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OLG Frankfurt, Urteil vom 19.10.2021 – 26 U 49/19

§ 377 Abs 1 HGB, § 377 Abs 2 HGB, § 377 Abs 3 HGB, § 193 BGB, § 281 Abs 5 BGB, § 346 Abs 3 S 1 Nr 2 BGB, § 346 Abs 3 S 1 Nr 3 BGB, § 326 Abs 2 BGB, § 288 Abs 2 BGB

Wird eine Sache zu einem ermäßigten Sonderpreis verkauft, führt dies nicht ohne Weiteres dazu, dass der Käufer mit einer minderwertigen Qualität und einem Ausschluss der Gewährleistungshaftung des Verkäufers rechnen muss.

§ 193 BGB ist auf die Mängelrüge nach § 377 Abs. 3 HGB entsprechend anzuwenden.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Gießen vom 15. August 2019 unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung der Beklagten und der Anschlussberufung der Klägerin abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 259.396,43 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16. Februar 2017 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen haben die Klägerin 13% und die Beklagte 87% zu tragen.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

1. Die Parteien streiten um Ansprüche der Klägerin aus dem Kauf eines schadhaften Tischbohrwerks.

Am 26. Juni 2014 (BI. 13 f. d. A.) bot die Beklagte der Klägerin ein gebrauchtes Tischbohrwerk – eine Metallverarbeitungsmaschine – zum Preis von € 150.000,00 zuzüglich Mehrwertsteuer zum Kauf an.

In der Beschreibung heißt es, es handele sich um ein „CNC-Tischbohrwerk in gutem Zustand nach Umrüstung/Umbauarbeiten“ im Zeitraum März bis Juni 2013. Diese Arbeiten wurden in der Beschreibung wie folgt näher beschrieben:

„Elektrik
– neue Steuerung
– neue Kabel
– neuer Schaltschrank
– neue Motoren
– neues Messsystem
Mechanik
– neue Kugelrollspindel in Z-Achse,
– Kugelrollspindeln in X und Y wurden überholt
– neue Führungsbahnenabdeckungen
– neue Papierbandfilteranlage
– neue Rollenumlaufschuhe,
– neuer Späneförderer in 2012.“

Das Baujahr dieser Maschine des Herstellers X wurde mit 1991 angegeben.

Wegen des weiteren Inhalts der Beschreibung wird auf die als Anlage K 2 zu den Akten gereichte Kopie (Bl. 15 f. d. A.) genommen.

Ende Juni 2014 nahm die Klägerin das Angebot an.

Ein Bauteil des Tischbohrwerks, nämlich der Spindelkasten bzw. Spindelstock, wurde erst am 22. Dezember 2014 geliefert. Grund hierfür war, dass ein Schaden an diesem Spindelkasten vorlag, der noch bei der A AG aufgetreten war, von der die Beklagte das Tischbohrwerk gebraucht erworben hatte. Die Beklagte hatte nach Auftreten dieses Schadens dem in Frankreich ansässigen Unternehmen „B“ den Auftrag erteilt, den Spindelkasten zu reparieren. Nach der Reparatur wurde der Spindelkasten dann zur Klägerin transportiert.

Unter dem 7. Januar 2015 stellte die Beklagte der Klägerin den Kaufpreis in Höhe von € 178.5000,00 brutto in Rechnung. Darin heißt es u. a.: „Maschinen [sic!] gekauft, wie besichtigt unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung“. Wegen der weiteren Einzelheiten der Rechnung wird auf die als Anlage K 10 zu den Akten gereichte Kopie (Bl. 45 d. A.) Bezug genommen.

Im Januar 2015 ließ die Klägerin die Maschine zu einer Firma C in der Tschechischen Republik bringen, wo sie für ihren späteren Einsatz bei einem Endkunden der Klägerin in Stadt1 hergerichtet werden sollte.

Im März 2015 wurde der Spindelkasten bei der Firma C in Tschechien in Betrieb genommen. An dieser Inbetriebnahme nahmen auch – im Auftrag der Beklagten – Mitarbeiter des Unternehmens „B“ teil.

Im Zeitraum von Oktober bis Dezember 2015 wurde die Maschine bei dem Endkunden der Klägerin in Stadt1 montiert.

Am 7. Januar 2016 trat bei der ersten Nutzung der Maschine unter Last nach ca. 30 Minuten ein Schaden an der Spindel zutage, der zur Abschaltung der Maschine führte. Über diesen Schaden verhält sich ein schriftlicher Schadensbericht der Klägerin vom 7. Januar 2016, auf den hinsichtlich der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird (BI. 32 f. d. A.). Als Ursache wurde ermittelt, dass wesentliche Teile der hydrostatischen Spindellagerung, der Ölkühlung sowie der Druck- und Temperaturüberwachung nicht mehr vorhanden seien. Einzelheiten sind zwischen den Parteien streitig.

Die Maschine wurde nach dem Schadensfall wieder zu dem Unternehmen „B“ nach Frankreich gebracht, um die Schadensursache aufzuklären und gegebenenfalls eine Reparatur vorzunehmen.

