Die Gesellschafter einer GmbH bestimmen über die Angelegenheiten der Gesellschaft. Sie fassen Beschlüsse mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Zuvor müssen alle Gesellschafter die Gelegenheit erhalten, an der gesellschaftsinternen Willensbildung mitzuwirken. Die Gesellschafterversammlung verlangt ein […]
Eintrag lesenGerichtsurteile und Gerichtsbeschlüsse für Gesellschafterstreit vor Gericht
OLG Hamm, Urteil vom 19.06.2023 – 8 U 21/23
Zur Ausschließung eines Kommanditisten aus Kommanditgesellschaft I einstweilige Verfügung
1. Der durch Mehrheitsbeschluss aus einer Kommanditgesellschaft ausgeschlossene Kommanditist kann unter Umständen im Wege der einstweiligen Verfügung verlangen, bis zur Entscheidung in der Hauptsache weiterhin als Gesellschafter behandelt zu werden.
2. Die Wahl des Ortes für die Durchführung der Gesellschafterversammlung einer Kommanditgesellschaft darf nicht willkürlich oder schikanös für einen Gesellschafter sein. Ein solcher Fall liegt nicht vor, wenn als Ort zwar ein Konferenzraum in Geschäftsräumen ausgewählt wird, die einer Seite der zerstrittenen Gesellschafter zuzuordnen sind, dies aber in der Vergangenheit wiederholt praktiziert wurde und hierfür sachlich Gründe sprechen.
3. Zum wichtigen Grund, der die Ausschließung eines Gesellschafters aus einer Kommanditgesellschaft rechtfertigen kann.
Eintrag lesenKG Berlin, Beschluss vom 17.05.2023 – 2 U 159/21
COVID-Erleichterungen für das im Umlaufverfahren gelten auch für GmbH mit Satzungsbestimmungen zum Umlaufverfahren
Die in § 2 COVMG in Abweichung von § 48 Abs. 2 GmbHG vorgesehenen Erleichterungen für die Beschlussfassung im Umlaufverfahren (hier: Beschlussfassung durch schriftliche Abgabe der Stimmen auch ohne Einverständnis aller Gesellschafter) sind nicht auf solche GmbH beschränkt, in deren Satzung noch gar keine Regelung für Umlaufbeschlüsse vorgesehen ist (entgegen LG Stuttgart, Urteil vom 25.1.2021 – 44 O 52/20 KfH -, Rn. 36 nach juris). Es wäre mit der Zielsetzung der COVID-Sondergesetzgebung nicht zu vereinbaren, würde gerade bei Gesellschaften, die sich für Umlaufbeschlüsse bereits grundsätzlich geöffnet und damit in gewissem Sinne Vorsorge getroffen haben, eine COVID-bedingte Handlungsunfähigkeit hingenommen, während sie bei Gesellschaften ohne solche Vorkehrungen vom Gesetzgeber behoben worden ist.
Die in § 2 COVMG in Abweichung von § 48 Abs. 2 GmbHG vorgesehenen Erleichterungen für die Beschlussfassung im Umlaufverfahren (hier: Beschlussfassung durch schriftliche Abgabe der Stimmen auch ohne Einverständnis aller Gesellschafter) sind nicht auf solche GmbH beschränkt, in deren Satzung noch gar keine Regelung für Umlaufbeschlüsse vorgesehen ist (entgegen LG Stuttgart, Urteil vom 25.1.2021 – 44 O 52/20 KfH -, Rn. 36 nach juris). Es wäre mit der Zielsetzung der COVID-Sondergesetzgebung nicht zu vereinbaren, würde gerade bei Gesellschaften, die sich für Umlaufbeschlüsse bereits grundsätzlich geöffnet und damit in gewissem Sinne Vorsorge getroffen haben, eine COVID-bedingte Handlungsunfähigkeit hingenommen, während sie bei Gesellschaften ohne solche Vorkehrungen vom Gesetzgeber behoben worden ist.
