Für schädigendens Verhalten als sittenwidrig im Sinne von § 826 BGB ist in einer Gesamtschau dessen Gesamtcharakter zu ermitteln und das gesamte Verhalten des Schädigers bis zum Eintritt des Schadens beim konkreten Geschädigten zugrunde zu legen.
Eintrag lesenGerichtsurteile und Gerichtsbeschlüsse für BGB § 826
BGH, Versäumnisurteil vom 04. Februar 2021 – III ZR 7/20
Haftung für fehlgeschlagene Kapitalanlage: Vorsätzliche sittenwidrige Schädigung und Schutzgesetzverletzung bei sog. Schneeballsystem; Umfang der Darlegungslast des Geschädigten und sekundäre Darlegungslast des Gegners
1. Ist vorhersehbar, dass bei einem Anlagemodell die den Anlegern versprochene Rendite nicht aus den Erträgen des Anlageobjekts, sondern aus den Einlagen weiterer Anleger bedient werden wird (sogenanntes „Schneeballsystem“), erfüllt dies regelmäßig sowohl die Voraussetzungen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung gemäß § 826 BGB als auch diejenigen eines Eingehungsbetrugs gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB.
2. Der Geschädigte genügt seiner Darlegungslast regelmäßig bereits dadurch, dass er Umstände vorträgt, die das (weitere) Betreiben eines solchen „Schneeballsystems“ als naheliegend erscheinen lassen. Den Gegner trifft in solchen Fällen eine sekundäre Darlegungslast. Er hat sich im Rahmen der ihm nach § 138 Abs. 2 ZPO obliegenden Erklärungspflicht zu den Behauptungen der beweispflichtigen Partei zu äußern; anderenfalls gilt das Vorbringen des Geschädigten als zugestanden (§ 138 Abs. 3 ZPO).
Eintrag lesenBGH, Beschluss vom 28. Januar 2021 – III ZR 157/19
Entnahme von Kapital in erheblichem Umfang aus einem Kapitalanlagemodell durch den Betreiber I Aufklärungspflicht gegenüber den Investoren mit noch ausstehenden Ratenzahlungen; Schadensersatzanspruch wegen Schutzgesetzverletzung und vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung auch wegen Wertminderung der Beteiligung
1. Den Betreibern eines Anlagemodells, die diesem Anlagemodell nach der Zeichnung durch die Anleger Kapital in erheblichem Umfang zu eigenen Zwecken entziehen, haben eine Garantenpflicht aus Ingerenz, aus der sich die Verpflichtung ergibt, zumindest die Investoren, die noch künftig Raten zu zahlen haben, über die erfolgte Kapitalentziehung aufzuklären (Festhaltung BGH, 8. März 2017, 1 StR 466/16, BGHSt 62, 72).
2. Bei Nichterfüllung der Aufklärungspflicht kann den betroffenen Investoren ein Schadensersatzanspruch wegen Betrugs durch Unterlassen (§ 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB) zustehen.
3. Die betroffenen Investoren können Ersatz ihres Ratenzahlungsschadens auch aus § 826 BGB beanspruchen, da sich Schädigungsbewusstsein und -wille des Betreibers des Anlagemodells bei der „Ausplünderung“ des Fonds zumindest bedingt auch auf dessen Anleger als mittelbar Geschädigte bezogen haben und die Schädigung im Verhältnis zu diesen ebenfalls sittenwidrig gewesen ist.
4. Die Investoren haben wegen der Wertminderung der Beteiligung dem Grunde nach einen Anspruch aus § 826 BGB und aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit Untreue (§ 266 Abs. 1 StGB), denn auch die Schädigung des Vermögens einer (Kommandit-)Gesellschaft kann zu einem Vermögensnachteil im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB führen, wenn sie gleichzeitig das Vermögen der Gesellschafter berührt, sich also – was bei nicht wertentsprechend ausgeglichenen Entnahmen aus dem Fondsvermögen regelmäßig anzunehmen ist – auch nachteilig auf deren Vermögen auswirkt.
