Gesellschafterbeschluss über die Abberufung des Geschäftsführers Nichtigkeit bei Verstoß gegen vertragliches Stimmbindungsgebot
Eintrag lesenGerichtsurteile und Gerichtsbeschlüsse für Abberufung des Alleingeschäftsführers
KG Berlin, Urteil vom 8. September 2022 – 2 U 115/21
Abberufung eines GmbH-Geschäftführers wegen eigenmächtiger Einberufung und wiederholter Nichtbeachtung von Beschlüssen der Gesellschafterversammlung
Der mit Sperrminorität ausgestattete Minderheitsgesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH missachtet die Verbandssouveränität der Gesellschaft und verletzt die ihm als Gesellschafter obliegende Treuepflicht, wenn er in seiner Geschäftsführung die Gesellschafterversammlung grundsätzlich mit der Begründung übergeht, die Gesellschafterversammlung könne ihm stimmrechtsbedingt ohnehin keine gegenteiligen Weisungen erteilen.
Eintrag lesenLG Hannover, Urteil vom 16.08.2022 – 32 O 116/22
Einstweilige Verfügung I Verfügungsanspruch und -grund bei Abberufung eines GmbH-Geschäftsführers
1. Ein Geschäftsführer kann gegen seine Abberufung vorläufigen Rechtsschutz in Anspruch nehmen und den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragen, die es ihm ermöglicht, zeitlich oder sachlich beschränkt, seine Tätigkeit als Geschäftsführer bis zu einer endgültigen Entscheidung in der Hauptsache fortzuführen.
2. Gesellschaft und deren Geschäftspartner benötigen Klarheit, ob der Geschäftsführer (als Verfügungskläger) bis zur Entscheidung in der Hauptsache weiterhin die Geschäfte der Gesellschaft führen und diese vertreten kann.
3. Abberufungsbeschluss eines Geschäftsführers und Bestellung eines Notgeschäftsführers haben Dauerwirkung. Eine dadurch bewirkte zustandsbegründende Satzungsdurchbrechung ist unwirksam, wenn der Beschluss nicht gleichzeitig in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen wird.
Eintrag lesenBayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 18. August 2020 – 1 Sch 93/20
Rechtsschutzbedürfnis für Vollziehbarerklärung von Schiedsgerichtsanordnung und Abberufung von Geschäftsführern
1. Ein Rechtsschutzbedürfnis an der Vollziehbarerklärung einer schiedsgerichtlichen Anordnung ist nicht infolge der nach ihrem Erlass eingetretenen Änderung der tatsächlichen Umstände entfallen, wenn die geltend gemachte Wirksamkeit der Abberufung von Geschäftsführern fraglich ist.
2. Die Abberufung eines berufenen Mitglieds der Geschäftsführung gegen den Willen des nominierenden Gesellschafters ist nur zulässig, wenn ein wichtiger, die nominierte Person betreffender Grund die Abberufung rechtfertigt.
Eintrag lesenLG Magdeburg, Urteil vom 14.07.2020 – 31 O 42/20
Eine in einem einstweiligen Verfügungsverfahren begehrte Untersagung, eine Abberufung als Geschäftsführer im Handelsregister anzumelden ist berechtigt, wenn erhebliche Zweifel an der Wirksamkeit des Abberufungsbeschlusses bestehen, da kein wichtiger Grund für die Abberufung vorgetragen wurde. Die Erforderlichkeit eines wichtigen Grundes kann insbesondere daraus folgen, dass es sich bei einer GmbH um eine zweigliedrige Gesellschaft handelt, in der ein jederzeitiger Widerruf der Bestellung der Geschäftsführer gemäß § 38 Abs. 1 GmbHG wegen der besonderen Treuepflicht nicht möglich ist.
