege der Widerklage geltend gemachte Gegenforderung ist unbegründet.

A) Zulässigkeit

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Berufung der Klägerin in Bezug auf die Widerklage nicht – teilweise – nach Ablauf der einmonatigen Berufungsfrist (§ 517 ZPO) und daher insoweit unzulässig oder lediglich beschränkt eingelegt worden.

1. Keine Zweifel, gegen wen Berufung persönlich gerichtet ist

Die Berufungsschrift vom 15.10.2019 nennt die zur Widerklage gehörenden Parteibezeichnungen zwar nicht ausdrücklich, richtet sich aber ohne Einschränkungen „gegen das am 16. September 2019 zugestellte Urteil des Landgerichts Potsdam vom 11.09.2019 (Az.: 52 O 73/18)“ (…) und damit gegen das sich zu Klage und Widerklage verhaltende Urteil insgesamt. Vor diesem Hintergrund sind die für die Berufungsschrift gem. §§ 517, 519 ZPO fristwahrend zu bezeichnenden Parteien des Rechtsmittelverfahrens, namentlich die in ihrem Rubrum als „Berufungsklägerin und Klägerin“ sowie „Berufungsbeklagte und Beklagte“ bezeichneten juristischen Personen, aus ihr selbst mit allen hierfür erforderlichen Angaben zu den Vertretungsverhältnissen und Ladungsanschriften ersichtlich (…). Indem vorliegend die Widerklägerin mit der Berufungsbeklagten identisch und jene nicht lediglich Drittbeteiligte ist, bestehen daher keine Zweifel daran, gegen wen die Berufung persönlich gerichtet ist (vgl. Heßler in Zöller, 34. Aufl., § 519 ZPO Rz. 30a f. m.w.N.).

2. Umfang des geführten Rechtsmittels ist gem. § 520 Abs. 3 Nr. 1 ZPO erst mit Berufungsbegründung anzugeben

Soweit die Beklagte ferner moniert, der Berufungsschrift lasse sich mangels Parteirollenbezeichnungen zur Widerklage in ihrem Rubrum zudem in der Sache nicht entnehmen, ob sie die erstinstanzlich erfolgreiche Widerklage umfasse, führt dies auch nicht zu einer lediglich auf die Klage beschränkt eingelegten Berufung. Der Umfang des gegen den Berufungsbeklagten geführten Rechtsmittels ist gem. § 520 Abs. 3 Nr. 1 ZPO erst mit der Berufungsbegründung anzugeben (vgl. Heßler in Zöller, 34. Aufl., § 520 ZPO Rz. 28 ff.). Nach der Berufungsbegründung vom 17.12.2019 bestehen keine Zweifel daran, dass das Rechtsmittel auch einen den vollen Streitgegenstand der Widerklage umfassenden Angriff gegen das landgerichtliche Urteil enthält. Zum einen weist die Berufungsbegründung im Rubrum ergänzende Parteibezeichnungen zur Widerklage auf, zum anderen enthält sie unter Ziff. II. 3. auch gesonderte Rügen zur erstinstanzlich erfolgreichen Widerklage respektive zu der damit korrespondierenden (Hilfs-)Aufrechnungsforderung der Beklagten (…).

B) Begründetheit

Die Berufung ist hinsichtlich der Klageforderung teilweise und hinsichtlich der Widerklage insgesamt erfolgreich. Zutreffend hat das LG erkannt, dass die seitens der Klägerin von der Beklagten verlangte Zahlung eines Betrages von 195.000 €, den die Beklagte auf Grundlage eines gerichtlichen Vergleichs von der … erhalten hat, zwar nicht aus dem Gesichtspunkt einer vertraglichen Pflichtverletzung gem. § 280 Abs. 1, Abs. 3, § 283 BGB begründet ist, weil ein zwischen den Parteien des Rechtsstreits vereinbarter Forderungskaufvertrag jedenfalls gem. § 138 Abs. 1 BGB nichtig ist. Der von der Klägerin hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung des von ihr für den vermeintlichen Forderungskauf geleisteten Kaufpreises i.H.v. 180.659,24 € ist deshalb, wie auch das LG gesehen hat, prinzipiell aus dem Gesichtspunkt ungerechtfertigter Bereicherung gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB begründet, Dem Rückzahlungsanspruch der Klägerin steht allerdings die von Amts wegen zu beachtende Einwendung des § 817 Satz 2 BGB insgesamt entgegen. Im rechtlichen Ergebnis ist der Klägerin gleichwohl wegen des in der Berufung zu beachtenden prozessualen Verböserungsverbotes der Teilbetrag von 53.228,42 €, den das LG der Klägerin in den Gründen des angefochtenen Urteils als begründeten Teil der Klageforderung zugesprochen und aufgrund der – zu Unrecht als begründet erachteten –

Hilfsaufrechnung der Beklagten als erloschen angesehen hat, zusprechen. Denn die von der Beklagten mit der Hilfsaufrechnung und mit der Widerklage in überschießender Höhe von 413.344,82 € verlangte Zahlung und für den Fall, das die Klage abgewiesen wird, ohne dass eine Entscheidung über ihre hilfsweise erklärte Aufrechnung ergeht, verlangte Zahlung weiterer 54.069,18 € steht ihr entgegen der Auffassung des LG nicht zu. Die Beklagte hat wegen der von ihr zugunsten der Klägerin i.H.v. 467.414 € geleisteten umsatzsteuerlichen Sondervorauszahlung keinen Rückzahlungsanspruch aus dem Gesichtspunkt eines Gesamtschuldnerausgleichs nach § 426 Abs. 2, § 430 BGB oder aus einer anderen Anspruchsgrundlage.

Zur Klage:

Die i.H.v. 195.000 € geltend gemachte Klageforderung ist der Klägerin nur in anteiliger Höhe von 53.228,42 € zuzusprechen.

1. Forderungskaufvertrag mit Abtretung war nichtig

Das LG ist zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass der von der Klägerin für ihr Hauptvorbringen herangezogene Forderungskaufvertrag mit vermeintlich zu ihren Gunsten erfolgter Abtretung der gegen die … gerichteten Forderung nichtig war und ihr deshalb nicht aus dem Gesichtspunkt einer diesbezüglichen Pflichtverletzung der von der … an die Beklagte i.H.v. 195.000 € ausgekehrte Betrag gem. § 280 Abs. 1 und Abs. 3 i.V.m. §§ 275, 283 BGB als Schadensersatz zustehen kann.

a) Inhaltlich übereinstimmende Willenserklärungen

Mit dem LG ist davon auszugehen, dass die Parteien durch ihren seinerzeit personenidentischen Geschäftsführer – Herrn M. G. – im Zusammenhang mit der von der Beklagten gelegten Rechnung vom 10.4.2017 (…) zwei inhaltlich übereinstimmende Willenserklärungen zum Abschluss eines Forderungskaufvertrages abgegeben haben. Dagegen spricht zwar, dass die Beklagte dadurch ihre Forderungsberechtigung in dem gegen die … vor dem LG geführten prozess grundsätzlich verloren hätte und infolgedessen eine Prozessstandschaft zu ihren Gunsten hätte vereinbart werden müssen. Für eine solche Vereinbarung bestehen keine Anhaltspunkte. Vor dem Hintergrund der Kaufpreiszahlung seitens der Klägerin an die Beklagte ist gleichwohl nicht zweifelhaft, dass der von der Klägerin behauptete Forderungskauf zumindest durch konkludent übereinstimmende Willenserklärungen für beide Seiten geschlossen wurde. Den Rechnungsbetrag von 180.659,24 € überwies die Klägerin an die Beklagte unstreitig am 13.4.2017. Dass die Klägerin als weiteren objektiven Anhaltspunkt neben der Kaufpreiszahlung selbst nur die Rechnung vom 10.4.2017 anzuführen vermag, die Herr M. G. für die Beklagte gegenüber der Klägerin in Personalunion gelegt hat, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Angesichts der Umstände kommen hier von vornherein nur Absprachen des jeweiligen Geschäftsführers mit sich selbst in Betracht, die sich als solche kaum weiter objektivierbar in der Außenwelt manifestiert haben können.

