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Thüringer OLG, Beschluss vom 05.01.2022 – 2 W 135/19

Spruchverfahren Barabfindung

§ 327f S 2 AktG, § 15 SpruchG

1. Bei einem werbenden Unternehmen ist die Ertragswertmethode eine grundsätzlich geeignete Methode zur Ermittlung des Unternehmenswerts (vgl. BGH, Beschluss vom 29. September 2015, II ZB 23/14).

2. Nach der Systematik des in der Betriebswirtschaftslehre und in der gerichtlichen Bewertungspraxis anerkannten IDW S1 ergibt sich der Unternehmenswert grundsätzlich aus den finanziellen Überschüssen, die bei Fortführung des Unternehmens und Veräußerung nicht betriebsnotwendigen Vermögens erwirtschaftet werden.

3. Ein im Jahr 2012 nicht vorhergesehener Gewinneinbruch kann bei einer Unternehmensbewertung auf den Stichtag 4.11.2011 nicht mehr berücksichtigt werden.

4. Es obliegt weder dem Gericht noch der Gesellschaft, umfassende Studien zur Ermittlung der Marktrisikoprämie als einer ohnehin nicht zweifelsfrei ermittelbaren Größe in Auftrag zu geben; stattdessen kann der Empfehlung des Fachausschusses für Unternehmensbewertung und Betriebswirtschaft (FAUB) gefolgt werden.

5. Es ist anerkannt, dass der relevante Betafaktor anhand einer Peergroup geschätzt werden kann, sofern der eigene Wert der Gesellschaft nicht aussagekräftig ist.

6. Geht man davon aus, dass nicht notwendiges Vermögen an die Aktionäre ausgeschüttet wird, fällt darauf Steuer an, die auch bei der Bewertung zu berücksichtigen ist.

Tenor

1. Der Beschluss des Landgerichts Mühlhausen vom 31. Januar 2019 – Az.: 1 HK O 2/12 wird abgeändert:

Die angemessene Barabfindung für die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre der L… AG, B… (WKN: 649010) auf die L… Gesellschaft bürgerlichen RechtsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschaft
Gesellschaft bürgerlichen Rechts
, Jüchen, gemäß §§ 327f AktG i.V. m. §§ 1 Nr.3,2ff SpruchG wird auf 17,87 € pro Aktie festgesetzt.

Die Antragsgegner haben die Gerichtskosten des Verfahrens, die Auslagen des gemeinsamen Vertreters und die zur zweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit notwendigen Kosten der Beschwerdeführer zu 1-12 und 17 und 18 zu tragen.

Die Beschwerdeführer zu 13-16 haben ihre Kosten selbst zu tragen.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 200.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Aktien der Minderheitsaktionäre an der L… AG, mit Sitz in B… L…, welche mit Milch und Milchprodukten handelt, sind durch einen Beschluss der Hauptversammlung vom 4.11.2011 gemäß §§ 327a ff. AktG gegen Gewährung einer Barabfindung von EUR 15 je auf den Inhaber lautende Stückaktie auf die L… GbR (frühere Antragsgegnerin) übertragen worden. Wie erst durch Schriftsatz vom 6.1.2021 dem Gericht bekannt gegeben wurde, ist die L… GbR durch Beschluss vom 25.1.2012 aufgelöst worden. Das Vermögen der GbR in Form der Aktienanteile an der L… AG wurde zwischen den Gesellschaftern aufgeteilt. Diese haften für die Verbindlichkeiten der GbR analog § 128 HGB, das Rubrum war dementsprechend zu berichtigen.Randnummer2

Die Hauptversammlung der L… AG für die Beschlussfassung zum Squeeze-out war zunächst für den 7.10.2011 geplant worden und wurde dann später auf den 4.11.2011 verlegt.Randnummer3

Mit der Einladung zur Hauptversammlung am 4. 11. 2011 (Bd. I Bl. 29 f der Akte) war den Aktionären ein Entwurf des Übertragungsbeschlusses, Jahresabschlüsse und Lageberichte für die Geschäftsjahre 2010, 2009 und 2008, ein Bericht des Hauptaktionärs zur Darlegung der Voraussetzungen für die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre mit einer Erläuterung und Begründung der Angemessenheit der Barabfindung, ein Prüfbericht der … Treuhand, Revision & Consulting AG, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (nachfolgend … genannt) vom 29.Aug. 2011 (welcher auf den 7.10.2011 den ursprünglich anberaumten Hauptversammlungstermin abstellt und einen Wert von 12,80 € ermittelt) zur Einsichtnahme bereitgestellt worden. Die … war vom Landgericht Mühlhausen durch Beschluss vom 4. 7. 2011 zur Prüferin gemäß § 327c Abs.2 S.3 AktG bestellt worden.Randnummer4

Ob am 3.11.2011, dem Tag vor der Hauptversammlung, die Unternehmensplanung der Gesellschaft wegen gesunkener Umsätze angepasst und ob diese geänderte Planung der Unternehmensbewertung zugrunde zu legen ist, ist zwischen den Beteiligten streitig.Randnummer5

Die Eintragung des Übertragungsbeschlusses in das Handelsregister ist am 4.1.2012 erfolgt.Randnummer6

Im vorliegenden Verfahren begehren die Antragsteller die Festsetzung einer höheren Barabfindung als 15 € pro AktieRandnummer7

Das Landgericht hat durch Beschluss vom 4.11.2013 (Bd. VI Bl. 1312) die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Höhe der angemessenen Barabfindung beschlossen. Gemäß Beschluss vom 19.5.2014 wurde der Wirtschaftsprüfer CFA N… R… zum Gutachter bestellt.Randnummer8

Dieser Gutachter führte in seinem Gutachten vom 20.10.2017 aus:Randnummer9

1. Unter Berücksichtigung der zum Zeitpunkt der Planungserstellung im Juli 2011 vorliegenden Erkenntnisse erscheine die Höhe der geplanten Marge eher als konservative Schätzung. In Bezug auf die geplante Höhe des absoluten Rohergebnisses wirke jedoch das optimistische Rohergebnis als gegenläufiger Effekt. Die Unternehmensplanung aus Juli 2011 berücksichtige noch nicht den drastischen Nachfrageeinbruch, der sich ab August 2011 eingestellt habe. Deshalb sei die Unternehmensplanung am 3.11.2011 revidiert und angepasst worden. Es sei berücksichtigt worden, dass am 30.9.2011 das Umsatzniveau 15% unter der Unternehmensplanung für 2011 gelegen habe.Randnummer10

Es sei für ihn nicht nachvollziehbar, weshalb der Prüfer in seinem Aktualisierungsschreiben vom 4.11.2011 nicht auf die am 3.11.2011 erstellte revidierte Unternehmensplanung eingehe. Die Umsatzrückgänge im Jahre 2011 seien in der neuen Planung berücksichtigt, aufgrund der gegenüber der Planung zu verzeichnenden höheren Rohgewinnmarge ergebe sich jedoch ein Jahresüberschuss in gleicher Höhe und damit kein wertbeeinflussender Effekt. Auf der Grundlage der strukturellen Entwicklungen auf dem Milchrohstoffmarkt habe die Gesellschaft ein abgeschwächtes Umsatzwachstum prognostiziert. Eine konkrete Plausibilisierung dieser Annahme anhand von Markt- oder Experteneinschätzungen sei fast nicht möglich, da die spezielle Stellung der Gesellschaft als Intermediär zwischen Angebots- und Nachfrageseite mögliche Rückschlüsse auf Basis von auf dem Milchrohstoffmarkt tätigen Wettbewerbern nicht zulasse. Vor dem Hintergrund der von der Antragsgegnerseite vorgebrachten Prognosen in Bezug auf eine zukünftig reduzierte Anzahl von Handelspartnern im Zuge eines laufenden Konsolidierungsprozesses halte er die Annahme für plausibel. Es ergäben sich dann die in Abschnitt VIII (S. 54 ff.) des Gutachtens dargestellten Werte.Randnummer11

