Ausschluss der Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften zum Buchwert (§ 6 Abs 5 S 3 EStG 1997 F: 20.12.2001) mit Art 3 Abs 1 GG unvereinbar – Verpflichtung des Gesetzgebers zu einer rückwirkenden Neuregelung
1. Zu den Anforderungen des Art 3 Abs 1 GG an die Steuergesetzgebung siehe bereits etwa BVerfG, 28.06.2022, 2 BvL 9/14, BVerfGE 162, 277 (308 Rn 75). Demnach ist der Steuergesetzgeber an den Grundsatz der Steuergerechtigkeit gebunden und muss mithin insb im Einkommensteuerrecht die Besteuerung an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ausrichten.
2a. Die Vorschrift des § 6 Abs 5 EStG idF vom 20.12.2001 kann nicht dahingehend ausgelegt werden, dass diese Regelung auch die buchwertneutrale Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften ermöglicht. Einer solchen Auslegung stehen Wortlaut und Entstehungsgeschichte der Norm entgegen.
2b. Auch eine analoge Anwendung des § 6 Abs 5 S 1 oder S 3 EStG idF vom 20.12.2001 auf die Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen den Gesamthandsvermögen beteiligungsidentischer Schwesterpersonengesellschaften kommt nicht in Betracht (entgegen BFH, 15.04.2010, IV B 105/09, BFHE 229, 199 <202 Rn 18f>). Es fehlt jedenfalls an einer planwidrigen Regelungslücke.
2c. Insoweit § 6 Abs 5 S 3 EStG idF vom 20.12.2001 demnach keine Buchwertübertragung von Wirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften zulässt, verstößt dies gegen Art 3 Abs 1 GG. Die hierin liegende Ungleichbehandlung ist nicht gerechtfertigt.
aa. Insb ist sie nicht von der dem Gesetzgeber zustehenden Gestaltungsfreiheit bei der Einführung neuer Regelungen gedeckt. Denn der Ausschluss der Buchwertübertragung zwischen beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften lässt nicht das für einen zulässigen Systemwechsel erforderliche Mindestmaß an neuer Systemorientierung (vgl BVerfG, 09.12.2008, 2 BvL 1/07, BVerfGE 122, 210 <242>) erkennen.
bb. Die Benachteiligung von Wirtschaftsguttransfers zwischen beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften ist zudem weder im Verhältnis zu Wirtschaftsguttransfers zwischen verschiedenen Betriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen noch im Verhältnis zu den durch § 6 Abs 5 S3 EStG privilegierten Wirtschaftsguttransfers im Kreis der Mitunternehmerschaft gerechtfertigt. Es ist bereits kein sachlich einleuchtender Grund im Sinne des Willkürmaßstabs ersichtlich. Daher kann offenbleiben, ob Gründe vorliegen, die eine über die reine Willkürprüfung hinausgehende strengere Kontrolle erforderten.
Eintrag lesen