b) Zur Frage einer schwebenden Unwirksamkeit

Soweit der Forderungskaufvertrag deshalb schwebend unwirksam sein könnte, weil nach Ziff. 19 Abs. 3 des zwischen der Klägerin und der (X) geschlossenen Unternehmenskaufvertrages allein der Erwerberin das Recht zustand, die Klägerin zum Ankauf der betreffenden Forderung aufzufordern, kommt es darauf im Ergebnis nicht an. Dass dem zwischen der Klägerin und der Beklagten vereinbarten Forderungskaufvertrag, der ausweislich der dazu erstellten Rechnung ausdrücklich zur Erfüllung der in Ziff. 19 des Unternehmenskaufvertrages begründeten Verpflichtung geschlossen wurde, eine vorherige Ankaufaufforderung der Erwerberin gegenüber der Klägerin oder ein gegenüber dem damaligen Geschäftsführer der Beklagten erteilter Auftrag zur Rechnungslegung und Geltendmachung eines Ankaufbegehrens zugrunde lag, ist zwar nicht ersichtlich. Auch dass der damalige Geschäftsführer der Beklagten die Kaufpreisforderung entgegen der Regelung in Ziff. 19 Abs. 2 des Unternehmenskaufvertrages eigenmächtig reduzieren durfte, ist nicht anzunehmen. Es ist daher fraglich, ob der Forderungskaufvertrag ohne Beteiligung der Erwerberin schwebend unwirksam war, weil diese das Verhalten des Geschäftsführers des Beklagten noch hätte genehmigen müssen, um Erfüllung der in Ziff. 19 Abs. 2 des Unternehmenskaufvertrages statuierten Ankaufpflicht gegen sich eintreten zu lassen (§ 177 Abs. 1 BGB). Für eine solche Genehmigung bestehen keine Anhaltspunkte, zumal nicht ersichtlich ist, dass die Erwerberin ein Interesse daran hatte, dem Forderungskauf zu einem um 138.271,58 € reduzierten Kaufpreis zuzustimmen.

c) Vereinbarter teilweiser Kaufpreisverzicht war SittenwidrigNichtigkeit des Unternehmenskaufvertrags gem. § 138 BGB

Letztlich kann die Frage einer schwebenden Unwirksamkeit des Forderungskaufvertrages allerdings dahinstehen, weil dieser wegen des entgegen Ziff. 19 Abs. 2 des Unternehmenskaufvertrages vereinbarten teilweisen Kaufpreisverzichts von vornherein Sittenwidrig und damit nach § 138 Abs. 1 BGB insgesamt nichtig war.

aa) Sittenwidrige Kollusion

Wenn der Vertreter einer Vertragspartei kollusiv mit dem Vertragsgegner zum Nachteil des VertretenenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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zum Nachteil des Vertretenen
ein Geschäft abschließt, verstößt das Geschäft wegen einer sittenwidrigen Kollusion gegen die guten Sitten und ist gem. § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Aus diesem Grund ist insbesondere auch ein Vertrag nichtig, wenn ein – wie der damalige Geschäftsführer der Beklagten – von den Voraussetzungen des § 181 BGB befreiter Bevollmächtigter seine Vollmacht missbraucht, um mit sich als Geschäftsgegner – diesbezüglich als Geschäftsführer der Klägerin – ein Geschäft zum einseitigen Vorteil einer der vertretenen Gesellschaften abzuschließen (vgl. BGH v. 25.2.2002 – II ZR 374/00, ZIP 2002, 753; BGH v. 13.9.2011 – VI ZR 229/09, juris Rz. 9; BGH v. 28.1.2014 – II ZR 371/12, GmbHR 2014, 421, juris Rz. 10; ebenso OLG Düsseldorf v. 2.3.2018 – 7 U 23/17, FamRZ 2018, 1865, 1867). Voraussetzung dafür ist, dass der Vertreter, der zur Wahrung der interessen seines Geschäftsherrn verpflichtet ist, sich diesem gegenüber treuwidrig verhält und der Vertragspartner dies weiß (BGH v. 17.5.1988 – VI ZR 233/87, NJW 1989, 26, 27). Das sittenwidrige Zusammenwirken erfasst dabei regelmäßig das gesamte Rechtsgeschäft, weil davon auszugehen ist, dass der benachteiligte Geschäftsherr bei Kenntnis des kollusiven Zusammenwirkens zwischen seinem Angestellten und dem bevorteilten Vertragspartner den Vertrag insgesamt nicht geschlossen und vollzogen hätte (vgl. BGH v. 18.2.2003 – X ZR 245/00, juris Rz. 39). Eine solche In

teressenkollision des M. G. als früherer GeschäftsführerBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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beider Parteien lag bei Abschluss des Forderungskaufvertrages vor.

(1) Entgegen der Auffassung der Klägerin hätte ein Forderungskaufvertrag für den auf beiden Seiten als Geschäftsführer handelnden M. G. nur über den vollen Nennwert von 318.927,85 € erfolgen dürfen und nicht in wertberichtigter Höhe. Der Wortlaut in Ziff. 19 Abs. 2 des Unternehmenskaufvertrages ist entgegen der Lesart der Klägerin, die die Regelungen in Abs. 2 und 3 ohne einleuchtende Begründung derart zusammenziehen will, dass der Inhalt des Abs. 2 praktisch negiert wird, eindeutig.

In Abs. 2 der Regelung ist die Gesamtforderung von 318.927,85 € gegenüber der …, die in eben dieser Höhe zuvor Gegenstand der Klageschrift vom 29.4.2016 in dem von der hiesigen Beklagten gegen die … geführten Rechtsstreit vor dem LG Potsdam war (…), klar identifizierbar. Für diese Gesamtforderung ist vereinbart worden, dass der Verkäufer „die vollständige Einziehung der Forderung dem Erwerber gegenüber garantiert“ und sich im Falle der Nichtbeitreibbarkeit bis zum 31.12.2016 verpflichtet, „die Schuld des Kunden … zu übernehmen und den Gesellschaften die Forderungen gegenüber … zum Nennwert abzukaufen“. Die Forderung sollte daher entgegen der Auffassung der Klägerin gerade nicht in der sog. Closing Bilanz zum 31.12.2016 wertberichtigt werden. Vielmehr heißt es klarstellend in Satz 1 der Regelung: „Die Parteien vereinbaren ausdrücklich, das Einziehungsrisiko der Restforderung gegenüber dem Kunden … am 30. Juni 2016 in Höhe von 318.930,82 € in der Closing Bilanz nicht zurückzustellen.“ Dass die Parteien des Unternehmenskaufvertrages unter „Zurückstellung“ jedenfalls auch eine Einzelwertberichtigung verstanden haben, ist unstreitig (…).

Zu dieser Regelung verhält sich widerspruchsfrei diejenige in Abs. 3, welche die Klägerin für die Zulässigkeit einer Einzelwertberichtigung auch der gegen die … gerichteten Forderung heranziehen will. Dort heißt es, dass im Falle des Nichteinzugs der Verkäufer verpflichtet ist, „die betroffene Forderung zu ihrem Nennwert oder soweit eine Rückstellung erfolgte, in Höhe des nichtrückgestellten Betrages abzukaufen.“ Die Formulierung „die betroffene Forderung“ ist erkennbar offen gehalten, um damit auch für alle anderen Forderungen, außer der gegen die … gerichteten und in Abs. 2 gesondert abgehandelten, eine gemeinsame Regelung zu treffen, seien sie zwischenzeitlich wertberichtigt oder nicht. Die Regelung in Abs. 3 verhält sich daher nicht inhaltlich modifizierend hinsichtlich der gegen die … gerichteten Forderung, deren Ankauf die Klägerin nach Abs. 2 im Falle des Nichteinzugs bis zum 31.12.2016 in voller Höhe „gegenüber dem Erwerber garantiert“ hat. Das wäre auch sinnwidrig, weil sich eine Verdoppelung zu den Ankaufmodalitäten der in Abs. 2 getroffenen Sonderregelung ergäbe. Diese trifft die spezielle Regelung, dass die Forderung gegen die … von der Möglichkeit einer wertberichtigten Einstellung in der Abschlussbilanz von vornherein ausgenommen wird. Bei dieser Forderung handelt es sich mithin zwingend um eine solche, welche die Klägerin ab dem vereinbarten Stichtag gem. Abs. 3 „auf erste Anfrage des Erwerbers (…) zu ihrem Nennwert“ ankaufen sollte. Aus dem Zusatz, dass der Forderungsankauf „auf erste Anfrage“ seitens der Erwerberin erfolgen soll, ergibt sich ebenfalls nichts anderes. Daran wird nur noch deutlicher, dass der Erwerberin und nicht der Beklagten das Recht zugestanden hat, den Ankauf der streitgegenständlichen Forderung ohne zulässige Einwendungen der Klägerin – und hier also in Höhe des vollen Nennwertes – zu verlangen. Soweit die Klägerin gegenüber diesem im Ergebnis auch vom LG geteilten Regelungsverständnis meint, die Vereinbarung in Ziff. 19 Abs. 3 sei trotz der Eindeutigkeit der die …-Forderung betreffenden Sonderregelung in Ziff. 19 Abs. 2 „hineinzulesen“, überzeugt das nach allem nicht.