Eintrag lesenOLG Brandenburg, Urteil vom 08.07.2020 – 7 U 26/19
Genossenschaft I Haftung des Vorstandes bei satzungswidriger Darlehensgewährung auf Schadensersatz
1. Der Vorstand einer Genossenschaft hat die Geschäfte der Genossenschaft im Einklang mit Gesetz und Satzung ordentlich und gewissenhaft zu führen. (Rn.27)
2. Hat der Vorstand der Genossenschaft die Entscheidung über eine Darlehensgewährung unter Missachtung der Zuständigkeits- und Beteiligungsregelungen der Genossenschaft getroffen, weil die Entscheidung über die Bewilligung des Darlehens nicht satzungsgemäß von mindestens zwei Vorstandsmitgliedern getroffen worden ist, so ist der Vorstand der Genossenschaft zum Ersatz des darauf entstandenen Schadens verpflichtet. (Rn.31)
3. Dasselbe gilt, wenn der Vorstand den Aufsichtsrat nicht wie in der Satzung vorgesehen über die beabsichtigte Darlehensvergabe informiert hat. (Rn.32)
4. Im Rahmen der Bemessung des Schadensersatzes hat der Vorstand die Genossenschaft so zu stellen, wie wenn er seine Pflichten erfüllt hätte, d.h. der als Darlehen ausgereichte Betrag ist zu erstatten. (Rn.39)
Eintrag lesenBGH, Urteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19
BGB § 826Bitte wählen Sie ein Schlagwort:BGBBGB § 826 E, Ga, H a) Es steht wertungsmäßig einer unmittelbaren arglistigen Täuschung der Fahrzeugkäufer gleich, wenn ein Fahrzeughersteller im Rahmen einer von ihm bei der Motorenentwicklung getroffenen […]
Eintrag lesenBGH, Urteil vom 04. März 2020 – 5 StR 395/19
Untreue I Schädigung des Gesamthandsvermögens einer GmbH & Co. KG
1. Auch ein zivilrechtlich unwirksames Rechtsverhältnis zur Betreuung fremder Vermögensinteressen kann eine entsprechende Vermögensbetreuungspflicht begründen, wenn ein tatsächliches Herrschaftsverhältnis über fremdes Vermögen gegeben ist.
2. Eine Schädigung des Gesamthandsvermögens einer Kommanditgesellschaft kann im Rahmen von § 266 StGB nur insoweit Bedeutung haben, als gleichzeitig das Vermögen der Gesellschafter berührt ist (Festhaltung BGH, 23. Februar 2012, 1 StR 586/11, NStZ 2013, 389).
3. Ist im Hinblick auf die Rahmenumstände im Tatzeitpunkt der tatsächliche Eintritt eines Schadens zu erwarten, so ist bei der sich aus der Eintrittswahrscheinlichkeit ergebenden Vermögensminderung von einem Unmittelbarkeitszusammenhang zwischen Pflichtwidrigkeit und Nachteil auszugehen (Festhaltung BGH, 16. August 2016, 4 StR 163/16, NJW 2016, 3253).
Eintrag lesenOLG Düsseldorf, Urteil vom 20. Dezember 2019 – I-17 U 22/18
1. Die Entlastung der Geschäftsführer in einer GmbH i.S.d. § 46 Nr. 5 Alt. 3 GmbHG umfasst zugleich die Billigung der Geschäftsführung für den in der Vergangenheit liegenden Entlastungszeitraum und einen Vertrauensbeweis für die Zukunft. Sie ist Bestandteil der allgemeinen Aufsicht der Gesellschafter über die Geschäftsführer und hängt deshalb mit der Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung für die Prüfung und Überwachung der Geschäftsführung gemäß § 46 Nr. 6 GmbHG eng zusammen.
2. Da die Gesellschafter in der Regel außerstande sein werden, eigene Prüfungsmaßnahmen durchzuführen und ihnen solche Maßnahmen auch nicht indirekt zugemutet werden sollen, umfasst die Verzichtswirkung der Entlastung in tatsächlicher Hinsicht nur solche Ansprüche gegen die Geschäftsführer, die auf Tatsachen beruhen, die der Gesellschafterversammlung bei ihrer Entscheidung entweder positiv bekannt oder für diese bei sorgfältiger Prüfung zumindest erkennbar waren.
3. Kommt es bei einem Entlastungsbeschluss auf die Kenntnisse aller Mitglieder des für die Entlastung zuständigen Gremiums, hier der GmbH-Gesellschafterversammlung, an und besteht dieses nur aus einem Alleingesellschafter, dann ist auf die Kenntnis des organschaftlichen Vertreters des Alleingesellschafters abzustellen. Sein Wissen ist analog § 166 Abs. 1 BGB zuzurechnen.
4. Ist für die Präklusionswirkung des Entlastungsbeschlusses auf die mögliche Kenntnis bei umfassender Prüfung abzustellen, können Informationen aus dem Prüfbericht eines Abschlussprüfers für den Jahresabschluss Berücksichtigung finden, wenn wegen der gesetzlichen und satzungsgemäßen Pflichten im Rahmen eines Aufsichtsratsmandats oder aufgrund von Sonderwissen eine eigene Verpflichtung zur vertieften Überprüfung bestand.
5. Ein Schadenseintritt nach Abschluss eines Dienstleistungsvertrages (hier: Beratervertrags) wegen nicht erbrachter Leistungen und gleichwohl erfolgter Honorarzahlungen bestimmt sich anhand der vereinbarten Leistungspflicht. Wurde weder ein konkreter Aufwand vereinbart und fehlt es an einer Vereinbarung hinsichtlich eines konkreten Erfolgs, ist eine konkrete Nachberechnung der Leistung des Vertragspartners nicht möglich.
