Zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen, die mit einer Pflichtverletzung des Geschäftsführers begründet werden, kann ein besonderer Vertreter bestellt werden, auch wenn nicht der Geschäftsführer selbst, sondern eine von ihm mittelbar beherrschte Gesellschaft in Anspruch genommen werden soll.
Eintrag lesenGerichtsurteile und Gerichtsbeschlüsse für GmbHG § 43
BGH, Urteil vom 27. Juli 2021 – II ZR 164/20
1. Die vorsätzliche Insolvenzverschleppung in der Absicht, das als unabwendbar erkannte Ende eines Unternehmens so lange wie möglich hinauszuzögern, erfüllt den Tatbestand einer sittenwidrigen Schädigung i.S.d. § 826 BGB, wenn dabei die Schädigung der Unternehmensgläubiger billigend in Kauf genommen wird.
2. Der Schutzbereich einer vorsätzlich sittenwidrigen Insolvenzverschleppung erfasst Personen, die vor Insolvenzreife in Vertragsbeziehungen mit einer GmbH getreten sind und durch einen gegen die mittlerweile unerkannt insolvenzreife Gesellschaft eingeleiteten Rechtsstreit oder ein gegen diese eingeleitetes selbständiges Beweisverfahren mit Kosten belastet werden, für die sie bei der Gesellschaft keinen Ersatz erlangen können.
Eintrag lesenOLG München, Teilurteil vom 02.05.2019 – 32 U 1436/18
1. Ein Mieter ist dem Vermieter nach § 826 BGB zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er den Erlass eines Räumungsurteils gegen ihn vorhersehen kann und vertragswidrig untervermietet, um die Vollstreckung zu verhindern oder zu erschweren.
2. Ist die Mieterin eine GmbH kommt eine persönliche Haftung des Geschäftsführers wegen eines Missbrauchs der korporativen Haftungsbeschränkung in Betracht.
OLG Naumburg, Urteil vom 29. April 2021 – 2 U 91/20
1. Die materiell-rechtliche Befugnis, Schadensersatzansprüche gegen aktuelle oder ehemalige Geschäftsführer geltend zu machen, steht in einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach § 46 Nr. 8 GmbHG nur den Gesellschaftern zu und ist nicht davon abhängig, ob ein Aufsichtsrat gebildet wurde.
2. Der Gesellschaft obliegt im Rechtsstreit um Schadensersatzansprüche gegen ihren (ehemaligen) Geschäftsführer gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG die Darlegungs- und Beweislast nur dafür, dass und inwieweit ihr durch ein Verhalten des Geschäftsführers in dessen Pflichtenkreis ein Schaden erwachsen ist. Hingegen hat der Geschäftsführer darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen, dass er seinen Sorgfaltspflichten gemäß § 43 Abs. 1 GmbHG nachgekommen ist.
3. a) Die Gesellschaft genügt ihrer Darlegungslast im Hinblick auf einen Vermögensschaden durch die Auszahlung zusätzlicher Arbeitnehmervergütungen für Bereitschaftsdienste schon dann nicht, wenn die Bereitschaftszeiten der Mitarbeiter jeweils vollständig außerhalb und zusätzlich zu der regulären Arbeitszeit anfielen und ein im einschlägigen Manteltarifvertrag alternativ zu einer Vergütung vorgesehener Freizeitausgleich im betreffenden Wirtschaftsjahr nicht umsetzbar war.
b) Die Auszahlung zusätzlicher Arbeitnehmervergütungen für Bereitschaftsdienste ist sachlich gerechtfertigt, wenn sie auf einer (mündlich getroffenen) Regelungsabrede zwischen dem alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer und dem Vorsitzenden des Betriebsrates beruht. Eine (formbedürftige) Betriebsvereinbarung ist für die Regelung einer vermögensrechtlichen Angelegenheit nicht erforderlich.