(2) Auch der weitere Berufungsvortrag der Klägerin, die Regelung in Abs. 3 müsse deshalb den Wortlaut in Abs. 2 modifizierend verstanden werden, weil andernfalls die weitere Regelung in Ziff. 3.2 des Unternehmenskaufvertrages zur Zahlung eines zusätzlichen Kaufpreises zu einem für die Erwerberin unbilligen Ergebnis führe, vermag den Inhalt der für sich genommen klaren Regelungen in Ziff. 19 nicht abzuändern.

Schon nach ihrer eigenen Begründungsprämisse verfängt die Argumentation der Klägerin nicht. Die Parteien des Unternehmenskaufvertrages hatten in Ziff. 3.3.2.1. die Zahlung eines zusätzlichen Kaufpreises für den Fall vereinbart, dass die Beklagte ein bestimmtes EBITDA-Ziel (Gewinn ohne Berücksichtigung von Zinsen, Steuern, Abschreibungen und sonstigen Finanzierungsaufwendungen) erreicht. Sollte das EBITDA-Ziel verfehlt werden, minderte sich der zusätzliche Kaufpreisanteil, der im Falle des tatsächlichen Erreichens des Ziels für 2016 quasi als Prämie 1.000.000 € betragen sollte, um die dreifache Differenz zwischen der tatsächlichen EBITDA und dem EBITDA-Ziel. Die daraus gezogene Schlussfolgerung der Klägerin, hätte sie an die Beklagte nicht den berichtigten Buchwert, sondern den höheren Nominalwert der streitgegenständlichen Forderung gezahlt, wäre es in Höhe der Differenz zu einem „außerordentlichen Ertrag bei der Beklagten gekommen“, leuchtet schon deshalb nicht ein, weil die Beklagte den vollen Betrag grundsätzlich auch von der … bis zum Ankaufsstichtag des 31.12.2016 hätte vereinnahmen und somit im Geschäftsjahr 2016 denselben Ertrag hätte erzielen können. In Ziff. 19 Abs. 3 des Unternehmenskaufvertrages heißt es konsequent, dass der Forderungsankauf nur „im Falle des Nichteinzugs“ für die Klägerin stichtagsbezogen verpflichtend wird; die Durchsetzbarkeit der insoweit „betroffenen Forderung“ war zur Zeit des Abschlusses des Unternehmenskaufvertrages offen.

Soweit die Klägerin ferner darauf abstellt, dass die Beklagte den Forderungskauf im Jahr 2017 buchhalterisch selbst als wirksamen Aktivtausch (Kaufpreiszahlung gegen Ausbuchung der Forderung) angesehen hat (…), kommt es mit Rücksicht auf den allein maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsschlusses auch darauf nicht an, zumal für das Verständnis der vertraglichen Regelungen ohne Belang ist, wie die an dem Unternehmenskaufvertrag nicht beteiligte Beklagte die Zahlung der Klägerin im Jahr 2017 ihrerseits verbucht hat. Zutreffend hat bereits das LG ausgeführt, dass dem Einwand der Klägerin, der Beklagten sei wegen der fraglichen Durchsetzbarkeit der Forderung und der von der Beklagten insofern wirtschaftlich vertretbar und auch intern buchhalterisch umgesetzten Einzelwertberichtigung kein geldwerter Nachteil entstanden, keine Bedeutung zukommt, weil sich die Klägerin gerade unabhängig von der objektiven Werthaltigkeit der Forderung gem. Ziff. 19 Abs. 2 des Unternehmenskaufvertrages gegenüber der Erwerberin zu deren Ankauf zum Nennwert verpflichtet hat.

(3) Dass ihre „Auslegung zutreffend, jedenfalls aber gut vertretbar“ ist, wie die Klägerin meint, so dass ein kollusives Handeln

des Doppelgeschäftsführers ausscheide, überzeugt nach allem nicht. Richtig ist zwar, dass sich die gegen die … gerichtete Forderung tatsächlich nicht bis zum 31.12.2016 realisieren ließ. Das berechtigte den Geschäftsführer der Beklagten aber nicht, die zwischen den Parteien des Unternehmenskaufvertrages vereinbarte Zusatzkaufpreisoption, die einer Wette anhand einer Gewinnerzielungsprognose ähnelt, im Nachhinein eigenmächtig dadurch zu entwerten, dass er die betreffende Forderung gegen die … nach Ablauf des 31.12.2016 zu einem geringeren Kaufpreis an die Klägerin veräußert hat. Daran kann es nichts ändern, wenn die Erwerberin den von der Klägerin gezahlten Kaufpreis in das EBITDA-Ergebnis der Beklagten für das Jahr 2017 selbst einberechnet hat, wie die Klägerin vorgetragen hat. Zum einen sind maßgebend für die Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts allein die Verhältnisse im Zeitpunkt seiner Vornahme (BGH v. 12.4.2016 – XI ZR 305/14, ZIP 2016, 1058, juris Rz. 46). Zum anderen ergibt sich aus einem späteren Verhalten der Erwerberin auch kein hinreichender Anhaltspunkt für die Auslegung von Ziff. 19 des Unternehmenskaufvertrages noch gar ein bewusstes Anerkenntnis der Erwerberin, dass der vollzogene Forderungskauf vertragsgemäß war. Als Geschäftsführer der Beklagten musste vielmehr Herrn M. G. bei Abschluss des vorhergehenden Forderungskaufvertrages klar sein, dass er in dieser Eigenschaft als am Unternehmenskaufvertrag nicht beteiligter Dritter den Regelungsinhalt von Ziff. 19 des Unternehmenskaufvertrages einer eigenmächtigen „Korrektur“ zugeführt hat.

bb) Forderungskaufvertrag nicht wirksam geschlossen

Vor diesem Hintergrund erweist sich der zwischen den Parteien zu den von der Klägerin selbst dargelegten Bedingungen geschlossene Forderungskaufvertrag als nicht wirksam geschlossen. Vereinbarungen, welche Angestellte, Bevollmächtigte oder sonstige Vertreter einer Partei im Einverständnis mit dem Vertragsgegner zum eigenen Vorteil hinter dem Rücken des Geschäftsherrn und zu dessen Schaden treffen, verstoßen gegen die guten Sitten und sind wegen sittenwidriger Kollusion nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Diese Voraussetzungen liegen auf Grundlage der dazu bereits vom LG getroffenen Feststellungen vor.