Eintrag lesenOLG Hamm, Urteil vom 25.07.2016 – 8 U 160/15
Abstimmung über die Abberufung des GmbH-Geschäftsführers I Zustimmungspflicht der Gesellschafter bei Vorliegen eines wichtigen Grundes I entgegenstehende Stimmabgabe eines Gesellschafters in Annahme des Nichtvorliegens eines wichtigen Grundes I vorsätzliche Falschaussage als wichtiger Grund
Zu der Frage, ob ein Gesellschafter einer GmbH in einer Gesellschafterversammlung durch eine treuwidrige Stimmabgabe das Abberufen des Geschäftsführers der GmbH verhindert hat. Zu der Frage, ob eine behauptete Falschaussage des Geschäftsführers sowie weitere, vom klagenden Gesellschafter vorgetragene Gründe einen wichtigen Grund für die Abberufung des Geschäftsführers darstellen.
Eintrag lesenThüringer OLG, Urteil vom 09.09.2015 – 2 U 219/15
Einstweilige Verfügung im Wege der Gesellschafterklage I Regelungsverfügung auf Untersagung des Handelns eines Geschäftsführers bis zur gerichtlichen Feststellung der Wirksamkeit des Abberufungsbeschlusses
1. Ein Mitgesellschafter einer GmbH kann mit Erfolg den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragen, mit dem es dem Geschäftsführer/Mitgesellschafter untersagt werden soll, bis zu bestimmten, hilfsweise gestaffelten Zeitpunkten als Geschäftsführer der GmbH aufzutreten und zu handeln, bis die Wirksamkeit eines Abberufungsbeschlusses festgestellt ist.
2. Die Rechtshängigkeit des Hauptsacheverfahrens (in der Berufungsinstanz) steht den Eilanträgen nicht entgegen. Die Rechtshängigkeit wirkt nicht im Verhältnis zwischen dem Eilverfahren und dem Hauptsacheverfahren, da unterschiedliche Streitgegenstände vorliegen. Während der Streitgegenstand des einstweiligen Rechtsschutzes der Anspruch auf Sicherung eines Individualanspruches ist, liegt dem Hauptsacheverfahren der zu sichernde Anspruch selbst als Streitgegenstand zu Grunde. Deswegen sind im Hinblick auf die unterschiedlichen Rechtsschutzziele und Wirkungen beide Verfahren nebeneinander zulässig.
3. Die Erwirkung einer einstweiligen Verfügung zur einstweiligen Regelung des Rechtsverhältnisses in gesellschaftsrechtlichen Abberufungskonflikten ist anerkannt (Anschluss OLG Stuttgart, 26. Oktober 2005, 14 U 50/05, GmbHR 2006, 1258). Die einstweilige Regelung kann auch die Untersagung der Ausübung von Geschäftsführerbefugnissen umfassen (Anschluss KG Berlin, 11. August 2012, 23 U 114/11, GmbHR 2011, 1272 und BGH, 20. Dezember 1982, II ZR 110/82, BGHZ 86, 177).
4. Der Antragsteller verfolgt als Gesellschafter der GmbH einen aus §§ 823 Abs. 1 BGB i.V.m. 1004 Abs. 1 BGB analog herrührenden Anspruch der Gesellschaft im Wege der actio pro socio. Es handelt sich um einen quasinegatorischen Anspruch der Gesellschaft selbst auf Unterlassung von Eingriffen in ihren eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb.
5. In einer zweigliedrigen Gesellschaft, in der nur der abberufene Geschäftsführer alleinvertretungsberechtigt ist oder wenn eine etwaige Vertretungsmacht eines weiteren Geschäftsführer ebenfalls streitig ist, ist jedenfalls für das einstweilige Verfügungsverfahren die Handlungsunfähigkeit oder Handlungsunwilligkeit der Gesellschaft für eine Übergangszeit als gegeben anzusehen und der antragstellende Gesellschafter nicht auf die Herbeiführung einer Beschlussfassung nach § 46 Nr. 8 GmbHG zu verweisen.