Den Ansatz eines Basiszinssatzes von 3 % halte er für angemessen.Randnummer12

Die vom Prüfer angesetzte Marktrisikoprämie vom 5 % nach persönlichen Steuern liege am oberen Rand der Bandbreite der zum Bewertungsstichtag maßgeblichen berufsständigen Empfehlungen der FAUB von 4% bis 5% nach persönlichen Steuern. Vor dem Hintergrund der bereits im Jahre 2011 zu beobachtenden Verwerfungen auf den europäischen und internationalen Aktienmärkten halte er die 5 % für sachgerecht. In seiner Anhörung durch die Kammer für Handelssachen hat er dies aber dahingehend modifiziert, er wäre selbst möglicherweise von 4,5 % ausgegangen.Randnummer13

Bei der Berechnung des Betafaktors hat der Gutachter die vom Prüfer gewählte Peer Group um 3 weitere ausländische Unternehmen ergänzt. Die S… M… in Deutschland und die R… AB aus L… seien aufgrund festgestellter nicht vorhandener Signifikanz der abgeleiteten Risikofaktoren nicht berücksichtigt worden. Es habe keine vergleichbaren börsennotierten Unternehmen in Deutschland gegeben, welche unter Gewährleistung einer unverzerrten Regression zur Durchführung einer historischen Betaanalyse geeignet gewesen wären. Aufgrund seiner Berechnungen erachte er einen unverschuldeten Betafaktor in der Bandbreite zwischen 0,34 und 0,43 für angemessen. Das entspreche einem Mittelwert von 0,38.Randnummer14

Es liege entgegen der Ansicht des Prüfers nicht betriebsnotwendiges Vermögen vor. Die Gesellschaft unterhalte hohe Kassenbestände und Wertpapiere und eine Inhaberschuldverschreibung mit einem Nominalwert von TEUR 1.911 €. Die vorgehaltene Liquidität und die Inhaberschuldverschreibung würden vom Prüfer als betriebsnotwendig erachtet, in seinem Ergänzungsgutachten habe der Prüfer ergänzend eine Alternativberechnung vorgenommen. Der Gutachter vertrat die Auffassung, dass unter Berücksichtigung des Planungsstandes Juli 2011 ein Sonderwert vor persönlichen Steuern in Höhe von 1,2 Mio. anzusetzen und zur Ermittlung eines fiktiven Ausschüttungsbetrages auf den Bewertungsstichtag 4. November 2011 aufzuzinsen und um persönliche Steuern auf der Ebene der Anteilseigner (KapEst incl. Soli = 26.37 %) zu mindern sei. Berücksichtige man den Planungsstand vom 4. November 2011, dann sei eine nicht betriebsnotwendige Liquidität von 2,2 Mio. bei der Bewertung anzusetzen, die dann ebenfalls aufzuzinsen und um die Steuern auf Anteilseignerseite zu mindern sei.Randnummer15

Der Wachstumsabschlag für den Zeitraum der ewigen Rente sei vom Prüfer mit 1 % angesetzt worden. Der Sachverständige hat dann im Einzelnen begründet, weshalb er ebenfalls einen Wachstumsabschlag von 1 % für sachgerecht hält. Entgegen der Kalkulation des Prüfers sei dieser aber nicht nur in der Phase der sog. ewigen Rente, sondern auch bereits auf die Ergebnisse des letzten Planjahres zu berücksichtigen.Randnummer16

Der Sachverständige verweist darauf, dass nach den Grundsätzen des IDW S1 im Rahmen der zweiten Phase grundsätzlich auf das Ausschüttungsverhalten einer Alternativanlage abzustellen ist, es sei denn es sprächen Besonderheiten der Branche, der Kapitalstruktur oder rechtliche Rahmenbedingungen dagegen. Diese Besonderheiten bejaht er hier. Es handele sich im vorliegenden Fall um ein reines Handelsunternehmen, welches über eine sehr geringe Personalstruktur (4 Mitarbeiter und eine Aushilfe am 31.12.2011) verfüge und eine geringe Anlagenintensität habe und bei dem wesentliche Neuinvestitionen nicht geplant seien bzw. nicht die Höhe der Abschreibungen überstiegen. In den Jahren 2008 – 2011 seien Ausschüttungen in Höhe von 88% – 101% des jeweiligen Jahresüberschusses vorgenommen worden. Deshalb sei der Ansatz einer Ausschüttungsquote von 80 -100 % angemessen und nicht auf das Ausschüttungsverhalten der ermittelten Gruppe der Vergleichsunternehmen abzustellen.Randnummer17

Das Landgericht hat den Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens geladen und im Termin am 14.11.2018 angehört (Bd XI Bl.2185). Es hat dann eine ergänzende Berechnung des Sachverständigen mit dem Ansatz einer Marktrisikoprämie von 4,5 und der Berücksichtigung eines effektiven Steuersatzes von 30% eingeholt.Randnummer18

Durch Beschluss vom 31.1.2019 hat das Landgericht den Antrag der Antragsteller zurückgewiesen und hierbei die streitige Planung vom November 2011 zugrunde gelegt.Randnummer19

Hiergegen haben die im Rubrum genannten Beschwerdeführer form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt.Randnummer20

Den Beschwerden der Beschwerdeführer hat das Landgericht gemäß Beschluss vom 25.9.2019 nicht abgeholfen.Randnummer21

Mit ihren Beschwerden behaupten die Beschwerdeführer weiterhin, vor dem Stichtag 4.11.2011 sei die Unternehmensplanung nicht geändert worden, so dass auf der Basis der im Prüfgutachten erwähnten Planung die Unternehmensbewertung vorzunehmen sei. Sie sei erst später zu Lasten der Minderheitsaktionäre geändert worden. Eine richtige unabhängige Planung sei zudem gar nicht erstellt worden. Die geänderte Planung zum 3.11.2011 habe am Bewertungsstichtag noch nicht existiert und habe auch weder dem Abfindungsprüfer noch der Hauptversammlung vorgelegen.Randnummer22

Die Marktrisikoprämie sei mit 5 % zu hoch angesetzt worden, sie sei zudem auch dann niedriger anzusetzen, wenn die Ausschüttungsquote hoch angesetzt werde.Randnummer23

Die angenommene Ausschüttungsquote von 90 % sei zu hoch, es sei in der Phase der ewigen Rente nach den Bewertungsrichtlinien der FAUB zwingend auf das Durchschnittsverhalten einer Alternativanlage abzustellen. Die Alternativanlage seien die im S& P Global Broad Market Index (BMI) gelisteten Unternehmen, die durchschnittlich nur 26% im Durchschnitt der letzten Jahre ausgeschüttet hätten (Bl. 2454)Randnummer24

Der zugrunde gelegte Beta-Faktor sei falsch, weil in die Peer Group ausschließlich ausländische Unternehmen aufgenommen worden seien.Randnummer25

Bei den Sonderwerten seien zu Unrecht persönliche Steuern abgezogen worden. Es seien auch Sonderwerte in Form von Wertpapieren vorhanden und zu berücksichtigen. Auch Forderungen aus Lieferungen und Leistungen seien hier zu berücksichtigen.Randnummer26