(1) Als Geschäftsführer der Beklagten traf Herrn M. G. bei der Erledigung der für diese zu tätigenden Geschäfte die Verpflichtung zur Wahrung der Gesellschaftsinteressen (vgl. § 43 Abs. 1 GmbHG). Diese Verpflichtung ist Ausdruck der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht (vgl. BGH v. 17.5.1988 – VI ZR 233/87, juris Rz. 9). Als in dieser Weise gegen die guten Sitten i.S.d. § 138 Abs. 1 BGB verstoßend erweist sich das vom LG zutreffend aus den unstreitigen Tatsachenumständen gefolgerte gleichsam „kollusive“ Zusammenwirken des für beide am Forderungskauf beteiligte Parteien in Personalunion handelnden Geschäftsführers. Entgegen der Auffassung der Klägerin muss sich die Sittenwidrigkeit hier auch nicht unmittelbar in einem wirtschaftlichen Nachteil der Beklagten abbilden, sondern der Vorwurf der Sittenwidrigkeit ist bereits deshalb gerechtfertigt, weil vorliegend die Erwerberin der Beklagten als Dritte zugunsten der Klägerin ungerechtfertigt geschädigt worden ist. Die Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts kann sich auch daraus ergeben, dass der Sittenverstoß Dritte betrifft. Sittenwidrigkeit setzt dann nur zusätzlich voraus, dass alle an dem Geschäft Beteiligten Sittenwidrig handeln, also alle die Tatsachen, die die Sittenwidrigkeit begründen, kennen oder sich zumindest ihrer Kenntnis grob fahrlässig verschließen (vgl. BGH v. 28.10.2011 – V ZR 212/10, juris Rz. 10; BGH v. 23.2.2005 – VIII ZR 129/04, juris Rz. 7). Diese Voraussetzungen liegen sämtlich vor. Wie ausgeführt gab es vor dem Hintergrund der im Unternehmenskaufvertrag eingegangenen Verpflichtung der Klägerin, die Forderung zum Nennwert abzugelten, keinen rechtfertigenden Grund, diese Forderung zum Nachteil der Erwerberin im Wert zu berichtigen. Auch wenn eine solche Wertberichtigung bei der Beklagten zuvor intern erfolgt sein sollte, wie die Klägerin behauptet, hat die Erwerberin es durch die mit der Klägerin zu Ziff. 19 Abs. 2 und Abs. 3 des Unternehmenskaufvertrages vereinbarte Forderungsrisikoübernahme jedenfalls vermocht, von der Klägerin wirtschaftlich so gestellt zu werden, als ob das nicht geschehen wäre. Diesen Verhandlungserfolg hat der damalige Geschäftsführer der Beklagten zum unmittelbaren Nachteil der Erwerberin und unmittelbaren Vorteil der Klägerin, die sich zum Nennwertausgleich verpflichtet hatte, durch den Forderungskaufvertrag und insofern durch personenidentisches Geschäftsführerhandeln („kollusiv“) für beide Seiten vereitelt, was den Vorwurf der Sittenwidrigkeit eines drittschädigenden Rechtsgeschäfts objektiv begründet.

(2) Es bestehen auch keine vernünftigen Zweifel daran, dass Herrn M. G. den Umständen nach bekannt war, dass für die Beklagte kein Grund bestand, freiwillig gegenüber der Klägerin auf einen erheblichen Teil der Forderung gegen die … zu verzichten. Insbesondere waren ihm als Geschäftsführer der Klägerin die in dem Unternehmenskaufvertrag von der Klägerin mit der Erwerberin getroffenen Regelungen bekannt, die hinsichtlich der von der Klägerin geschuldeten Forderungshöhe unmissverständlich sind. Es kommt hinzu, dass die für den Forderungskaufvertrag erstellte Rechnung vom 10.3.2017 ausdrücklich Bezug nimmt auf den „Kaufvertrag (Y); SPA Art. 19 Titel 2)“. Die bereits vom LG aus den Umständen gefolgerte Feststellung zur Kenntnis der die Sittenwidrigkeit begründenden Tatsachen seitens ihres Geschäftsführers hat die Klägerin in der Berufung auch nicht in Abrede gestellt, sondern stattdessen unbehelflich auf eine vermeintlich angemessenere und insofern aber den Inhalt der in Ziff. 19 des Unternehmenskaufvertrages vereinbarten Forderungsankaufmodalitäten bewusst „korrigierende“ Auslegung ihres Geschäftsführers verwiesen.

2. Kein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung wegen § 817 Satz 2 BGB

Ausgehend davon, dass der von der Klägerin behauptete Forderungskaufvertrag wegen Sittenwidrigkeit gem. § 138 Abs. 1 BGB in allen Teilen nichtig ist (vgl. BGH v. 12.4.2016 – XI ZR 305/14, ZIP 2016, 1058, juris Rz. 46; Ellenberger in Grüneberg, 81. Aufl., § 138 BGB Rz. 20), steht der Klägerin der von ihr hilfsweise geltend gemachte Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung hinsichtlich der an die Beklagte rechtsgrundlos als Kaufpreis gezahlten 180.659,24 € grundsätzlich aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB zu. Der Forderungskaufvertrag war anfänglich nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, so dass die Leistung des Kaufpreises zugunsten der Beklagten ohne rechtlichen Grund erfolgt ist. Soweit das LG der Klägerin einen solchen Bereicherungsanspruch zugesprochen und diesen nach § 242 BGB auf 53.228,42 € – wegen eines Anspruchs der Beklagten auf einen Forderungsankauf zum vollen Nennwert einerseits und wegen des von der … erhaltenen Vergleichsbetrags

(191.500 € + 180.659,24 € – 318.930,82 €) andererseits – gekürzt hat, ist das landgerichtliche Urteil allerdings rechtsfehlerhaft. Entgegen der Auffassung des LG ist die Bereicherungsforderung nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) auf den Differenzbetrag zwischen dem Wert der dem nichtigen Kaufvertrag zugrunde liegenden Forderung und dem von der Beklagten von der … erhaltenen Vergleichsbetrag zu reduzieren. Denn der Rückforderung des Kaufpreises steht wegen des (auch) für die Klägerin seinerzeit Sittenwidrig handelnden Geschäftsführers insgesamt die Norm des § 817 Satz 2 BGB entgegen. Wegen des in der Berufung zu beachtenden Verbots der reformatio in peius verbleibt es indes insoweit bei dem rechtlichen Ergebnis des LG, so dass der Klägerin ein Zahlbetrag i.H.v. 53.228,42 € zuzusprechen ist.

a) Anspruchskürzung gem. § 242 BGB?

Das LG hat für die von ihm vorgenommene Anspruchskürzung auf die Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwiesen und dabei nicht eindeutig offengelegt, welche darunter fassbare Rechtsfigur es für anwendbar erachtet hat.

aa) Zur dolo-agit-Einrede

Soweit das LG wohl eine dolo-agit-Einrede der Beklagten gegen die Rückzahlung des Kaufpreises in Betracht gezogen hat, scheitert dies jedenfalls daran, dass der Beklagten eine gegenläufige Forderung gegenüber der Klägerin auf Zahlung des vollen Kaufpreises nicht selbst aus Ziff. 19 des Unternehmenskaufvertrages zusteht. Zwar kann nach den Grundsätzen von Treu und Glauben niemand erfolgreich eine Leistung einklagen, die er sogleich nach Erhalt an den Schuldner zurückgeben müsste, weil diesem ein entsprechender Gegenanspruch zusteht (Grüneberg in Grüneberg, 81. Aufl., § 242 BGB Rz. 52). Zu einem eigenen Forderungsrecht der Beklagten, insbesondere als Begünstigte eines Vertrages zugunsten Dritter i.S.d. § 328 BGB, verhalten sich die Regelungen in Ziff. 19 des Unternehmenskaufvertrages aber nicht. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Parteien des Unternehmenskaufvertrages der Beklagten eine solche Rechtsposition konkludent zuweisen wollten. Insbesondere haben sie auch keinen unechten Vertrag zugunsten Dritter geschlossen, bei dem der Dritte kein eigenes Forderungsrecht erwirbt und der Schuldner lediglich ermächtigt wird, in Erfüllung eines mit dem Gläubiger geschlossenen Vertrages, mit befreiender Wirkung an den Dritten zu leisten. Denn nach dem eindeutigen Wortlaut in Ziff. 19 Abs. 2 hat sich die Klägerin allein gegenüber der Erwerberin verpflichtet, das dort genannte „Einziehungsrisiko“ für die noch offene Forderung der Beklagten gegenüber der … zu übernehmen. Deutlich wird dies auch an der Formulierung, dass „der Verkäufer die vollständige Einziehung der Forderung gegenüber dem Erwerber garantiert“ – und nicht etwa gegenüber der Beklagten als der eigentlichen Forderungsgläubigerin der …. Zudem soll nach Ziff. 19 Abs. 3 ein entsprechender Forderungskauf ausdrücklich nur „auf erste Anfrage des Erwerbers“ erfolgen und nicht auf ein Verlangen der Beklagten. Das spricht insgesamt eindeutig dagegen, dass die Parteien des Unternehmenskaufvertrages der Beklagten ein Forderungsrecht gegen die Klägerin einräumen wollten. Die Beklagte hatte daher keinen eigenen Anspruch gegen die Klägerin, ihr die Forderung gegen die … zum Nennwert abzukaufen. Die Klägerin wäre andernfalls sogar der Gefahr ausgesetzt gewesen, „auf erste Anfrage“ der Erwerberin zusätzlich zu einem etwa schon auf Verlangen der Beklagten gezahlten Betrag nochmals den vollen Nennwert der …-Forderung als Kaufpreis leisten zu müssen.