LG Leipzig, Urteil vom 10. September 2019 – 5 O 1679/18
Zur Haftung eines GmbH-Geschäftsführers im Rahmen des durch seine Verpflichtung zur selbständigen Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen begründeten Treueverhältnisses; zu den Anforderungen an eine deliktische Haftung des Geschäftsführers nach §§ 823 Abs. 2 BGB, 266 StGB (Treuebruchtatbestand).
1. Ein Geschäftsführer einer GmbH kann seine ihm nach § 43 GmbHG obliegenden Pflichten verletzt haben, indem er der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes zuwider eine dauerhafte Weiterbezahlung seiner Ehefrau ohne adäquate Gegenleistung veranlasst hat. Im Verhältnis zur GmbH obliegt ihm als deren Geschäftsführer eine Treuepflicht im Hinblick auf das Gesellschaftsvermögen als für ihn fremdes Vermögen. Das von ihm behauptete Einverständnis anderer Gesellschafter bzw. Geschäftsführer kann ein ungetreues und strafbares Verhalten des Geschäftsführers gegenüber der mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestatteten Gesellschaft nicht ausschließen und berührt nicht die Organhaftung des Geschäftsführers im Außenverhältnis gegenüber der Gesellschaft.
2. Eine GmbH kann gegen einen früheren Geschäftsführer einen Anspruch auf Rückzahlung der monatlichen Tantiemezahlungen wegen schuldhafter Verletzung der ihm als Geschäftsführer obliegenden Pflichten gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG (sowie §§ 280 Abs. 1 BGB, 611 BGB) als auch aus unerlaubter Handlung, §§ 823 Abs. 2 BGB, 266 StGB haben, wenn sich der Geschäftsführer entgegen des eindeutigen Wortlauts des Geschäftsführervertrages willkürlich Vermögen der Gesellschaft auszahlen lassen hat.
3. Ein früherer Geschäftsführer haftet neben § 43 Abs. 2 GmbHG, § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB auch nach §§ 823 Abs. 2 BGB, 266 StGB, wenn er mit dem Einsatz von Gesellschaftsmitteln zu eigennützigen Zwecken privater Vereinsmitgliedschaften entgegen seinen gesellschaftsrechtlichen Verpflichtungen als Geschäftsführer unzulässigen Privatentnahmen getätigt und damit seine Treuepflichten gegenüber der GmbH verletzt hat.
4. Ein Geschäftsführer kann zudem Erstattung der über das Konto der GmbH bezahlten Bewirtungs- und Spirituosenkosten aus § 43 Abs. 2 GmbHG sowie aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 266 StGB schulden, wenn mit der Belastung der GmbH mit privat veranlassten Bewirtungs- und Spirituosenkosten in großem Stil unzulässige Privatentnahmen getätigt und die Vermögensinteressen der GmbH missachtet und ihr Schaden zugefügt hat.
Eintrag lesenOLG Stuttgart, Urteil vom 07.03.2019 – 14 U 26/16
Konkurrenzverbot für einen Minderheitsgesellschafter
1. Auch ein umfassendes gesellschaftsvertragliches Konkurrenzverbot für einen Minderheitsgesellschafter unterliegt einer Abwägung mit der grundgesetzlich geschützten Berufsausübungsfreiheit. Es ist jedenfalls dann unwirksam, wenn der Minderheitsgesellschafter sein Anstellungsverhältnis als leitender Mitarbeiter der Gesellschaft vor Ablauf der für das Gesellschaftsverhältnis satzungsrechtlich vorgesehenen Kündigungsfrist wirksam beendet hat und eine fortbestehende Gefahr der „Aushöhlung“ der Gesellschaft nicht feststellbar ist.
2. Für einen Schadensersatzanspruch nach den Grundsätzen der sog. „Geschäftschancenlehre“ bei Planungsleistungen für öffentliche Auftraggeber bedarf es besonderer Darlegungen, um die behaupteten Folgeprojekte als der Gesellschaft zugeordnet schlüssig annehmen zu können. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Beauftragung (bislang) nur auf einzelne Leistungsphasen beschränkt erfolgte und (Folge-)Aufträge in Anwendung öffentlicher Vergaberegeln zur Erhaltung des Wettbewerbs vergeben wurden.
Eintrag lesenLG Krefeld, Urteil vom 23. Januar 2019 – 2 O 200/18
Ein existenzvernichtender Eingriff ist gegeben, wenn von einer GmbH die inländischen Kunden und damit das Kerngeschäft übernommen werden, zudem der Geschäftsführer und das sonstige Personal sowie die Geschäftsräume, Produktionsanlagen und die Internetseite. Dies gilt auch, wenn bei der GmbH ein Warenbestand, Forderungen und eine Liquidität nebst Verbindlichkeiten verbleiben. Ein existenzvernichtender Eingriff führt zu einer Haftung des Verursachers wegen eines Verstoßes gegen die guten Sitten. Deswegen ist es für die Entstehung eines solchen Schadens nicht kausal, wenn die in diesem Sinne beratenden Rechtsanwälte nicht dafür gesorgt haben, dass vor der Geschäftsübernahme ein Haftungsausschluss im Handelsregister eingetragen wird.
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