Haftung des ehemaligen GmbH-Geschäftsführers gegenüber der Gesellschaft: Voraussetzungen von Ersatzansprüchen wegen verschiedener Pflichtverletzungen im Rahmen der Führung eines Callcenters; Darlegungs- und Beweislastverteilung; Haftungsausschluss bei Entlastungsbeschluss der Gesellschafterversammlung; Kompetenzüberschreitung bei Aufnahme eines Geschäftskredits
Eintrag lesenGerichtsurteile und Gerichtsbeschlüsse für Haftung Geschäftsführer
BGH, Versäumnisurteil vom 04. Februar 2021 – III ZR 7/20
Haftung für fehlgeschlagene Kapitalanlage: Vorsätzliche sittenwidrige Schädigung und Schutzgesetzverletzung bei sog. Schneeballsystem; Umfang der Darlegungslast des Geschädigten und sekundäre Darlegungslast des Gegners
1. Ist vorhersehbar, dass bei einem Anlagemodell die den Anlegern versprochene Rendite nicht aus den Erträgen des Anlageobjekts, sondern aus den Einlagen weiterer Anleger bedient werden wird (sogenanntes „Schneeballsystem“), erfüllt dies regelmäßig sowohl die Voraussetzungen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung gemäß § 826 BGB als auch diejenigen eines Eingehungsbetrugs gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB.
2. Der Geschädigte genügt seiner Darlegungslast regelmäßig bereits dadurch, dass er Umstände vorträgt, die das (weitere) Betreiben eines solchen „Schneeballsystems“ als naheliegend erscheinen lassen. Den Gegner trifft in solchen Fällen eine sekundäre Darlegungslast. Er hat sich im Rahmen der ihm nach § 138 Abs. 2 ZPO obliegenden Erklärungspflicht zu den Behauptungen der beweispflichtigen Partei zu äußern; anderenfalls gilt das Vorbringen des Geschädigten als zugestanden (§ 138 Abs. 3 ZPO).
Eintrag lesenBGH, Urteil vom 22. September 2020 – II ZR 141/19
1. Die vorbehaltlose Entlastung der Komplementärin einer GmbH & Co. KG durch ihre Mitgesellschafter bewirkt zugleich die Entlastung des Geschäftsführers der Komplementär-GmbH im Verhältnis zur Kommanditgesellschaft.
2. Der Geschäftsführer der Komplementärin einer personalistisch strukturierten GmbH & Co. KG hat bei der Führung der Geschäfte der Gesellschaft auch dann die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden, wenn er Gesellschafter der Kommanditgesellschaft ist.
Eintrag lesenBGH, Urteil vom 11. Februar 2020 -II ZR 427/18
1. Die Einziehung einer Vorauszahlung auf ein debitorisches Konto führt unabhängig davon, ob die auf Vorauszahlung gerichtete Forderung der Gesellschaft zu Gunsten der Gläubiger hätte verwertet werden können, zu einer Masseschmälerung.
2. Bezieht sich eine durch Insolvenzanfechtung erreichte Rückzahlung nicht auf einzelne Gutschriften, sondern auf die Saldodifferenz in einem bestimmten Zeitraum, werden die in die Saldodifferenz einfließenden Gutschriften im Verhältnis der Saldodifferenz zur Gesamtsumme der Gutschriften, mithin zum selben Anteil ausgeglichen, wenn die Differenz die Summe der Gutschriften nicht erreicht.
Eintrag lesenBGH, Urteil vom 12. Dezember 2019 -IX ZR 77/19
Notwendigkeit der Transparenz einer qualifizierten Nachrangvereinbarung in Darlehensvertrag
Zu den Anforderungen des Transparenzgebots an die Verständlichkeit einer mit einem Verbraucher als Darlehensgeber formularmäßig vereinbarten Rangrücktrittsklausel.
Eintrag lesenLG Leipzig, Urteil vom 10. September 2019 – 5 O 1679/18
Zur Haftung eines GmbH-Geschäftsführers im Rahmen des durch seine Verpflichtung zur selbständigen Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen begründeten Treueverhältnisses; zu den Anforderungen an eine deliktische Haftung des Geschäftsführers nach §§ 823 Abs. 2 BGB, 266 StGB (Treuebruchtatbestand).