Eintrag lesenOLG Brandenburg, Urteil vom 10.02.2021 – 4 U 18/20
Haftung des ehemaligen GmbH-Geschäftsführers gegenüber der Gesellschaft: Voraussetzungen von Ersatzansprüchen wegen verschiedener Pflichtverletzungen im Rahmen der Führung eines Callcenters; Darlegungs- und Beweislastverteilung; Haftungsausschluss bei Entlastungsbeschluss der Gesellschafterversammlung; Kompetenzüberschreitung bei Aufnahme eines Geschäftskredits
Eintrag lesenBGH, Versäumnisurteil vom 04. Februar 2021 – III ZR 7/20
Haftung für fehlgeschlagene Kapitalanlage: Vorsätzliche sittenwidrige Schädigung und Schutzgesetzverletzung bei sog. Schneeballsystem; Umfang der Darlegungslast des Geschädigten und sekundäre Darlegungslast des Gegners
1. Ist vorhersehbar, dass bei einem Anlagemodell die den Anlegern versprochene Rendite nicht aus den Erträgen des Anlageobjekts, sondern aus den Einlagen weiterer Anleger bedient werden wird (sogenanntes „Schneeballsystem“), erfüllt dies regelmäßig sowohl die Voraussetzungen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung gemäß § 826 BGB als auch diejenigen eines Eingehungsbetrugs gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB.
2. Der Geschädigte genügt seiner Darlegungslast regelmäßig bereits dadurch, dass er Umstände vorträgt, die das (weitere) Betreiben eines solchen „Schneeballsystems“ als naheliegend erscheinen lassen. Den Gegner trifft in solchen Fällen eine sekundäre Darlegungslast. Er hat sich im Rahmen der ihm nach § 138 Abs. 2 ZPO obliegenden Erklärungspflicht zu den Behauptungen der beweispflichtigen Partei zu äußern; anderenfalls gilt das Vorbringen des Geschädigten als zugestanden (§ 138 Abs. 3 ZPO).
Eintrag lesenBGH, Urteil vom 22. September 2020 – II ZR 141/19
1. Die vorbehaltlose Entlastung der Komplementärin einer GmbH & Co. KG durch ihre Mitgesellschafter bewirkt zugleich die Entlastung des Geschäftsführers der Komplementär-GmbH im Verhältnis zur Kommanditgesellschaft.
2. Der Geschäftsführer der Komplementärin einer personalistisch strukturierten GmbH & Co. KG hat bei der Führung der Geschäfte der Gesellschaft auch dann die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden, wenn er Gesellschafter der Kommanditgesellschaft ist.
Eintrag lesenOLG Düsseldorf, Urteil vom 20. Dezember 2019 – I-17 U 22/18
1. Die Entlastung der Geschäftsführer in einer GmbH i.S.d. § 46 Nr. 5 Alt. 3 GmbHG umfasst zugleich die Billigung der Geschäftsführung für den in der Vergangenheit liegenden Entlastungszeitraum und einen Vertrauensbeweis für die Zukunft. Sie ist Bestandteil der allgemeinen Aufsicht der Gesellschafter über die Geschäftsführer und hängt deshalb mit der Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung für die Prüfung und Überwachung der Geschäftsführung gemäß § 46 Nr. 6 GmbHG eng zusammen.
2. Da die Gesellschafter in der Regel außerstande sein werden, eigene Prüfungsmaßnahmen durchzuführen und ihnen solche Maßnahmen auch nicht indirekt zugemutet werden sollen, umfasst die Verzichtswirkung der Entlastung in tatsächlicher Hinsicht nur solche Ansprüche gegen die Geschäftsführer, die auf Tatsachen beruhen, die der Gesellschafterversammlung bei ihrer Entscheidung entweder positiv bekannt oder für diese bei sorgfältiger Prüfung zumindest erkennbar waren.
3. Kommt es bei einem Entlastungsbeschluss auf die Kenntnisse aller Mitglieder des für die Entlastung zuständigen Gremiums, hier der GmbH-Gesellschafterversammlung, an und besteht dieses nur aus einem Alleingesellschafter, dann ist auf die Kenntnis des organschaftlichen Vertreters des Alleingesellschafters abzustellen. Sein Wissen ist analog § 166 Abs. 1 BGB zuzurechnen.
