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Streitwert
Streitwert nichtvermögensrechtlich
48 Abs.1 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO
Bei einer nichtvermögensrechtlichen Streitigkeit ist gem. § 48 Abs.2 GKG der Streitwert unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nach Ermessen zu bestimmen. Maßgeblich sind dabei insbesondere der Umfang und die Bedeutung der Sache sowie – je nach Einzelfall – die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Parteien. Fehlen ausreichende tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Schätzung ist bei nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten von einem Wert i.H.v. 5.000,00 € auszugehen, vgl. 52 Abs.2 GKG, § 23 Abs.3 S.2 RVG (vgl. OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG München
, Beschluss vom 26. September 2024 – 31 W 1277/24 e –, Rn. 26, juris).
Tenor
Die Beschwerde gegen den Streitwertbeschluss des Landgerichts München I vom 24.01.2025, Az. 14 O 9091/23, wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Streitwertfestsetzung des Landgerichts. Er war Kläger in einem Verfahren, in dem er (u.a.) Ansprüche nach der DSGVO wegen eines Scraping-Vorfalls geltend machte.
Erstinstanzlich beantragte er zuletzt:
„1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite als Ausgleich für Datenschutzverstöße und die Ermöglichung der unbefugten Ermittlung der Handynummer der Klägerseite sowie weiterer personenbezogener Daten der Klägerseite wie Fxxx-ID, Vorname, Nachname sowie ggf. weiterer personenbezogener Daten (etwa Geschlecht, Wohnort, Geburtsort, Beziehungsstatus und/oder Berufsstätte) einen immateriellen Schadensersatz, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, den Betrag von € 3.000,00 aber nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über den jeweiligen Basiszinssatz der EZB ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite für die Nichterteilung einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden außergerichtlichen Datenauskunft i.S.d. Art. 15 DSGVO einen weiteren immateriellen Schadensersatz, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, den Betrag von € 2.000,00 aber nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über den jeweiligen Basiszinssatz der EZB ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerseite alle materiellen künftigen Schäden zu ersetzen, die der Klägerseite durch den unbefugten Zugriff Dritter auf das Datenarchiv der Beklagten, der nach Aussage der Beklagten im Jahr 2019 erfolgte, entstanden sind und/oder noch entstehen werden.
4. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall, der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00, ersatzweise an ihrem gesetzlichen Vertreter (Director) zu vollstreckender Ordnungshaft, oder einer an ihrem gesetzlichen Vertreter (Director) zu vollstreckender Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall bis zu 2 Jahren, zu unterlassen,
a. eine Verarbeitung personenbezogener Daten der Klägerseite, namentlich Telefonnummer, Fxxx-ID, Familiennamen, Vornamen, Geschlecht, Bundesland, Land, Stadt und Beziehungsstatus, über die Eingabe der Telefonnummer der Klägerseite in das Kontakt-Import-Tool und die darüber hergestellt Verknüpfung der eingegebenen Telefonnummer mit weiteren öffentlichen personenbezogenen Daten des Nutzerprofils der Klägerseite zu ermöglichen, ohne dass die Beklagten zum Zeitpunkt der Verwendung des Kontakt-Import-Tools unter Eingabe der Telefonnummer Sicherheitsmaßnahmen in Form einer Implementierung von Sicherheits-CAPTCHAs und der Überprüfung massenhafter IP-Abfragen oder vergleichbaren Sicherheitsmaßnahmen vorgehalten hat;
b. die Telefonnummer der Klägerseite auf Grundlage einer Einwilligung zu verarbeiten, die wegen der unübersichtlichen und unvollständigen Informationen durch die Beklagte erlangt wurde, namentlich ohne eindeutige Informationen darüber, dass die Telefonnummer auch bei Einstellung auf „privat“ noch durch Verwendung des Kontaktimporttools verwendet werden kann, wenn nicht explizit hierfür die Berechtigung verweigert wird.
5. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerseite Auskunft über den personenbezogene Daten, welche die Beklagte verarbeitet, zu erteilen, namentlich welche Daten durch welche Empfänger zu welchem Zeitpunkt bei der Beklagten durch eine „Web-Scraping“-Anwendung des Kontaktimporttools erlangt werden konnten und zudem – soweit sie erklärt, Auskünfte nicht abgeben zu können – mögliche Negativ-Auskünfte an Eides statt zu versichern.
6. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerseite von den außergerichtlich entstandenen Kosten für die anwaltliche Rechtsverfolgung in Höhe von € 887,03 nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über den jeweiligen Basiszinssatz der EZB ab Rechtshängigkeit freizuhalten“.
In der Klageschrift bezifferte der Kläger den Streitwert (vorläufig) insgesamt mit 11.000,00 €.
Das Landgericht wies die Klage mit Endurteil vom 24.01.2025 ab. Den Streitwert setzte es insgesamt auf 7.500,00 € fest, wobei es die einzelnen Anträge wie folgt bewertete:
Antrag 1: 3.000,00 €,
Antrag 2: 2.000,00 €,
Antrag 3: 500,00 €,
Antrag 4: 1.500,00 €,
Antrag 5: 500,00 €.
Nachdem die Beklagte die Kostenfestsetzung beantragt hatte, bestellte sich ein weiterer Klägervertreter, der mit Schriftsatz vom 07.05.2025 gegen die Streitwertfestsetzung des Landgerichts Beschwerde einlegte. Diese wird damit begründet, dass die beiden Zahlungsansprüche (Anträge 1 und 2) falsch bewertet worden seien, da ihnen „offensichtlich übertriebene Einschätzungen“ zugrunde lägen. Richtig sei es vielmehr, beide Anträge zusammenfassend (insgesamt) mit 500,00 € zu bewerten. Auch Antrag 4 (Unterlassungsanspruch) sei mit 1.500,00 € zu hoch bewertet. Richtig sei es, diesen ebenfalls mit 500,00 € zu bewerten.
Mit Schriftsatz vom 07.05.2025 trat der erste Klägervertreter dieser Auffassung entgegen.
Das Landgericht half der Beschwerde mit Beschluss vom 31.05.2025 nicht ab und verfügte am selben Tag die Vorlage der Akten an das Oberlandesgericht München zur Entscheidung über die Beschwerde.
II.
1. Es ist gem. §§ 66 Abs. 6 S.1, 2. Hs., 68 Abs.1 S. 5 GKG der Einzelrichter zur Entscheidung berufen und nicht der Senat, da die erstinstanzliche Entscheidung von einem Einzelrichter erlassen wurde.
2. Die Streitwertbeschwerde ist gemäß §§ 68 Abs.1 S.1, 63 Abs. 2 GKG statthaft und auch im Übrigen zulässig.
3. In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg, da das Landgericht den Streitwert nicht fehlerhaft festgesetzt hat.
a) Die beiden Leistungsanträge sind gemäß § 48 Abs.1 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO mit dem bezifferten Mindestbetrag in Ansatz zu bringen.
aa) Zwar stellt der Kläger die Höhe des geforderten Betrages der Formulierung seines Antrags nach in das Ermessen des Gerichts, soweit allerdings – wie hier – zugleich ein Mindestbetrag angegeben wird, darf dieser nach allgemeiner Meinung nicht unterschritten werden (vgl. Herget in: Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Auflage 2024, § 3 ZPO, Rn. 16_171, juris; MüKoZPO/ Wöstmann, 7. Aufl. 2025, ZPO § 3 Rn. 129, beck-online; Musielak/Voit/ Heinrich, 22. Aufl. 2025, ZPO § 3 Rn. 39, beck-online; BGH NJW 1996, 2425, beck-online; BGH NJW-RR 2004, 102; OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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VersR 1991, 1430, beck-online).