Der gemeinsame Vertreter vertritt die Auffassung, die Marktrisikoprämie sei mit max. 4,26 % anzusetzen. Beim Terminal Value sei höchstens eine Ausschüttungsquote von 45% anzusetzen. Die geänderte Planung könne nicht berücksichtigt werden, weil sie dem Prüfgutachter nicht vorgelegen habe. Der Betafaktor sei vom Gutachter falsch berechnet worden,Randnummer27

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrages wird auf ihre Schriftsätze Bezug genommen.Randnummer28

Die Beschwerdeführer beantragen, den Beschluss des Landgerichts Mühlhausen vom 31.1.2019 abzuändern und die angebotene Barabfindung zu erhöhen.Randnummer29

Die Beschwerdegegner beantragen,Randnummer30

die Beschwerde der Antragsteller V… e.V., D… K…, D… F… und A… Inc. zu verwerfen, weil bereits deren Anträge unzulässig gewesen seien.Randnummer31

und die übrigen Beschwerden zurückzuweisen.Randnummer32

Sie behaupten, die aktualisierte Planungsrechnung habe bereits am 4. 11.2011 vorgelegen, die Notarin Z… habe die aktualisierte Bewertung vom 4.11.2011 mit Bewertungstabellen als Anlagen zu den Handelsregisterakten eingereicht. Sie seien nur deshalb nicht mehr in das von den Wirtschaftsprüfern W… und P… erstellte Gutachten aufgenommen worden, weil diese die Auffassung vertreten hätten, dass dies nicht notwendig sei, weil die angebotene Barabfindung ja bereits mit 15 € pro Aktie deutlich über dem liege, was nach der alten Planung (12 €) angemessen sei.Randnummer33

Die tatsächlichen Zahlen für die Jahre 2012 – 2019 (AG 6 = Bl. 2486 – 2490 der Akte) blieben auch deutlich hinter den Werten der geänderten Erfolgsplanrechnung vom 3.11.2011 zurück.Randnummer34

Die Marktrisikoprämie von 5% sei vor dem Hintergrund der im Jahre 2011 bereits zu beobachtenden Verwerfungen auf den europäischen und internationalen Finanzmärkten sachgerecht.Randnummer35

Nicht notwendiges Vermögen sei bei der Bewertung nicht anzusetzen, weil dies benötigt worden sei, um eine hohe Bonität bei den Warenkreditversicherern zu erhalten. Dies ermögliche ihren Lieferanten hohe Volumina für Lieferungen an die L… AG zu versichern. Ohne diese Möglichkeit würden sich die versicherten Handelsvolumina deutlich verringern.

II.

1. Die Beschwerden sind form- und fristgerecht eingelegt wordenRandnummer37

Die Beschwerdesumme übersteigt 600 €, weil bei Berechnung der Beschwer die Aktien aller Beschwerdeführer zusammenzurechnen sind, wenn sich die Beschwerden gegen dieselbe Entscheidung richten und das gleiche Rechtsschutzziel verfolgen (BGH II ZB 15/17). Die Beschwer der Beschwerdeführer zu 13 – 16 ist dabei zu berücksichtigen. Unerheblich ist hierfür, dass das Landgericht den von Rechtsanwalt W… vertretenen Beschwerdeführern fälschlicherweise die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt und ihre Anträge nicht als unzulässig zurückgewiesen hat. Die Versäumung der Antragsfrist mag zur Unzulässigkeit oder Unbegründetheit ihrer Beschwerde führen, das wirkt sich aber noch nicht bei Berechnung der Beschwer aus. Die Beschwerdeführer halten zusammen mindestens 6739 Aktien, auch wenn die Anzahl der Aktien derjenigen Aktionäre, welche die Anzahl der gehaltenen Aktien nicht offengelegt haben, nur mit 1 berücksichtigt werden kann.Randnummer38

2. Ob die Beschwerden der Beschwerdeführer V… e.V., D… K…, D… F… und A… wegen der Versäumung der Antragsfrist unzulässig oder unbegründet sind oder ob sie aufgrund der bewilligten Wiedereinsetzung antragsbefugt geworden sind, kann dahinstehen, weil es für den Erfolg der übrigen Beschwerden ohne Belang ist und die positive Entscheidung über die anderen Beschwerden gemäß § 13 SpruchG auch für und gegen alle übrigen Anteilsinhaber wirkt.Randnummer39

Die übrigen Beschwerden sind jedenfalls zum Teil begründet und führen zur einer Festsetzung des Abfindungsbetrages auf 17,87 €

1.

Nach § 372f S.2 AktG hat das Gericht im Spruchverfahren die angemessene Barabfindung zu bestimmen, wenn die vom Hauptaktionär festgelegte Barabfindung nicht angemessen ist. Unterster Wert ist der Aktienwert in den letzten drei Monaten vor der Bekanntmachung der Maßnahme. Dieses ist aber nur der Mindestwert. Der Aktienkurs ist nicht allein ausschlaggebend, weil sich in ihm nicht zwingend der volle wirkliche Wert widerspiegeltRandnummer41

Ziel der Bewertung ist es den „vollen, wirklichen“ Wert der Unternehmensbeteiligung zu ermitteln. Der Unternehmenswert ist dabei im Wege der Schätzung zu ermitteln. Die Frage nach der geeigneten Bewertungsmethode beurteilt sich nach der wirtschaftswissenschaftlichen oder betriebswirtschaftlichen Bewertungstheorie- und praxis. Dabei ist bei einem werbenden Unternehmen die Ertragswertmethode eine grundsätzlich geeignete Methode (vgl. BGH II ZB 23/14). Die Unternehmensbewertung nach der Ertragswertmethode setzt ihrerseits wieder Prognosen und Schätzungen voraus. Es ist schon aus diesem Grund nicht möglich, einen exakten, einzig richtigen Wert eines Unternehmens zu bestimmen (BVerfG NJW 2012,3020). Die Regeln nach denen die Ertragsprognose und der Zinssatz ermittelt werden müssen, müssen wiederum den Bewertungszielen entsprechen, in der Wirtschaftswissenschaft anerkannt und praktisch gebräuchlich sein (BGH a.aO).Randnummer42

Auf diesen Grundsätzen aufbauend hat der Senat die Abfindung auf 17,87 € festgesetzt.Randnummer43

1. Bei Ermittlung des Ertragswertes ist im vorliegenden Fall der in der Betriebswirtschaftslehre und in der gerichtlichen Bewertungspraxis anerkannte IDW S1 zum Ansatz gekommen.Randnummer44

Der Unternehmenswert leitet sich hierbei grundsätzlich aus den zukünftigen finanziellen Überschüssen ab. Untergrenze ist der Liquidationswert.Randnummer45

Nach der Systematik des IDW S1ergibt sich der Unternehmenswert grundsätzlich aus den finanziellen Überschüssen, die bei Fortführung des Unternehmens und Veräußerung nicht betriebsnotwendigen Vermögens erwirtschaftet werden. Dabei basiert die Unternehmenswertberechnung ausschließlich auf den Planungs- und Prognoseannahmen für die Zukunft. Basierend auf der Detailplanungsphase von drei bis fünf Jahren erfolgt eine spätere Planungsphase mit langfristigen Fortschreibungen von Trendentwicklungen. Letztlich mündet diese Planungsphase mit der Annahme eines letzten Planjahres als Bemessungsgrundlage für die ewige Rente, die aufgrund der mathematischen Gegebenheiten ein sehr hohes Gewicht hat. Sie impliziert, dass man bei der Bewertung von einer (theoretisch) unbegrenzten Lebensdauer des Unternehmens ausgeht.Randnummer46

