Zur Frage der Geschäftsführerhaftung gem. § 64 Satz 1 GmbHG nach Insolvenz, wenn eine Überschuldung eines Unternehmens zunächst durch eine Verlustdeckungszusage des Mutterkonzerns ausgeschlossen war.
Eintrag lesenGerichtsurteile und Gerichtsbeschlüsse für Geschäftsführerhaftung GmbH
OLG Hamburg, Urteil vom 17.09.2021 – 11 U 71/20
1. Der Geschäftsführer einer geschäftsführenden Kommanditisten-GmbH haftet gegenüber der GmbH & Co KG grundsätzlich nach denselben Grundsätzen wie der Geschäftsführer einer Komplementär-GmbH.
2. Jedenfalls dann, wenn im Zusammenhang mit der behaupteten Pflichtverletzung kein Interessenkonflikt des Geschäftsführers der geschäftsführenden Kommanditistin bestand, kommt es nicht darauf an, dass er noch in weiteren Gesellschaften als Geschäftsführer eingesetzt war.
3. Ein völlig untätiger Geschäftsführer darf sich nicht darauf zurückziehen, dass seine Mitgeschäftsführer ohnehin nicht auf ihn gehört hätten, solange es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass schon vorherige Interventionen durch ihn oder dritte Personen diese nicht davon abgehalten haben, die Gesellschaft vorsätzlich sittenwidrig zu schädigen (Abgrenzung von OLG Hamburg, Urteil vom 29. März 2018 – 11 U 174/16).
Eintrag lesenBGH, Urteil vom 27. Juli 2021 – II ZR 164/20
1. Die vorsätzliche Insolvenzverschleppung in der Absicht, das als unabwendbar erkannte Ende eines Unternehmens so lange wie möglich hinauszuzögern, erfüllt den Tatbestand einer sittenwidrigen Schädigung i.S.d. § 826 BGB, wenn dabei die Schädigung der Unternehmensgläubiger billigend in Kauf genommen wird.
2. Der Schutzbereich einer vorsätzlich sittenwidrigen Insolvenzverschleppung erfasst Personen, die vor Insolvenzreife in Vertragsbeziehungen mit einer GmbH getreten sind und durch einen gegen die mittlerweile unerkannt insolvenzreife Gesellschaft eingeleiteten Rechtsstreit oder ein gegen diese eingeleitetes selbständiges Beweisverfahren mit Kosten belastet werden, für die sie bei der Gesellschaft keinen Ersatz erlangen können.
Eintrag lesenBGH, Beschluss vom 22. Juni 2021 – II ZR 140/20
1. Wird im Rahmen einer Stufenklage einer GmbH auf Schadensersatz gegen den (ehemaligen) Geschäftsführer ein Umstand aus dem Einflussbereich des Geschäftsführers unter Beweis gestellt (hier: Kenntnis des Geschäftsführers von einer Mitarbeiterversammlung), kann die klagende GmbH ihre Behauptungen auch lediglich auf vermutete Tatsachen stützen.
2. Das Gericht überspannt die Anforderungen an die Darlegungslast des Beweispflichtigen, wenn er weitere Tatsachen vorbringen soll, hinsichtlich derer er typischerweise in Beweisnot ist.
3. Die Pflicht des Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung gegenüber der Gesellschaft gemäß § 666 BGB i.V.m. §§ 675, 611 BGB Auskunft zu erteilen besteht auch nach der Abberufung des Geschäftsführers und Beendigung des Geschäftsführeranstellungsvertrags fort.
4. Der Auskunftsanspruch nach § 666 BGB stellt lediglich eine aus dem Auftragsverhältnis folgende unselbstständige Nebenpflicht dar. Hieraus ergibt sich, dass der Anspruch grundsätzlich von dem Auftrag beziehungsweise Geschäftsbesorgungsvertrag abhängig ist, dessen Absicherung er dient. Inhalt und Grenzen der Auskunftspflicht müssen sich stets auf das konkrete Rechtsverhältnis beziehen und haben sich auf dieser Grundlage nach Treu und Glauben am Maßstab der Erforderlichkeit und Zumutbarkeit zu orientieren.
5. Im Haftungsprozess gegen den ehemaligen Geschäftsführer trägt dieser zwar die Darlegungs- und Beweislast für sein pflichtgemäßes Verhalten. Ein Auskunftsinteresse ergibt sich aber ungeachtet dessen aus dem begründeten Verdacht einer Pflichtverletzung und der Wahrscheinlichkeit eines daraus resultierenden Schadens.