Unter dem 8. Februar 2016 erstellte „B“ ein Angebot über die „Reparatur der Pinole und der hydrostatischen Lager“, das eine Summe von € 68.260,00 (mit der Option einer Verbesserung der Drucküberwachung) bzw. eine Summe von € 63.260,00 (ohne diese Option) auswies. Wegen der weiteren Einzelheiten des Angebots wird auf die als Anlage K 11 zu den Akten gereichte Kopie (Bl. 46 ff. d. A.) verwiesen.

Die Klägerin erteilt „B“ einen Reparaturauftrag.

Mit Schreiben vom 2. Dezember 2016 bezifferte die Klägerin gegenüber der Beklagten den ihr entstandenen Schaden auf mindestens € 235.630,00 netto und forderte die Beklagte zur Nachbesserung bis zum 31. Januar 2017 auf.

Mit Schreiben vom 14. Februar 2017 (BI. 80 f. d. A.) wies die Beklagte das Schadenersatzbegehren der Klägerin zurück. Die Beklagte führte aus, der Spindelkasten sei nach dem Schaden bei der A AG ordnungsgemäß repariert worden.

In dem vorliegenden Verfahren macht die Klägerin nunmehr Schadenersatzansprüche geltend. Sie verlangt zum einen die Rückzahlung des Kaufpreises von € 150.000,00 (netto).

Ferner macht sie ihre Aufwendungen für die Reparatur des Spindelkastens gemäß den Rechnungen von „B“ vom 12. Februar 2016 (BI. 56 d. A.) in Höhe von € 31.630,- und vom 2. August 2016 in Höhe von € 3.128,- (BI. 57 d. A.) geltend. Daneben begehrte sie im ersten Rechtszug Freistellung von weiteren Ansprüchen von „B“ aus dem Reparaturauftrag. Weiter verlangt sie Ersatz der Kosten für den Transport des Spindelkastens nach Frankreich in Höhe von € 2.600,00 (Rechnung der D GmbH vom 31. Januar 2016, Anlage K 16, BI. 63 d. A.).

Daneben verlangt sie Ersatz der Kosten für die Demontage des Spindelkastens in Höhe von € 6.795,20 (Rechnung der I s. r. o. vom 20. Januar 2016, Anlage K 15, BI. 60 d. A.).

Außerdem verlangt sie Ersatz von Zahlungen, die sie an ihren Endkunden in Stadt1 geleistet hat, nämlich in Höhe von € 14.500,00 (netto) für die Demontage der Maschine (Rechnung Nr. … der E GbR vom 29. September 2016, Anlage K 18, BI. 65 d. A.), in Höhe von € 19.000,00 für die Montage einer Ersatzmaschine (Rechnung Nr. … der E GbR vom 29. September 2016, Anlage K 17, BI. 64 d. A.) und in Höhe von € 2.450,00 für Transportkosten (Rechnungen der D GmbH vom 8. April 2016, Anlage K 19, BI. 66 d. A., und Anlage K 20, Bl. 67 d. A.).

Weiter verlangt sie unter dem Gesichtspunkt von vergeblichen Aufwendungen Ersatz der Umbaukosten bei der Firma C in der Tschechischen Republik gemäß den Rechnungen vom 14. November 2014 in Höhe von € 53.900,00 (Bl. 72 d. A.), vom 19. März 2015 in Höhe von € 3.410,00 (BI. 73 d. A.), vom 21. Dezember 2015 in Höhe von € 2.700,00 (Teilbetrag, Bl. 74 d. A.) und vom 18. November 2016 in Höhe von € 4.997,60 (Anlage K 25, BI. 75 d. A.).

Schließlich begehrt sie Ersatz für vergebliche Aufwendungen gemäß Rechnung der F GmbH Hydraulik und Pneumatik vom 14. September 2015 in Höhe von € 1.643,63 netto (Anlage K 14, BI. 58 f. d. A.).

Die Klägerin hat behauptet, die Beklagte habe die Maschine kostenlos von der A AG erhalten.

Die Maschine sei schon bei Übergabe mangelhaft gewesen. In Bezug auf den Spindelkasten seien weder bei der Herrichtung durch die Fa. C noch beim Aufbau in Stadt1 irgendwelche Änderungen an der Maschine vorgenommen worden.

Sie macht geltend, die probeweise Inbetriebnahme bei der Fa. C sei unzureichend gewesen, weil die Maschine bei hohen Drehzahlen nur kurz gelaufen und dabei die Betriebstemperatur nicht erreicht worden sei.

Die Klägerin ist der Ansicht, sie sei nicht verpflichtet gewesen, ihrerseits vor der ersten Nutzung der Maschine unter Last einen Probebetrieb vorzunehmen. Insbesondere sei es weder üblich noch technisch erforderlich, einen Probebetrieb unter Erreichen der Betriebstemperatur 30 Minuten lang durchzuführen. Man habe insbesondere nicht gewärtigen müssen, dass in dem Spindelkasten Ölkühlung und Temperaturüberwachung nicht funktionierten.

Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie € 296.754,43 nebst jährliche Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 16. Februar 2017 zu zahlen, und

2. die Beklagte zu verurteilen, sie gegenüber der Firma B bezüglich aller Forderungen dieser Firma aus dem Reparaturvertrag vom 8. Februar 2016 freizustellen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, bei dem Kauf der Maschine von der A AG sei die Maschine in einem voll funktionsfähigen Zustand gewesen. Sie sei für die A AG Ende 2012/Anfang 2013 für € 265.500,00 vollständig elektronisch modernisiert worden. Nach Abschluss des Kaufvertrages zwischen den Parteien und noch vor der Demontage der Maschine habe es einen Schaden an der hydrostatischen Spindel gegeben, der dann aber im Auftrag der Beklagten durch die Firma B beseitigt worden sei, wobei die Kosten die A AG übernommen habe.

Die Beklagte meint, die Klägerin sei verpflichtet gewesen, nach dem Umbau der Maschine durch die Firma C in Tschechien selbst die entsprechenden erforderlichen Prüfschritte zu unternehmen, um festzustellen, ob die Maschine funktionstüchtig sei.

Die Beklagte verweist im Übrigen darauf, dass die Klägerin durch die Fa. C die Maschine habe umbauen lassen. Die von der Fa. B festgestellten Mängel seien jedenfalls nicht auf die Beklagte zurückzuführen.

Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angegriffenen Urteil wird ergänzend Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Nach Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen G, das dieser in der mündlichen Verhandlung vom 4. Juli 2019 (Bl. 345 ff. d. A.) erläutert hat, hat das Landgericht Gießen mit dem angefochtenen Urteil vom 15. August 2019 die Beklagte verurteilt, an die Klägerin € 259.396,43 nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16. Februar 2017 zu zahlen; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Das Landgericht Gießen hat die stattgebende Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass das gekaufte Tischbohrwerk mangelhaft gewesen sei. Eine Verletzung der Rügeobliegenheit durch die Klägerin liege nicht vor, da ein Probelauf unter Last unzumutbar gewesen sei und ein verdeckter Mangel vorliege, welcher bei dem vorgenommenen Probelauf nicht zu erkennen gewesen sei.

Die Klageabweisung im Übrigen hat das Landgericht damit begründet, dass die Klägerin der Beklagten zuvor keine Möglichkeit der Nachbesserung gegeben habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf das angefochtene Urteil des Landgerichts Bezug genommen (Bl. 359 ff. d. A.).

Das angefochtene Urteil wurde dem damaligen Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 28. August 2019 (Bl. 372 d. A.) zugestellt. Die Beklagte hat mit einem hier per Fax am 24. September 2019 eingegangenen Anwaltsschriftsatz vom 23. September 2019 Berufung „gegen das Urteil des Landgerichts Limburg“ [sic!] eingelegt (Bl. 388 f. d. A.). Nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 28. November 2019 (Bl. 399 d. A.) hat die Beklagte sodann mit Anwaltsschriftsatz vom 28. November 2019, der hier per Fax noch am selben Tage eingegangen ist (Bl. 401 ff. d. A.), die Berufung begründet.

Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihren erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag weiter.

Die Beklagte rügt u. a., dass sich das Landgericht nicht mit der Frage auseinandergesetzt habe, ob die Parteien einen Gewährleistungsausschluss vereinbart hätten. Sie ist der Auffassung, sie habe durch Übersendung der Rechnung vom 7. Januar 2015 (K 10, Bl. 45 d. A.) wirksam einen Gewährleistungsausschluss mit der Klägerin vereinbart, da die Klägerin – insoweit unstreitig – am 12. Januar 2015 diese Rechnung freigegeben und anschließend Ende Januar uneingeschränkt und vorbehaltlos einen Betrag von € 178.500,00 (brutto) an die Beklagte gezahlt hat.

Zudem gebe es im Handel mit gebrauchten Werkzeugmaschinen einen Handelsbrauch, wonach zwischen den Händlern dieser Maschinen ein Gewährleistungsausschluss vereinbart werde.

Überdies sei jedenfalls aufgrund der Umstände (€ 150.000,00 Kaufpreis netto, das Alter der Maschine und deren Betriebslaufzeit) von einem konkludenten Gewährleistungsausschluss auszugehen.

Sie behauptet, die Klägerin habe durch die Firma C eine Generalüberholung des Bearbeitungszentrums durchführen lassen.

Das Bearbeitungszentrum habe einen Neuwert von € 600.000,00 bis € 800.000,00.

Das Bearbeitungszentrum sei von April bis Dezember 2015 in Betrieb gewesen und von dem Endkunden in Stadt1 abgenommen worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung vom 28. November 2019 Bezug genommen (Bl. 401 ff. d. A.).

Die Beklagte beantragt,

unter Aufhebung der Entscheidung des Landgerichts Gießen vom 15. August 2019 (5 O 8/18) die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Gießen vom 15. August 2019 (5 O 8/18) zurückzuweisen.

Ein Gewährleistungsausschluss sei zwischen den Parteien nicht vereinbart worden. Im Übrigen verteidigt sie die erstinstanzliche Entscheidung, soweit diese ihrer Klage stattgegeben hatte.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungserwiderung vom 4. Februar 2020 Bezug genommen (Bl. 430 ff d. A.).