Die so bestimmten zukünftig zufließenden Erträge werden dann mit dem Kapitalisierungszinssatz auf den Bewertungsstichtag abgezinst. Der Wert des nicht betriebsnotwendigen Vermögens und andere Sonderrechte sind hinzuzurechnen Der in Ansatz zu bringende Kapitalisierungszins setzt sich zusammen aus dem Basiszins und einem Risikozuschlag. Die Höhe des Risikozuschlags wird mit dem CAPM und Tax-CAPM-Modell geschätzt. In ihm wird das ermittelte Marktrisiko über eine Marktrisikoprämie und das unternehmensspezifische Risiko über einen sogenannten Betafaktor abgebildet, wobei die Marktrisikoprämie mit dem Betafaktor multipliziert wird. In der Phase der ewigen Rente wird zudem ein Wachstumsabschlag berücksichtigt.Randnummer47

Ausgangspunkt ist die Investition in eine als quasi risikolose Alternativanlage am Kapitalmarkt eingeschätzte Anlage, diese bildet den Basiszins.Randnummer48

In Form der Marktrisikoprämie wird das allgemein höhere Risiko von Investitionen in Unternehmen gegenüber risikofreien Kapitalanlagen abgebildet. Das spezifische unternehmenseigene Risiko wird über den sogenannten Beta-Faktor abgebildet, der die Marktrisikoprämie bei höherem individuellem Risiko erhöht und bei niedrigerem individuellem Risiko mindert. Der Wachstumsabschlag berücksichtigt die Inflation und die Möglichkeit, diese Kosten auf die Kunden des Unternehmens abzuwälzen oder durch ein Wachstum des Unternehmens ganz oder teilweise zu kompensieren.Randnummer49

Auszugehen ist bei der Bewertung von der unternehmenseigenen Planung. Der Maßstab der Planungsprüfung ist darauf eingeschränkt zu überprüfen, ob die unternehmenseigene Planung auf zutreffenden Informationen und realistischen Annahmen beruht, mithin plausibel und auch nicht widersprüchlich ist. Kann die Geschäftsführung auf dieser Grundlage annehmen, ihre Planung sei realistisch, darf diese Planung nicht durch andere – letztlich ebenfalls nur vertretbare – Annahmen des Gerichts oder anderer Verfahrensbeteiligter ersetzt werden (BVerfG ZIP 2012,1656; OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG München
31Wx 382/15).Randnummer50

Unter Beachtung dieser Grundsätze ergibt sich zu den streitigen einzelnen Angriffen gegen das vom Landgericht eingeholte Gutachten des WP R… folgendes:Randnummer51

2.. Der erhobene Einwand der unzulässigen Abänderung der Planung ist begründet.Randnummer52

Der Sachverständige R… hat auf der Basis des Planungsstandes Juli 2011 einen höheren Wert der Aktie als 15 € errechnet, der Abfindungsbetrag von 15 € wird nur dann nach seinem Gutachten nicht erreicht, wenn auf der Basis der neuen Planung das Unternehmen begutachtet wird.Randnummer53

Das vorliegende Spruchverfahren ist im Jahre 2012 anhängig geworden, es wurde erstmals mit Schriftsatz vom 27.12.2016, eine auf den 3.11.2011 revidierte Erfolgsplanungsrechnung für die Jahre 2011 – 2015 vorgelegt und in das Verfahren eingeführt, mit der Bitte, diese an den WP R… weiterzuleiten (Bd.1900 – BdX). Hierzu wurde dann im Schriftsatz vom 23.3.2017 vorgetragen, diese neue Planung habe den drastischen Umsatzrückgängen in den ersten 3 Quartalen des Jahres 2011 Rechnung tragen sollen. Der Erfolg der L…, welche mit Milchrohstoffen handele, sei davon abhängig, inwieweit der Milchrohstoff am Markt erhältlich sei und inwieweit die Molkereien ihre Milch selbst zu Folgeprodukten verarbeiteten. Erkenntnisse über eine zunehmende Konzentration hätten sich im Jahre 2011 zusehends konkretisiert. Dabei sei bereits in der Vergangenheit zu beobachten, dass kleinere Molkereien mit großen milchverarbeitenden Betrieben fusionierten und dies für die L… negative Folgen habe, weil diese Betriebe dann in der Lage seien, die Rohmilchanlieferungen der Landwirte in den eigenen Werken zu Folgeprodukten verarbeiten zu können, ohne zugleich Milchrohstoffe am freien Markt anbieten oder nachfragen zu müssen. Die verringerten Umsätze im 3. Quartal und der voranschreitende Konzentrationsprozess habe den Vorstand der Gesellschaft dazu veranlasst, die ursprüngliche Erfolgsplanung für die Jahre 2011 – 2015 aufgrund dieser Erkenntnislage am 3.11.2011 zu revidieren. Selbst die dort geplanten geringeren Umsätze und Jahresergebnisse seien ausweislich der Bilanzen 2012 – 2015 später nicht erzielt worden (Bl. 1924). Im Schriftsatz vom 17.1.2018 wird vorgetragen, die aktualisierte Erfolgsplanungsrechnung sei in der Hauptversammlung am 4.11.2011 vom Vorstand mitgeführt worden und die Prüfungsgesellschaft T… über das Vorliegen dieser aktualisierten Planung informiert worden. Diese habe keine Notwendigkeit gesehen, diese in die Unternehmenswertermittlung einfließen zu lassen.Randnummer54

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen W…, der als Wirtschaftsprüfer seinerzeit für die T… AG – Wirtschaftsprüfungsgesellschaft – tätig war und an der Hauptversammlung teilgenommen hat. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme haben die Antragsgegner ihre Behauptung, es habe eine neue Planung vorgelegen, nicht bewiesen. Sie trifft die Feststellungslast für diese ihnen günstige Behauptung.Randnummer55

Der Zeuge W… erinnerte sich letztlich lediglich, dass Herr A… K… ihm einen Zettel mit neuen Zahlen geben wollte und auch in der Hauptversammlung mit neuen Zahlen argumentiert hat. Diese Zahlen habe er nicht näher zur Kenntnis genommen. Exaktes zu diesen Zahlen vermochte er nicht mehr zu erinnern.Randnummer56

Der Senat ist deshalb nicht davon überzeugt, dass unmittelbar vor dem Hauptversammlungstermin eine neue Unternehmensplanung erstellt wurde und nicht lediglich die aktuellen Umsatzzahlen in der Hauptversammlung präsentiert wurden.Randnummer57

