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BGH, Urteil vom 21. Oktober 2021 – IX ZR 9/21

BGB § 249 Ca

Führt eine fehlerhafte steuerliche Beratung zu steuerlichen Vorteilen, die dem Mandanten wegen Festsetzungsverjährung verbleiben, können diese Vorteile bei wertender Betrachtung im Rahmen des Gesamtvermögensvergleichs schadensmindernd anzurechnen sein.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 25. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 1. Dezember 2020 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Die im Jahr 2002 gegründete Klägerin war bis 2012 eine vermögensverwaltende Immobiliengesellschaft. Im Wesentlichen errichtete, erwarb und verwaltete sie gewerbliche Immobilien. Mit schriftlichem Vertrag vom 1. September 2004 beauftragte sie die Beklagte zu 1, eine aus den Beklagten zu 2 und zu 3 bestehende Gesellschaft bürgerlichen RechtsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschaft
Gesellschaft bürgerlichen Rechts
, mit ihrer umfassenden steuerlichen Beratung und Betreuung. Der Vertrag sollte vom 1. Januar 2005 an gelten und den Jahresabschluss einschließlich der Gewinn- und Verlustrechnungen und die Gewerbesteuererklärung für das Jahr 2004 umfassen. Vor der Beauftragung der Beklagten zu 1 hatte die Klägerin auf ihre Mieteinnahmen die ungekürzte Gewerbesteuer gezahlt. Im Rahmen der Gewerbesteuererklärung für das Jahr 2004 beantragte die Beklagte zu 1 die erweiterte Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG in der seinerzeit geltenden Fassung. Nach einem Einspruchsverfahren wurde die Gewerbesteuer erklärungsgemäß festgesetzt. In den folgenden Jahren erwirkte die Beklagte zu 1 für die Klägerin ebenfalls die erweiterte Kürzung der Gewerbesteuer.2

Seit dem 1. August 2003 betrieb die Klägerin auf dem Dach einer ihrer Immobilien eine Photovoltaikanlage. Der hier erzeugte Strom wurde kraft Gesetzes gegen Entgelt in das öffentliche Netz eingespeist. Unter dem 17. Oktober 2008 übersandte der Buchhalter der Klägerin der Beklagten zu 1 den Entwurf eines Einspeisungsvertrages mit der Bitte um eine Stellungnahme hinsichtlich der erweiterten Gewerbesteuerkürzung. Der Beklagte zu 2, der das Mandat neben einer angestellten Steuerberaterin für die Beklagte zu 1 bearbeitete, riet dazu, die Anlage so einzurichten, dass ausschließlich eigener Strombedarf gedeckt werde. Eine Einspeisung dürfe nicht erfolgen. Diesen Rat wiederholte er anlässlich eines Telefongesprächs am 27. November 2008. Die Klägerin nahm die Anlage daraufhin vom Netz. Im Jahr 2009 beantragte die Beklagte zu 1 für die Klägerin erfolgreich die erweiterte Gewerbesteuerkürzung für das Jahr 2008.3

Bei einer Betriebsprüfung betreffend die Jahre 2008 bis 2011 beanstandete das zuständige Finanzamt, dass wegen der Stromproduktion die Voraussetzungen der erweiterten Gewerbesteuerkürzung im Jahr 2008 nicht vorgelegen hätten. Mit Bescheid vom 13. Juni 2014 wurden ein Mehrbetrag von 477.005 € sowie Nachforderungszinsen in Höhe von 114.480 € festgesetzt. Einspruch und Klage gegen diesen Bescheid, die Kosten von insgesamt 23.009,50 € verursachten, blieben erfolglos.4