Nach Verlängerung der Berufungserwiderungsfrist bis zum 10. Februar 2020 (Bl. 425 d. A.) hat die Klägerin mit Anwaltsschriftsatz vom 4. Februar 2020 (Bl. 430 ff. d. A.), der hier noch am selben Tage eingegangen ist, Anschlussberufung eingelegt.

Die Klägerin wendet sich mit der Anschlussberufung gegen das Urteil des Landgerichts, soweit dieses die Zahlungsklage abgewiesen hatte. Ihren Feststellungsantrag hingegen verfolgt die Klägerin im zweiten Rechtszug nicht weiter.

Die Klägerin ist der Ansicht, sie habe den Schaden unverzüglich bei der Beklagten angezeigt. Hierbei nimmt sie Bezug auf einen E-Mail-Verkehr vom 12./13. Januar 2016 (Anlage K 34, Bl. 316 f. d. A.).

Sie behauptet ferner, eine Reparatur der Maschine habe in jedem Fall vom Hersteller B durchgeführt werden müssen, da dieser über die notwendigen Dokumente, Software usw. verfügt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung der Anschlussberufung wird auf den Anwaltsschriftsatz der Klägerin vom 4. Februar 2020 Bezug genommen (Bl. 430 ff. d. A.).

Die Klägerin beantragt hinsichtlich der Anschlussberufung,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Gießen vom 15. August 2019 (5 O 8/18) die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 296.754,43 nebst jährliche Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 16. Februar 2017 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Anschlussberufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie behauptet, sie habe dem Transport des Spindelkastens nicht zugestimmt und dieser sei auch nicht notwendig gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Anschlussberufungserwiderung wird auf den Anwaltsschriftsatz der Beklagten vom 30. März 2020 Bezug genommen (Bl. 443 ff. d. A.).

II.

Die Berufung ist zulässig. In der Sache hat sie jedoch lediglich in Bezug auf die Zinsentscheidung teilweise Erfolg (1). Die zulässige Anschlussberufung bleibt ohne Erfolg (2).

1. Das Landgericht Gießen hat der Klägerin rechtsfehlerfrei einen Schadensersatzanspruch in Höhe von € 259.396,43 zugesprochen.

Das Landgericht hat festgestellt, dass das von der Klägerin gekaufte Tischbohrwerk mit einem Mangel behaftet war. An diese Feststellung ist der erkennende Einzelrichter gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden, da keine konkreten Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen. Auch die Beklagte hat keine entsprechenden Rügen erhoben.

Dem Anspruch der Klägerin steht auch kein Gewährleistungsausschluss (§ 444 BGB) entgegen. Grundsätzlich kann in dem Passus „Maschinen gekauft, wie besichtigt unter Ausschluss jeglicher Gewährleistungsansprüche“ in der Rechnung vom 7. Januar 2015 (Anlage K 10, Bl. 45 d. A.) allerdings ein Gewährleistungsausschluss gesehen werden. Ein solcher Haftungsausschluss kann auch konkludent und auch noch nach Vertragsschluss vereinbart werden (vgl. etwa Weidenkaff, in: Palandt, BGB, 80. Aufl. 2021, § 444, Rdnr. 5).

Der entsprechende Vortrag der Beklagten ist vom erkennenden Einzelrichter schon deswegen zu berücksichtigen, weil der gesamte Inhalt der Rechnung vom 7. Januar 2015 unstreitig ist, so dass es nicht auf die Frage ankommt, ob der diesbezügliche Vortrag der Beklagten neu im Sinne des § 531 Abs. 2 ZPO ist.

Ob die Parteien im Streitfall durch die zitierte Passage in der Rechnung und deren vorbehaltlose Bezahlung durch die Klägerin wirksam einen Gewährleistungsausschluss vereinbart haben, kann jedoch offenbleiben, da sich ein solcher nach der vorliegenden Klausel nur auf einen wahrnehmbaren Mangel beziehen würde und ein solcher Mangel hier gerade nicht vorliegt.

Gewährleistungsausschlüsse, die an die Wendung „wie besichtigt“ anknüpfen, beziehen sich nämlich nur auf bei der Besichtigung wahrnehmbare, insbesondere sichtbare Mängel der Kaufsache. Wird dabei zugleich der Bezug zu einer Besichtigung des Käufers hergestellt, kommt es auf die Wahrnehmbarkeit des Mangels durch ihn und nicht darauf an, ob eine sachkundige Person den Mangel hätte entdecken oder zumindest auf dessen Vorliegen hätte schließen können und müssen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 06.04.2016 – VIII ZR 261/14 -, NJW 2016, 2495, 2496 m. w. N.).

Im Streitfall liegt ein sichtbarer oder wahrnehmbarer Mangel gerade nicht vor. Der Sachverständige hat bei seiner mündlichen Anhörung vor dem Landgericht ausgeführt, dass der Mangel im Rahmen eines Probelaufs lediglich dann hätte erkannt werden können, wenn man die Maschine auf einem bestimmten Fundament aufgestellt und zusammengebaut hätte, wobei auch „das Zusammenpassen der einzelnen Bauteile“ geometrisch hätte vermessen werden müssen (S. 2 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 4. Juli 2019, Bl. 346 d. A.). Weiter hat der Sachverständige ausgeführt, dass es aufgrund der Eigenart des Fehlers nicht vorhersehbar war, wann es beim Einsatz der Maschine zum Schaden kommen würde (S. 2 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 4. Juli 2019, Bl. 346 d. A.).