bb) Auch sonst kein schmälernder Einwand aus § 242 BGB ersichtlich

Weshalb der Beklagten ein den Bereicherungsanspruch der Klägerin schmälernder Einwand aus § 242 BGB zustehen sollte, ist auch sonst nicht ersichtlich. Zwischen der Beklagten und der Klägerin besteht insgesamt kein auf die streitgegenständliche Forderung bezogenes Rechtverhältnis, nach der Ausgliederung der Beklagten aus der Unternehmensgruppe der Klägerin auch kein sonstiges mehr. Eine Regelung zur Verpflichtung der Klägerin, der Beklagten den vollen Nennwert der gegen die … gerichteten Forderung zu erstatten, findet sich nur in dem von der Klägerin mit der Erwerberin geschlossenen Unternehmenskaufvertrag, aus dem der Beklagten keine eigene Rechtsposition erwächst.

b) Kondiktionssperre gem. § 817 Satz 2 BGB

Die vom LG dem Grunde nach zutreffend bejahte Kaufpreisrückforderung der Klägerin ist entgegen seiner Auffassung jedoch deshalb ausgeschlossen, weil für den Streitfall aus § 817 Satz 2 BGB eine Kondiktionssperre abzuleiten ist. Die für die Anwendbarkeit des rechtshindernden Einwandes aus § 817 Satz 2 BGB zu prüfenden Voraussetzungen liegen im Streitfall auf Grundlage des unstreitigen Sachverhaltes vor.

aa) Voraussetzungen des § 817 Satz 2 BGB

Nach § 817 Satz 2 BGB bleibt dem Leistenden ein Bereicherungsanspruch versagt, wenn ihm seinerseits gerade durch den Leistungsvollzug ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten zur Last zu legen ist. Entgegen seinem Wortlaut ist § 817 Satz 2 BGB nicht ausschließlich auf die Kondiktion aus § 817 Satz 1 BGB anzuwenden, sondern auf alle Leistungskondiktionen (BGH v. 14.7.1993 – XII ZR 262/91, juris Rz. 13; OLG Saarbrücken v. 17.8.2016 – 1 U 159/14, juris Rz. 127). Zudem ist der Anwendungsbereich von § 817 Satz 2 BGB nicht auf Verstöße gegen Verbotsgesetze beschränkt, es können auch Sittenverstöße zugrunde liegen, denn Zweck des § 817 Satz 2 BGB ist auch diesbezüglich, die interessen streitender Vertragsparteien, die sich beide außerhalb der Rechtsordnung bewegen, nicht durch die Rechtsordnung zu schützen (vgl. BGH v. 23.2.2005 – VIII ZR 129/04, juris Rz. 13; OLG Brandenburg v. 16.12.2015 – 4 U 77/14, juris Rz. 59 m.w.N.). Eine Einschränkung erfährt dieser Grundsatz grundsätzlich nur im Schutzzweck der nichtigkeitsbegründenden Norm, der nicht konterkariert werden darf, insbesondere wenn diese Norm gerade dem Schutz des Leistenden dient (BGH v. 13.3.2008 – III ZR 282/07, juris Rz. 10).

bb) Anwendbarkeit des § 817 Satz 2 BGB gegeben

Diese Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des § 817 Satz 2 BGB sind gegeben.

(1) Insbesondere hat die Klägerin, wie ausgeführt vertreten durch ihren Geschäftsführer bei Abschluss des Forderungskaufvertrages, objektiv Sittenwidrig gehandelt. Soweit bei einem ausschließlich drittschädigenden Geschäft für beide Seiten ein sittenwidriges Verhalten verlangt wird, um die Kondiktions

sperre des § 817 Satz 2 BGB zu begründen (BGH v. 23.2.2005 – VIII ZR 129/04, juris Rz. 13), liegt auch diese Voraussetzung, wie zu den Voraussetzungen des § 138 Abs. 1 BGB ausgeführt, vor.

(2) Es ist zudem ein vorwerfbar sittenwidriges Handeln des Geschäftsführers der Klägerin zu bejahen. Zwar schließt § 817 Satz 2 BGB die Rückforderung grundsätzlich nur bei einem bewussten Sittenverstoß aus; jedoch steht es vorsätzlichem Handeln gleich, wenn der Leistende sich der Einsicht in die Sittenwidrigkeit seines Handelns leichtfertig verschließt (BGH v. 23.2.2005 – VIII ZR 129/04, juris Rz. 14). Daher genügt es hier für ein auch subjektiv sittenwidriges Handeln, dass der Geschäftsführer der Klägerin die für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit maßgeblichen Unternehmenskaufvertragsregelungen kannte und sich hinsichtlich der vertragswidrig mit der Beklagten vereinbarten Forderungsreduzierung daher jedenfalls nicht anders als leichtfertig der Einsicht in die objektive Sittenwidrigkeit seines Handelns verschließen konnte. Das Argument der Klägerin, ein solches Sichverschließen ihres Geschäftsführers sei deshalb nicht anzunehmen, weil die Forderung zum fraglichen Zeitpunkt bereits einzelwertberichtigt gewesen sei, verfängt selbst dann nicht, wenn eine solche Berichtigung zur Zeit des Forderungskaufvertrages erfolgt und aus Sicht der Beklagten wegen Zweifeln an der Durchsetzbarkeit der Forderung bilanziell vertretbar war, denn die Klägerin hatte sich im Unternehmenskaufvertrag gerade verpflichtet ungeachtet dessen, den vollen Nennbetrag der Forderung zu entrichten. Insofern hat ihr Geschäftsführer diesen Vorteil der Erwerberin sehenden Auges vereitelt. Es musste ihm angesichts der eindeutigen Kaufpreisregelung in Ziff. 19 Abs. 2 des Unternehmenskaufvertrages klar sein, dass er diese nicht eigenmächtig abändern konnte. Für die von der Klägerin als Hintergrund dieses Handelns angeführte Auslegung des Vertrages ist – wie ausgeführt – angesichts der klaren Regelungen im Vertrag, wonach die betreffende Forderung nach Ablauf eines Stichtages zum vollen Nennwert angekauft werden sollte, kein Raum. Die Formulierungen in Ziff. 19 Abs. 2 und Abs. 3 des Unternehmenskaufvertrages sollten eine für die Erwerberin rechtssichere Absicherung zur Werthaltigkeit der in der Bilanz der Beklagten stehenden Forderung gegen die … treffen (kein „Einziehungsrisiko“, „garantierte“ vollständige Einziehung, Forderungsankauf „auf erste Anfrage“). Eine eigenmächtige „Korrektur“ dieser Regelungen, wie sie die Klägerin unter Verweis auf einen von der Erwerberin nach Ziff. 3.2 ff. des Unternehmenskaufvertrages nach dem Geschäftsergebnis zu zahlenden „Earn-Out“ anführt, stand dem Geschäftsführer der Klägerin demnach offensichtlich nicht zu. Er war zu einer solchen Korrektur nur scheinbar faktisch in der Lage, insofern er zugleich als Geschäftsführer der Beklagten handeln konnte. Unabhängig davon hing die Frage, ob die Reduzierung des Forderungskaufpreises im Zusammenhang mit dem etwaig zu zahlenden „Earn-Out“ für die Erwerberin vorteilhaft war, gem. Ziff. 3.2.1. des Unternehmenskaufvertrages vom Bestand der sonstigen Forderungen zum Stand 30.6.2017 ab. Der Kaufvertrag über die streitgegenständliche Forderung ist vor diesem Stichtag im April 2017 abgeschlossen und vollzogen worden, mithin zu einem Zeitpunkt, zu dem noch nicht klar war, ob die Earn-Out-Klausel greifen wird. Für den Geschäftsführer der Klägerin kann unter diesen Umständen von vornherein nicht entlastend angeführt werden, dass gerade die im Forderungskaufvertrag preislich umgesetzte Wertberichtigung zu einem für die Erwerberin zwingend günstigeren Ergebnis führen konnte.

