Zum Missbrauch der Vertretungsmacht durch einen von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiten Geschäftsführer
Eintrag lesenGerichtsurteile und Gerichtsbeschlüsse für GmbHG § 46
Thüringer OLG, Urteil vom 09.09.2015 – 2 U 219/15
Einstweilige Verfügung im Wege der Gesellschafterklage I Regelungsverfügung auf Untersagung des Handelns eines Geschäftsführers bis zur gerichtlichen Feststellung der Wirksamkeit des Abberufungsbeschlusses
1. Ein Mitgesellschafter einer GmbH kann mit Erfolg den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragen, mit dem es dem Geschäftsführer/Mitgesellschafter untersagt werden soll, bis zu bestimmten, hilfsweise gestaffelten Zeitpunkten als Geschäftsführer der GmbH aufzutreten und zu handeln, bis die Wirksamkeit eines Abberufungsbeschlusses festgestellt ist.
2. Die Rechtshängigkeit des Hauptsacheverfahrens (in der Berufungsinstanz) steht den Eilanträgen nicht entgegen. Die Rechtshängigkeit wirkt nicht im Verhältnis zwischen dem Eilverfahren und dem Hauptsacheverfahren, da unterschiedliche Streitgegenstände vorliegen. Während der Streitgegenstand des einstweiligen Rechtsschutzes der Anspruch auf Sicherung eines Individualanspruches ist, liegt dem Hauptsacheverfahren der zu sichernde Anspruch selbst als Streitgegenstand zu Grunde. Deswegen sind im Hinblick auf die unterschiedlichen Rechtsschutzziele und Wirkungen beide Verfahren nebeneinander zulässig.
3. Die Erwirkung einer einstweiligen Verfügung zur einstweiligen Regelung des Rechtsverhältnisses in gesellschaftsrechtlichen Abberufungskonflikten ist anerkannt (Anschluss OLG Stuttgart, 26. Oktober 2005, 14 U 50/05, GmbHR 2006, 1258). Die einstweilige Regelung kann auch die Untersagung der Ausübung von Geschäftsführerbefugnissen umfassen (Anschluss KG Berlin, 11. August 2012, 23 U 114/11, GmbHR 2011, 1272 und BGH, 20. Dezember 1982, II ZR 110/82, BGHZ 86, 177).
4. Der Antragsteller verfolgt als Gesellschafter der GmbH einen aus §§ 823 Abs. 1 BGB i.V.m. 1004 Abs. 1 BGB analog herrührenden Anspruch der Gesellschaft im Wege der actio pro socio. Es handelt sich um einen quasinegatorischen Anspruch der Gesellschaft selbst auf Unterlassung von Eingriffen in ihren eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb.
5. In einer zweigliedrigen Gesellschaft, in der nur der abberufene Geschäftsführer alleinvertretungsberechtigt ist oder wenn eine etwaige Vertretungsmacht eines weiteren Geschäftsführer ebenfalls streitig ist, ist jedenfalls für das einstweilige Verfügungsverfahren die Handlungsunfähigkeit oder Handlungsunwilligkeit der Gesellschaft für eine Übergangszeit als gegeben anzusehen und der antragstellende Gesellschafter nicht auf die Herbeiführung einer Beschlussfassung nach § 46 Nr. 8 GmbHG zu verweisen.
Eintrag lesenOLG München, Urteil vom 15.05.2013 – 7 U 3261/12
1. Eine Bindung an die Feststellungen des ersten Rechtszugs gem. ZPO § 529 Abs. 1 Nr. 1 liegt nur dann nicht vor, wenn konkrete Anhaltspunkte für fehler- oder lückenhafte Feststellungen bestehen und durch diese konkreten Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen begründet werden. Derartige Zweifel liegen vor, wenn eine gewisse, nicht notwendig überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass bei Wiederholung der Beweisaufnahme die erstinstanzlichen Feststellungen keinen Bestand haben werden, sich also deren Unrichtigkeit herausstellt.
2. Die ist nicht der Fall, wenn das Erstgericht unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben aufgrund freier Beweiswürdigung gemäß § ZPO § 286 zu den Tatsachenfeststellungen gelangt ist, d.h. dass es lediglich an Denk- und Naturgesetze, an Erfahrungssätze sowie ausnahmsweise an gesetzliche Beweisregeln gebunden ist, ansonsten aber die im Prozess gewonnenen Erkenntnisse nach seiner individuellen Einschätzung bewerten darf. Daher darf es auch einem Zeugen glauben, obwohl objektive Umstände Zweifel an der Richtigkeit seiner Angaben begründen mögen, oder trotz widersprüchlicher Aussagen von Zeugen und/oder Sachverständigen eine Beweisbehauptung als bewiesen erachten.
3. Die zweiwöchige Ausschlussfrist des § 46 Nr. 5 GmbHG für die fristlose Kündigung beginnt in dem Zeitpunkt, in welchem der Kündigungsberechtigte Kenntnis von dem Kündigungsgrund erlangt hat. Kündigungsberechtigter beim Dienstvertrag des Geschäftsführers einer GmbH ist analog § 46 Nr. 5 GmbHG die Gesellschafterversammlung. Maßgeblich ist die Erlangung der Kenntnis durch das Gremium. Erlangt allerdings ein einzelnes Mitglied die Kenntnis der Kündigungsgründe, so hat es unverzüglich binnen eines angemessen kurzen Zeitraums eine Gesellschafterversammlung (unter Angabe der Gründe) einzuberufen. Dann beginnt die Zweiwochenfrist mit Ablauf des angemessen kurzen Zeitraums.
Eintrag lesenOLG Düsseldorf, Urteil vom 28.10.1993 – 6 U 160/92
Gesellschafter I Haftung wegen Treuepflichtverletzung bei Anweisung der Geschäftsführung zur Führung eines für die GmbH aussichtslosen Prozesses
1. Der GmbH-Gesellschafter kann mitgliedschaftliche Ansprüche der GmbH gegenübr einem anderen Gesellschafter im Wege der Gesellschafterklage oder actio pro socio durch Klage im eigenen Namen auf Leistung an die GmbH u.a. dann verfolgen, wenn eine Schadensersatzklage der GmbH durch den schädigenden Gesellschafter selbst vereitelt wird oder sie infolge der Machtverhältnisse innerhalb der GmbH so erschwert ist, daß es für den betroffenen Gesellschafter ein unzumutbarer Umweg wäre, wenn er zunächst die GmbH zu einer solchen Klage zwingen müßte.
2. Weist ein Gesellschafter den Geschäftsführer der GmbH an, für diese aussichtslose Prozesse zu führen, so bedeutet dies einen Verstoß gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht mit der Folge der Haftung auf Schadensersatz.
3. Das Ausmaß der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht wird dadurch mitbestimmt, ob die GmbH mehr kapitalistisch oder mehr personalistisch strukturiert ist.
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