1. Ein Geschäftsführer einer GmbH kann seine ihm nach § 43 GmbHG obliegenden Pflichten verletzt haben, indem er der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes zuwider eine dauerhafte Weiterbezahlung seiner Ehefrau ohne adäquate Gegenleistung veranlasst hat. Im Verhältnis zur GmbH obliegt ihm als deren Geschäftsführer eine Treuepflicht im Hinblick auf das Gesellschaftsvermögen als für ihn fremdes Vermögen. Das von ihm behauptete Einverständnis anderer Gesellschafter bzw. Geschäftsführer kann ein ungetreues und strafbares Verhalten des Geschäftsführers gegenüber der mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestatteten Gesellschaft nicht ausschließen und berührt nicht die Organhaftung des Geschäftsführers im Außenverhältnis gegenüber der Gesellschaft.
2. Eine GmbH kann gegen einen früheren Geschäftsführer einen Anspruch auf Rückzahlung der monatlichen Tantiemezahlungen wegen schuldhafter Verletzung der ihm als Geschäftsführer obliegenden Pflichten gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG (sowie §§ 280 Abs. 1 BGB, 611 BGB) als auch aus unerlaubter Handlung, §§ 823 Abs. 2 BGB, 266 StGB haben, wenn sich der Geschäftsführer entgegen des eindeutigen Wortlauts des Geschäftsführervertrages willkürlich Vermögen der Gesellschaft auszahlen lassen hat.
3. Ein früherer Geschäftsführer haftet neben § 43 Abs. 2 GmbHG, § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB auch nach §§ 823 Abs. 2 BGB, 266 StGB, wenn er mit dem Einsatz von Gesellschaftsmitteln zu eigennützigen Zwecken privater Vereinsmitgliedschaften entgegen seinen gesellschaftsrechtlichen Verpflichtungen als Geschäftsführer unzulässigen Privatentnahmen getätigt und damit seine Treuepflichten gegenüber der GmbH verletzt hat.
4. Ein Geschäftsführer kann zudem Erstattung der über das Konto der GmbH bezahlten Bewirtungs- und Spirituosenkosten aus § 43 Abs. 2 GmbHG sowie aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 266 StGB schulden, wenn mit der Belastung der GmbH mit privat veranlassten Bewirtungs- und Spirituosenkosten in großem Stil unzulässige Privatentnahmen getätigt und die Vermögensinteressen der GmbH missachtet und ihr Schaden zugefügt hat.
Eintrag lesenOLG München, Urteil vom 16. Januar 2019 – 7 U 1365/18
Kein Eingehungsbetrug bei fehlendem Vorsatz des Geschäftsführers hinsichtlich Leistungsunwilligkeit
1. Eine als Organ einer Kapitalgesellschaft handelnde natürliche Person unterfällt in subjektiver Hinsicht nur dann einer Schiedsabrede, wenn der Geschäftsführer beim Abschluss der Schiedsvereinbarung für die von ihm vertretene juristische Person mitwirkte und der Schiedsvereinbarung (gegebenenfalls durch Auslegung) zu entnehmen ist, dass er in den subjektiven Anwendungsbereich einbezogen werden sollte. Nur unter diesen Voraussetzungen ist sichergestellt, dass die Einbeziehung mit Willen des Geschäftsführers erfolgte und kein Vertrag zu Lasten Dritter vorliegt.
2. Bei einem zum Schadensersatz verpflichtenden Eingehungsbetrug liegen die Tathandlung in der täuschungsbedingten Erregung eines Irrtums des Geschädigten über die Leistungswilligkeit des Täters und der beim Geschädigten eintretende Schaden darin, dass dieser nach dem täuschungsbedingten Eingehen des schuldrechtlichen Geschäftes mit dem Täter wirtschaftlich schlechter gestellt ist als vorher, weil der Täter schon im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses leistungsunwillig ist und von vorneherein für die von ihm vom Geschädigten erlangte Leistung die zugesagte Gegenleistung nicht oder nur unvollständig erbringen will. Diese objektiven Tatbestandsmerkmale des § 263 Abs. 1 StGB müssen von einem Vorsatz des Täters mit seinen kognitiven und voluntativen Bestandteilen umfasst sein.