cc) Von Rechtsprechung gebildete Einzelfälle für Ausschluss von § 817 Satz 2 BGB nicht einschlägig

Soweit sich die Klägerin auf Einzelfälle beruft, in denen die Rechtsprechung die Anwendbarkeit des § 817 Satz 2 BGB mit Rücksicht auf den Schutzzweck der zur Nichtigkeit des zugrunde liegenden Geschäfts führenden Normen verneint hat, sind diese für den vorliegenden Sachverhalt nicht einschlägig. Es liegt hier kein Fall vor, in dem sich die Sittenwidrigkeit ausnahmsweise aus einer Normverletzung ergibt, die gerade den Leistenden schützen soll (vgl. Sprau in Grüneberg, 81. Aufl., § 817 BGB Rz. 18). Die Nichtigkeitsrechtsfolge aus § 138 Abs. 1 BGB dient nach dessen Schutzzweck nicht vor allem dem Schutz des Leistenden (vgl. OLG Brandenburg v. 16.12.2015 – 4 U 77/14, juris Rz. 60). Auch eine Korrektur der Rechtsfolge des § 817 Satz 2 BGB nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) ist nicht geboten, insbesondere sind keine für die Klägerin objektiv anerkennenswerten schutzwürdigen interessen ersichtlich. Soweit die Beklagte – zumindest vorübergehend – einen Vorteil dadurch erlangt hat, dass sie wegen der aus dem Vergleich mit der … erzielten Zahlung im Ergebnis einen über den Nennwert der betreffenden Forderung reichenden Überschuss in der Bilanz hat, ändert das nichts. Anders als die Klägerin meint, kommt es im Streitfall nicht zwingend darauf an, ob auch der Beklagten ein objektiv wirtschaftlicher Nachteil entstanden ist, sondern genügt es, dass jedenfalls der Erwerberin ein Schaden in Höhe der Kaufpreisdifferenz zu dem im Unternehmenskaufvertrag in voller Höhe vereinbarten Forderungswert entstehen musste. Die gegenläufige Argumentation der Klägerin ist vielmehr widersprüchlich, wenn sie selbst darauf verweist, dass die Beklagte aus dem Unternehmenskaufvertrag keine eigenen Rechte herleiten und deshalb keinen eigenen Schaden erleiden konnte. Zumindest ersteres trifft zu, begründet aber gerade die durch den Forderungskaufvertrag realisierte sittenwidrige Schädigung für die nach den Regelungen in Ziff. 19 Abs. 2 und Abs. 3 des Vertrages begünstigte Erwerberin. Auf eine zum Nachteil der Beklagten erfolgte Schädigung, die sich nur außerhalb des Vertragsregimes bilanziell ergeben könnte, was weiterer Feststellungen zum objektiven wirtschaftlichen Wert der Forderung verlangte, kommt es daher nicht an.

dd) Verbot der reformatio in peius, da Beklagte selbst keine Berufung eingelegt

Weil die Beklagte selbst keine Berufung oder Anschlussberufung eingelegt hat, kommt es gleichwohl nicht in Betracht, dass die Klägerin im Berufungsverfahren im Ergebnis wirtschaftlich schlechter dasteht als nach dem landgerichtlichen Urteil. Der vom LG nicht zugesprochene Teil der geltend gemachten Bereicherungsforderung ist zwar aus anderen als vom LG angenommenen Gründen materiell-rechtlich insgesamt unbegründet. Es ist aber der Klägerin der ihr erstinstanzlich in den Entscheidungsgründen i.H.v. 53.228,42 € als Bereicherungsforderung zuerkannte Betrag wegen des Verbots der reformatio in peius in der Berufungsinstanz aus verfahrensrechtlichen Gründen weiterhin zuzusprechen (§ 528 Satz 2 ZPO).

(1) Dagegen spricht entgegen der Auffassung der Beklagten nicht, dass das LG den mit dem Hilfsvorbringen der Klägerin geltend gemachten Bereicherungsanspruch in Höhe des Teil

betrages von 53.228,42 € nicht als Zahlbetrag tenoriert, sondern nur in den Entscheidungsgründen für begründet erachtet und auf die Hilfsaufrechnung der Beklagten hin als erloschen angesehen hat (§ 389 BGB). Es kommt für das verfahrensrechtliche Verböserungsverbot nicht darauf an, dass in den Entscheidungsgründen getroffene Ausführungen grundsätzlich nicht als solche in Rechtskraft erwachsen, sondern nur zur Auslegung des rechtskraftfähigen Entscheidungssatzes herangezogen werden können, wie die Beklagte grundsätzlich zutreffend ausführt (vgl. Vollkommer in Zöller, 34. Aufl., Vor § 322 ZPO Rz. 31 m.w.N.). Ebenso wenig ist entscheidend, ob das LG über die zur Aufrechnung gestellten Forderungen eine zutreffende und i.S.d. § 322 Abs. 2 ZPO der Rechtskraft fähige Entscheidung getroffen hat. Denn allein der Umstand, dass das LG einen Teil der Bereicherungsforderung als begründet angesehen und nur die Klägerin gegen das landgerichtliche Urteil ein Rechtsmittel eingelegt hat, führt dazu, dass der die Klageforderung i.H.v. 53.228,42 € betreffende Teil des Streitstoffes nicht in die Berufungsinstanz gelangt ist. Wenn eine beklagte Partei im Wege der Aufrechnung eine Gegenforderung geltend macht, sind zwei selbständige Ansprüche anhängig, nämlich der Klageanspruch einerseits und wegen der erweiterten Rechtskraftwirkung des § 322 Abs. 2 ZPO der zur Aufrechnung gestellte Gegenanspruch andererseits. Entscheidet ein Urteil – wie hier das erstinstanzliche – rechtskraftfähig über beide, enthält es daher zwei prozessual selbständige Elemente des Streitstoffes. Die Überwälzung des Streitstoffes in die Rechtsmittelinstanz kann daher auf jedes dieser beiden Elemente und innerhalb dieser – bei Teilbarkeit – auf einen Teil beschränkt werden (vgl. BGH v. 26.10.1994 – VIII ZR 150/93, juris Rz. 23; BGH v. 3.11.1989 – V ZR 143/87, juris Rz. 38 ff.).

(2) Das ist hier geschehen, indem lediglich die Klägerin das Rechtsmittel der Berufung eingelegt hat und die Beklagte keine Anschlussberufung. Damit fiel in der Berufungsinstanz nur der vom LG als nicht begründet behandelte Teil der Klageforderung, der über 53.228,42 € hinausging, sowie die vom LG bezüglich Hilfsaufrechnung und Widerklage als begründet angesehene Gegenforderung insgesamt an. Vor diesem Hintergrund steht die Klageforderung in der Berufungsinstanz bis zum Betrag von 53.228,42 € nicht zur Entscheidung an und muss sie der Senat wegen des Verbots der reformatio in peius als bestehend behandeln.

3. Keine Verzugszinsen

Die von der Klägerin auf den ihr i.H.v. 53.228,42 € zuzusprechenden Zahlbetrag begehrten Verzugszinsen sind jedoch unbegründet. Ihr steht auch kein Anspruch auf Rechtshängigkeitszinsen zu. … [Wird ausgeführt.]