Aus den dargelegten Grundsätzen ergibt sich, dass versteckte Mängel von einer an die Besichtigung anknüpfenden Gewährleistungsausschlussklausel wie der im Streitfall gerade nicht erfasst sind, da sich der Gewährleistungsausschluss nach dem Wortlaut („wie besichtigt“) und dem Sinn und Zweck der Klausel lediglich auf sichtbare Mängel bezieht.

Ein weiterreichender konkludenter Gewährleistungsausschluss ist im Streitfall auch eingedenk des Alters und der Betriebslaufzeit der Maschine nicht anzunehmen. Zum einen führt selbst der Umstand, dass eine Kaufsache zu einem ermäßigten Sonderpreis verkauft wird, nicht ohne Weiteres dazu, dass der Käufer mit einer minderwertigen Qualität und einem Ausschluss der Gewährleistungshaftung des Verkäufers rechnen muss (vgl. etwa Stöber, in: Ball (Hrsg.), beck-online Großkommentar, Stand: 01.08.2018, § 444 BGB, Rdnr. 25). Zum anderen erscheint es mehr als fragwürdig, eine in einer Rechnung enthaltene schriftliche Gewährleistungsausschlussklausel, die sich – wie dargelegt – nicht auf versteckte Mängel erstreckt, über die Annahme eines weiterreichenden (vorherigen) konkludenten Gewährleistungsausschlusses zu überspielen.

Vor diesem Hintergrund kommt es auf den Vortrag der Klägerin hinsichtlich des Arglisteneinwandes nicht mehr an.

Der Vortrag der Beklagten hinsichtlich eines Handelsbrauches (§ 346 HGB) ist unsubstantiiert und damit unbeachtlich. Darauf hat der erkennende Einzelrichter die Beklagte bereits mit Beschluss vom 31. Mai 2021 (S. 4, Bl. 460 RS d. A.) hingewiesen.

Für die schlüssige Darstellung eines Handelsbrauchs genügt nämlich nicht die bloße Behauptung, in einem bestimmten Geschäftsbereich werde üblicherweise etwas in einer bestimmten Weise gehandhabt. Ein solcher Vortrag erschöpft sich in der rechtlichen Aussage, die in § 346 HGB bestimmten Voraussetzungen für einen Handelsbrauch seien erfüllt, und gibt hierfür keine Tatsachen an (vgl. BGH, Urteil vom 06.12.2017 – VIII ZR 246/16 -, NJW 2018, 1957, 1959). Unerlässlich ist vielmehr der Vortrag konkreter Anknüpfungstatsachen, die den Schluss auf eine in räumlicher, zeitlicher und personeller Hinsicht ausreichende einheitliche, auf Konsens der beteiligten Kreise hindeutende Verkehrsübung in Bezug auf einen bestimmten Vorgang zulassen (vgl. BGH, Urteil vom 06.12.2017 – VIII ZR 246/16 -, NJW 2018, 1957, 1959). Hieran fehlt es im Streitfall. Der diesbezügliche Vortrag der Beklagten („Ein entsprechender Gewährleistungsausschluss ist Handelsbrauch“, s. S. 5 des Anwaltsschriftsatzes vom 30. März 2020, Bl. 453 d. A.) ist ganz allgemein und abstrakt gehalten.

Das Landgericht hat überdies – entgegen der Ansicht der Beklagten – § 377 Abs. 1 HGB in nicht zu beanstandender Weise auf den festgestellten Sachverhalt angewendet.

Der erkennende Einzelrichter ist in diesem Zusammenhang gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an die Feststellung des Landgerichts gebunden, dass vor Nachlieferung des Spindelkastens und vor dem Zusammenbau der Maschine in der Tschechischen Republik keine Untersuchung stattfinden konnte (S. 10 des erstinstanzlichen Urteils, Bl. 368 d. A.). Es sind keine konkreten Anhaltspunkte ersichtlich, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit dieser Feststellungen begründen.

Gemäß § 377 Abs. 1 HGB hat eine Untersuchung der gelieferten Ware zu erfolgen, soweit dies nach ordnungsgemäßem Geschäftsgang tunlich ist. Welche Anforderungen an die Art und Weise der Untersuchung zu stellen sind, lässt sich nicht allgemein festlegen. Es ist vielmehr darauf abzustellen, welche in den Rahmen eines ordnungsgemäßen Geschäftsgangs fallenden Maßnahmen einem ordentlichen Kaufmann im konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung auch der schutzwürdigen Interessen des Verkäufers zur Erhaltung seiner Gewährleistungsrechte zugemutet werden können. Bei der hierzu vorzunehmenden Interessenabwägung ist einerseits zu berücksichtigen, dass die Vorschriften über die Mängelrüge in erster Linie den Interessen des Verkäufers dienen, der nach Möglichkeit davor geschützt werden soll, sich längere Zeit nach der Lieferung oder nach der Abnahme der Sache etwaigen, dann nur schwer feststellbaren oder durch die Untersuchung vermeidbaren Gewährleistungsansprüchen ausgesetzt zu sehen. Andererseits dürfen im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung zwischen Verkäufer und Käufer die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Untersuchung nicht überspannt werden, weil ansonsten der Verkäufer, aus dessen Einflussbereich der Mangel kommt, in die Lage versetzt werden könnte, das aus seinen eigenen fehlerhaften Leistungen herrührende Risiko über das Erfordernis der Mängelrüge auf den Käufer abzuwälzen. Anhaltspunkte für die Grenzen der Zumutbarkeit bilden vor allem der für eine Überprüfung erforderliche Kosten- und Zeitaufwand, die dem Käufer zur Verfügung stehenden technischen Prüfungsmöglichkeiten, das Erfordernis eigener technischer Kenntnisse für die Durchführung der Untersuchung beziehungsweise die Notwendigkeit, die Prüfung von Dritten vornehmen zu lassen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 06.12.2017 – VIII ZR 246/16 -, NJW 2018, 1957, 1958 m. w. N.).

