Viele auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts tätigen Rechtsanwälte sind ausschließlich oder überwiegend außergerichtlich beratend tätig und führen praktisch keine gesellschaftsrechtlichen Prozesse oder allenfalls als Nebenaufgabe. Anderen zivilrechtlich ausgerichteten Prozessanwälten ist dagegen die komplexe Materie des […]
Eintrag lesenGerichtsurteile und Gerichtsbeschlüsse für Gesellschafterstreitigkeiten sicher vermeiden oder schnell gewinnen
OLG Köln, Urteil vom 24. August 2021 – 4 U 29/20
Ausschließung aus GbR aus wichtigem Grund
BGB-Gesellschaft I Ausschluss Gesellschafter aus wichtigem Grund I Alleinige Fortführung des Unternehmens der GbR I Rückzahlung unberechtigter Entnahmen I vorläufiger Rechtsschutz
Eintrag lesenBrandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 18.08.2021 – 6 U 159/18
Wirksamkeit von Geschäftsführerabberufungen und Zwangseinziehungen des Geschäftsanteils I schuldrechtliche Nebenabrede
1. Hinsichtlich Geschäftsführerabberufungen steht den Gesellschaftern einer GmbH ein Selbsthilferecht zum Verlangen einer Versammlungseinberufung zu, wenn sie mindestens 10 % des Stammkapitals halten. Einer gerichtlichen Ermächtigung bedarf es dazu nicht.
2. Eine schriftliche Genehmigungserklärung ist trotz des Ablaufs einer gewissen Zeitspanne (hier: ungefähr zwei Monate) wirksam. Der reine Zeitablauf ist unerheblich, weil es hier nicht um die Annahme eines regelmäßig befristeten Angebots geht, sondern um die Beendigung eines Schwebezustandes wegen eines Vertragsschlusses ohne Vertretungsmacht, für den, wenn der zugrunde liegende Vertrag nicht selbst fristgebunden ist, gerade keine „Annahmefrist“ im Sinne des § 146 BGB besteht. Eine Verwirkung wäre möglich, jedoch nicht, wenn es an einem Umstandsmoment fehlt, weil im Raum steht, dass ursprünglich keine Kenntnis vom Vertretungsmangel bestand.
3. Im Rahmen von Verfügungsgeschäften ist die Frage, ob der Gegenstand einer Verfügung bei Abgabe der Genehmigung noch existiert, für deren Wirksamkeit unerheblich ist; es muss nur der Erklärende noch die erforderliche Verfügungsmacht haben.
4. Ein Aufforderungsschreiben der Minderheitsgesellschafter ist an die Gesellschaft zu richten. Es ist an keine bestimmte Form gebunden.
5. Eine Zwangseinziehung des Geschäftsanteils ohne Zustimmung des betreffenden Gesellschafters kann nur stattfinden, wenn dies nach dem Gesellschaftsvertrag zugelassen ist. Grundsätzlich wirksam ist eine Satzungsbestimmung, die bei Pfändung eines Geschäftsanteils dessen Einziehung gegen Abfindung zulässt, wenn dieselbe Entschädigungsregelung auch für den vergleichbaren Fall der Ausschließung eines Gesellschafters aus wichtigem Grund gilt (BGH, Urteil vom 19. Juni 2000 – II ZR 73/99).
Eintrag lesenBGH, Urteil vom 22. Juli 2021 – IX ZR 195/20
InsO § 39 Abs. 1 Nr. 5, § 135 Abs. 1 Satz 2
Beschließt der Alleingesellschafter einer GmbH, einen festgestellten Gewinn auf neue
Rechnung vorzutragen, kann der aus einem später gefassten, auf Ausschüttung des
Gewinnvortrags gerichteten Gewinnverwendungsbeschluss folgende Zahlungsan-
spruch eine wirtschaftlich einem Darlehen entsprechende Forderung darstellen.