Die Klägerin wirft der Beklagten zu 1 vor, sie nicht darauf hingewiesen zu haben, dass die entgeltliche Einspeisung von Strom in das öffentliche Netz die Inanspruchnahme der erweiterten Gewerbesteuerkürzung ausschloss. Sie verlangt Schadensersatz in Höhe von insgesamt 614.494,50 € nebst Zinsen. Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Schadensersatzanspruch weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Beklagte zu 1 habe ihre Pflichten aus dem Beratungsvertrag verletzt, indem sie vor dem ersten, im Jahre 2005 für das Jahr 2004 gestellten Antrag auf erweiterte Kürzung der Gewerbesteuer nicht geprüft habe, ob die Klägerin Einnahmen aus der ihr, der Beklagten zu 1, bekannten Photovoltaikanlage erzielte. Soweit sie in den folgenden Jahren, insbesondere im Jahr 2009 für das Jahr 2008 entsprechende Anträge gestellt habe, lägen darin keine weiteren, gesondert zu wertenden Pflichtverletzungen. Nach der Vermutung beratungsgerechten Verhaltens sei anzunehmen, dass die Klägerin nach einem Hinweis der Beklagten zu 1 auf die Steuerschädlichkeit der Einspeisung den Betrieb der Photovoltaikanlage unverzüglich eingestellt hätte. Der Klägerin falle jedoch ein mit 30 % zu bewertendes Mitverschulden zur Last, weil sie auf die wiederholten Fragen der Beklagten zu 1 nach ihren Einnahmen nicht auf die Einnahmen aus der Photovoltaikanlage hingewiesen habe. Zudem seien die in den Jahren 2004 und 2005 ersparten Gewerbesteuern von insgesamt 587.070 € nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung schadensmindernd anzurechnen. Dass eine Nachfestsetzung nur aufgrund der Verjährung des Steueranspruchs unterblieben sei, ändere nichts. Der hinsichtlich der Jahre 2004 und 2005 erzielte Steuervorteil beruhe auf der nämlichen Pflichtverletzung wie die Steuermehrbelastung hinsichtlich des Jahres 2008. Unabhängig hiervon scheitere die Klage insgesamt daran, dass die Klägerin trotz gerichtlicher Hinweise keinen Gesamtvermögensvergleich angestellt habe.

II.

Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.8

1. Die Beklagte zu 1 hat ihre aus dem Beratungsvertrag vom 1. September 2004 folgenden Pflichten verletzt. Im Rahmen der Vorbereitung der Gewerbesteuererklärung für das Jahr 2004 hätte sie die Klägerin danach fragen müssen, ob sie aus der Photovoltaikanlage Einnahmen erzielte. Sie hätte der Klägerin sodann empfehlen müssen, keine Einspeisungen in das öffentliche Netz mehr vorzunehmen. Dieser Hinweis hätte nach Aufnahme der Beratungstätigkeit im Jahre 2005 erfolgen müssen. Die Klägerin wäre dieser Empfehlung im Verlauf des Jahres 2005 nachgekommen. Im Jahr 2006 und in den folgenden Jahren hätte sie keine Einnahmen aus der Einspeisung von Strom in das öffentliche Netz mehr erzielt. Sie hätte die erweiterte Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG beantragen können. Die Gewerbesteuer wäre erklärungsgemäß festgesetzt worden. Das gilt insbesondere für das Jahr 2008, um das es in diesem Rechtsstreit geht.9

2. Gemäß § 280 BGB in Verbindung mit dem Beratungsvertrag vom 1. September 2004 kann die Klägerin Ersatz des ihr durch die Pflichtverletzung der Beklagten zu 1 entstandenen Schadens verlangen. Mit der Begründung des Berufungsgerichts kann ein der Klägerin entstandener Schaden nicht verneint werden.10

a) Die Schadensberechnung richtet sich nach §§ 249 ff BGB. Der gegebenenfalls zu ersetzende Schaden ist durch einen Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen Vermögenslage zu ermitteln, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre (Differenzhypothese). Dies erfordert einen Gesamtvermögensvergleich, der alle von dem haftungsbegründenden Ereignis betroffenen finanziellen Positionen umfasst. Es geht bei dem Gesamtvermögensvergleich nicht um Einzelpositionen, sondern um eine Gegenüberstellung der hypothetischen und der tatsächlichen Vermögenslage (BGH, Urteil vom 5. Februar 2015 – IX ZR 167/13, WM 2015, 790 Rn. 7 mwN; vom 6. Dezember 2018 – IX ZR 176/16, WM 2019, 789 Rn. 38).11

b) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts durfte die Klage nicht schon wegen unzureichender Darlegung des Schadens abgewiesen werden.12

aa) Die Klägerin hat die infolge des Beratungsfehlers erlittenen Vermögensnachteile hinreichend dargelegt. Sie musste Steuern in Höhe von 477.005 € und Zinsen in Höhe von 114.480 € nachzahlen; zudem hat sie Steuerberatungskosten in Höhe von 5.890,50 €, Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.975 € und Gerichtskosten in Höhe von 14.144 € aufgewandt.13

bb) Hinsichtlich der erlangten Vorteile hat die Klägerin zuletzt erklärt, sie habe im Zeitraum vom 11. September 2007 bis zum 16. Dezember 2008 Einspeisungsvergütungen in Höhe von 10.107,87 € erzielt; weitere Vorteile habe es nicht gegeben. Dieser Vortrag mag richtig oder unrichtig gewesen sein. Zweifel hinsichtlich der Richtigkeit dieses Vorbringens konnten sich daraus ergeben, dass die Klägerin in erster Instanz Einspeisungsvergütungen im Zeitraum vom 16. April 2004 bis zum 16. Dezember 2008 von insgesamt 46.677,73 € netto behauptet und durch die Anlage K 22 näher erläutert hatte. Aber das Vorbringen der Klägerin zur Schadenshöhe war wegen dieses Widerspruchs nicht insgesamt unbeachtlich. Vielmehr hätte das Berufungsgericht, gegebenenfalls nach Erörterung des Widerspruchs im Termin zur mündlichen Verhandlung, den Vortrag der Klägerin insgesamt würdigen können und müssen. Gegebenenfalls hätten die Einspeisungsvergütungen insgesamt abgezogen werden können (§ 287 ZPO). Nach Abzug dieses Betrages wäre – vorbehaltlich der noch zu erörternden Frage einer Anrechnung der in den Jahren 2004 und 2005 erlangten Steuervorteile – immer noch ein sechsstelliger von den Beklagten zu ersetzender Schaden verblieben. Die Anlage K 22, die im ersten landgerichtlichen Hinweisbeschluss ausgewertet worden ist, enthält im Übrigen die vom Berufungsgericht vermissten Angaben zu den nach Ansicht der Klägerin abzusetzenden Aufwendungen (Abschreibungen, Schuldzinsen, sonstige Aufwendungen). Diese hätten, wenn sie berücksichtigt worden wären, die in den Einspeisevergütungen liegenden Vorteile verringert, nicht aber den Schaden der Klägerin. Hielt das Berufungsgericht weitere Angaben für erforderlich, musste es präzise nachfragen; der allgemeine Hinweis auf die Erforderlichkeit eines Gesamtvermögensvergleichs reichte nicht.14

c) Die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Schadenshöhe tragen eine Abweisung der Klage ebenfalls nicht.15

aa) Die Schadensberechnung des Berufungsgerichts ist methodisch nicht richtig. Das Berufungsgericht hat die Schadenssumme in Höhe von 614.494,50 € zunächst um einen Mitverschuldensanteil der Klägerin in Höhe von 30 % gekürzt und dann die Vorteile, welche der Klägerin aus dem schädigenden Verhalten der Beklagten entstanden sein sollen, in voller Höhe abgezogen. Richtigerweise musste zunächst der Schaden berechnet werden. Dieser wäre gegebenenfalls wegen eines (etwaigen) Mitverschuldens der Klägerin gemäß § 254 BGB zu kürzen gewesen (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 1969 – VII ZR 121/67, NJW 1970, 461 f, insoweit in BGHZ 53, 132 nicht abgedruckt; vgl. auch BGH, Urteil vom 28. April 1992 – VI ZR 360/91, NJW-RR 1992, 1050). Diese Reihenfolge ist unabhängig davon einzuhalten, ob die Steuervorteile, wenn sie denn anzurechnen sind, in den Gesamtvermögensvergleich einzustellen oder erst im Rahmen eines Vorteilsausgleichs zu berücksichtigen sind (dazu sogleich).16

