Streit über Wirksamkeit von Beschlüssen einer Hauptversammlung einer AG
Eintrag lesenGerichtsurteile und Gerichtsbeschlüsse für AktG § 243
BGH, Versäumnisurteil vom 11. Juli 2023 – II ZR 98/21
1. Beschlüsse einer Aktiengesellschaft, die gegen körperschaftsrechtliche Satzungsbestimmungen verstoßen und bei denen die für eine Satzungsänderung geltenden Formvorschriften nicht eingehalten werden, sind jedenfalls anfechtbar.
2. Ist die Anfechtungsklage zulässig erhoben, bedarf es im Hinblick auf dasselbe mit Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage verfolgte materielle Ziel, nämlich die richterliche Klärung der Nichtigkeit des Hauptversammlungsbeschlusses und somit seine Beseitigung mit Wirkung für und gegenüber jedermann, keiner Festlegung, ob der Satzungsverstoß zur Nichtigkeit oder nur zur Anfechtbarkeit führt.
Eintrag lesenOLG München, Endurteil vom 22. März 2023 – 7 U 1995/21
Nichtigkeit der Beschlüsse einer GmbH-Gesellschafterversammlung wegen Versammlungsdurchführung am fehlerhaften Versammlungsort
Analog § 121 Abs. 5 Satz 1 AktG sollen Gesellschafterversammlungen am Sitz der Gesellschaft stattfinden. Von der Sollbestimmung darf abgewichen werden, wenn am Sitz der Gesellschaft kein geeignetes Versammlungslokal vorhanden ist oder die Verkehrsverbindung dorthin gestört ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob mit den Räumlichkeiten der Gesellschaft oder in etwaig anzumietenden Räumlichkeiten eines Hotels eine auch unter Coronabedingungen geeignete Lokalität zur Verfügung stand und ob deren Nutzung für eine Gesellschafterversammlung nach den geltenden bayerischen Schutzvorschriften zur Bekämpfung der COVID-19 Pandemie zulässig war, sofern der Gesetzgeber sowohl zum Zeitpunkt der Einberufung der Gesellschafterversammlung als auch im Zeitpunkt der Durchführung der Gesellschafterversammlung im Hinblick auf die Pandemielage eine Regelung getroffen hatte, wie Gesellschafterbeschlüsse bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung trotz der getroffenen Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung gefasst werden können.
Eintrag lesenOLG Nürnberg, Urteil vom 11.08.2021 – 12 U 1149/18
1. Eine „isolierte“ Anfechtungsklage gegen einen Hauptversammlungsbeschluss einer Aktiengesellschaft, die sich lediglich gegen die Ermächtigung des Vorstandes richtet, im Rahmen der Ausnutzung genehmigten Kapitals (§ 202 Abs. 1 AktG) über den Ausschluss des Bezugsrechts von Aktionären zu entscheiden (§ 203 Abs. 2 Satz 1 AktG) ist zulässig. Die gleichzeitige Anfechtung auch der Ermächtigung des Vorstandes zur Kapitalerhöhung ist nach dem Rechtsgedanken des § 139 BGB nicht geboten.
2. Die Berichtspflicht des Vorstandes anlässlich des von der Hauptversammlung zu treffenden Ermächtigungsbeschlusses gemäß § 203 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 186 Abs. 4 Satz 2 AktG erfordert nicht, dass sämtliche denkbaren Gründe für einen Ausschluss des Bezugsrechts abschließend benannt werden.
3. Ein Hauptversammlungsbeschluss betreffend die Ermächtigung des Vorstandes, im Rahmen der Ausnutzung genehmigten Kapitals über den Ausschluss des Bezugsrechts von Aktionären zu entscheiden, bedarf lediglich insoweit der sachlichen Rechtfertigung, als diese Ermächtigung im wohlverstandenen Interesse der Gesellschaft liegen und der Hauptversammlung allgemein und in abstrakter Form bekannt gegeben werden muss (im Anschluss an BGH, Urteil vom 23. Juni 1997 – II ZR 132/93, BGHZ 136, 133 – Siemens/Nold). Eine konkrete Rechtfertigung des Bezugsrechtsausschlusses ist vom Vorstand erst im Zeitpunkt seiner Entscheidung über einen solchen Ausschluss aufgrund der ihm erteilten Ermächtigung zu prüfen.
4. Die Regelung des erleichterten Bezugsrechtsausschlusses gemäß § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG steht einem Hauptversammlungsbeschluss über die Ermächtigung, im Rahmen der Ausnutzung genehmigten Kapitals (§ 202 Abs. 1 AktG) über den Ausschluss des Bezugsrechts von Aktionären zu entscheiden (§ 203 Abs. 2 Satz 1 AktG), selbst dann nicht entgegen, wenn dieser Beschluss einen Bezugsrechtsausschluss in weitergehendem Umfang, als in § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG geregelt, ermöglicht.
