Die Gesamtschau der festgestellten Verfehlungen eines GmbH-Geschäftsführers kann im Hinblick darauf, dass – trotz der langen Dauer des Anstellungsverhältnisses – die ordentliche Kündigungsfrist lediglich ein halbes Jahr beträgt, eine sofortige Beendigung des Vertragsverhältnisses gemäß § 626 BGB nicht rechtfertigen, wenn einerseits die von der Gesellschaft herangezogenen Verfehlungen des Geschäftsführers teilweise sehr lange zurückliegen und es sich andererseits zum Teil um leichtere Pflichtverletzungen handelt, die vor Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung einer Abmahnung bedurft hätten.
Eintrag lesenGerichtsurteile und Gerichtsbeschlüsse für Kündigung des Anstellungsvertrags aus wichtigem Grund
OLG Koblenz, Urteil vom 11.07.2013 – 6 U 1359/12
Geschäftsführeranstellungvertrag I Kündigung wegen von der GmbH bezahlter Nachhilfe und durch den Geschäftsführer ermöglichter Einrichtungsnutzung
1. Die Bezahlung von Nachhilfeunterricht für eine Bekannte des Geschäftsführers einer GmbH aus Mitteln der GmbH kann ein wichtiger Grund zur Kündigung des Geschäftsführeranstellungsvertrages sein.
2. Die Pflichtwidrigkeit erlangt durch die Nähebeziehung zusätzliches Gewicht.
3. Eine Treuepflichtverletzung kann darin bestehen, der Lebensgefährtin zu ermöglichen, die Einrichtungen der GmbH – vorliegend Konvektomat der Küche zum Garen von Gänsekeulen – zu nutzen.
Eintrag lesenOLG Stuttgart, Beschluss vom 13.05.2013 – 14 U 12/13
GmbH I Abberufung des alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführers einer zweigliedrigen GmbH I Ausschließung eines Gesellschafters aus wichtigem Grund
1. Zu den Anforderungen an die Abberufung des alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführers einer zweigliedrigen GmbH aus wichtigem Grund.
2. Die Zustimmung des Minderheitsgesellschafters zu dem Beschlussantrag, den Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführer der zweigliedrigen GmbH aus wichtigem Grund abzuberufen sowie aus wichtigem Grund aus der Gesellschaft auszuschließen, kann treuwidrig und damit nichtig sein, wenn der jeweils erforderliche wichtige Grund fehlt.
3. Sind alle zu einem Beschlussantrag in der Gesellschafterversammlung der GmbH abgegebenen Stimmen nichtig, ist eine Beschlussfeststellung dahin, dass der Antrag abgelehnt worden ist, nicht mit der Anfechtungsklage zu beseitigen.
4. Zu den Voraussetzungen der Ausschließung eines Gesellschafters aus einer personalistisch strukturierten, zweigliedrigen GmbH aus wichtigem Grund.
Eintrag lesenBGH, Urteil vom 9. April 2013 – II ZR 273/11
Fristlose Kündigung eines Geschäftsführeranstellungsvertrages I Beginn der Kündigungserklärungsfrist I Übertragung der Befugnis zur Kündigung I Erforderlichkeit einer positiven Kenntnis von den kündigungsrelevanten Tatsachen
1. Für die Kenntnis der für die Kündigung eines Geschäftsführeranstellungsvertrages maßgebenden Tatsachen, die die Zweiwochenfrist nach § 626 Abs. 2 BGB in Lauf setzt, kommt es auf den Wissensstand des zur Entscheidung über die fristlose Kündigung berufenen und bereiten Gremiums der Gesellschaft an.
2. Die Befugnis, den Anstellungsvertrag zu kündigen, kann sowohl im Gesellschaftsvertrag als auch durch die Gesellschafter auf andere Personen übertragen werden.
3. Kenntnis liegt dann vor, wenn alles in Erfahrung gebracht worden ist, was als notwendige Grundlage für eine Entscheidung über Fortbestand oder Auflösung des Dienstverhältnisses anzusehen ist. Kennenmüssen oder grobfahrlässige Unkenntnis genügt nicht.