bb) Eine unrichtige steuerliche Beratung zieht häufig nicht nur Nachteile, sondern auch Vorteile nach sich. Sind diese Vorteile unmittelbare Folge des haftungsbegründenden Ereignisses, handelt es sich also um Vorteile, die zwangsläufig – sozusagen spiegelbildlich – mit den negativen Folgen der Pflichtverletzung zusammenhängen, sind sie Teil des Gesamtvermögensvergleichs und sind unmittelbar in die Schadensberechnung einzubeziehen (BGH, Urteil vom 6. Dezember 2018 – IX ZR 176/16, WM 2019, 789 Rn. 38; Ganter, NJW 2012, 801, 806; Schultz in Henssler/Gehrlein/Holzinger, Handbuch der Beraterhaftung, Kap. 5 Rn. 131). Demgegenüber können Vorteile, die sich nicht unmittelbar aus dem schädigenden Ereignis ergeben, sondern auf einen zusätzlich, vielleicht gar zeitlich versetzt hinzutretenden Umstand zurückzuführen sind, nur im Wege der Vorteilsausgleichung berücksichtigt werden (Ganter, aaO; Schultz, aaO Rn. 132). Der Vorteilsausgleich beruht auf dem Gedanken von Treu und Glauben (§ 242 BGB) und erfordert eine wertende Betrachtung (BGH, Urteil vom 4. April 2014 – V ZR 275/12, WM 2014, 1447 Rn. 21, insoweit in BGHZ 200, 350 nicht abgedruckt). Dem Geschädigten sind diejenigen Vorteile anzurechnen, die ihm in adäquatem Zusammenhang mit dem Schadensereignis zufließen. Die vorteilhaften Umstände müssen mit dem schädigenden Ereignis in einem qualifizierten Zusammenhang stehen. Zu berücksichtigen ist ferner, ob eine Anrechnung dem Sinn und Zweck des Schadensersatzes entspricht und weder der Geschädigte unzumutbar belastet noch der Schädiger unbillig entlastet wird (BGH, Urteil vom 18. Oktober 2018 – III ZR 497/16, WM 2018, 2179 Rn. 17 mwN).17

Bedeutsam ist die Abgrenzung von Schadensberechnung und Vorteilsausgleichung vor allem im Hinblick auf die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast. Darlegungs- und beweispflichtig für den Schaden ist der geschädigte Mandant (BGH, Urteil vom 6. Dezember 2018, aaO; Ganter, aaO; Schultz, aaO Rn. 131; Lohmann in Henssler/Gehrlein/Holzinger, Handbuch der Beraterhaftung, Kap. 2 Rn. 103; G. Fischer in G. Fischer/Vill/D. Fischer/Pape/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 5. Aufl., § 5 Rn. 137). Darlegungs- und beweispflichtig für die tatsächlichen Voraussetzungen der Vorteilsausgleichung ist demgegenüber der Ersatzpflichtige (BGH, Urteil vom 4. April 2014 – V ZR 275/12, WM 2014, 1447 Rn. 22, insoweit in BGHZ 200, 350 nicht abgedruckt; Schultz, aaO; Lohmann, aaO Rn. 104). Eine Vorteilsausgleichung kommt erst in Betracht, wenn ein Schaden auch der Höhe nach festgestellt worden ist (BGH, Urteil vom 17. Januar 2008 – IX ZR 172/06, WM 2008, 748 Rn. 17 mwN).18

cc) Die in den Jahren 2004 und 2005 erzielten Steuervorteile waren bereits im Rahmen des Gesamtvermögensvergleichs abzusetzen.19