4. Ist für die Präklusionswirkung des Entlastungsbeschlusses auf die mögliche Kenntnis bei umfassender Prüfung abzustellen, können Informationen aus dem Prüfbericht eines Abschlussprüfers für den Jahresabschluss Berücksichtigung finden, wenn wegen der gesetzlichen und satzungsgemäßen Pflichten im Rahmen eines Aufsichtsratsmandats oder aufgrund von Sonderwissen eine eigene Verpflichtung zur vertieften Überprüfung bestand.
5. Ein Schadenseintritt nach Abschluss eines Dienstleistungsvertrages (hier: Beratervertrags) wegen nicht erbrachter Leistungen und gleichwohl erfolgter Honorarzahlungen bestimmt sich anhand der vereinbarten Leistungspflicht. Wurde weder ein konkreter Aufwand vereinbart und fehlt es an einer Vereinbarung hinsichtlich eines konkreten Erfolgs, ist eine konkrete Nachberechnung der Leistung des Vertragspartners nicht möglich.
LG Leipzig, Urteil vom 10. September 2019 – 5 O 1679/18
Zur Haftung eines GmbH-Geschäftsführers im Rahmen des durch seine Verpflichtung zur selbständigen Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen begründeten Treueverhältnisses; zu den Anforderungen an eine deliktische Haftung des Geschäftsführers nach §§ 823 Abs. 2 BGB, 266 StGB (Treuebruchtatbestand).
1. Ein Geschäftsführer einer GmbH kann seine ihm nach § 43 GmbHG obliegenden Pflichten verletzt haben, indem er der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes zuwider eine dauerhafte Weiterbezahlung seiner Ehefrau ohne adäquate Gegenleistung veranlasst hat. Im Verhältnis zur GmbH obliegt ihm als deren Geschäftsführer eine Treuepflicht im Hinblick auf das Gesellschaftsvermögen als für ihn fremdes Vermögen. Das von ihm behauptete Einverständnis anderer Gesellschafter bzw. Geschäftsführer kann ein ungetreues und strafbares Verhalten des Geschäftsführers gegenüber der mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestatteten Gesellschaft nicht ausschließen und berührt nicht die Organhaftung des Geschäftsführers im Außenverhältnis gegenüber der Gesellschaft.
2. Eine GmbH kann gegen einen früheren Geschäftsführer einen Anspruch auf Rückzahlung der monatlichen Tantiemezahlungen wegen schuldhafter Verletzung der ihm als Geschäftsführer obliegenden Pflichten gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG (sowie §§ 280 Abs. 1 BGB, 611 BGB) als auch aus unerlaubter Handlung, §§ 823 Abs. 2 BGB, 266 StGB haben, wenn sich der Geschäftsführer entgegen des eindeutigen Wortlauts des Geschäftsführervertrages willkürlich Vermögen der Gesellschaft auszahlen lassen hat.
3. Ein früherer Geschäftsführer haftet neben § 43 Abs. 2 GmbHG, § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB auch nach §§ 823 Abs. 2 BGB, 266 StGB, wenn er mit dem Einsatz von Gesellschaftsmitteln zu eigennützigen Zwecken privater Vereinsmitgliedschaften entgegen seinen gesellschaftsrechtlichen Verpflichtungen als Geschäftsführer unzulässigen Privatentnahmen getätigt und damit seine Treuepflichten gegenüber der GmbH verletzt hat.
4. Ein Geschäftsführer kann zudem Erstattung der über das Konto der GmbH bezahlten Bewirtungs- und Spirituosenkosten aus § 43 Abs. 2 GmbHG sowie aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 266 StGB schulden, wenn mit der Belastung der GmbH mit privat veranlassten Bewirtungs- und Spirituosenkosten in großem Stil unzulässige Privatentnahmen getätigt und die Vermögensinteressen der GmbH missachtet und ihr Schaden zugefügt hat.
Eintrag lesenOLG Frankfurt, Urteil vom 23.05.2019 – 5 U 21/18
§ 43 Abs 2 GmbHG, § 43 Abs 3 GmbHG, § 43 Abs 8 GmbHG 1. Ein Beschluss der Gesellschafterversammlung über die Entlastung der Geschäftsführung ist regelmäßig dann nichtig, wenn keine andere Entscheidung als die […]
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