Zur Widerklage:

Die vom LG von den zur (Hilfs-)Aufrechnung gestellten – allein – als begründet angesehene Gegenforderung der Beklagten auf Rückzahlung der von ihr im Februar 2016 für die Klägerin geleistete Umsatzsteuersondervorauszahlung steht dieser mangels Forderungsberechtigung nicht zu. Die Beklagte hat gegen die Klägerin keinen Zahlungsanspruch aus dem Gesichtspunkt eines Gesamtschuldnerausgleichs nach § 426 Abs. 2, § 430 BGB oder aus einer anderen Anspruchsgrundlage. Insbesondere kann die Beklagte auch nicht aus dem Umstand, dass die Erwerberin mit der Klägerin im Unternehmenskaufvertrag vereinbart hat, dass der Klägerin für das gesamte (Verkaufs-)Jahr 2016 keine Gewinnabführung der Beklagten mehr verbleiben sollte, einen eigenen Anspruch herleiten.

1. Vorsteuervorauszahlung als Streitgegenstand

Streitgegenständlich ist insoweit die Vorsteuervorauszahlung der Beklagten i.H.v. 467.414 €, welche die Beklagte auf Weisung der Klägerin am 8.2.2016 an das Finanzamt für die Gewährung einer „Dauerfristverlängerung“ überwiesen hat (…). Die Begründung des LG, wonach die diesbezüglich zur Hilfsaufrechnung und Widerklage gestellte Rückzahlungsforderung der Beklagten begründet ist, folgt der im angefochtenen Urteil zitierten Entscheidung des BGH (BGH v. 29.1.2013 – II ZR 91/11, GmbHR 2013, 318, juris Rz. 10 ff.), übergeht dabei jedoch, dass deren Sachverhaltsgrundlage im Streitfall nicht gegeben ist.

a) Gesamtschuldnerschaft von Organträger und Organgesellschaft gegenüber Fiskus

In der Entscheidung des BGH war aufgrund umsatzsteuerlicher Organschaft die dortige Beklagte als Organträgerin (im Streitfall entspricht dem im Verhältnis der Parteien für die Vergangenheit die Klägerin) nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG Steuerschuldnerin der auf die Umsätze der Organschaft entfallenden Umsatzsteuer (vgl. BFH v. 23.9.2009 – VII R 43/08, BFHE 226, 391, 395 = GmbHR 2010, 108). Die Vorschrift behandelt den Organkreis als einheitliches Ganzes und erfasst infolgedessen auch diejenigen Steuern, die im Unternehmen des Organträgers angefallen sind (BGH v. 22.10.1992 – IX ZR 244/91, BGHZ 120, 50, 53 f. = GmbHR 1993, 92). Neben dem Organträger als Steuerschuldner haftet bei einer umsatzsteuerlichen Organschaft zusätzlich auch die Organgesellschaft nach § 73 Satz 1 AO für solche Steuern des Organträgers, für welche die Organschaft zwischen ihnen steuerlich von Bedeutung ist (im Streitfall entspricht dem im Verhältnis der Parteien für die Vergangenheit die Beklagte). Der Organträger als Steuerschuldner und die nach § 219 Satz 1 AO nur nachrangig haftende Organgesellschaft werden vor diesem Hintergrund – obwohl es an der Gleichstufigkeit der Schuld fehlt – wegen § 44 Abs. 1 AO gegenüber dem Fiskus als Gesamtschuldner behandelt. Ein eventueller Innenausgleich wird nach bürgerlichem Recht entsprechend § 426 BGB vorgenommen (vgl. BGH v. 22.10.1992 – IX ZR 244/91, BGHZ 120, 50, 55 f. = GmbHR 1993, 92; BGH v. 1.12.2003 – II ZR 202/01, ZIP 2004, 164, 165 = GmbHR 2004, 258; BGH v. 19.1.2012 – IX ZR 2/11, BGHZ 192, 221 Rz. 19; BGH v. 29.1.2013 – II ZR 91/11, GmbHR 2013, 318, juris Rz. 10). Deshalb ist im Innenverhältnis der Organträger grundsätzlich verpflichtet, der Organgesellschaft einen finanziellen Ausgleich in entsprechender Heranziehung des § 426 BGB zu leisten, das heißt im Grundsatz hat derjenige Beteiligte eines Organkreises, aus dessen Umsätzen die gezahlten Umsatzsteuerbeträge herrühren, auch im Innenverhältnis die Steuerlast zu tragen, denn die Zurechnung der Steuerschuldnerschaft nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG zu Lasten des Organträgers dient nur der Vereinfachung der Steuererhebung. Es handelt sich dabei nicht um eine „andere Bestimmung“ i.S.d. § 426 Abs. 1 BGB (vgl. BGH v. 29.1.2013 – II ZR 91/11, GmbHR 2013, 318, juris Rz. 12). Das gleiche Prinzip ist nach dieser Rechtsprechung für den Ausgleich von Vorsteuerbeträgen zwischen den jeweiligen Parteien heranzuziehen (BGH v.

29.1.2013 – II ZR 91/11, GmbHR 2013, 318, juris Rz. 13). Denn im Innenverhältnis liegt eine mit Gesamtgläubigern vergleichbare Konstellation vor und entsprechend § 430 BGB hat ein zivilrechtlicher Ausgleich zur Wahrung der Belastungsneutralität zu erfolgen. Die Verlagerung des Vorsteuerabzugsrechts zum Organträger ist insoweit nur formeller Natur. Es hat deshalb die Verteilung von Umsatzsteuerlast und Vorsteuerabzugsrecht grundsätzlich nach dem Verursacherprinzip zu erfolgen, falls nicht die Parteien eine abweichende Regelung getroffen haben. Dabei ist es für einen Ausgleichsanspruch der Organgesellschaft auch nicht relevant, ob die Vorsteuerbeträge durch das Finanzamt an den Organträger tatsächlich in Geld erstattet oder mit eigenen Umsatzsteuerschulden verrechnet wurden.

b) LG hat Ausgleichsanspruch der Beklagten nur im Ausgangspunkt zu Recht bejaht

Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das LG einen Ausgleichsanspruch der Beklagten nur im Ausgangspunkt zu Recht bejaht und übersehen, dass zwischen den Parteien des Rechtsstreits zur Zeit des streitgegenständlichen Zahlungsflusses ein Beherrschungs- und GewinnabführungsvertragBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag
Gewinnabführungsvertrag
bestand, aufgrund dessen die Leistung der Beklagten mit Rechtsgrund und in gegenüber der Beklagten nicht nach § 426 Abs. 2 BGB ganz oder teilweise ausgleichspflichtiger Weise in das Vermögen der Klägerin gelangt ist.

aa) Andere unternehmensvertragliche Regelung i.S.d. § 426 Abs. 1 BGB

Entgegen der Annahme des LG ist anders als von der zitierten Rechtsprechung vorausgesetzt im Innenverhältnis der Parteien dieses Rechtsstreits eine andere unternehmensvertragliche Regelung i.S.d. § 426 Abs. 1 BGB vereinbart worden, namentlich der zwischen ihnen unstreitig bis zum 31.7.2016 bestehende Beherrschungs- und GewinnabführungsvertragBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag
Gewinnabführungsvertrag
vom 4.12.2014 (…).