(1) Die durch die erweiterte Kürzung der Gewerbesteuer erlangten Vorteile beruhten unmittelbar auf dem Beratungsfehler, welchen die Klägerin der Beklagten zu 1 vorwirft. Die Beklagte zu 1 hat für die Klägerin die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG in der für das Jahr 2004 geltenden Fassung beantragt, ohne zuvor zu prüfen, ob die Klägerin aus der Photovoltaikanlage Einkünfte erzielte, die der beantragten Kürzung entgegenstanden. Hätte sie vor Antragstellung den maßgeblichen Sachverhalt geklärt und hätte sie die Rechtslage zutreffend beurteilt, hätte sie der Klägerin nicht nur geraten, den Betrieb der Anlage einzustellen. Sie hätte auch den Antrag für das Jahr 2004 nicht gestellt; denn eine Einstellung des Betriebs der Anlage im Jahre 2005 hätte daran, dass die Klägerin im Jahre 2004 gewerbesteuerschädliche Einnahmen erzielt hatte, nichts geändert. Dann hätte die Klägerin die volle Gewerbesteuer für das Jahr 2004 entrichten müssen. Gleiches gilt für das Jahr 2005. Eine Abschaltung der Anlage im Verlauf des Jahres 2005 hätte nur für die Zukunft gewirkt, hätte aber an den bis dahin erzielten Einnahmen nichts geändert. Die Gewerbesteuer ist eine sogenannte Jahressteuer. Sie wird nämlich kalenderjährlich festgesetzt (vgl. § 14 Satz 2 GewStG). Erst ab dem Jahre 2006 hätte die Klägerin rechtmäßig die erweiterte Kürzung der Gewerbesteuer beantragen und erhalten können.20

(2) Wertende Gesichtspunkte stehen einer Berücksichtigung der in den Jahren 2004 und 2005 ersparten Gewerbesteuer nicht entgegen. Das nach der Differenzmethode gewonnene Ergebnis bedarf einer normativen Kontrolle, die am Schutzzweck der Haftung sowie an Funktion und Ziel des Schadensersatzes ausgerichtet ist (BGH, Urteil vom 9. November 2017 – IX ZR 270/16, WM 2018, 1944 Rn. 22; G. Fischer in G. Fischer/Vill/D. Fischer/Pape/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 5. Aufl., § 5 Rn. 89). Das gilt nicht nur hinsichtlich der Frage, ob ein infolge der schädigenden Handlung eingetretener Nachteil ersatzfähig ist, sondern auch hinsichtlich der Anrechnung der infolge der schädigenden Handlung erlangten Vorteile. Die Klägerin ist in den Genuss der erweiterten Kürzung der Gewerbesteuer gelangt, obwohl deren tatbestandliche Voraussetzungen nicht vorlagen. Ihr geschieht kein Unrecht, wenn dieser Vorteil im Rahmen der Schadensberechnung berücksichtigt wird. Die Anrechnung führt nicht zu einer unbilligen Entlastung der Beklagten, die nach unzulänglicher Prüfung der Sach- und Rechtslage die erweiterte Kürzung für die Klägerin beantragt und ihr damit zu einer Verminderung der Gewerbesteuerlast verholfen hat.21

dd) Gleichwohl lässt sich derzeit nicht ausschließen, dass ein von den Beklagten zu ersetzender Schaden verbleibt. Nach Abzug der in den Jahren 2004 und 2005 nicht gezahlten Gewerbesteuer verbleibt ein zu ersetzender Betrag von 27.424,50 €. Von diesem Betrag sind etwaige Vorteile aus der Einspeisevergütung abzusetzen, deren Höhe noch zu ermitteln ist. Ob ein etwa verbleibender Betrag um einen Mitverschuldensanteil der Klägerin zu kürzen ist, wäre neu zu prüfen.

III.

Das angefochtene Urteil kann daher keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

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