Zum Vorliegen einer Gehörsverletzung bei unterbliebener ausdrücklicher Auseinandersetzung mit zentralem Parteivortrag im Urteil.
Eintrag lesenGerichtsurteile und Gerichtsbeschlüsse für Art. 103 Abs. 1 GG
BGH, Beschluss vom 27. Januar 2022 – III ZR 195/20
Möchte ein Gericht von ihm dem Internet entnommene Tatsachen als offenkundig im Sinne des § 291 ZPO seinem Urteil zugrunde legen, muss es den Parteien durch einen Hinweis die Möglichkeit zur Stellungnahme geben. Ein Hinweis kann nur dann unterbleiben, wenn es sich um Umstände handelt, die den Parteien ohne Weiteres gegenwärtig sind und von deren Entscheidungserheblichkeit sie wissen (Fortführung von BGH, Urteile vom 8. Oktober 1959 – VII ZR 87/58, BGHZ 31, 43, 45 und vom 6. Mai 1993 – I ZR 84/91, NJW-RR 1993, 1122, 1123; Beschluss vom 7. Mai 2020 – IX ZB 84/19, NJW-RR 2020, 868 Rn. 15).
Eintrag lesenBGH, Beschluss vom 28. Januar 2021 – III ZR 157/19
Entnahme von Kapital in erheblichem Umfang aus einem Kapitalanlagemodell durch den Betreiber I Aufklärungspflicht gegenüber den Investoren mit noch ausstehenden Ratenzahlungen; Schadensersatzanspruch wegen Schutzgesetzverletzung und vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung auch wegen Wertminderung der Beteiligung
1. Den Betreibern eines Anlagemodells, die diesem Anlagemodell nach der Zeichnung durch die Anleger Kapital in erheblichem Umfang zu eigenen Zwecken entziehen, haben eine Garantenpflicht aus Ingerenz, aus der sich die Verpflichtung ergibt, zumindest die Investoren, die noch künftig Raten zu zahlen haben, über die erfolgte Kapitalentziehung aufzuklären (Festhaltung BGH, 8. März 2017, 1 StR 466/16, BGHSt 62, 72).
2. Bei Nichterfüllung der Aufklärungspflicht kann den betroffenen Investoren ein Schadensersatzanspruch wegen Betrugs durch Unterlassen (§ 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB) zustehen.
3. Die betroffenen Investoren können Ersatz ihres Ratenzahlungsschadens auch aus § 826 BGB beanspruchen, da sich Schädigungsbewusstsein und -wille des Betreibers des Anlagemodells bei der „Ausplünderung“ des Fonds zumindest bedingt auch auf dessen Anleger als mittelbar Geschädigte bezogen haben und die Schädigung im Verhältnis zu diesen ebenfalls sittenwidrig gewesen ist.
4. Die Investoren haben wegen der Wertminderung der Beteiligung dem Grunde nach einen Anspruch aus § 826 BGB und aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit Untreue (§ 266 Abs. 1 StGB), denn auch die Schädigung des Vermögens einer (Kommandit-)Gesellschaft kann zu einem Vermögensnachteil im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB führen, wenn sie gleichzeitig das Vermögen der Gesellschafter berührt, sich also – was bei nicht wertentsprechend ausgeglichenen Entnahmen aus dem Fondsvermögen regelmäßig anzunehmen ist – auch nachteilig auf deren Vermögen auswirkt.
Eintrag lesenBGH, Beschluss vom 28. Juli 2020 – II ZR 20/20
Art. 103 Abs. 1 GG Tenor Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers wird das Urteil des Einzelrichters des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 9. Januar 2020 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung […]
Eintrag lesenBGH, Beschluss vom 7. November 2017 – VI ZR 173/17
GG Art. 103 Abs. 1; ZPO § 544 Abs. 7 Das Gericht verletzt den Anspruch der Partei auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG, wenn es bei seiner Annahme, ein Behandlungsfehler sei nicht […]
Eintrag lesenBGH, Urteil vom 12. Oktober 2016 – 5 StR 134/15
Strafbarkeit von Vorstandsmitgliedern einer Bank-AG I Untreue bei Verletzung gesellschaftsrechtlicher Pflichten durch sorgfaltswidrige Überschreitung der Grenzen des unternehmerischen Ermessens I Straftatbestand der Informationspflichtverletzung bei unrichtiger Darstellung der Geschäftsverhältnisse
1. Sind durch ein Handeln von Vorstandsmitgliedern einer Bank (hier: indem sie auf Grundlage unzureichender Informationen dem Abschluss von Finanzgeschäften zustimmten, welche der Verbesserung der Eigenkapitalquote dienen sollten, und dadurch der Bank einen Vermögensnachteil zufügten) die in § 93 Abs. 1 AktG normierten äußersten Grenzen unternehmerischen Ermessens überschritten und ist damit eine Hauptpflicht gegenüber dem zu betreuenden Unternehmen verletzt worden, so liegt eine Verletzung gesellschaftsrechtlicher Pflichten vor, die gleichsam „automatisch“ so gravierend ist, dass sie zugleich eine Pflichtwidrigkeit im Sinne von § 266 StGB begründet (Festhaltung BGH, 22. November 2005, 1 StR 571/04, NStZ 2006, 221).
2. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG definiert einen „sicheren Hafen“; d.h., die Einhaltung seiner Voraussetzungen schließt eine Pflichtverletzung aus. Umgekehrt begründet die Überschreitung seiner Grenzen durch einen Verstoß gegen Informationspflichten allein noch keine Pflichtverletzung. Vielmehr ist auch dann pflichtgemäßes Handeln nach § 93 Abs. 1 S. 1 AktG möglich; allerdings indiziert der Verstoß gegen § 93 Abs. 1 S. 2 AktG eine Pflichtverletzung.
3. Um Informationspflichten zu genügen, müssen grundsätzlich in der konkreten Entscheidungssituation alle verfügbaren Informationsquellen tatsächlicher und rechtlicher Art ausgeschöpft werden, um auf dieser Grundlage die Vor- und Nachteile der bestehenden Handlungsoptionen sorgfältig abzuschätzen und den erkennbaren Risiken Rechnung zu tragen.
4. Das abstrakte Gefährdungsdelikt des § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG bedarf einer einschränkenden Auslegung. Die Vorschrift dient dem Schutz von Aktionären und dritten Personen, die zu der Aktiengesellschaft in rechtlicher oder wirtschaftlicher Beziehung stehen oder in eine solche Beziehung treten wollen und deshalb an dem Vermögensstand, den Verhältnissen und der Vertrauenswürdigkeit der Gesellschaft interessiert sind. Angesichts dieses Schutzzwecks sind Erklärungen aus dem Tatbestand auszuschließen, die bei abstrakter Betrachtungsweise für eine Entscheidung der geschützten Personen, mit der Gesellschaft in rechtliche oder wirtschaftliche Beziehungen zu treten, nicht relevant sind.
Eintrag lesenBGH, Beschluss vom 3. März 2015 – VI ZR 490/13
GG Art. 103 Abs. 1; ZPO § 531 a) Art. 103 Abs. 1 GG ist dann verletzt, wenn der Tatrichter Angriffs- oder Verteidigungsmittel einer Partei in offenkundig fehlerhafter Anwendung einer Präklusionsvorschrift zu Unrecht für ausgeschlossen […]
Eintrag lesenOLG München, Urteil vom 25.10.2012 – 23 U 2047/12
Rechtliches Gehör im Rechtsstreit zwischen einem gekündigten Versicherungsvertreter und einer Versicherungsgesellschaft I Abgrenzung zwischen Beweisangebot und Ausforschungsbeweis I verfahrensfehlerhafte Ablehnung eines Zeugenbeweises
1. Ein ausreichendes Beweisangebot liegt vor, wenn eine Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht zu begründen; unerheblich ist, ob die Darstellung der Partei wahrscheinlich ist. Der Beweisführer ist grundsätzlich nicht gehindert, Tatsachen zu behaupten, über die er keine genaue Kenntnis hat, die er aber nach Lage der Dinge für wahrscheinlich hält. Ein unzulässiger Ausforschungsbeweis liegt erst vor, wenn der Beweisführer ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich Behauptungen „aufs Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ aufstellt.
2. Macht der Kläger als Versicherungsvertreter eine Freistellungsentschädigung nach fristloser Kündigung wegen behaupteten Abwerbens von Versicherungsnehmern geltend, und ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die von der beklagten Versicherungsgesellschaft als Zeugen angebotenen Versicherungsnehmer aus dem Bestand des Klägers stammen, ihre Versicherungen bei der Beklagten gekündigt haben und zu der Versicherungsgesellschaft, für die der Kläger nunmehr tätig ist, gewechselt sind, so liegen tatsächliche Anhaltspunkte für eine Abwerbetätigkeit des Klägers vor. Die Ablehnung der vom beklagten Versicherer beantragten Vernehmung der Versicherungsnehmer als Zeugen mit der Begründung, eine Vernehmung wäre eine bloße Ausforschung, stellt daher eine verfahrensfehlerhafte Verletzung des rechtlichen Gehörs des Beklagten dar.
Eintrag lesenBGH, Beschluss vom 16. Juli 2010 – II ZB 12/09
AktG § 246Bitte wählen Sie ein Schlagwort:AktGAktG § 246; ZPO §§ 69, 233, 517; a) Die Berufungsfrist beginnt für den Streithelfer, der im ersten Rechtszug nicht beigetreten ist, mit der Zustellung des Urteils an die Hauptpartei. […]
Eintrag lesenBGH, Beschluss vom 14. Juni 2010 – II ZR 135/09
BGB §§ 133, 157, 705, 738; GG Art. 103 Der Anspruch einer Partei auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) wird in entscheidungserheblicher Weise verletzt, wenn das Gericht seiner Entscheidung den „Normalfall“ einer […]
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