Die nach § 377 Abs. 1 HGB geforderte Untersuchung muss dabei nicht von derartigem Umfang und solcher Intensität sein, dass sie nach Art einer „Rundum-Untersuchung“ alle irgendwie in Betracht kommenden Mängel der Ware erfasst (vgl. BGH, Urteil vom 06.12.2017 – VIII ZR 246/16 -, NJW 2018, 1957, 1959 m. w. N.).

Hierzu hat der Sachverständige G in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht schlüssig und überzeugend darlegt, dass man den Fehler nur dann hätte erkennen können, wenn man die Maschine eine entsprechende Zeit und unter Einsatzbedingungen hätte laufen lassen (s. S. 2 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 4. Juli 2019, Bl. 346 d. A.). Dazu wäre es – wie oben bereits erwähnt – erforderlich gewesen, die Maschine zunächst auf einem bestimmten Fundament aufzustellen und zusammenzubauen, wobei „das Zusammenpassen der einzelnen Bauteile“ auch geometrisch hätte vermessen werden müssen (a. a. O.). Aus seiner Sicht könne man dies nicht fordern (a. a. O.).

Nach den aufgezeigten Maßstäben war der Klägerin aufgrund der technisch umfangreichen Anforderungen eines Probelaufs dieser nicht zumutbar. Ein solcher wäre mit erheblichem Kosten-, Zeit- und logistischem Aufwand verbunden gewesen.

Dies hat das Landgericht in seiner Entscheidung zutreffend ausgeführt (S. 10 des erstinstanzlichen Urteils, Bl. 368 d. A.). Zur Vermeidung von Wiederholungen wird ergänzend auf die dortige Begründung verwiesen.

Entgegen der Auffassung der Beklagten hat die Klägerin im Streitfall auch ihrer Rügeobliegenheit nach § 377 Abs. 2 Halbsatz 2, Abs. 3 Halbsatz 1 HGB genügt.

Es liegt eine inhaltlich hinreichend bestimmte Rüge vor. Bei den Anforderungen, die an die Bestimmtheit der Mangelrüge zu stellen sind, kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an (vgl. etwa BGH, Urteil vom 18.06.1986 – VIII ZR 195/85 -, NJW 1986, 3136, 3137). Der Käufer, der seine Gewährleistungsansprüche wahren möchte, muss nicht eine in alle Einzelheiten gehende, genaue und fachlich richtige Bezeichnungen verwendende Rüge formulieren. Es genügt vielmehr, wenn ihr der Verkäufer aus seiner Sicht, ohne dass es auf die Verständnismöglichkeit eines außenstehenden Dritten ankäme, entnehmen kann, in welchem Punkt der Käufer mit der gelieferten Ware – als nicht vertragsgemäß – nicht einverstanden ist (vgl. etwa BGH, Urteil vom 18.06.1986 – VIII ZR 195/85 -, NJW 1986, 3136, 3137).

Im Streitfall hat die Klägerin diesen Maßstäben genügt, indem ihr Geschäftsführer am 12. Januar 2016 um 15:09 Uhr der Beklagten in einer E-Mail (K 34, Bl. 316 f.) mitteilte, dass bei der Inbetriebnahme der „X1 in Stadt1 erheblich Probleme“ auftreten seien. Die Spindel habe „vier Wochen nach der Inbetriebnahme gefressen“.

Diese Mitteilung genügt den gesetzlichen Anforderungen, da hier die Beklagte erkennen konnte, dass ein Mangel im Zusammenhang mit der Spindel aufgetreten ist. Dies ergibt sich im Übrigen auch aus der Antwort des Geschäftsführers der Beklagten, welche klar zum Ausdruck bringt, dass er die Mangelhaftigkeit der Spindel erkannt hat (Anlage K 34, Bl. 316 d. A.: „Was soll ich dazu sagen? Die ist doch vom Lieferanten eingebaut worden! Ein neuer Spindel [sic!]. Die müssten doch dafür gerade stehen“).