Eintrag lesenKG Berlin, Urteil vom 17. Mai 2023 – 23 U 14/23 – Gesellschafterstreit
Gesellschafterversammlung I Einstweilige Verfügung I Beschlussfassung I Einziehung Geschäftsanteile I Aufstockung I Schadensersatzklage I Nebenintervenienten
Eintrag lesenOLG Jena, Urteil vom 22.03.2023 – 2 U 492/17
Gesellschafterstreit I Einziehung von Geschäftsanteilen I wichtiger Grund I Beschlussmängelstreitigkeiten I Anfechtungsklage I Nichtigkeitsklage I Anfechtungsfrist I Teilnahmerecht I Versammlungsleiter
Eintrag lesenOLG Brandenburg, Urteil vom 30.11.2022 – 7 U 193/21
Anfechtungsklage gegen Beschlüsse der Generalversammlung einer Genossenschaft
1. Die rechtzeitige Erhebung der Anfechtungsklage gemäß § 51 Abs. 1 GenG setzt nicht nur voraus, dass überhaupt eine Klage eingereicht worden ist, es müssen zudem innerhalb der Monatsfrist im wesentlichen Kern die klagebegründenden Tatsachen mitgeteilt werden (Anschluss BGH, Urteil vom 23. Mai 1960 – II ZR 89/58). Diesen Anforderungen genügt eine Klageschrift nicht, die nur stichwortartige Angaben enthält und der Kern der klagebegründenden Tatsachen, d.h. welche tatsächlichen Umstände die Anfechtbarkeit der Einladung und der Beschlussfassung begründen sollen, nicht angegeben wird.
2. Die Zeichnung weiterer Geschäftsanteile durch ein Mitglied ist mit dem Wesen der Liquidation nicht zu vereinbaren. Mit der Auflösung der Genossenschaft ändert sich deren Zweck dahin, dass nunmehr die Geschäfte abzuwickeln sind und das Vermögen aufzuteilen ist. Der Erwerb ist rechtlich nicht mehr möglich, wenn die Auflösung beschlossen oder kraft Gesetzes eingetreten ist.
3. Nur bei einer Übertragung von Geschäftsguthaben ohne Übernahme weiterer Geschäftsanteile ist die Übernahme des Geschäftsguthabens in der Liquidation möglich.
4. Ein Beschluss ist nichtig, wenn in entsprechender Anwendung von § 241 Nr. 1 AktG Mängel der Einberufung vorliegen oder eine Feststellung des Beschlusses analog § 241 Nr. 2 AktG nicht vorliegt. Zudem sind Beschlüsse analog § 241 Nr. 3, 4 AktG nichtig, wenn sie gegen zwingende gesetzliche oder satzungsrechtliche Vorgaben verstoßen, die im öffentlichen Interesse ergangen sind oder auf die die Mitglieder nicht wirksam verzichten können oder wenn sie mit dem Wesen der Genossenschaft nicht vereinbar sind (Anschluss BGH, Urteil vom 22. März 1982 – II ZR 219/81).
5. Eine Frist zur Vorlage der Vollmachten begründet keine rechtswidrige Beschränkung der Teilnahme und des Stimmrechts der Mitglieder. Eine Übersendung der Vollmachten vor Beginn der Versammlung ist wegen der persönlichen Voraussetzungen, die bei dem Bevollmächtigten vorliegen mussten, sachlich gerechtfertigt. Dabei ist unerheblich, ob grundsätzlich der Nachweis einer Bevollmächtigung auch noch im Anschluss an eine Versammlung zulässig geführt werden darf. Maßgeblich ist, dass die in der Versammlung gefassten Beschlüsse erst nach abschließender Beurteilung aller erteilten Vollmachten zuverlässig festgestellt werden können. Damit liegt ein berechtigtes Interesse an einer Prüfung der Vollmachtserteilung vor Beginn der Versammlung vor.
Eintrag lesenLG Hamburg, Urteil vom 01.07.2022 – 418 HKO 83/21
Anfechtung von im Umlaufverfahren zustande gekommener GmbH-Gesellschafterbeschlüsse
1. Die Durchführung eines Umlaufverfahrens trotz des Widerspruchs eines Gesellschafters ist nicht als so besonders gravierender Mangel zu bewerten, der zur Nichtigkeit der Gesellschafterbeschlüsse führt.
2. Wird ein satzungsgemäßes Quorum zur Beschlussfähigkeit von Gesellschafterversammlungen im erleichterten Umlaufverfahren nicht erreicht, so ist der Beschluss unwirksam. Wenn sein Zustandekommen gleichwohl festgestellt wird, ist der Beschluss anfechtbar.
3. Soweit der Gesellschaftsvertrag ein Mindestquorum für die Beschlussfassung in Präsenzgesellschafterversammlungen verlangt, ist dieses auf die Frage der Zulässigkeit einer erleichterten Beschlussfassung nach § 2 CovMG zu übertragen.
Eintrag lesenOLG Hamm, Beschluss vom 11.05.2022 – 8 W 7/22
Zur Bemessung des Streitwerts einer Beschlussmängelklage, mit der die Nichtigkeit/Anfechtbarkeit gleich lautender Beschlüsse der Gesellschafterversammlungen einer GmbH & Co. KG und ihrer Komplementär-GmbH verfolgt wird.