(1) Die Beklagte war danach für die Dauer des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages steuerrechtlich als Organgesellschaft in die Klägerin als Organträgerin eingegliedert und nach § 2 Abs. 1 zur Abführung ihres Gewinns für jedes Geschäftsjahr an die (Y) Holding (Klägerin) verpflichtet. Mit der Veräußerung der Beklagten sollte gem. Ziff. 7.1 des Unternehmenskaufvertrages die steuerliche Organschaft der Beklagten zwar enden und diese in 2017 für das gesamte Geschäftsjahr 2016 steuerlich eigenständig veranlagt werden (…). Bereits zugunsten der Beklagten im Jahr 2016 von der Klägerin verauslagte Steuervorauszahlungen sollte die Klägerin von den Steuerbehörden – gegebenenfalls mit Unterstützung der Erwerberin, wie in Ziff. 7.1 Abs. 4 des Unternehmenskaufvertrages geregelt ist – zurückerhalten. Weil aber zur Zeit ihrer Vornahme die streitgegenständliche Sondersteuervorauszahlung aus Sicht der Klägerin bei wirtschaftlicher Betrachtung und mit entsprechender Auswirkung auf die Bilanzierung eine Vorweg-Gewinnabführung war, hat ihr der betreffende Betrag im Februar 2016 mit Rechtsgrund zugestanden. Indem die Beklagte aufgrund des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages mit ihrer Muttergesellschaft (Klägerin) ohnehin ihren gesamten Jahresüberschuss an ihre Muttergesellschaft abzuführen hatte, spielte es im wirtschaftlichen Ergebnis keine Rolle, ob sie eine Steuerumlage oder anstelle derer einen entsprechenden Gewinn abführte (vgl. BGH v. 29.1.2013 – II ZR 91/11, GmbHR 2013, 318, juris Rz. 20; BGH v. 1.12.2003 – II ZR 202/01, GmbHR 2004, 258, juris Rz. 4). Mit Rücksicht darauf, dass der Beherrschungs- und GewinnabführungsvertragBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag
Gewinnabführungsvertrag
zwischen den Parteien zur Zeit der Weisung der Klägerin, die Sondervorauszahlung zu ihren Gunsten an das Finanzamt zu leisten, in Kraft war und erst zum 31.7.2016 gekündigt wurde (…), ist daher davon auszugehen, dass diese Art der Steuerumlagepraxis aufgrund und im Rahmen des Ergebnisabführungsvertrages erfolgt ist, so dass ein Rückforderungsanspruch der Beklagten im Innenverhältnis wegen einer insoweit anderen Bestimmung i.S.d. § 426 Abs. 1 BGB von vornherein entfällt. Diese Verpflichtung gegenüber der Klägerin hat die Beklagte auch nicht bestritten, sondern selbst unstreitig gestellt, dass die betreffende Steuervorauszahlung im Februar 2016 nach Weisung der Klägerin auf Grundlage des zu dieser Zeit noch bestehenden Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages erfolgt ist (Schriftsatz vom 31.1.2019 …). Vor diesem Hintergrund besteht für die streitgegenständliche Leistung im Verhältnis der Parteien keine Ausgleichsverpflichtung, so dass der Beklagten ein Anspruch aus § 426 Abs. 2 BGB nicht zusteht.

(2) Ihr steht auch kein Schadensersatzanspruch zu. Zwar kann eine Vorweg-Gewinnabführung dazu führen, dass sie zu einem Nachteil der abhängigen Gesellschaft führt, insbesondere wenn dadurch ein bilanzieller Verlust entsteht, so dass für die abhängige Gesellschaft ein Schadensersatzanspruch gegenüber der herrschenden Gesellschaft bestehen kann (vgl. § 317 Abs. 1 AktG und § 311 AktG). Auch für einen solchen Anspruch ist indes nichts ersichtlich. Sofern die Beklagte im Jahr 2016 keinen ausreichenden Gewinn für die Vorwegentnahme erwirtschaftet haben sollte, ist dies nicht nach Grund und Höhe geltend gemacht. Dass etwa Voraussetzungen für den Umfang der Gewinnabführung beschränkende Regelungen vorlagen (vgl. § 17 Satz 2 Nr. 1 UStG i.V.m. § 301 AktG), ist ebenfalls nicht vorgetragen.

bb) Kündigung des Unternehmensvertrags führt zu keinem anderen Ergebnis

Gegen diese Beurteilung lässt sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht erfolgreich einwenden, dass zum Zeitpunkt des Erstattungsbegehrens der Unternehmensvertrag durch Kündigung zum 31.7.2016 aufgehoben war (…), wie in Ziff. 2 Abs. 1 des Unternehmenskaufvertrages vorgesehen. Dies ändert nichts am rechtlichen Ergebnis, denn zur Zeit der Leistung war die Klägerin zur Geltendmachung einer Vorweg-Gewinnabführung berechtigt. Entgegen der Auffassung der Beklagten lässt auch der Zeitpunkt der vom Finanzamt geleisteten Erstattung keinen Rückschluss darauf zu, ob die Klägerin die Sondervorauszahlung der Beklagten zulässig als sog. Vorweg-Gewinnabführung eingefordert hat, denn mit weisungsgemäßer Zahlung ist der Betrag wirtschaftlich bereits in das Vermögen der – gegenüber dem Finanzamt eigentlich zur Zahlung verpflichteten – Klägerin geflossen.

cc) Beklagte kann aus Unternehmenskaufvertrag als Nichtbeteiligte keine Rechte herleiten

Ebenso wenig steht dieser Beurteilung entgegen, dass die Klägerin in dem Unternehmenskaufvertrag gegenüber der Erwerberin in Ziff. 7.1 erklärt hat, dass die Beklagte wegen der mit ihrer Veräußerung endenden steuerlichen Organschaft für das ge

samte Jahr 2016 steuerlich selbständig veranlagt werden soll und dass die Erwerberin „den Verkäufer von etwaigen Verpflichtungen aus dem Beherrschungs- und GewinnabführungsvertragBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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ab dem 1. August 2016 [freistellt]“ (…).

(1) Es trifft zwar zu, wie auch das LG angenommen und im Ergebnis aber falsch beurteilt hat, dass das Gewinnbezugsrecht für das Jahr 2016 nach dem Unternehmenskaufvertrag gem. Ziff. 7.1 des Unternehmenskaufvertrages letztlich nur der Erwerberin zustehen sollte. Diese Argumentation übersieht aber, dass die Beklagte aus dem Unternehmenskaufvertrag als Nichtbeteiligte – respektive als Objekt und nicht Subjekt des Vertrages – keine Rechte herleiten kann und auch eine gewillkürte Prozessstandschaft für die Erwerberin weder erst- noch zweitinstanzlich dargelegt ist. Die Beklagte ist nicht selbst Inhaberin einer Rückforderung für von der Klägerin vorab vereinnahmte Gewinne, sondern müsste zur Geltendmachung einer solchen Forderung von ihrer Erwerberin ermächtigt werden (vgl. BGH v. 1.12.2003 – II ZR 202/01, GmbHR 2004, 258 = ZIP 2004, 164, juris Rz. 8); denn es stehen letztlich dieser alle Gewinne der Beklagten auf Grundlage der Regelung im Unternehmenskaufvertrag für das Jahr 2016 zu. Darauf hat die Klägerin in der Berufungsbegründung zu Recht hingewiesen. Richtig ist daher nur, dass der Gewinnabführungsvertrag wie im Unternehmenskaufvertrag vorgesehen für die Zeit nach dem 31.7.2016 gekündigt worden ist. Das lässt aber zum einen nicht den Rechtsgrund für die früheren Zahlungen der Beklagten als „Vorweg-Gewinnabführungen“ entfallen. Zum anderen sind Vereinbarungen zugunsten der Beklagten, die dieser in Bezug auf den vorher bestehenden Gewinnabführungsvertrag selbst eine Rechtsposition gegenüber der Klägerin vermitteln würden und nicht nur ihrer Erwerberin, nicht getroffen. Ob der Erwerberin ein Erstattungsanspruch – und von dieser gegebenenfalls auszukehren an die Beklagte – aus dem Unternehmenskaufvertrag gegen die Klägerin zusteht, kann vor diesem Hintergrund offen bleiben.

(2) Das dagegen in ihrem letzten Schriftsatz noch angeführte Argument der Beklagten, ihr stehe selbst ein Anspruch gegen die Klägerin aus ihrer Closing Bilanz zu, in der sie die Umsatzsteuersondervorauszahlung als Belastung verbucht habe, verfängt demgegenüber nicht. Allein aus einer bilanziellen Buchposition folgt kein Anspruch der Beklagten.

2. Auf schlüssige Darlegung der Höhe der Ausgleichsforderung durch Beklagte kommt es nicht mehr an

Darauf, ob die Beklagte nach Hinweis des Senats im ersten Berufungstermin in ihren nachfolgenden Schriftsätzen die Höhe der von ihr geltend gemachten Ausgleichsforderung nunmehr erstmals schlüssig dargelegt hat, kommt es vor diesem Hintergrund nicht mehr an.

III.

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Schlagworte: Banachteiligungsvorsatz, Doppelgeschäftsführer, Grundsätze über die Haftung des Vertreters wegen wirtschaftlichen Eigeninteresses, Kenntnis Benachteiligungsvorsatz, Sittenwidrigkeit, Unangemessene Benachteiligung, Verbot vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung, zum Nachteil des Vertretenen