Die Mängelrüge war auch unverzüglich im Sinne des § 377 Abs. 3 Halbsatz 1 HGB. Eine Anzeige nur wenige Tage nach Erkennen des Mangels führt in der Regel nicht zu einem Rügeverlust nach § 377 Abs. 3 HGB (vgl. etwa BGH, Urteil vom 03.07.1985 – VIII ZR 152/84 -, NJW-RR 1986, 52, 53). Dabei gilt es zu beachten, dass das Wochenende nicht mit in diese Frist hineingerechnet wird (vgl. etwa BGH, Urteil vom 13.03.1996 – VIII ZR 333/94 -, NJW 1996, 1537, 1538; Schwartze, in: Häublein/Hoffmann-Theinert (Hrsg.), BeckOK HGB, 32. Edition, Stand: 15.04.2021, § 377, Rdnr. 50), denn § 193 BGB ist entsprechend auf die Mängelrüge als rechtsgeschäftsähnliche Handlung anzuwenden (vgl. etwa Schwartze, in: Häublein/Hoffmann-Theinert (Hrsg.), BeckOK HGB, 32. Edition, Stand: 15.04.2021, § 377, Rdnr. 50).

Im Streitfall trat der Schaden an der Maschine am 7. Januar 2016, einem Donnerstag, auf und wurde an diesem Tag durch die Klägerin erkannt. Am 12. Januar 2016, einem Dienstag, zeigte ihr Geschäftsführer den Mangel der Beklagten per E-Mail an. Damit wurde der Mangel am dritten Tag nach dem Erkennen anzeigt, wenn man das Wochenende außer Betracht lässt. Dies ist noch unverzüglich im Sinne des § 377 Abs. 3 Halbsatz 1 HGB.

Auch die Höhe der der Klägerin zugesprochenen Hauptforderung ist nicht zu beanstanden. Insoweit hat die Beklagte auch keine Einwände erhoben.

Das von der Beklagten zuletzt geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht (s. etwa S. 5 des Anwaltsschriftsatzes vom 18. Juni 2021, Bl. 479 d. A.) geht ins Leere.

Nach § 281 Abs. 5 BGB ist der Schuldner, wenn der Gläubiger – wie hier die Klägerin – Schadensersatz statt der ganzen Leistung verlangt, zur Rückforderung des Geleisteten nach den §§ 346 bis 348 BGB berechtigt. Danach sind grundsätzlich die empfangenen Leistungen zurückzugewähren (§ 346 Abs. 1 BGB). Nach § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB hätte die Klägerin daher hier statt der Rückgewähr oder Herausgabe der Maschine grundsätzlich Wertersatz zu leisten, da sie diese veräußert hat.

Die Pflicht der Käuferin zum Wertersatz ist jedoch im Streitfall in analoger Anwendung des § 346 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BGB entfallen. Es gibt keinen Anlass, die Anwendung dieser Bestimmung auf die ausdrücklich genannten Schlechterfüllungs- und Unmöglichkeitskonstellationen zu beschränken. Sie ist daher in allen Fällen der Unmöglichkeit der Rückgewähr entsprechend anwendbar, die auf einen an Sorgfaltskriterien messbaren Umgang mit der Sache zurückzuführen sind: so etwa bei Veräußerung und Verbrauch (vgl. etwa Gaier, in: Münchener Kommentar zum BGB,

8. Aufl. 2019, § 346, Rdnr. 64; Kaiser, JZ 2001, 1057, 1062; Grüneberg, in: Palandt, BGB, 80. Aufl. 2021, § 346, Rdnr. 13b).

Im Übrigen entfällt im Streitfall die Pflicht der Käuferin zum Wertersatz auch noch nach § 346 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB analog. Diese Bestimmung greift nach der Risikoverteilung des § 326 Abs. 2 Satz 1 BGB etwa auch dann ein, wenn sich der Verkäufer mit der Rücknahme der Kaufsache in Annahmeverzug befand (vgl. etwa OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, Urteil vom 23.8.2017 – 16 U 68/17 -, NJW-RR 2018, 436, 439 f.; Grüneberg, in: Palandt, BGB, 80. Aufl. 2021, § 346, Rdnr. 12). So liegt es hier, da die Klägerin bereits auf S. 10 der Klageschrift (Bl. 10 d. A.) die dingliche Rückübereignung der Maschine angeboten sowie Herausgabeansprüche gegen B an die Beklagte abgetreten hatte.

Auf diese Zusammenhänge hatte der erkennende Einzelrichter die Beklagte bereits mit Beschluss vom 27. August 2021 (Bl. 522 f. d. A.) hingewiesen. Die gegen diese Betrachtung von der Beklagten erhobenen Einwände aus den Anwaltsschriftsätzen vom 10. September 2021 (Bl. 529 ff. d. A.) und vom 11. Oktober 2021 (Bl. 547 ff. d. A.) sind nicht stichhaltig.

Es unterliegt keinem Zweifel, dass es sich bei der Klägerin hier um die Rückgewährschuldnerin handelt.

Die hier maßgebliche Veräußerung der Maschine durch die Klägerin erfolgte im Jahre 2020 (vgl. die Rechnung der Klägerin an die H vom 29. Oktober 2020, Bl. 497 d. A.). Schon deswegen trifft die Argumentation der Beklagten nicht zu, dass die Veräußerung der Maschine durch die Klägerin „einem etwaigen Annahmeverzug […] zeitlich vorgelagert“ (s. S. 4 des Anwaltsschriftsatzes vom 10. September 2021, Bl. 532 d. A.) gewesen sei.