Im Protokoll der Hauptversammlung wird eine Änderung der Unternehmensplanung nicht erwähnt. Eine geänderte Unternehmensplanung wurde auch nicht zu den Handelsregisterakten gereicht. In dem beim Handelsregister eingereichten Protokoll der Hauptversammlung vom 4.11.2011 ist festgehalten, dass der Wirtschaftsprüfer W… das Gutachten und dessen Aktualisierung auf den heutigen Tag erläutert und ausgeführt habe, dass die von der Gesellschaft erstellte Planung plausibel erscheine. Die dort erwähnte Aktualisierung bezog sich lediglich auf die Berücksichtigung des inzwischen gesunkenen Basiszinssatzes. Im Protokoll wird weiter festgehalten, dass der Vorsitzende (A… K…) auf die Frage zu der durch die Gesellschaft erstellten Planung ausgeführt hat, dass die wirtschaftlichen Aussichten eher negativ seien, da eine wirtschaftliche Stagnationsphase wahrscheinlich erscheine (S. 4 Protokoll). Auf S. 5 des Protokolls ist festgehalten, dass ein Aktionär gefragt hat, welche Faktoren in Bezug auf die zukünftige Entwicklung der Gesellschaft in dem Gutachten berücksichtigt wurden und ihm Herr W… die Faktoren erläutert und insbesondere auf den Wegfall der Milchquote und die daraus absehbare fortschreitende Konzentration der Unternehmen auf dem Markt, welche zwangsläufig zu einem Rückgang der Geschäfte führen werde, hingewiesen hat. Auf S. 6 des Protokolls ist festgehalten, dass der Vorsitzende ausgeführt hat das für das IV. Quartal mit einem extrem schlechten Ergebnis gerechnet werden kann, der Unternehmenswert sich nicht nur aus dem Ergebnis eines Jahres errechne, sondern aus dem Ergebnis mehrerer zurückliegender Geschäftsjahre und den daraus abgeleiteten zukünftigen jährlichen Planungsergebnissen. Die sich anbahnende wirtschaftliche Entwicklung mache eine Stagnation wahrscheinlich und dies habe bei den Planzahlen für die zukünftige Entwicklung der Gesellschaft Berücksichtigung gefunden. In die Bewertung sei daher eine konservative Planung eingeflossen. Auf die Frage eines Aktionärs nach der Angemessenheit der Planzahlen für die Berechnung der Barabfindung hat Herr W… ausgeführt dass die Planzahlen der Gesellschaft von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft als plausibel erachtet werden.Randnummer58

Dass die Gesellschaft die Planzahlen inzwischen neu angepasst hat und der Marktwert jetzt eigentlich sogar noch unter dem Ergebnis des Prüfgutachtens liegt, wird im Protokoll gerade nicht erwähnt. Hinzukommt, dass nach dem Bericht über die Prüfung des Jahresabschlusses für das Jahr 2011 (Anlage 4 zum SS vom 29.3.2012) dort Anlage 4 für das Geschäftsjahr 2012 mit einem Rohertrag von 1.560.000 EURO und einem Planergebnis nach Steuern von 508.000 EURO (S.9 der Anlage 4 zur Anlage 4) gerechnet wurde. Dieser Lagebericht ist vom Vorstand am 12. Januar 2012 unterzeichnet worden. Der in diesem Lagebericht genannte Wert differiert nur wenig von dem dem Prüfgutachten zugrundeliegenden Planergebnis von 509.712,89 €, weicht aber stark von der mit Schriftsatz vom 27.12.2016 vorgelegten revidierten Planung ab, in der nur mit einem Planergebnis nach Steuern für das Jahr 2012 von 351.385 € gerechnet wird. Das spricht dagegen, dass nach Erstellung des Prüfgutachtens unmittelbar vor der Hauptversammlung die Gesellschaft ihre Planzahlen geändert hat. Der zuletzt vorgelegte Nachprüfungsbericht vom 20. November 2021, welcher nunmehr rückblickend geänderte Planzahlen für 2012 enthält, kann an dieser Einschätzung nichts ändern.Randnummer59

Es steht deshalb nicht fest, dass die Unternehmensplanung unmittelbar vor der Hauptversammlung am 4.11.2011 nochmals korrigiert wurde und nicht nur in der Hauptversammlung von Herrn A… K… der Abfindungsbetrag auch mit aktuell rückläufigen Umsatzzahlen gerechtfertigt worden ist. Ihre Behauptung haben die dafür beweisbelasteten Antragsgegner nicht bewiesen. Deshalb ist bei der Bewertung die Unternehmensplanung zugrunde zu legen, welche dem Prüfgutachter W… bei Erstellung seines Gutachtens vorlag. Der danach nicht vorhergesehene Gewinneinbruch für die Gesellschaft kam erst im Jahre 2012 und kann bei der Unternehmensbewertung auf den Stichtag 4.11.2011 nicht mehr berücksichtigt werden.

3.

Die Marktrisikoprämie ist mit einem Wert von 4,5% nach persönlichen Steuern anzusetzen.Randnummer61

3.1. Die Marktrisikoprämie soll die Renditedifferenz zwischen dem sogenannten Marktportfolio und der Anlage der als risikolos qualifizierten Wertpapiere abbilden. Stichtag ist der 4.11.2011, damals lag der Satz noch nach den Empfehlungen des FAUB (Fachausschuss für Unternehmensbewertung und Betriebswirtschaft) bei 4,5 – 5,5% vor persönlichen Steuern und 4,0-5,0% nach persönlichen Steuern. Allerdings hat dann der FAUB am 10. Jan. 2012 empfohlen zu prüfen, ob die Unsicherheit am Kapitalmarkt nicht den Ansatz einer Marktrisikoprämie am oberen Rand der empfohlenen Bandbreite von 4 – 5 % erfordere.Randnummer62

3.2. Der FAUB ist ein fachkundiger Ausschuss dessen Empfehlungen in der Bewertungspraxis regelmäßig gefolgt wird und trotz vereinzelter Angriffe in der Lehre gibt es auch kein empirisches Datenmaterial, dass seine Einschätzungen unrichtig sind. Regelmäßig stellt eine Marktrisikoprämie, die sich an den Vorgaben des IDW für den maßgeblichen Zeitraum orientiert, nach der bewertungsrechtlichen Rechtsprechung eine geeignete Grundlage für die Schätzung des Unternehmenswertes dar (vgl. OLG München 31 WX 382/15), auch wenn das Gericht nicht an die Empfehlungen des IDW gebunden ist. Das spricht für die Ausführungen des OLG Frankfurt in dem Beschluss vom 26.1.2017, Az.: 21 W 75/15, dass nicht ersichtlich ist, dass eine Nichtanwendung der Empfehlungen des FAUB zu richtigeren Ergebnissen führen würde und es weder dem Gericht noch der Gesellschaft obliegt, umfassende Studien zur Ermittlung der Marktrisikoprämie als einer letztlich ohnehin nicht zweifelsfrei ermittelbaren Größe in Auftrag zu geben und stattdessen der Empfehlung des FAUB gefolgt werden kann, dessen Empfehlungen in der Bewertungspraxis – unabhängig vom Bewertungsanlass – regelmäßig gefolgt wird. Der Gutachter R… hat zwar zunächst in seinem schriftlichen Gutachten den Ansatz von 5% für vertretbar erklärt, bei seiner Anhörung dann aber später bekundet, er hätte selbst den Mittelwert angesetzt. Die neue Empfehlung des FAUB einen Ansatz am oberen Rande der Empfehlung zu prüfen, lag zum Stichtag auch noch nicht vor. Das spricht für den Ansatz des Mittelwertes. Soweit der Prüfer W… in seinem Prüfgutachten ausgeführt hat, eine Marktrisikoprämie nach Steuern von etwa 5% liege am unteren Rand der Bandbreite der bisherigen berufsständischen Empfehlungen, verkennt er, dass die tatsächliche Empfehlung der FAUB zum Stichtag bei 4,5 bis 5,5 % vor Steuern und von 4,0 – 5% nach Steuern lag.Randnummer63