Eintrag lesenKG Berlin, Beschluss vom 25. März 2021 – 12 AktG 1/21
Der Beschluss über eine Herabsetzung des Grundkapitals im vereinfachten Verfahren gemäß § 237 Abs. 3 Nr. 2 in Verbindung mit § 71 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AktG bedarf grundsätzlich keiner sachlichen Rechtfertigung. Es ist nicht zu beanstanden, wenn die Kapitalherabsetzung in Folge eines Delisting beschlossen werden soll, um der Aktiengesellschaft zu ermöglichen, selbst die von ihr emittierten Wertpapiere zu erwerben.
Eintrag lesenLG Köln, Urteil vom 04.03.2021 – 91 O 12/20
1. Die Anfechtung eines Hauptversammlungsbeschlusses ist begründet, wenn die Einberufung der Hauptversammlung unter Verstoß gegen die Satzung der Gesellschaft, wonach sich der Nachweis des Anteilsbesitzes auf den Beginn des 21. Tages vor der Versammlung beziehen muss, erfolgt. Soweit es sich bei einer Aktiengesellschaft nicht um eine börsenorientierte Aktiengesellschaft handelt, ist eine Verschiebung des Nachweisstichtages nach § 1 GesRuaCOVBekG auf den 12. Tag vor der Versammlung nicht möglich.
2. Aus einer fehlerhaften Angabe des Nachweisstichtages ergibt sich eine hinreichende Relevanz, um eine Anfechtung des Hauptversammlungsbeschlusses zu begründen, da es nicht entscheidend ist, inwieweit der Verstoß kausal für die auf der Hauptversammlung gefassten Beschlüsse gewesen ist, sondern maßgeblich ist vielmehr die Relevanz des Verfahrensverstoßes für das Mitgliedschafts- bzw. Mitwirkungsrecht eines Aktionärs im Sinne eines dem Beschluss anhaftenden Legitimationsdefizits. Denn, durch den Nachweisstichtag wird bestimmt, wer an der Hauptversammlung teilnehmen und abstimmen darf.
Eintrag lesenThüringer Oberlandesgericht, Urteil vom 25.03.2020 – 2 U 516/18
GmbH I Voraussetzungen für den Ausschluss eines Gesellschafters
1. Der Ausschluss eines GmbH-Gesellschafters ist gesetzlich nicht geregelt, in Übernahme des in § 314 Abs. 1 BGB normierten Rechtsgedankens gleichwohl aber möglich, wenn ein wichtiger Grund in der Person des Gesellschafters vorliegt, der dazu führt, dass dessen Verbleib für die Gesellschaft unzumutbar ist. Für die Begründetheit einer analog § 140 HGB zu erhebenden Ausschließungsklage kommt es ausschließlich auf das Vorliegen eines „wichtigen Grundes“ an.
2. Ein wichtiger Grund liegt u.a. vor bei nachhaltigen groben Pflichtverletzungen, die so schwer wiegen, dass nach umfassender Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles eine andere Lösung den übrigen Gesellschaftern nicht zumutbar ist oder auch bei einer Vielzahl kleinerer Pflichtverletzungen, die in ihrer Gesamtheit eine weitere Zusammenarbeit unzumutbar machen. Ein Verschulden des auszuschließenden Gesellschafters ist nicht erforderlich, dessen Vorliegen oder Fehlen im Rahmen der Abwägung aber zu berücksichtigen.
3. Immer erforderlich ist eine umfassende Prüfung aller Umstände des Einzelfalls und einer Gesamtabwägung der beteiligten Interessen sowie des Verhaltens der übrigen Gesellschafter (Anschluss BGH, Urteil vom 24. September 2013 – II ZR 216/11, WM 2013, 2223).
Eintrag lesenBGH, Urteil vom 17. Oktober 1988 – II ZR 18/88
Änderung des Teilnahmerechts an Gesellschafterversammlung der GmbH durch Satzungsänderung (hier für kommunale Behörden); Anfechtungsmöglichkeit
1. Die Satzung einer GmbH kann das Teilnahmerecht ihrer Gesellschaft grundsätzlich in der Weise regeln, daß jeder Gesellschafter nur einen Vertreter in die Gesellschafterversammlung entsenden darf. Eine solche Teilnahmeregelung kann, jedenfalls wenn sie anerkennenswerten Interessen der Gesellschaft dient, auch nachträglich durch Satzungsänderung eingeführt werden.
2. Zur Anfechtung von Gesellschafterbeschlüssen der GmbH.
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