Lediglich die Zinsentscheidung des Landgerichts, mit der dieses der Klägerin auf den Hauptforderungsbetrag Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16. Februar 2017 zugesprochen hat, erweist sich als teilweise unzutreffend.

Der Klägerin stehen nämlich nur Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16. Februar 2017 zu. Zwar beträgt nach § 288 Abs. 2 BGB a. F. bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, der Zinssatz für Entgeltforderungen acht Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. Im Streitfall macht die Klägerin jedoch einen Schadensersatzanspruch geltend, und ein Schadensersatzanspruch stellt keine Entgeltforderung im Sinne des § 288 Abs. 2 BGB dar (vgl. etwa BGH, Urteil vom 24.01.2018 – XII ZR 120/16 -, NJW-RR 2018, 714, 716).

2. Die zulässige Anschlussberufung ist unbegründet.

Ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Zahlung weiterer € 37.358,00 gemäß den §§ 434 Abs. 1, 437 Nr. 3, 440 S. 1, 280 Abs. 1, 3, 281 Abs. 1 Satz 1 BGB besteht nicht.

Dieser Anspruch scheitert daran – wie das Landgericht zutreffend ausführt hat -, dass die Klägerin gegenüber der Beklagten nicht rechtzeitig ein Nacherfüllungsverlangen geltend gemacht hat.

Der erkennende Senat ist gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an die Feststellung des Landgerichts Gießen gebunden, dass die Klägerin mit Schreiben vom 2. Dezember 2016 (Anlage K 26, Bl. 76 d. A.) den ihr entstandenen Schaden gegenüber der Beklagten auf mindestens € 235.630,00 netto beziffert und diese zur Nachbesserung bis zum 31. Januar 2017 aufgefordert hat (Bl. 363 d. A.).

Etwas anderes ergibt sich nicht auf dem E-Mail-Schriftverkehr zwischen den Geschäftsführern der Parteien vom 12. und 13. Januar 2016 (Anlage K 34, Bl. 316 f. d. A.). Das Nacherfüllungsverlangen gemäß den §§ 437 ff. BGB setzt voraus, dass der Käufer dem Verkäufer gegenüber mitteilt, dass dieser Nachlieferung oder Nachbesserung verlangt (Weidenkaff, in: Palandt, BGB, 80. Aufl. 2021, § 437, Rdnr. 10). Es setzt zudem voraus, dass der Käufer dem Verkäufer unmissverständlich deutlich macht, dass dieser ihm eine Frist zur ordnungsmäßen Leistung setzen will (vgl. etwa Westermann, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2019, § 439, Rdnr. 6 m. w. N.).

Diesen Anforderungen genügt die oben bereits angesprochene E-Mail seitens des Geschäftsführers der Klägerin vom 12. Januar 2016 um 15:09 Uhr an die Beklagte gerade nicht. Dort heißt es, dass es bei der Inbetriebnahme der X1 in Stadt1 erhebliche Probleme gegeben habe. Weiter folgt die Bitte an die Beklagte, diese solle über ihre Kontakte mit A zu X1 einen eventuellen Garantieanspruch geltend machen. Damit wurde weder ausdrücklich noch konkludent eine Frist zur ordnungsmäßen Leistung gesetzt.

Der erkennende Senat ist ferner an die Feststellung des Landgerichts gebunden (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), dass das Unternehmen B am 8. Februar 2016 ein Angebot für die Reparatur der Maschine erstellte und die Klägerin hiernach den Reparaturauftragt erteilte. Dies war vor dem Zeitpunkt des Nacherfüllungsverlangens, so dass aufgrund dessen ein diesbezüglicher Schadensersatzanspruch nicht in Betracht kommt.

3. Der nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichte Schriftsatz vom 11. Oktober 2021 gibt keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 ZPO.

5. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10 Satz 1, 711 Sätze 1 und 2, 709 Satz 2 ZPO.

6. Die Revision ist nicht zuzulassen.

Der Sache kommt keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zu. Sie wirft keine klärungsbedürftigen Rechtsfragen auf. Es handelt sich vielmehr um eine von den tatsächlichen Besonderheiten des Einzelfalls geprägte Sache.

Die Zulassung der Revision ist im Streitfall auch nicht zur „Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung“ (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO) erforderlich. Dieser Zulassungsgrund ist insbesondere dann gegeben, wenn das Berufungsgericht von einer Entscheidung eines höherrangigen Gerichts, namentlich des Bundesgerichtshofes, abweicht. Eine Abweichung in diesem Sinne liegt dann vor, wenn das Berufungsgericht ein und dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die Vergleichsentscheidung, also einen Rechtssatz aufstellt, der sich mit dem in der Vergleichsentscheidung aufgestellten Rechtssatz nicht deckt (vgl. BGH, Beschluss vom 04.07.2002 – V ZR 75/02 -, NJW 2002, 2295; Beschluss vom 27.03.2003 – V ZR 291/02 -, NJW 2003, 1943, 1945; OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 31.10.2013 – 15 U 127/13 -, juris). Eine so verstandene Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes findet im Streitfall nicht statt.

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