Eintrag lesenOLG Naumburg, Urteil vom 07.04.2022 – 4 U 203/21
GmbH I Vorläufiger Rechtsschutz I Abberufung Geschäftsführer I Versammlungsleiter
Eintrag lesenOLG München, Urteil vom 06.04.2022 – 7 U 9421/21
Kollusives Zusammenwirken bei der Veräußerung von GmbH-Anteilen I Nichtigkeit sowohl des Verkaufs als auch der Abtretung I Erreichen eines Abstimmungsverbots mit Mitteln der einstweiligen Verfügung
1. Besteht bei der Veräußerung von GmbH-Geschäftsanteilen ein kollusives Zusammenwirken der Geschäftsführer von Erwerberin und Veräußerin , so ist sowohl das Verpflichtungsgeschäft als auch das Verfügungsgeschäft in Form der Abtretung der Geschäftsanteile sittenwidrig und damit gemäß § 138 BGB nichtig. Für einen Antrag auf Rückübertragung der Geschäftsanteile fehlt es in diesem Fall am Rechtsschutzbedürfnis. Zulässig und begründet ist jedoch ein Antrag auf Zustimmung zur Zuordnung eines Widerspruchs zur Gesellschafterliste.
2. Das Erreichen eines Abstimmungsverbots mit den Mitteln einer einstweiligen Verfügung ist ausnahmsweise statthaft, wenn infolge einer kollusiven Veräußerung von Geschäftsanteilen der Erwerber sich als Alleingesellschafter der GmbH geriert und der wahre Gesellschafter als nunmehr Außenstehender nicht die Möglichkeit hat, von etwaigen Beschlussfassungen Kenntnis zu erlangen, so dass nicht gewährleistet ist, dass der wahre Gesellschafter mit den Mitteln nachgehenden Rechtsschutzes die von dem Erwerber als Nichtberechtigter gefassten Beschlüsse wieder beseitigen kann.
Eintrag lesen
Mit der Klage begehrte der Kläger unter anderem Zahlung dieser 171.443.837 €. Das Landgericht Frankfurt am Main wies die Klage ab. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main als Berufungsgericht wies die Berufung des Klägers zurück. Die dagegen gerichtete Revision des Klägers hatte Erfolg. Der BGH hob das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.
III.
Der BGH gelangt zu seinem Ergebnis auf folgendem Weg:
1.
Keine Befreiung der Aktionäre von ihren Leistungspflichten (§ 66 Abs. 1 AktG)
§ 66 Abs. 1 AktG besagt:
„Die Aktionäre und ihre Vormänner können von ihren Leistungspflichten nach den §§ 54 und 65 nicht befreit werden. Gegen eine Forderung der Gesellschaft nach den §§ 54 und 65 ist die Aufrechnung nicht zulässig.“
§ 54 Abs. 1 AktG besagt:
„Die Verpflichtung der Aktionäre zur Leistung der Einlagen wird durch den Ausgabebetrag der Aktien begrenzt.“
2.
Der aktienrechtliche Differenzhaftungsanspruch fällt ebenfalls unter § 66 Abs. 1 AktG.
2.1
Geringster Ausgabebetrag (§ 9 Abs. 1 AktG)
Nach dem BGH ist es allgemein anerkannt, dass der Aktionär bei einer Überbewertung von Sacheinlagen den Differenzbetrag zwischen dem Wert der Sacheinlage und dem geringsten Ausgabebetrag in Geld zu leisten hat. Dieser sog. „Differenzhaftungsanspruch“ wird aus § 36a Abs. 2 AktG in Verbindung mit §§ 183, 188 Abs. 2 Satz 1 AktG, aus der mit der Übernahme bzw. mit der Zeichnung zwangsläufig verbundenen Kapitaldeckungszusage, aus dem Verbot in § 9 Abs. 1 AktG, Aktien für einen geringeren Betrag als den Nennbetrag (oder den auf die einzelne Stückaktie entfallenden anteiligen Betrag des Grundkapitals) auszugeben sowie aus einer Analogie zu § 9 Abs. 1 GmbHG abgeleitet.