Eintrag lesenOLG Stuttgart, Urteil vom 29.09.2010 – 9 U 37/10
Fristlose Kündigung eines Geschäftsführeranstellungsvertrags I Zurückweisung der Kündigung wegen fehlender Vollmachtsvorlage I Beleidigung des Arbeitgebers als Kündigungsgrund I Nachschieben von Gründen für die fristlose Kündigung
1. Weist der Angestellte die – außerordentliche – Kündigung gemäß § 174 BGB wegen fehlender Vorlage einer Vollmachtsurkunde zurück, muss dieser Grund seiner Erklärung zumindest im Wege der Auslegung zu entnehmen sein. Die bloße Bezugnahme auf § 174 BGB ohne die fehlende bzw. unzureichende urkundliche Ermächtigung als solche zu erwähnen, reicht hierfür nicht aus.
2. Beleidigungen des Arbeitgebers durch den Arbeitnehmer, die nach Form und Inhalt eine grobe Ehrverletzung bedeuten, können einen erheblichen Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis darstellen und eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen (Anschluss BAG, 10. Oktober 2002, 2 AZR 418/01, ARST 2004, 78). Handelt es sich jedoch um eine Äußerung, die ein Prozessbeteiligter in einem gerichtlichen Verfahren zur Wahrung seiner Rechtsposition abgegeben hat, sind nur missbräuchliche Einlassungen, die in keinem Zusammenhang zur Verteidigung stehen und offenbar unhaltbar sind, nicht gemäß § 193 StGB gerechtfertigt (Anschluss BVerfG, 28. März 2000, 2 BvR 1392/96, NJW 2000, 3196).
3. Kündigungsgründe, die dem Kündigenden bei Ausspruch der Kündigung noch nicht bekannt waren, können uneingeschränkt nachgeschoben werden, wenn sie bereits bei Ausspruch der Kündigung entstanden sind (Anschluss BAG, 6. September 2007, 2 AZR 264/06, NJW 2008, 1097). Ein Nachschieben bzw. Auswechseln der Kündigungsgründe ist im Prozess auch dann möglich, wenn die Kündigung hierdurch einen völlig anderen Charakter erhält, sofern sie bei Ausspruch der Kündigung schon vorlagen und dem kündigenden Gesellschaftsorgan nicht länger als zwei Wochen zuvor bekannt waren (Anschluss BGH, 1. Dezember 2003, II ZR 161/02, NJW 2004, 1528 und BGH, 20. Juni 2005, II ZR 18/03, NJW 2005, 3069).
Eintrag lesenBGH, Urteil vom 21. Juni 2010 – II ZR 230/08
GmbH I Stimmrecht des Versammlungsleiters bei der Abstimmung über die Entziehung der Versammlungsleitung im Hinblick auf einen Interessenkonflikt bei einzelnen Tagesordnungspunkten
Eintrag lesenOLG Köln, Urteil vom 01.06.2010 – 18 U 72/09, I-18 U 72/09
GmbH I Abberufung des Geschäftsführers aus wichtigem Grund bei einem Zerwürfnis mit der Gesellschaftermehrheit wegen Kompetenzüberschreitung
1. Ein tiefgreifendes Zerwürfnis zwischen dem Geschäftsführer einer GmbH und der Gesellschaftermehrheit ist für die Abberufung des Geschäftsführers aus wichtigem Grund ausreichend. Missachtet der Geschäftsführer in einer für die Gesellschaft existenziellen Frage die Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung, indem er eigenmächtig und mit existenzgefährdenden Folgen einen Darlehensvertrag kündigt, weil er zu Recht davon ausgeht, dass er hierfür nicht die erforderliche Zustimmung der Mehrheit erhalten werde, so ist er für die Gesellschaft nicht länger als Geschäftsführer zumutbar.
2. Gesellschafter sind auf Grund der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht verpflichtet, einem Antrag auf Abberufung des Geschäftsführers aus wichtigem Grund zuzustimmen, soweit ein wichtiger Grund tatsächlich vorliegt.