Eintrag lesenBGH, Urteil vom 20. April 2021 – II ZR 387/18
Eine Vereinbarung über Ansprüche aus § 64 Satz 1 GmbHG a.F. unterliegt auch dann dem Verzichts- und Vergleichsverbot, wenn ihr der vorläufige Insolvenzverwalter nach Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts zugestimmt hat.
Eintrag lesenLG Wuppertal, Urteil vom 18. März 2021 – 13 O 4/19
1. Der Kundenstamm und die Kundenbeziehungen sind dem Unternehmer nicht in der Weise als Vermögensgegenstand zugeordnet, dass Mitbewerber hierauf nicht zugreifen dürften. Das Abwerben von Kunden gehört zum Wesen des Wettbewerbs, auch wenn die Kunden noch an den Mitbewerber gebunden sind. Das Bestimmen zur ordnungsgemäßen Vertragsauflösung unter Beachtung der gesetzlichen oder vertraglichen Kündigungsfristen ist daher wettbewerbsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden. Wettbewerbswidrig wird ein Einbrechen in fremde Vertragsbeziehungen erst dann, wenn besondere Unlauterkeitsumstände hinzutreten (vgl. u.a. BGH, 22. April 2004, I ZR 303/01).(Rn.47)
2. Solche Umstände liegen im Einzelfall vor, wenn zur Kontaktaufnahme mit Kunden anvertraute Geschäftsgeheimnisse zweckwidrig zu eigenen Wettbewerbszwecken verwendet werden.
Eintrag lesenBGH, Versäumnisurteil vom 04. Februar 2021 – III ZR 7/20
Haftung für fehlgeschlagene Kapitalanlage: Vorsätzliche sittenwidrige Schädigung und Schutzgesetzverletzung bei sog. Schneeballsystem; Umfang der Darlegungslast des Geschädigten und sekundäre Darlegungslast des Gegners
1. Ist vorhersehbar, dass bei einem Anlagemodell die den Anlegern versprochene Rendite nicht aus den Erträgen des Anlageobjekts, sondern aus den Einlagen weiterer Anleger bedient werden wird (sogenanntes „Schneeballsystem“), erfüllt dies regelmäßig sowohl die Voraussetzungen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung gemäß § 826 BGB als auch diejenigen eines Eingehungsbetrugs gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB.
2. Der Geschädigte genügt seiner Darlegungslast regelmäßig bereits dadurch, dass er Umstände vorträgt, die das (weitere) Betreiben eines solchen „Schneeballsystems“ als naheliegend erscheinen lassen. Den Gegner trifft in solchen Fällen eine sekundäre Darlegungslast. Er hat sich im Rahmen der ihm nach § 138 Abs. 2 ZPO obliegenden Erklärungspflicht zu den Behauptungen der beweispflichtigen Partei zu äußern; anderenfalls gilt das Vorbringen des Geschädigten als zugestanden (§ 138 Abs. 3 ZPO).
Eintrag lesenBGH, Urteil vom 22. September 2020 – II ZR 141/19
1. Die vorbehaltlose Entlastung der Komplementärin einer GmbH & Co. KG durch ihre Mitgesellschafter bewirkt zugleich die Entlastung des Geschäftsführers der Komplementär-GmbH im Verhältnis zur Kommanditgesellschaft.
2. Der Geschäftsführer der Komplementärin einer personalistisch strukturierten GmbH & Co. KG hat bei der Führung der Geschäfte der Gesellschaft auch dann die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden, wenn er Gesellschafter der Kommanditgesellschaft ist.
Eintrag lesenBGH, Versäumnisurteil vom 3. September 2020 – III ZR 56/19
Zur Auslegung der gegenüber einem Gesellschaftsgläubiger erklärten Zahlungszusage des Geschäftsführers einer zahlungsunfähigen GmbH als Schuldbeitritt (Anschluss an BGH, Urteil vom 19. September 1985 – VII ZR 338/84, NJW 1986, 580).
Eintrag lesenLG Berlin, Urteil vom 05. Mai 2020 – 15 O 107/18
Wettbewerbsverstoß im Internet: Anwendbarkeit deutschen Rechts; irreführende Werbung für einen Onlineshop mit dem Geschäftsmodell des Abschlusses von Mietverträgen für IT-Geräte; persönliche Haftung des Geschäftsführers einer deutschen Dienstleistungs-GmbH
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