2.2
Aufgeld (§ 9 Abs. 2 AktG)
Ein gesetzlicher Differenzhaftungsanspruch besteht nach dem BGH aber auch insoweit, als der Wert der Sacheinlage zwar den geringsten Ausgabebetrag nach § 9 Abs. 1 AktG, nicht aber auch das Aufgeld nach § 9 Abs. 2 AktG deckt. Das Aufgeld ist bei der Aktiengesellschaft (anders als bei der GmbH) Teil des Ausgabebetrags und der mitgliedschaftlichen Leistungspflicht der Aktionäre nach § 54 Abs. 1 AktG, von der sie nach § 66 Abs. 1 AktG grundsätzlich nicht befreit werden können. Nach dem BGH wäre eine andere Sicht insbesondere auch damit nicht vereinbar, dass eine Wertdeckung im Umfang des Aufgelds auch erforderlich ist, um eine Verwässerung der Anteile der - regelmäßig - von der Sachkapitalerhöhung ausgeschlossenen Aktionäre (§ 255 Abs. 2 AktG) zu verhindern.
Etwas anderes ergibt sich nach dem BGH auch nicht aus den Vorschriften über die Durchführung der Kapitalerhöhung sowie die Prüfung durch Sachverständige und durch das Registergericht. § 188 Abs. 2 Satz 1 AktG verweist zur Durchführung der Anmeldung der Kapitalerhöhung auf § 36a Abs. 2 Satz 3 AktG, wonach der Wert der Sacheinlage auch das Aufgeld abdecken muss. Soweit § 183 Abs. 3 AktG bzw. § 205 Abs. 5 Satz 1 AktG nach seinem Wortlaut die Prüfung durch Sachverständige als Mindestanforderung durch die Verweisung auf § 34 Abs. 1 Nr. 2 AktG nur auf den geringsten Ausgabebetrag erstreckt, widerspricht die Norm nach Ansicht des BGH dem Art. 10 Abs. 2 der sog. „Kapitalrichtlinie“ (Zweite Richtlinie 77/91/EWG des Rates vom 13. Dezember 1976 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen). Art. 10 Abs. 2 der Kapitalrichtlinie verlangt nach Ansicht des BGH und der Literatur, dass der Sachverständigenbericht auch angibt, ob der Wert auch dem Mehrbetrag entspricht. Schließlich kann man nach dem BGH aus dem Umstand, dass das Registergericht nach § 184 Abs. 3 Satz 1 AktG bzw. § 205 Abs. 7 Satz 1 AktG die Eintragung ablehnen kann, wenn der Wert der Sacheinlage hinter dem geringsten Ausgabebetrag zurückbleibt, nur etwas für die Prüfungskompetenz des Registergerichts, nichts aber für den Umfang der Verpflichtungen des Sacheinlegers (Inferenten) ableiten.
3.
Trotz des Befreiungs- und Aufrechnungsverbots des § 66 Abs. 1 AktG ist ein Vergleich über den Differenzhaftungsanspruch zulässig.
3.1
Voraussetzungen eines Vergleichs über den Differenzhaftungsanspruch
Dafür spricht bereits, dass der Vergleich in § 66 Abs. 1 AktG - im Gegensatz etwa zu § 50 Abs. 1, § 93 Abs. 4 Satz 3 oder § 117 Abs. 4 AktG - nicht erwähnt ist. Die Tatsache, dass im Rahmen des § 66 Abs. 1 AktG keine Befreiung möglich ist, schließt einen Vergleich bei tatsächlicher oder rechtlicher Ungewissheit nicht aus. Zwar gilt auch für den Differenzhaftungsanspruch das Befreiungs- und Aufrechnungsverbot des § 66 Abs. 1 AktG, mit dem die Kapitalaufbringung und die Kapitalerhaltung gesichert werden soll. Ein Vergleich über Ansprüche, die unter § 66 Abs. 1 AktG fallen, ist nach der Rechtsprechung und der Literatur aber trotzdem zulässig, wenn der Vergleich wegen tatsächlicher oder rechtlicher Ungewissheit über den Bestand oder Umfang des Anspruchs geschlossen wird und sich dahinter nicht nur eine Befreiung in der Form eines Vergleichs versteckt.
Auch wenn durch den Abschluss eines Vergleichs objektiv eine Befreiung des Aktionärs von seinen Leistungspflichten eintreten kann, so steht doch wegen der Unklarheit, ob und in welchem Umfang ein Anspruch besteht, eine solche Befreiung bei einem Vergleichsschluss, der die durch die Unklarheit gezogenen Grenzen nicht überschreitet, gerade nicht fest. Nach der Rechtsprechung des BGH ist ein Vergleich, durch den die Ungewissheit darüber, was der Gesetzeslage entspricht, durch gegenseitiges Nachgeben beseitigt wird, trotz eines Widerspruchs zu zwingendem Recht wirksam, wenn der Vergleichsinhalt den Bereich nicht verlässt, der bei objektiver Beurteilung ernstlich zweifelhaft ist. Die Beurteilung, ob ein Vergleich ernsthaft gewollt ist und sein Inhalt den Bereich nicht verlässt, der ernstlich zweifelhaft ist, obliegt nach Ansicht des BGH in erster Linie dem Tatrichter. Vor Abschluss eines Vergleichs über den Differenzhaftungsanspruch muss regelmäßig weder ein Wertgutachten eingeholt werden noch muss sonst der Wert der Sacheinlage fachlich überprüft werden.