Eintrag lesenOLG Celle, Urteil vom 27.01.2010 – 9 U 38/09
Fristlose Entlassung des GmbH-Geschäftsführers wegen Falschabrechnung zu erstattender Auslagen und Herunterladens von Hackersoftware auf einem Dienst-Laptop I Beweisverwertungsverbot bezüglich der Ergebnisse der Videoüberwachung der Anwesenheitszeit von Mitarbeitern
1. Der Geschäftsführer einer GmbH kann auch dann fristlos entlassen werden, wenn eine vorsätzlich falsche Abrechnung zu erstattender Auslagen einen geringfügigen Betrag betrifft.
2. Das Herunterladen von Hackersoftware auf einen dienstlichen Laptop verstößt gegen § 95a Abs. 3 UrhG.
3. Der in den Diensträumen einer GmbH von deren Geschäftsführer zu benutzende Laptop steht im Besitz der GmbH, die ihren Besitzwillen durch den Geschäftsführer ausübt.
4. Die Videoüberwachung der dienstlichen Anwesenheit von Mitarbeitern verstößt gegen deren Persönlichkeitsrecht. Daraus folgt ein Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbot; es schließt die Geltendmachung von Schadensersatz wegen der Kosten der Auswertung der Überwachungskamera aus.
Eintrag lesenOLG Oldenburg, Urteil vom 21.01.2010 – 1 U 18/09
GmbH I Vertretung der Gesellschaft in einem Prozess mit einem – ehemaligen – Geschäftsführer
1. Wird eine Klage eines Geschäftsführers oder ehemaligen Geschäftsführers, die das Anstellungsverhältnis zur GmbH betrifft, nicht gegen die durch die Gesellschafter oder das sonst zuständige Organ vertretene GmbH, sondern gegen die GmbH, vertreten durch den bzw. die (neuen) Geschäftsführer gerichtet, ist die Klage wegen nicht ordnungsgemäßer Vertretung der beklagten GmbH unzulässig. Ein solcher Mangel kann nicht durch eine Rubrumsberichtigung beseitigt werden, sondern dazu bedarf es der Übernahme der Prozessführung durch das zuständige Organ der GmbH und dessen Genehmigung der bisherigen Prozessführung.
2. Eine Änderung der Vertretung der beklagten GmbH, die der klagende Geschäftsführer zum Zweck der Beseitigung des Mangels durch erneute Zustellung seiner Klage an die durch das zuständige Organ vertretene GmbH herbeizuführen versucht, ist in der Berufungsinstanz nur nach den hier geltenden Grundsätzen der Parteiänderung zulässig, insbesondere § 533 ZPO ist dabei zu beachten.
Eintrag lesenOLG Hamm, Urteil vom 25. November 2009 – 8 U 61/09
GmbH-Geschäftsführer I Frist für die klageweise Geltendmachung der Anfechtung eines Gesellschafterbeschlusses I Abmahnung vor fristloser Kündigung des Anstellungsvertrags
1. Auch wenn § 246 Abs. 1 AktG im Rahmen des GmbH-Gesetzes weder direkt noch analog anwendbar ist, muss die Klage auf Anfechtung eines Gesellschafterbeschlusses mit aller dem klagenden Gesellschafter zumutbaren Beschleunigung erhoben werden, wobei die Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG – von eng begrenzten Ausnahmen abgesehen – Leitbildfunktion hat. Wird diese Frist überschritten, kommt es darauf an, ob zwingende Umstände den Gesellschafter an einer früheren klageweisen Geltendmachung des Anfechtungsgrundes gehindert haben (Anschluss BGH, 18. April 2005, II ZR 151/03, NZG 2005, 551 und BGH, 14. Mai 1990, II ZR 126/89, NJW 1990, 2625).
2. Der Dienstvertrag des Geschäftsführers kann aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann (Rn.29) . Dem Ausspruch der fristlosen Kündigung eines Geschäftsführervertrages – demzufolge auch der Beschlussfassung über die Erklärung der Kündigung – muss keine Abmahnung vorangehen (Anschluss BGH, 10. September 2001, II ZR 14/00, NJW-RR 2002, 173).
Eintrag lesen