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OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.08.2023 – I-10 W 54/23

Streitgegenstand

§ 54 Satz 1 GNotKG

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 19. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 19. April 2023 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.

Gründe

I.

Der Antragsgegner beurkundete am 21. September 2020 unter der UR-Nr. … für … einen Beschluss des Alleingesellschafters der Antragstellerin über eine Kapitalerhöhung sowie die Erklärung des Alleingesellschafters, die neu ausgegebenen Geschäftsanteile zu übernehmen und zusätzlich seine Anteile an der A. GmbH in die Kapitalrücklage der Antragstellerin einzubringen. Ebenfalls am 21. September 2020 beurkundete der Antragsgegner unter der UR-Nr. … für … eine Vereinbarung über den Beitritt der Antragstellerin zu einer am 23. August 2018 beurkundeten Beteiligungs- und Gesellschaftervereinbarung betreffend die A. GmbH. Die im Jahr 2018 getroffenen Vereinbarungen dienten der Gewinnung von Investoren für die A. GmbH; wirtschaftlicher Hintergrund der am 21. September 2020 beurkundeten Erklärungen war die Durchführung einer zweiten Finanzierungsrunde. Zu diesem Zeitpunkt war – so die Antragstellerin – ein sich aus dem Jahresabschluss 2019 der A. GmbH ergebender Fehlbetrag von 461.410,96 EUR nicht aufgeholt. Die zweite Finanzierungsrunde erfolgte auf der Basis einer Unternehmensbewertung für die A. GmbH mit 10.300.000,- EUR und am 29. September 2020 wurde ein Kapitalerhöhungsbeschluss nebst Übernahme der neuen Geschäftsanteile zu Preisen, die mithilfe der vorangegangenen Pre-Money-Valuation berechnet wurden, durch neue Gesellschafter beurkundet. Am 29. Dezember 2021 wurde das Insolvenzverfahren über die A. GmbH eröffnet.Randnummer2

Auf der Basis des mit 10.300.000,- EUR bewerteten Unternehmenswertes für die A. GmbH berechnete der Antragsgegner den für seine Gebührenrechnung maßgeblichen Geschäftswert; seine erste Kostenrechnung vom 5. Oktober 2020 korrigierte er während des hiesigen Verfahrens mit Kostenrechnung vom 8. August 2022 (Nr.: ….). Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landgericht die letztgenannte Kostenrechnung bestätigt. Soweit für das Beschwerdeverfahren von Interesse hat das Landgericht ausgeführt, der der Kostenrechnung zugrunde zu legende Geschäftswert sei auf der Basis der zum Zeitpunkt der Beurkundung vorliegenden Unternehmensbewertung betreffend die A. GmbH zu bemessen; diese sog. Pre-Money-Valuation sowie die Anteilswerte, die sich aus der ersten Finanzierungsrunde im Jahr 2018 ergaben, seien geeignete tatsächliche Anhaltspunkte zur Ermittlung des Wertes der Anteile an der A. GmbH, die in die Kapitalrücklage der Antragstellerin eingebracht worden seien. Die zweite Finanzierungsrunde, die spätestens acht Tage nach den Beurkundungen des Antragsgegners abgeschlossen gewesen sei, sei zum Zeitpunkt der Beurkundungen bereits ausverhandelt gewesen; auch habe unstreitig Zeitdruck für die Beurkundungen des Antragsgegners bestanden, da die zweite Finanzierungsrunde unmittelbar bevorgestanden habe, was dem Antragsgegner ebenso wie das Ergebnis der Pre-Money-Valuation auch mitgeteilt worden sei. Aus der Entscheidung des Oberlandesgerichts München (Beschluss vom 15. Juni 2020, 32 Wx 140/20) ergebe sich nichts Gegenteiliges. Nach jener Entscheidung könne grundsätzlich von einer rein internen Bewertung auf den Wert eines Unternehmens geschlossen werden. Ein Kaufmann handele wirtschaftlich und zahle für einen Anteil nicht über Wert. Im dort entschiedenen Fall gelte dieser Grundsatz allein deshalb nicht, da es sich um ein eine neue Technologie entwickelndes Unternehmen gehandelt habe, bei dem eine interne Einschätzung auf dem subjektiven Vertrauen in die Fähigkeiten des Gründers beruhe. Für die A. GmbH gelte das nicht, denn sie habe kein neuartiges Geschäftsmodell, in dem das Prinzip Hoffnung in besonderem Maße gelte, entwickelt.Randnummer3

Gegen den ihr am 25. April 2023 zugestellten Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde vom 24. Mai 2023, mit der sie die Herabsetzung der der Rechnung vom 8. August 2022 zugrundeliegenden Geschäftswerte erreichen möchte und die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Beschwerde beantragt hat. Sie meint, der Wert der Anteile an der A. GmbH, die der Bemessung des Geschäftswerts zugrunde zu legen seien, müsse auf der Basis des Jahresabschlusses der A. GmbH zum 31. Dezember 2019 ermittelt werden. Wegen des bis zum Zeitpunkt der Beurkundungen nicht aufgeholten Fehlbetrages könne nur der sich aus §§ 108 Abs. 1 Satz 1, 105 Abs. 1 Satz 2 GNotKG ergebende Mindestgeschäftswert angesetzt werden. Zur Begründung ihres Standpunktes wiederholt und vertieft die Antragstellerin ihr erstinstanzliches Vorbringen.Randnummer4

Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Düsseldorf mit weiterem Beschluss vom 9. Juni 2023 zur Entscheidung vorgelegt.Randnummer5

Der Antragsgegner ist der Beschwerde sowie dem Anordnungsantrag entgegengetreten.Randnummer6

Mit Beschluss vom 4. Juli 2023 hat der Senat – die Vorsitzende – den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde zurückgewiesen.Randnummer7

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die gemäß § 129 Abs. 1 GNotKG zulässige Beschwerde der Antragstellerin gegen den ihren Feststellungsantrag zurückweisenden Beschluss des Landgerichts vom 19. April 2023 ist unbegründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht den Standpunkt eingenommen, dass im hiesigen Verfahren genügende Anhaltspunkte vorliegen, die es ermöglichen, den Wert der Anteile an der A. GmbH, auf die sich die Beurkundungen vom 21. September 2020 beziehen, zu ermitteln; die sich so ergebenden Werte sind nach Maßgabe von § 54 Satz 1 GNotKG für die Ermittlung des Geschäftswertes der streitgegenständlichen Beurkundungsvorgänge maßgeblich. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Entscheidung.Randnummer9

Ohne Erfolg argumentiert die Beschwerde unter Verweis auf die Regelung in § 96 GNotKG, ein Rückgriff auf die am 29. September 2020 abgeschlossene Finanzierungsrunde sei schon deshalb unzulässig, da es sich – bezogen auf den Zeitpunkt der Beurkundungen am 21. September 2020 – um einen zukünftigen Umstand handelte. § 96 GNotKG ordnet an, dass der Zeitpunkt der Fälligkeit der Gebühr für die Wertberechnung maßgeblich ist. Das ist bei Notargebühren regelmäßig die Beendigung des Verfahrens oder des Geschäfts, § 10 GNotKG. Anders als die Beschwerde meint, legt § 96 GNotKG aber nur einen Bewertungsstichtag fest, nicht aber einen Erkenntnisstichtag (BeckOK KostR/Spies/Omlor, 42. Edition, Stand: 1. Januar 2023, § 96 Rn. 2). Später zu Tage getretene Erkenntnisse sind zu berücksichtigen, sofern sie für den Bewertungsstichtag von Bedeutung sind. Geben sie sicheren Aufschluss für einen Wert zu einem späteren Zeitpunkt, so kommt es für ihre Maßgeblichkeit darauf an, was dafür und was dagegen spricht, dass zwischen dem Bewertungsstichtag und dem Zeitpunkt des Erkenntniszuwachses eine Wertänderung eingetreten sein könnte (OLG BrandenburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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BeckRS 2021, 29750 Rn. 8).Randnummer10

Ist also die Tatsache, dass es hier acht Tage nach den vom Antragsgegner vorgenommenen Beurkundungen zur erfolgreichen Durchführung der zweiten Finanzierungsrunde gekommen ist, grundsätzlich ein bei der Wertermittlung berücksichtigungsfähiger Umstand, ist ihr im hiesigen Verfahren ein für die Wertermittlung ausschlaggebendes Gewicht zuzumessen. Die Tatsache, dass zwei im Wirtschaftsleben stehende Kaufleute nur acht Tage nach den streitgegenständlichen Beurkundungsvorgängen Investments auf der Basis einer Unternehmensbewertung von 10.300.000,- EUR getätigt haben, rechtfertigt ohne weiteres die Annahme, dass dieser Wert nicht nur zum Zeitpunkt der Erstellung der Unternehmensbewertung und zum Zeitpunkt der Investments, sondern unverändert auch am Tage der streitgegenständlichen Beurkundungen gegeben war. Soweit die Beschwerde darauf verweist, bei der durchgeführten Pre-Money-Valuation handele es sich nicht um eine Unternehmensbewertung auf der Grundlage eines standardisierten Bewertungsverfahrens, verfängt das nicht. Auch wenn es sich bei einer Pre-Money-Valuation nicht um den wahren Anteilswert, den die Antragstellerin im Übrigen auch nicht mitgeteilt hat, handeln sollte, ändert das für das hiesige Verfahren nichts daran, dass tatsächlich Investments entsprechend der Pre-Money-Valuation getätigt wurden. Dass aber tatsächlich bezahlte Preise bzw. tatsächlich übernommene Zahlungsverpflichtungen im Wirtschaftsleben regelmäßig ein belastbarer Anhaltpunkt zugleich für den wahren Wert einer Sache sind, entspricht dem, was üblicherweise bei Kaufleuten zu erwarten ist (vgl. auch BeckOK KostR/Neie, a.a.O., § 54 Rn. 6).Randnummer11