3.3. Soweit sich Rechtsanwalt A… im Schriftsatz vom 17.7.2020 auf Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in energiewirtschaftsrechtlichen Verwaltungssachen bezieht, lässt sich aus diesen Entscheidungen nicht ableiten, dass die Marktrisikoprämie niedriger festzusetzen wäre. Eine Festlegung auf einen bestimmten Risikozinssatz oder auf eine bestimmte Bewertungsmethode lässt sich den zitierten Entscheidungen nicht entnehmen. Sie stehen der Heranziehung des Mittelwertes des vom FAUB als anerkanntes Fachgremium der Wirtschaftsprüfer empfohlenen Wertes bei der Schätzung nicht entgegen.Randnummer64

In den von Rechtsanwalt A… genannten Verfahren wurden die von der Bundesnetzagentur festgesetzten Erlösobergrenzen für Netzentgelte angegriffen. Bei der Festlegung der Erlösobergrenzen ist eine Eigenkapitalverzinsung zu berücksichtigen. Für die Höhe des Eigenkapitalzinssatzes sind die Umlaufrenditen festverzinslicher Wertpapiere inländischer Emittenten zuzüglich eines angemessenen Zuschlags zur Abdeckung netzbetriebsspezifischer unternehmerischer Wagnisse maßgebend.Randnummer65

3.3.1. In der Entscheidung EnvR 34/18 hat der Bundesgerichtshof betont, dass der Regulierungsbehörde bei der Ermittlung des Wagniszuschlages gemäß § 7 Abs. 5 StromNEV ein Spielraum zusteht und die Behörde eine Auswahlentscheidung zu treffen hat, wenn aus sachverständiger Sicht mehrere Methoden in Betracht kommen. Die Auswahlentscheidung könne von Rechts wegen nur dann beanstandet werden, wenn sich feststellen lasse, dass der gewählte Ansatz von vornherein ungeeignet sei, die Funktion zu erfüllen, die ihm im Rahmen des zugrunde gelegten Modells zukomme oder dass ein anderes methodisches Vorgehen unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände so deutlich überlegen sei, dass die Auswahl einer anderen Methode nicht mehr als mit den gesetzlichen Vorgaben vereinbart angesehen werde.Randnummer66

Der Bundesnetzagentur stehe ein Spielraum im Hinblick auf die Frage zu, ob die mit Hilfe des CAPM und der historischen Datenreihen vom Dimension, Marsh und Staunton ermittelten Werte anhand von weiteren Indikatoren zu modifizieren oder einer zusätzlichen Plausibilisierung zu unterziehen seien.Randnummer67

Es sei nicht Aufgabe einer gerichtlichen Überprüfung eine von der Regulierungsbehörde in Ausübung eines ihr zustehenden Spielraums getroffene Auswahlentscheidung durch eine alternative Modellierung zu ergänzen oder zu ersetzen.Randnummer68

Die Bundesnetzagentur sei weder an ein bestimmtes wissenschaftliches Modell noch an bestimmte Methoden zur Ermittlung und Bemessung der im Rahmen des gewählten Modells heranzuziehender Parameter gebunden. Wenn mehrere Methoden in Betracht kämen, sei die Behördenentscheidung für die Anwendung einer bestimmten Methode nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar. Sie könne von Rechts wegen nur beanstandet werden, wenn sich feststellen lasse, dass der gewählte methodische Ansatz von vornherein ungeeignet sei oder ein anderes methodisches Vorgehen unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände so deutlich überlegen sei, dass die Auswahl einer anderen Methode nicht mehr als mit den gesetzlichen Vorgaben vereinbar angesehen werden könne.Randnummer69

Der Bundesgerichtshof hat dann ausgeführt, dass sich aus der Rechtsprechung zur Bemessung von Barabfindungen für ausscheidende Aktionäre keine abweichende Beurteilung ergebe, weil nach § 327 f S.2 AktG der „volle wirkliche“ Wert des Unternehmens zu ermitteln sei. Unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs Az.: II ZB 23/14 wird dann ausgeführt, die Frage der geeigneten Bewertungsmethode sei keine Rechtsfrage, sondern Teil der Tatsachenfeststellung und beurteile sich nach der wirtschaftswissenschaftlichen oder betriebswirtschaftlichen Bewertungstheorie und Praxis.Randnummer70

Diese Grundsätze seien auf die Ermittlung des Wagniszuschlages gemäß § 7 Abs.5 StromNEV nicht vollständig zu übertragen.Randnummer71

Im Verfahren nach § 327f Satz 2 AktG sei eine weitergehende tatrichterliche Überprüfung erforderlich, weil dort der Abfindungsbetrag nicht einer unabhängigen Regulierungsbehörde obliege, sondern von dem Hauptaktionär vorgenommen werde.Randnummer72

3.3.2. Auch in der Entscheidung EnVR 52/18 hat der Bundesgerichtshof lediglich auf den Beurteilungsspielraum der Bundesnetzagentur abgestellt und ausgeführt, die Bundesnetzagentur sei nicht verpflichtet gewesen, ihr anhand des Capital Asset Pricing Model und der historischen Datenreihen von Dimson, Marsh und Staunton ermitteltes Ergebnis einer ergänzenden Plausibilitätsprüfung zu unterziehen. Deshalb sei sie auch nicht verpflichtet gewesen, ihr Ergebnis einer Überprüfung anhand den Empfehlungen des FAUB zu unterziehen. Hierbei handele es sich ebenfalls um eine alternativ in Betracht kommende Berechnungsmethode, die dem von der Bundesnetzagentur gewählten Ansatz nicht klar überlegen sei und zu deren ergänzenden Heranziehung die Bundesnetzagentur mangels konkreter Anhaltspunkte für die Unangemessenheit des von ihr ermittelten Ergebnisses nicht verpflichtet gewesen sei.Randnummer73

3.3.3. Auch in der Entscheidung EnVR 52/18 stellt der Bundesgerichtshof darauf ab, dass die Bundesnetzagentur nicht verpflichtet war, andere Modelle zu Vergleichzwecken heranzuziehen. Das gelte entsprechend auch für die Empfehlung des FAUB. Es handele sich auch hierbei um eine alternativ in Betracht kommende Berechnungsmethode, die dem von der Bundesnetzagentur gewählten Ansatz nicht klar überlegen sei und zu deren ergänzender Heranziehung die Bundesnetzagentur mangels konkreter Anhaltspunkte für die Unangemessenheit des von ihr ermittelten Ergebnisses nicht verpflichtet gewesen sei.

4.

Der Betafaktor ist mit 0,38 anzusetzen, wie der Sachverständige R… bei seiner Anhörung vor dem Landgericht Mühlhausen am 14.11.2018 und in seinen Gutachten im Einzelnen begründet hat.Randnummer75

Der Betafaktor drückt das Verhältnis zwischen dem allgemeinen Marktrisiko und dem unternehmensspezifischen Risiko des zu bewertenden Unternehmens aus. Er misst, welche Änderung der Rendite der zu bewertenden Aktie bei der Änderung der Rendite des Marktportfolios zu erwarten ist. Es handelt sich um einen durch Schätzung zu ermittelnden Zukunftswert.Randnummer76