InsO § 39 Abs. 1 Nr. 5, § 135 Abs. 1 Satz 2; GmbHG § 30 Abs. 1 Satz 1
Eine Behandlung als wirtschaftlich einem Darlehen entsprechende Forderung scheidet
aus, wenn bereits zum Zeitpunkt des ersten, auf einen Vortrag des Gewinns auf neue
Rechnung gerichteten Gesellschafterbeschlusses eine Gewinnausschüttung nicht vor-
genommen werden durfte, weil und soweit die Auszahlung zu diesem Zeitpunkt eine
Unterbilanz herbeigeführt oder vertieft hätte.
OLG München, Beschluss vom 21. Juni 2021 – 23 W 784/21
Korrektur der Gesellschafterliste einer GmbH im Wege einer einstweiligen Verfügung I Abtretung der Gesellschaftsanteile eines Gesellschafters I Wichtiger Grund für den Ausschluss eines Gesellschafters
1. Ein vergebliches Einberufungsverlangen im Sinne des § 50 Abs. 1, 2 GmbHG liegt regelmäßig nicht vor, wenn die Geschäftsführung eine auf das Verlangen hin anberaumte Gesellschafterversammlung absagt und die Absage durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist (hier: Übertragung von Gesellschafteranteilen des die Versammlung verlangenden Gesellschafters auf seine Ehefrau wenige Tage vor der Versammlung, in der es u.a. auch um die Einziehung bzw. Zwangsabtretung des Gesellschaftsanteils des die Versammlung verlangenden Gesellschafters gehen sollte).
2. Eine Satzungsbestimmung, der zufolge die übrigen Gesellschafter durch Beschluss verlangen können, dass statt einer Einziehung der Geschäftsanteil eines Gesellschafters auf die Gesellschaft, einen oder mehrere Gesellschafter oder einen oder mehrere Dritte übertragen wird, ist mangels anderer Anhaltspunkte in der Satzung lediglich als Ermächtigung, eine schuldrechtliche Abtretungsverpflichtung zu beschließen, auszulegen. Eine dingliche Übertragung des Gesellschaftsanteils ist damit noch nicht verbunden.
3. Ein Gesellschafter, der durch Gesellschafterbeschluss wirksam zur Abtretung seines Gesellschaftsanteils an einen Dritten verpflichtet wird, kann gemäß § 242 BGB (dolo-agit-Einwand) auch schon vor dem dinglichen Vollzug der Abtretungsverpflichtung nicht mehr die Korrektur einer Gesellschafterliste verlangen, die an seiner Stelle bereits den Dritten, auf den er seinen Gesellschaftsanteil übertragen muss, als Gesellschafter ausweist.
Eintrag lesenOLG München, Urteil vom 16. Juni 2021 – 7 U 7279/20
Ausschluss eines GmbH-Gesellschafters I Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage auf Feststellung eines Klageerhebungsbeschlusses bei einer zweigliedrigen Gesellschaft I Wirksamkeit eines Einziehungsbeschlusses
1. Daraus, dass bei einer zweigliedrigen GmbH der eine Gesellschafter eine Klage auf Ausschließung des anderen Gesellschafters erheben kann und es damit der Erhebung der Ausschließungsklage durch die Gesellschaft nicht notwendigerweise bedarf, damit ein Ausschließungsurteil gegen den jeweils anderen Gesellschafter erwirkt werden kann, kann nicht gefolgert werden, dass, wenn in der Gesellschafterversammlung über einen Klageerhebungsantrag abgestimmt wurde, einer Klage auf Feststellung, dass der Klageerhebungsbeschluss von der Gesellschafterversammlung gefasst wurde, bereits das Rechtsschutzbedürfnis fehlt.
2. Bei der Abstimmung über die Erhebung einer Ausschließungsklage hat der Gesellschafter, der ausgeschlossen werden soll, kein Stimmrecht (vgl. BGH, 17. Februar 1955, II ZR 316/53).
3. Ob tatsächlich ein wichtiger Grund für den Ausschluss des Gesellschafters vorliegt, ist für den Beschluss über die Erhebung der Ausschließungsklage unerheblich. Diese Frage ist ausschließlich im Rechtsstreit über die Ausschließungsklage zu entscheiden (vgl. BGH, 13. Januar 2003, II ZR 227/00).