Der Kläger muss bei – im Übrigen – unbezifferten Klageanträgen schon im Hinblick auf das Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs.2 Nr.2 ZPO wenigstens eine ungefähre Größenordnung des verlangten Betrages angeben (st. Rspr., vgl. BGH NJW 1982, 340; OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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NJW 1988, 1396). Daraus folgt, dass der Kläger durch einen unbezifferten Antrag sein Kostenrisiko nicht vollständig ausschalten kann. Dass der Kläger selbst – nunmehr vertreten durch einen weiteren Prozessbevollmächtigten – sein ursprüngliches Begehren als „übertrieben“ betrachtet, ändert nichts daran, dass sein wirtschaftliches Interesse ursprünglich auf die Erlangung der genannten Mindestbeträge gerichtet war. Daran muss er sich festhalten lassen.
bb) Dem steht auch nicht etwa die Entscheidung des BGH vom 18.11.2024 entgegen, in der er die Auffassung vertreten hat, es begegne in derartigen Fälle keine Bedenken, den immateriellen Schadensersatz in einer Größenordnung von 100,00 € festzusetzen (vgl. BGH NJW-RR 2025, 382, beck-online). Die Entscheidung betrifft insoweit die Frage, was im Ergebnis angemessen ist, nicht aber, wie hoch der Streitwert ist, wenn ein Mindestbetrag genannt wurde.
cc) Soweit sich die Klagepartei auf einen Hinweisbeschluss des 7. Senats des OLG HammBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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beruft (OLG HammBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, Hinweisbeschluss v. 22.9.2023 – I-7 U 77/23, GRUR-RS 2023, 32743, beck-online), ist die darin vertretene Auffassung – soweit ersichtlich – eine Einzelmeinung geblieben, die im Übrigen in den dort zur Begründung zitierten BGH-Entscheidungen keine Stütze findet. In der Entscheidung BGH X ZR 104/09 vom 12. 06. 2012 ging es – anders als hier – um einen unbezifferten Antrag auf Festsetzung einer angemessenen Erfindervergütung nach § 38 ArbnErfG. In dem Beschluss vom 08.10.2012 im Verfahren X ZR 110/21 (BGH BeckRS 2012, 22164) hat der BGH entschieden, dass übereinstimmende und nicht offensichtlich unzutreffende Angaben der Parteien im erstinstanzlichen Verfahren zum Streitwert des Patentverletzungsverfahrens ein – widerlegbares – Indiz für den wirtschaftlichen Wert des Klagebegehrens seien, mithin ebenfalls nicht, dass der angegebene Mindestbetrag für einen Schmerzensgeldanspruch bei der Streitwertfestsetzung unterschritten werden kann oder muss, wenn sich dieser bei späterer (Neu-) Bewertung als zu hoch darstellt.
b) Der Unterlassungsantrag ist mit 1.500,00 € ebenfalls nicht fehlerhaft zu hoch bewertet.
Bei einer nichtvermögensrechtlichen Streitigkeit ist gem. § 48 Abs.2 GKG der Streitwert unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nach Ermessen zu bestimmen. Maßgeblich sind dabei insbesondere der Umfang und die Bedeutung der Sache sowie – je nach Einzelfall – die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Parteien. Fehlen ausreichende tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Schätzung ist bei nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten von einem Wert i.H.v. 5.000,00 € auszugehen, vgl. 52 Abs.2 GKG, § 23 Abs.3 S.2 RVG (vgl. OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, Beschluss vom 26. September 2024 – 31 W 1277/24 e –, Rn. 26, juris).
In Fällen wie dem vorliegenden hat die Bewertung einerseits der Bedeutung der persönlichen Daten des Klägers Rechnung zu tragen, aber auch dem Umstand, dass Nutzer sozialer Medien bestimmte Daten in Kenntnis der öffentlichen Zugänglichkeit freiwillig preisgeben, weil sie andernfalls soziale Netzwerke bzw. bestimmte Anwendungen nicht nutzen können. Hinzu kommt, dass Kläger im Rahmen derartiger „Massenverfahren“, zu dem auch das vorliegende Verfahren gehört, zwar ein grundsätzlich nachvollziehbares Interesse daran haben, dass sie nicht ein weiteres Mal von einem Datenleck betroffen sind, dass aber einzelfallbezogen regelmäßig das Unterlassungsinteresse kaum substantiiert und individualisiert vorgetragen wird, sondern es sich um ein pauschales, allgemeines Interesse handelt (vgl. OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, Beschluss vom 26. September 2024 – 31 W 1277/24 e –, Rn. 26, juris).
