Nichtannahmebeschluss I Erfolglose Verfassungsbeschwerde bzgl der Ausweitung der Besteuerung privater Veräußerungen von Kapitalanteilen durch § 17 Abs 1 S 1 EStG idF des Steuersenkungsgesetzes vom 23.10.2000 (juris: StSenkG 2001/2002) – Willkürverbot als Grenze des gesetzgeberischen Ermessens – hier: keine Verletzung des Art 3 Abs 1 GG durch Besteuerung des Wertzuwachses, durch Absenkung der Beteiligungsgrenze von 10% auf 1% sowie durch Differenzierung zwischen Beteiligungen unterhalb und oberhalb der 1%-Grenze
1. Zur Versteuerung privater Veräußerungen von Kapitalanteilen hat das BVerfG bereits ausgeführt, dass der Gesetzgeber nicht gehindert wäre, Gewinne aus jeder Veräußerung von Gegenständen des Privatvermögens zu besteuern. Ob und inwieweit er von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, ist eine Frage politischer Gestaltung (BVerfG, 07.07.2010, 2 BvR 748/05, BVerfGE 127, 61 <86> mwN). Das BVerfG hat nicht nachzuprüfen, ob der Gesetzgeber bei der Auswahl des Steuergegenstandes die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden hat. Das gesetzgeberische Ermessen findet auch hier seine Grenze erst im Willkürverbot (vgl BVerfGE 27, 111 <127f> mwN).
2. Nach diesen Maßstäben ist die verfahrensgegenständliche Norm des § 17 Abs 1 S 1 EStG idF des Steuersenkungsgesetzes vom 23.10.2000 Ausdruck der Steuerwürdigkeitsentscheidung des Gesetzgebers, dass Gewinne aus der Veräußerung von im Privatvermögen gehaltenen Beteiligungen an Kapitalgesellschaften als Einkünfte aus Gewerbebetrieb der Besteuerung unterliegen sollen, sofern die Beteiligung eine gewisse prozentuale Höhe erreicht. Damit hat der Gesetzgeber den Steuergegenstand in verfassungsgemäßer Weise gewählt.
2a. Die erweiterte steuerliche Erfassung gewinnbringender privater Veräußerungen von Beteiligungen an Kapitalgesellschaften ist als solche einschließlich ihrer Zuordnung zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb mit Art 3 Abs 1 GG vereinbar. Insb beruht sie nicht auf sachwidrigen, willkürlichen Erwägungen (wird ausgeführt).
2b. Für das Absenken der Beteiligungsgrenze von 10 % auf 1 % und die damit einhergehende Erweiterung der Besteuerung von Gewinnen aus privaten Veräußerungen von Beteiligungen an Kapitalgesellschaften besteht ein sachlicher Grund; sie ist nicht willkürlich. Sie steht mit dem zugleich eingeführten Halbeinkünfteverfahren im Zusammenhang und dient dem legitime Ziel der Verhinderung oder zumindest Eindämmung steuerpolitisch unerwünschter Gestaltungsmöglichkeiten (vgl BVerfGE 127, 224 <257>; wird ausgeführt).
2c. Auch die gesetzgeberische Differenzierung zwischen Beteiligungen unterhalb von 1 % und oberhalb dieser Grenze ist mit Art 3 Abs 1 GG vereinbar.
aa. Insofern ist der Gesetzgeber nur an den Willkürmaßstab gebunden. Es ist keine Prüfung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erforderlich, wie sie der Beschwerdeführer in Anknüpfung an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Erbschaftsteuer (BVerfG, 17.12.2014, 1 BvL 21/12, BVerfGE 138, 136) wegen des Ausmaßes der Ungleichbehandlung für geboten hält.
Die vom Gesetzgeber vorgenommene Differenzierung führt jedenfalls nicht zu einer strukturellen Ungleichbehandlung, die bei einem erheblichen Ausmaß eine Verhältnismäßigkeitsprüfung verlangen kann (vgl BVerfGE 138, 136 <185 Rn 131>; BVerfG, 10.04.2018, 1 BvR 1236/11, BVerfGE 148, 217 <248 Rn 117>). Der Gesetzgeber knüpft die Unterschiede in der Besteuerung nicht an absolute Beträge, sondern an das Gewicht der Beteiligung innerhalb der jeweiligen Kapitalgesellschaft. Dass dadurch in Relation zu dem Wert der jeweils veräußerten Anteile ein strukturell bedeutsamer Teil von Veräußerungsvorgängen von der Steuerpflicht befreit wäre, ist nicht ersichtlich.
bb. Für die Festlegung der Beteiligungsgrenze auf eine Mindestbeteiligung von 1 % bestehen sachliche Gründe.
Die Besteuerung soll nur solche Anteilseigner treffen, die aufgrund ihres Beteiligungsanteils ein gewisses Gewicht innerhalb der Gesellschaftsstruktur besitzen. Danach knüpft der Gesetzgeber weiterhin an eine strukturelle Vergleichbarkeit zwischen Mitunternehmern und Anteilseignern an. Zudem bezweckt die Beteiligungsgrenze, weitere, zum Teil aufwendige Folgen, die sich an das Vorliegen einer „gewerblichen“ Beteiligung knüpfen, etwa bei Auslandssachverhalten und im Umwandlungssteuerrecht, unterhalb einer Bagatellgrenze zu vermeiden.
Darauf, ob dem Gesetzgeber andere Gestaltungsmöglichkeiten, wie etwa eine Differenzierung anhand einer absoluten Beteiligungsgrenze zur Verfügung gestanden hätten, kommt es vor dem Hintergrund seiner Bindung nur an das Willkürverbot nicht an.
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