Der Betawert ist ein durch Schätzung zu ermittelnder Zukunftswert, wobei Grundlage für die Schätzung der historische Verlauf der Börsenkurse der zu bewertenden Aktie selbst bzw. derjenigen einer Gruppe von Vergleichsunternehmen (peer group) oder auch allgemeine Überlegungen zum individuellen Unternehmensrisiko im Vergleich zum Risiko des Marktportfolios sind (OLG Stuttgart Az: 20 W2/08). Zur Ermittlung des historischen Betafaktors wird die Kursentwicklung des zu Grunde gelegten Aktienindex mit den Änderungen des zu bewertenden Unternehmens verglichen. Diese kann – wie bereits das Landgericht zutreffend ausgeführt hat – nicht maßgebend sein, wenn der Betafaktor – wie im vorliegenden Fall – durch die Ankündigung des beabsichtigten Übernahmeangebots am 4.6.2008 beeinflusst worden ist. Der Prüfer weist zudem in seiner Stellungnahme darauf hin dass nur wenige Aktien im Streubesitz gehalten wurden. Deshalb erscheint es sachgerecht, den Betafaktor über eine peer Group zu ermitteln, wie dies der Sachverständige R… getan hat. Dass der relevante Betafaktor anhand einer peer Group geschätzt werden kann, sofern der eigene Wert der Gesellschaft nicht aussagekräftig ist, ist anerkannt und wird unter Ziff. 121 in IDW – Standards 2008 ausdrücklich genannt.Randnummer77

4.1. Die Beschwerdeführer rügen zu Unrecht, bei der Ermittlung des Betafaktors hätten die S… M… und die S… AG einbezogen werden müssen. Der Gutachter R… hat die S… M… in Deutschland und die R… AB aus L… aufgrund festgestellter nicht vorhandener Signifikanz der abgeleiteten Risikofaktoren nicht berücksichtigt. Es habe keine vergleichbaren börsennotierten Unternehmen in Deutschland gegeben, welche unter Gewährleistung einer unverzerrten Regression zur Durchführung einer historischen Betaanalyse geeignet gewesen wären. Der Gutachter ist in der ersten Instanz gehört worden. Hier hätten die Beschwerdeführer nähere Fragen stellen können, weshalb S… M… und die S… AG nicht einbezogen worden sind. Eine nochmalige Befragung des Sachverständigen, der sich in seinem Gutachten eindeutig geäußert hat, dass es keine geeigneten deutschen Unternehmen für die Aufnahme in die peer Group gibt, war nicht erforderlich.Randnummer78

Auch soweit der gemeinsame Vertreter erstmals im Schriftsatz vom 13.9.2021 bei der die Berechnung des Betafaktors Zweifel anmeldet und hierzu die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt, ist ein Fehler des Gutachters nicht hinreichend dargetan. Der gemeinsame Vertreter bemängelt, dass der Gutachter nicht den sogenannten raw Betafaktor angegeben habe. Dieser Vortrag ist nicht geeignet Zweifel an der Richtigkeit der gutachterlichen Bewertung zu begründen. Eine nochmalige Anhörung des erstinstanzlich bereits gehörten Gutachters war deshalb nicht erforderlich.

5.

Für die Wertermittlung ist maßgeblich, welches Ausschüttungsverhalten der Berechnung zugrunde gelegt wird. Im Rahmen der zweiten Phase wird nach dem IDW S.1 in der Fassung 2008 grundsätzlich angenommen, dass das Ausschüttungsverhalten des zu bewertenden Unternehmens äquivalent zum Ausschüttungsverhalten der Alternativanlage ist, sofern nicht Besonderheiten der Branche der Kapitalstruktur und der rechtlichen Rahmenbedingungen zu beachten sind. Als rechtliche Rahmenbedingung ist im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, dass der GroßAktionär selbst das Unternehmen führt und dass es sich um ein reines Handelsunternehmen mit wenigen Mitarbeitern (4 Mitarbeiter und eine Aushilfe seinerzeit) handelt, welches kein größeres Sachanlagenvermögen für seinen Geschäftsbetrieb braucht und für Ersatzinvestitionen keine Rücklagen benötigt. Wenn der GroßAktionär bei dieser Konstellation in der Vergangenheit schon immer dafür gestimmt hat, viel auszuschütten, dann kann bei der Bewertung unterstellt werden, dass er es auch in der Zukunft getan hätte. Die Ausschüttungen und Gewinne in den Jahren 2000 – 2007 sind im Schriftsatz der Antragsgegner vom 20.6.2020 (Bl. 2462 der Akten) vorgetragen worden. Von erzielten Gewinnen in diesem Zeitraum in Höhe eines Gesamtbetrages von 2.449.490,90 € sind danach 2.104.000 € und damit gerundet 87 % ausgeschüttet worden. In den Jahren 2008 -2010 belief sich die Ausschüttungsquote auf 88 %, 98% und 101%. Der Senat legt deshalb eine gerundet Ausschüttungsquote von 90 % der Bewertung zugrunde.

6.

Mit dem Wachstumsabschlag wird berücksichtigt, dass ein Unternehmen im Gegensatz zu festverzinslichen Anleihen die Möglichkeit hat, die Geldentwertung durch Preiserhöhungen aufzufangen. Maßgeblich ist, inwieweit diese Möglichkeiten auch konkret bei dem zu bewertenden Unternehmen bestehen.Randnummer81

Hier kann dem Sachverständigen gefolgt werden, welcher einen Wachstumsabschlag von 1% für sachgerecht hält.

7.

Sonderwerte / nicht betriebsnotwendiges Vermögen:Randnummer83

Hierbei handelt es sich um solche Vermögensteile, die frei veräußert werden können, ohne dass die eigentliche Unternehmensaufgabe berührt wird.Randnummer84

Diese werden nach dem IDW S 1 gesondert bewertet.Randnummer85

Der Sachverständige R… hat aufgezeigt, dass die Gesellschaft im Verhältnis zu den historisch erzielten, sowie den zukünftig geplanten Umsatzerlösen hohe Kassenbestände bzw. Guthaben bei Kreditinstituten und Wertpapiere und eine Inhaberschuldverschreibung hält und ein Liquiditätsbestand in dieser Höhe nicht erforderlich ist, weil er per 31.12. 2010 die Verbindlichkeiten aus Lieferung und Leistung um 1,2 Mio. übersteigt. In welchem Umfang Liquidität vorgehalten werden muss, hängt von der Unternehmensplanung ab. Da der Senat die Planung vom Juli 2011 zugrunde legt, kann ein Sonderwert vor persönlichen Steuern von 1,2 Mio € gemäß dem Gutachten zugrunde gelegt werden.Randnummer86

Der Sachverständige R… hat gemäß S.41 seines Gutachtens zur Ermittlung eines fiktiven Ausschüttungsbetrages die Sonderwerte auf den Bewertungsstichtag 4.11.2011 aufgezinst und um persönliche Steuern der Anteilseigner (KapESt inklusive Solidaritätszuschlag) von 26,37 % gemindert.Randnummer87

Bei seiner Befragung im Termin am 14.11.2018 hat er dazu erklärt, dass er die Steuern abgezogen habe, weil es um eine fiktive Ausschüttung gehe. Ihm sei bewusst, dass andere Kollegen andere Auffassungen vertreten. Geht man davon aus, dass das nicht notwendige Vermögen an die Aktionäre ausgeschüttet wird, dann fällt darauf Steuer an, die dann auch bei der Bewertung zu berücksichtigen ist. Diese fällt nur dann nicht an, wenn das nicht betriebsnotwendige Vermögen in der Gesellschaft verbleibt. Die vorgenommene Bewertung erscheint dem Senat deshalb richtig.Randnummer88