3. Reichen die Indizien nicht zur Bildung einer Überzeugung des Senats hinsichtlich einer schon bei Vertragsschluss bestehenden Leistungsunwilligkeit der Gesellschaft und damit eines Vorsatzes des Geschäftsführers zur Begehung eines Eingehungsbetruges aus, so scheidet ein Schadensersatzanspruch aus. Gegen eine anfängliche Leistungsunwilligkeit kann sprechen, dass ein großer Teil der im Kaufvertrag von der Gesellschaft zugesagten Leistungen bei Fälligkeit erbracht wurde.
Eintrag lesenBGH, Urteil vom 11. Dezember 2018 – II ZR 455/17
Unerlaubte Handlung I Schutzgesetzcharakter der Insolvenzstraftat der Verletzung der Buchführungspflicht durch nicht übersichtliche Bilanzaufstellung
§ 283b Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a StGB ist kein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB.
Eintrag lesenOLG Köln, Urteil vom 31. Oktober 2018 – 11 U 166/17
Durchgriffshaftung des Geschäftführers eines Bauunternehmen bei Baumängeln I Ersatz fiktiver Mängelbeseitigungskosten aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung
1. Der Übergang vom Schadensersatzanspruch auf den Vorschussanspruch ist keine Klageänderung und daher grundsätzlich auch noch im Berufungsverfahren zulässig.
2. Der Übergang von einem Antrag auf Feststellung der Pflicht zur Erstattung von Umsatzsteuer im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs zu einem Antrag auf Zahlung der Umsatzsteuer im Rahmen eines Vorschussanspruchs ist eine Klageerweiterung, die der in erster Instanz erfolgreiche Berufungsbeklagte in der Berufung nur unter den Voraussetzungen einer Anschlussberufung und damit innerhalb der wirksam gesetzten Berufungserwiderungsfrist geltend machen kann (Anschluss an BGH, Urteil vom 7. Mai 2015 – VII ZR 145/12)
3. Die Berufungserwiderungsfrist ist nur wirksam gesetzt, wenn dem Berufungsbeklagten eine beglaubigte Abschrift der Verfügung zugestellt wird und er über die Rechtsfolgen der Versäumung der Berufungserwiderungsfrist belehrt worden ist.
4. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Ausschluss fiktiver Mängelbeseitigungskosten im Werkvertrag (BGH, Urteil vom 22. Februar 2018 – VII ZR 45/17 gilt auch für die Durchgriffshaftung des Geschäftsführers einer Bauunternehmung wegen Baumängeln aus § 826 BGB.
Eintrag lesenBGH, Urteil vom 17. Mai 2018 – VII ZR 92/16
Zweckwidrige Verwendung von Baugeld I Begriff des Baugeldempfängers
Empfänger von Baugeld im Sinne von § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauFordSiG ist jede Person, die für das Versprechen einer Leistung im Zusammenhang mit der Herstellung eines Baues oder Umbaues eine Vergütung erhält und andere Unternehmer aufgrund eines Werk-, Dienst- oder Kaufvertrags an der Erfüllung ihrer Leistungsverpflichtung beteiligt. Dabei genügt es, wenn sich das Versprechen der Leistung nur auf einzelne Teile des Baues oder Umbaues bezieht. In diesem Fall ist der (Nach-)Unternehmer grundsätzlich nach § 1 Abs. 1 Satz 1 BauFordSiG verpflichtet, die erhaltene Vergütung zugunsten der von ihm einbezogenen „anderen Unternehmer“ zu verwenden. Diese Verpflichtung besteht unabhängig davon, wie viele (Nach-)Unternehmer vor dem Baugeldempfänger in einer Leistungskette tätig waren.
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