Die (obergerichtliche) Rechtsprechung hat in der Vergangenheit in den Verfahren, in denen wegen des Facebook-Datenlecks auf Grundlage der DSGVO Ansprüche auf Schadensersatz, Unterlassung, Auskunft und Schadensersatzfeststellung geltend gemacht wurden, den Streitwert zwar nicht exakt einheitlich bewertet, allerdings wurde für den Streitwert des Unterlassungsantrags – soweit ersichtlich – einerseits kein höherer Betrag als 5.000,00 € angenommen, anderseits aber tendenziell eher vierstellige Beträge angesetzt (vgl. OLG CelleBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Beschl. v. 10.6.2024 – 5 W 46/24, GRUR-RS 2024, 13038: 500,00 €; OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Frankfurt
a.M., Beschluss v. 11.07.2024 – 6 W 36/24 – GRUR-RS 2024, 19253: 1.000,00 €; OLG HammBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Hamm
, Urteil v. 15.8.2023 – 7 U 19/23 – GRUR 2023, 1791 Rn. 264: 1.000,00 €; OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG München
, Beschluss v. 26.9.2024 – 31 W 1277/24 e –, Rn. 26, juris: 1.000,00 bis 2.000,00 € für zwei sich inhaltlich zum Teil überschneidende Anträge; OLG DresdenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Dresden
, Beschluss v. 31.7.2023 – 4 W 396/23, BeckRS 2023, 21123: 3.500,00 €; OLG Stuttgart, Beschluss v. 3.1.2023 – 4 AR 4/22 – ZD 2024, 107: Bei mangelnden genügenden Anhaltspunkten für ein höheres oder geringeres Interesse 5.000,00 €).
Der Bundesgerichtshof hat nunmehr in seiner Entscheidung vom 10.12.2024 (vgl. BGH Beschluss vom 10.12.2024 – VI ZR 7/24 – NJW-RR 2025, 382, beck-online) die Bewertung zweier Unterlassungsanträge in derartigen Fällen mit insgesamt 1.500,00 € als angemessen angesehen und dies auf folgende Erwägungen gestützt: Maßgeblich bei bereits erfolgter Verletzungshandlung sei das Interesse des Anspruchstellers an der Unterbindung weiterer gleichartiger Verstöße, welches wiederum maßgeblich durch die Art des Verstoßes, insbesondere seine Gefährlichkeit und Schädlichkeit für den Inhaber des verletzten Rechts bestimmt werde. Allerdings könne auch anderen, von der bereits erfolgten Verletzungshandlung unabhängigen Faktoren – etwa dem Grad der Wahrscheinlichkeit künftiger Zuwiderhandlungen – Rechnung zu tragen sein. Das Gefährdungspotenzial sei dabei allein mit Blick auf das konkrete Streitverhältnis zu bestimmen. Für generalpräventive Erwägungen sei bei der Bewertung eines zivilrechtlichen Unterlassungsanspruchs ebenso wenig Raum wie für eine Orientierung an einem etwaigen (Gesamt-)Schaden unter Einbeziehung anderer Betroffener. Außerdem dürfe das Gesamtgefüge der Bewertung nichtvermögensrechtlicher Streitgegenstände nicht aus den Augen verloren werden (BGH a.a.O. Rn.14).
III.
1. Eine Kostenentscheidung und eine Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren sind nicht veranlasst, da gemäß § 68 Abs. 3 GKG das Verfahren der Streitwertbeschwerde gebührenfrei ist und (außergerichtliche) Kosten nicht erstattet werden.
2. Die Entscheidung ist von Gesetzes wegen nicht anfechtbar, da eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes nicht stattfindet, §§ 68 Abs.1 S.5, 66 Abs.3 S.3 GKG.
Schlagworte: Gegenstandswert, Streitwert, Streitwert nichtvermögensrechtlich