Vorstehenden Grundsatz hat auch das Oberlandesgericht München in seiner vom Landgericht zitierten Entscheidung anerkannt (veröffentlicht bei BeckRS 2020, 13996, dort Rn. 10). Soweit die Antragstellerin meint, die vom Oberlandesgericht München hervorgehobene Besonderheit, dass bei Anlagen in einem innovativen Unternehmen in besonderem Maße das Prinzip Hoffnung gelte, weshalb eine Pre-Money-Bewertung nicht aussagekräftig für den Wert eines Unternehmensanteils sei, gelte auch für sie bzw. die A. GmbH, ist dem nicht zu folgen. Weder der Bereich des Online-Handels noch der Bereich des Vertriebs von Waren und Gütern aus dem Nahen und Mittleren Osten ist innovativ im Sinne von neuartig oder unbekannt. Allein die von der Antragstellerin angeführte Marktlücke in dem genannten Geschäftsbereich rechtfertigt jedenfalls nicht den besonderen Ausnahmecharakter ihres Unternehmens. Schließlich lässt die Antragstellerin unberücksichtigt, dass auch das Oberlandesgericht München in seiner Entscheidung vom 15. Juni 2020 ausgeführt hat (s. Rn. 10 bei beck-online), dass Geldzuflüsse Anhaltspunkte für den Anteilswert liefern können, da sie zumindest vorübergehend den Wert erhöhen. Ein Grund, weshalb das hier anders gewesen sein könnte, hat sich nicht ergeben.Randnummer12

Aus Rechtsgründen unbeachtlich ist der Beschwerdeeinwand der Antragstellerin, bei den von den streitgegenständlichen Beurkundungen betroffenen Anteilen ihres Alleingesellschafters handele es sich um Gründeranteile an der A. GmbH, die nicht ohne Zustimmung der anderen Gesellschafter hätten veräußert werden dürfen. Regelt die Satzung Zustimmungserfordernisse für die Veräußerung eines Geschäftsanteils, hat dies keinen Einfluss auf den kostenrechtlichen Wert nach § 54 GNotKG; der eindeutige Gesetzeswortlaut lässt keine von der gesetzlich vorgeschriebenen Bewertung abweichende Bewertung zu (Korintenberg/Tiedtke, GNotKG, 22. Aufl. 2022, § 54 Rn. 12 a). Ebenfalls ohne Relevanz bleibt die Erwägung der Antragstellerin, würde ihr Gründer seine Anteile veräußern, hätte dies negative Auswirkungen auf die Unternehmensbewertung und dementsprechend seien die Gründeranteile bei einer rein wirtschaftlichen Betrachtung von deutlich geringerem finanziellen Wert. So sieht der Gesetzeswortlaut von § 54 GNotKG schon nicht vor, dass bei der Ermittlung des kostenrechtlichen Wertes von Geschäftsanteilen dahin zu differenzieren ist, wer Inhaber des jeweiligen Gesellschaftsanteils ist. Zudem ist diese Überlegung rein hypothetisch, weder ist der Gründer ausgeschieden, noch ist von der tatsächlichen Unternehmensbewertung abgewichen worden. Im Übrigen stützt die Tatsache, dass es sich bei den in Rede stehenden Anteilen um solche des Gründers handelt, dessen Verbleib in der Gesellschaft von hoher Bedeutung sein soll, eher die Annahme eines hohen wirtschaftlichen Werts der von ihm gehaltenen Gründeranteile.Randnummer13

Zu keiner anderen Bewertung führt schließlich der Umstand, dass über das Vermögen der A. GmbH am 29. Dezember 2021 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Dass der Eintritt dieses in zeitlicher Hinsicht deutlich nach dem gemäß § 96 GNotKG maßgeblichen Bewertungsstichtag des 21. September 2020 liegende Umstand bereits zum Zeitpunkt der Beurkundungen erkennbar gewesen sein könnte, ist nicht ersichtlich und im Hinblick darauf, dass es zu erheblichen Investitionen im Zuge der zweiten Finanzierungsrunde am 29. September 2020 gekommen ist, abwegig.Randnummer14

Andere Einwände als die vorstehend behandelten hat die Antragstellerin nicht erhoben.

III.

Der Kostenausspruch folgt aus § 130 Abs. 3 GNotKG in Verbindung mit § 84 FamFG.Randnummer16

Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, besteht nicht, § 130 Abs. 3 GNotKG in Verbindung mit § 70 Abs. 2 Satz 1 FamFG.Randnummer17

Eine Geschäftswertfestsetzung von Amts wegen ist nicht veranlasst. Für das hiesige Beschwerdeverfahren fällt eine Festgebühr an (KV 19100); dass dem anwaltlich nicht vertretenen Antragsgegner notwendige Auslagen entstanden sein könnten, die von der Festsetzung eines Beschwerdewertes abhängig sind, ist nicht ersichtlich.

Schlagworte: Streitgegenstand