Eintrag lesenOLG Dresden, Beschluss vom 18.12.2014 – 5 W 1326/14
Verfahrensaussetzung: Verlust der Prozessfähigkeit einer GmbH durch Abberufung des unter rechtlicher Betreuung stehenden Alleingesellschafter-Geschäftsführers
Die Rechtsprechung, wonach es regelmäßig wegen Rechtsmißbrauchs unwirksam ist, wenn sich der alleinige Gesellschafter einer GmbH seinen Pflichten als Geschäftsführer durch Beendigung seiner Tätigkeit entzieht, ohne einen neuen Geschäftsführer zu bestellen (vergleiche OLG München, 16. März 2011, 31 Wx 64/11, NJW-RR 2011, 773), lässt sich nicht ohne Weiteres auf den Fall übertragen, in welchem der Gesellschafter bei seiner Abberufung als Geschäftsführer in der Gesellschafterversammlung von seinem Betreuer vertreten wird.
Eintrag lesenOLG Karlsruhe, Urteil vom 19.02.2014 – 13 U 108/13
Macht ein Gesellschafter glaubhaft, durch vorsätzliche Täuschung zu dem Erwerb von Gesellschaftsanteilen veranlasst worden zu sein, insbesondere durch Bilanzmanipulationen auf der Grundlage von Scheingeschäften, die einen höheren Umsatz und Jahresüberschuss vorgetäuscht haben, kann zur Sicherung eines Schadensersatzanspruchs gegen die handelnden Organe der Gesellschaft der dingliche Arrest angeordnet werden.
Eintrag lesenLG Tübingen, Urteil vom 24. Januar 2014 – 21 O 33/13
Erbengemeinschaft I Wirksamkeit eines die Abberufung eines Miterben als Geschäftsführer betreffenden Gesellschafterbeschlusses
1. Hat der Erblasser die Miterben mit der Auflage beschwert, nach seinem Tod den Kläger zum Geschäftsführer der Beklagten zu bestellen, gehört die Geschäftsführerposition des Klägers zum Nachlass. Der als Geschäftsführer abberufene Kläger, der über die bestehende Miterbengemeinschaft an der Beklagten beteiligt ist und nicht über Geschäftsführer-Sonderrechte verfügt, kann sich dagegen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zur Wehr setzen (vgl. u.a. OLG Hamburg, Urteil vom 28. Juni 1991, 11 U 65/91, NJW 1992, 186).
2. In der Abberufung eines Miterben von der Geschäftsführerposition liegt eine Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung, da der Gesellschaftsanteil der Erbengemeinschaft sich dadurch nicht wesentlich verändert i.S.d. §§ 2038 Abs. 2, 745 Abs 3 BGB, da ein Substanzeingriff in den Gesellschaftsanteil mit einer solchen körperschaftlichen Organisationsmaßnahmen nicht verbunden ist (vgl. OLG Thüringen, Urteil vom 25. April 2012, 2 U 520/11).
3. Die unterbliebene Mitwirkung eines Miterben an der Beschlussfassung kann durch einen Mehrheitsbeschluss der Erbengemeinschaft überwunden werden, so dass das Innenrecht der Miterbengemeinschaft den Grundsatz der gemeinschaftlichen Rechtsausübung (§ 18 Abs. 1 GmbHG) überlagert.
4. Auch wenn es für die Abberufung des Klägers als Geschäftsführer keines wichtigen Grundes bedurfte, sind die Voraussetzungen des § 38 Abs. 2 GmbHG erfüllt, wenn das Verhältnis der Miterben untereinander – der Kläger auf der einen und die weiteren Miterben auf der anderen Seite – seit Jahren zerrüttet und ein massiver Vertrauensverlust eingetreten ist, was auch die hohe Anzahl der von den Parteien angestrengten Rechtsstreitigkeiten belegt.
5. Das Verhalten des Klägers, der den Konflikt auf dritte, bei der Beklagten beschäftigte Personen erstreckt und ein exzessives Informationsverlangen gezeigt hat, ist nicht hinnehmbar.
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