Der Einwand von Rechtsanwalt W…, die Forderungen der Gesellschaft aus Lieferungen und Leistungen seien zusätzlich als Sonderwert zu berücksichtigen, ist unbegründet. Der gerichtliche Gutachter hat eine analytische Betrachtung der Bestände des Nettoumlaufvermögens vorgenommen, um auf diese Weise die Notwendigkeit einer Zwischenfinanzierung von Verbindlichkeiten bzw, eines Finanzierungssaldos zu überprüfen. Hierbei hat er gemäß Rdn. 154 (S.40 des Gutachtens) auch die Forderungen der Gesellschaft berücksichtigt und dann festgestellt, welcher Liquiditätsbestand vorgehalten werden musste, um die Verbindlichkeiten zu 100% mit liquiden Mitteln abzusichern (Rdn. 156). Der gerichtliche Gutachter hat ausweislich Rdn. 152 seines Gutachtens vom 20.10.2017 dabei auch die verzinsliche handelbare Anleihe in die Liquiditätsbetrachtung einbezogen.Randnummer89

Soweit die Antragsgegner gegen den Ansatz nicht betriebsnotwendigen Vermögens einwenden, die L… habe in der Vergangenheit nur deshalb große Volumina mit einigen Lieferanten abwickeln können, weil ihre Bonität von den Warenkreditversicherern der Lieferanten aufgrund ihres recht hohen Eigenkapitals sehr gut eingeschätzt wurde und ohne diese Liquidität künftig auch nicht ansatzweise entsprechende Umsätze hätten erzielt werden können, vermag dies die Bewertung des Sachverständigen R… nicht in Zweifel zu ziehen. Soweit die Antragsgegner geltend machen, nach dem Prüfgutachten seien keine Sonderwerte und nicht betriebsnotwendiges Vermögen zu berücksichtigen, lässt sich dem Prüfgutachten selbst nicht entnehmen, wie der Prüfer zu dieser Bewertung kommt. In der Stellungnahme vom 21. Mai 2013 (S. 26) wird dann dazu ausgeführt, die Gesellschaft habe das Vorliegen nicht betriebsnotwendigen Vermögens verneint. Wegen der Inhaberschuldverschreibung habe der Vorstand mitgeteilt, dass die L… deshalb über ein gutes Rating verfüge, weswegen die Warenkreditversicherer den Lieferanten Limite von insgesamt 8,0 Mill. € für Einkäufe der L… eingeräumt hätten. Derartige Volumina seien auch unterjährig im Einzelfall beansprucht worden, wobei die Hälfte davon auf eine Molkerei entfalle, welche Mitte Mai 2011 in der Spitze 2 bis 3 Mio Lieferantenkredite offen gehabt habe. Dieser Vortrag der Gesellschaft sei nach Überzeugung der Prüfer plausibel und nachvollziehbar. Eine eigenständige Überprüfung dieser Angaben haben sie danach nicht vorgenommen und die Antragsgegner haben auch im vorliegenden Verfahren nicht hinreichend dargetan und belegt, dass ständig eine so hohe Liquidität vorgehalten werden muss.

8.

Ausweislich der Stellungnahme des Gutachters R… vom 17.12.2018 (Bl.2251 der Akte) ergibt sich bei Ansatz der oben genannten Werte bei Zugrundelegung der Planung von Juli 2011 und Berücksichtigung einer effektiven Steuerbelastung von 30% bei Ansatz einer Ausschüttungsquote von 100% ein Wert pro Aktie von 17,58 € und bei Ansatz einer Ausschüttungsquote von 80% ein Wert pro Aktie von 18,16 €, so dass der Wert pro Aktie bei Berücksichtigung einer Ausschüttungsquote von gerundet 90 % vom Senat auf 17,87 € geschätzt werden kann.

9.

Gemäß § 15 SpruchG waren die Gerichtskosten für das Spruchverfahren und die Auslagen des gemeinsamen Vertreters den Antragsgegnern aufzuerlegen. Für eine abweichende Ermessenentscheidung besteht schon deshalb kein Anlass, weil die Beschwerden einen Teilerfolg hatten.Randnummer92

Gemäß § 15 SpruchG waren die Auslagen der Beschwerdeführer zu 1-12 und 17-18 in beiden Instanzen den Antragsgegnern aufzuerlegen. Dies entspricht der Billigkeit, weil die Anträge einen nicht unerheblichen Erfolg hatten, da sich die ursprüngliche Barabfindung von 15 € auf 17,87 € und damit um gerundet 19% erhöht hat. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte durch § 15 SpruchG zum Ausdruck gebracht werden, dass die Antragsteller ihre Kosten grundsätzlich selbst tragen müssen, insbesondere, wenn sie keine oder nur eine geringfügige Erhöhung der Kompensation erreichen, eine Anordnung nach § 15 Abs.2 SpruchG aber in Betracht kommt, wenn eine erhebliche Erhöhung der Kompensation im Verfahren erzielt wird. Hierfür wird heute meistens eine Erhöhung der Kompensation im Spruchverfahren um 15- 20% verlangt, während bei niedrigeren Beträgen eine Quotelung der Kosten üblich ist, wobei unterschiedliche Maßstäbe Anwendung finden (vgl. Kommentierung in Emmerich/Habersack, Aktien und GmbH Konzernrecht, 9. A 2019, § 15 SpruchG m.w.N).Randnummer93

Hinsichtlich der Beschwerdeführer zu 13 – 16 entspricht es hingegen nicht der Billigkeit, auch mit diesen Auslagen die Antragsgegner zu belasten. Sie haben die zwingende Antragsfrist des § 4 SpruchG versäumt. Diese Frist ist eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist. Auch bei schuldloser Fristversäumnis scheidet eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand analog § 22 Abs.2 FamFG aus (Mennicke in Lutter, Umwandlungsgesetz, 6. A. 2019, § 4 SpruchG Rdn. 3 mit umfangreichen Nachweisen)- Auch wenn ihnen diese fälschlich vom Landgericht Mühlhausen mit Beschluss vom 26.4.2012 bewilligt worden ist, ist die Fristversäumnis bei der zu treffenden Billigkeitsentscheidung zu ihren Lasten zu berücksichtigen.Randnummer94

Die Entscheidung hinsichtlich des gemeinsamen Vertreters folgt aus § 6 Abs.2 SpruchGRandnummer95

Bei der späteren Kostenfestsetzung wird zu berücksichtigen sein, dass der in eigener Sache tätige Rechtsanwalt keine Gebühren verlangen kann. Das kann auch nicht durch die Beauftragung eines Sozius umgangen werden (vgl. Drescher in beck – online Großkommentar § 15 SpruchG, Rdn. 23 m.wN). Insoweit wird zu prüfen sein, ob eine Umgehung nicht auch dann vorliegt, wenn sich zwei beteiligte Rechtsanwälte gegenseitig vertreten. Gemäß § 31 Abs.1 S.4 RVG beläuft sich der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit mindestens auf 5.000 €, im übrigen ist gemäß § 31 Abs.1 S.1 RVG von dem Geschäftswert für die gerichtliche Tätigkeit auszugehen, der sodann nach dem Verhältnis der Anzahl der Anteile des Auftraggebers zu der Gesamtzahl der Anteile aller Antragsteller aufzuteilen ist. Für die Bestimmung der auf den einzelnen Antragsteller entfallenden Anzahl seiner Anteile kommt es auf den jeweiligen Zeitpunkt der Antragstellung an (§ 31 Abs.1 S.2 RVG), ist die Anzahl dieser Anteile nicht bekannt, wird vermutet, dass er nur einen Anteil hält.Randnummer96

Die Festsetzung des Gegenstandswertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 6 Abs.2 S.3 SpruchG in Verbindung mit § 74 GNotKG. Festzusetzen war der Mindestwert von 200.000 €.Randnummer97

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.

Schlagworte: Abfindungsanspruch, Barabfindung, Spruchverfahren