4. Ein Einziehungsbeschluss verletzt den in §§ 30 Abs. 1, 34 Abs. 3 GmbHG statuierten Kapitalerhaltungsgrundsatz, wenn bereits bei Beschlussfassung feststeht, dass das Einziehungsentgelt nicht aus freiem, die Stammkapitalziffer nicht beeinträchtigenden Vermögen der Gesellschaft bezahlt werden kann. Ein solcher Einziehungsbeschluss ist nichtig (vgl. u.a. BGH, 26. Juni 2018, II ZR 65/16).
5. Die Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung zur Beschlussfassung über ihre Vertretung im Ausschließungsprozess folgt aus ihrer Zuständigkeit, über die Erhebung einer Ausschlussklage zu beschließen.
Eintrag lesenOLG München, Urteil vom 16.06.2021 – 7 U 1407/19
Kapitalerhaltungsgrundsatz in der GmbH I Gesellschafterausschluss durch Gestaltungsurteil
Zwar enthält die Satzung der Nebenintervenientin im Unterschied zu den Satzungen in den beiden oben in Bezug genommenen BGH-Entscheidungen aus den Jahren 2011 und 2018 weder eine Regelung zur Einziehung noch zum Ausschluss (insoweit kommt eine solche Fallkonstellation nicht nur in der „grauen Theorie“ vor wie Altmeppen in GmbHG, 10. Auflage, München 2021, Rdnr. 34 zu § 34 GmbHG meint) und liegt auch kein Ausschluss- und/oder Einziehungsbeschluss der Gesellschafterversammlung vor, jedoch ist auch im Rahmen des deswegen zur Herbeiführung eines Ausschlusses erforderlichen Gestaltungsurteils der Kapitalerhaltungsgrundsatz des § 30 Abs. 1 GmbHG zu beachten, sodass auch ein derartiges Gestaltungsteil nur gefällt werden kann, wenn zum Schluss der mündlichen Verhandlung, auf deren Grundlage das Gestaltungsurteil ergeht, nicht schon feststeht, dass die Abfindung des ausgeschlossenen Gesellschafters nicht aus freiem, die Stammkapitalziffer nicht beeinträchtigenden Vermögen der Gesellschaft bezahlt werden kann (vgl. Strohn in Münchener Kommentar zum GmbHG, 3. Auflage, München 2018, Rdnr. 175 zu § 34 GmbHG, Görner in Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 6. Auflage, Köln 2017, Rdnr. 88 zu § 34 GmbHG, Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Auflage, Köln 2020, Rdnr. 119 zu § 34 GmbHG, Schindler in BeckOK GmbHG, 47. Edition Stand 01.11.2020, Rdnr. 118 zu § 34 GmbHG).
Eintrag lesenBGH, Beschluss vom 11. Mai 2021 – II ZR 56/20
Bilanznichtigkeitsklage des Insolvenzverwalters einer Aktiengesellschaft I Bewertung von Vermögensgegenständen im Jahresabschluss
1. Die anhand § 255 Abs. 1 Satz 1 und 2 HGB zu ermittelnden Anschaffungskosten markieren nach dem in § 253 Abs. 1 HGB kodifizierten Anschaffungswertprinzip (Aktivierung von Vermögensgegenständen mit ihren Anschaffungskosten) die Wertobergrenze der Bewertung. Als Zugangswerte, mit denen angeschaffte Vermögensgegenstände erstmals bilanziert werden, bilden sie den Ausgangspunkt für die Bewertung von Vermögensgegenständen in der Bilanz.
2. Die Aktivierbarkeit der Anschaffungs- und Anschaffungsnebenkosten im Rahmen der Zugangsbewertung schließt aber eine Wertberichtigung noch in der laufenden Abrechnungsperiode im Rahmen des folgenden Jahresabschlusses nicht aus. Liegen die Anschaffungskosten über dem Zeitwert des Vermögensgegenstandes und kommt es dadurch zu Überwertungen bei der Zugangsbewertung, ist im Rahmen des folgenden Jahresabschlusses zu prüfen, ob eine Abwertung nach § 253 Abs. 3 bis 5 HGB zu erfolgen hat.