Auch der Grundsatz der effektiven Kapitalaufbringung steht bei Einlageansprüchen oder einlageähnlichen Ansprüchen einem Vergleichsschluss nicht entgegen, wenn gerade die Unsicherheit beseitigt werden soll, ob das Kapital aufgebracht ist. Ein vollständiges Vergleichsverbot würde den Vorstand zwingen, trotz Zweifel am Bestand der Forderung und an den Erfolgsaussichten ein gerichtliches Verfahren einzuleiten und bis zu einem Urteil durchzuführen, oder von vorneherein wegen der die Chancen übersteigenden finanziellen Risiken der Prozessführung auf eine Geltendmachung zu verzichten.
3.2
Keine Zustimmung der Hauptversammlung erforderlich
Ein Vergleich bedarf nach Überzeugung des BGH auch nicht in Analogie zu § 50 Satz 1, § 93 Abs. 4 Satz 3, § 117 Abs. 4 AktG der Zustimmung der Hauptversammlung, da es diesbezüglich an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt. Nach ihrem Zweck lassen sich die Zustimmungserfordernisse der §§ 50 Satz 1, 93 Abs. 4 Satz 3, 117 Abs. 4 AktG nicht auf Ansprüche nach § 66 Abs. 1 AktG übertragen. Das Zustimmungserfordernis in § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG soll der Gefahr einer kollegialen Verschonung einzelner Vorstandsmitglieder und der wechselseitigen (Selbst-)Befreiung von Haftungsansprüchen vorbeugen. Eine solche Gefahr besteht beim Abschluss eines Vergleichs über einen unter § 66 Abs. 1 AktG fallenden Anspruch nicht, weil sich der Anspruch gegen den Aktionär richtet und der Vorstand bei pflichtwidrigem Vergleichsschluss seinerseits nach § 93 AktG haftet. § 50 Satz 1 AktG soll die Gesellschaft vor einem Verzicht oder einem Vergleich über die Ansprüche der Gesellschaft zu einem Zeitpunkt schützen, der noch in der zeitlichen Nähe der Gründung liegt und in dem sich die Auswirkungen der schädigenden Handlung noch nicht abschließend übersehen lassen.
Ein Vergleich über den Differenzhaftungsanspruch gemäß § 66 Abs. 1 AktG rührt auch nicht an der Kernkompetenz der Hauptversammlung, über die Verfassung der Aktiengesellschaft zu bestimmen. Er bedarf nach Ansicht des BGH mangels wesentlicher Bedeutung für die Gesellschaft auch deshalb nicht der Zustimmung der Hauptversammlung.
3.3
Keine relative Unwirksamkeit gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft
Auch die §§ 93 Abs. 5 Satz 3, 117 Abs. 5 Satz 2 AktG (relative Unwirksamkeit des Verzichts/Vergleichs den Gläubigern gegenüber) sind nach Ansicht des BGH nicht entsprechend anzuwenden. Der Schutz der Gläubiger der Gesellschaft vor einem kollusiven Zusammenwirken von Organen und Aktionären zu ihrem Nachteil gebietet eine entsprechende Anwendung nicht, weil ein Vergleich von vorneherein nur bei Ungewissheit über das Bestehen oder den Umfang der Schuld in Betracht kommt.
3.4
Fazit
Der BGH ist vorliegend wie das Berufungsgericht zur der Auffassung gelangt, dass die Beklagte und die Schuldnerin mit der Vereinbarung vom 28.06.2000 wirksam einen wegen tatsächlicher und rechtlicher Unsicherheit über den Bestand oder den Umfang des Differenzhaftungsanspruchs „echten“ Vergleich abgeschlossen haben, mit dem die Beklagte an die Schuldnerin einen Ertragszuschuss in Höhe von 325.000 Euro leisten sollte.
4.
Die Beklagte konnte allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen gegenüber dem nach dem Vergleich geschuldeten Ertragszuschuss mit ihrem Kaufpreisanspruch für die 2. Tranche aufrechnen.
Die Aufrechnungsbeschränkung nach § 