3. Nach § 253 Abs. 4 HGB gilt für Umlaufvermögen das strenge Niederstwertprinzip. Es ist jeweils auf den Börsen-/Marktpreis oder sonstigen Zeitwert abzustellen, wenn dieser niedriger ist als die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten.
4. Bei allen Vermögensgegenständen des Anlagevermögens für den Jahresabschluss 2011 einer zwischenzeitlich insolventen) Aktiengesellschaft waren gemäß § 253 Abs. 3 Satz 3 HGB in der Fassung vom 25. Mai 2005 (jetzt § 253 Abs. 3 Satz 5 HGB) oder gemäß § 253 Abs. 4 HGB außerplanmäßige Abschreibungen der vorperiodisch angefallenen Gebühren und Provisionen vorzunehmen, wenn der beizulegende Wert am Abschlussstichtag voraussichtlich dauernd niedriger war als der Buchwert. Jedenfalls durften in diesem Jahresabschluss ein Golddepot („Goldsparplan“) nicht mehr mit den vorperiodischen Anschaffungskosten aktiviert werden.
5. Was als voraussichtlich dauernde Wertminderung anzusehen ist, ist gesetzlich nicht geregelt. Wegen der Geltung des Vorsichtsprinzips werden Wertminderungen von Vermögensgegenständen des Anlagevermögens im Zweifel als voraussichtlich dauernd und nur ausnahmsweise als voraussichtlich vorübergehend angesehen.
6. Hinweis der Dokumentationsstelle des Bundesgerichtshofs: Die Revision vor dem BGH ist nach dem Hinweisbeschluss zurückgenommen worden.
Eintrag lesenBGH, Urteil vom 23. Februar 2021 – II ZR 65/19
Aktiengesellschaft I Erforderlichkeit eines Sonderbeschlusses der Vorzugsaktionäre bei Verschmelzungen und Spaltungen I Erforderlichkeit eines Sonderbeschlusses der Stammaktionäre; Umfang der notariellen Beurkundung
1. Ungeachtet der Vorschriften des Umwandlungsgesetzes kann bei Verschmelzungen und Spaltungen ein Sonderbeschluss der Vorzugsaktionäre nach § 141 Abs. 1 AktG erforderlich sein.
2. Ein Sonderbeschluss der Stammaktionäre nach § 65 Abs. 2 Satz 2 UmwG ist nicht erforderlich, wenn es neben den stimmberechtigten Stammaktien als weitere Aktiengattung nur stimmrechtslose Vorzugsaktien gibt.
3. Notariell zu beurkunden sind mit einem Spaltungsvertrag sämtliche Abreden, die nach dem Willen der Beteiligten mit diesem ein einheitliches Ganzes bilden, also mit ihm stehen und fallen sollen.
Eintrag lesenOLG Hamburg, Beschluss vom 12.02.2021 – 11 AktG 1/20
Aktienrechtliches Freigabeverfahren I Wirksame Eintragung eines Kapitalerhöhungsbeschlusses bei offensichtlich unbegründeter Anfechtungsklage
1. Auch in einer börsennotierten Aktiengesellschaft kommt bei einer Kapitalerhöhung ohne Bezugsrechtsausschluss eine Anfechtung des Kapitalerhöhungsbeschlusses nach § 243 Abs. 1 AktG wegen eines Treuepflichtverstoßes in Betracht, wenn der deutlich unter dem Börsenkurs der Aktien liegende Ausgabekurs zu einem faktischen Bezugszwang führt. Dabei sind die konkreten Umstände des Einzelfalls maßgeblich; eine pauschale Betrachtung verbietet sich.
2. Für die Frage, ob die Einrichtung eines Bezugsrechtshandels und hieraus zu erwartende Erlöse den faktischen Bezugszwang kompensieren können, kommt es nicht auf einen Vergleich mit dem wahren (inneren) Wert der Aktien an, sondern auf den Vergleich mit dem rechnerischen Börsenkurs nach Durchführung der Kapitalerhöhung.
3. Im Freigabeverfahren nach § 246a AktG muss der Antragsgegner seine Behauptung, dass der Bezugsrechtshandel nicht funktionieren werde, glaubhaft machen.
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