Strafbarkeit von Vorstandsmitgliedern einer Bank-AG I Untreue bei Verletzung gesellschaftsrechtlicher Pflichten durch sorgfaltswidrige Überschreitung der Grenzen des unternehmerischen Ermessens I Straftatbestand der Informationspflichtverletzung bei unrichtiger Darstellung der Geschäftsverhältnisse
1. Sind durch ein Handeln von Vorstandsmitgliedern einer Bank (hier: indem sie auf Grundlage unzureichender Informationen dem Abschluss von Finanzgeschäften zustimmten, welche der Verbesserung der Eigenkapitalquote dienen sollten, und dadurch der Bank einen Vermögensnachteil zufügten) die in § 93 Abs. 1 AktG normierten äußersten Grenzen unternehmerischen Ermessens überschritten und ist damit eine Hauptpflicht gegenüber dem zu betreuenden Unternehmen verletzt worden, so liegt eine Verletzung gesellschaftsrechtlicher Pflichten vor, die gleichsam „automatisch“ so gravierend ist, dass sie zugleich eine Pflichtwidrigkeit im Sinne von § 266 StGB begründet (Festhaltung BGH, 22. November 2005, 1 StR 571/04, NStZ 2006, 221).
2. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG definiert einen „sicheren Hafen“; d.h., die Einhaltung seiner Voraussetzungen schließt eine Pflichtverletzung aus. Umgekehrt begründet die Überschreitung seiner Grenzen durch einen Verstoß gegen Informationspflichten allein noch keine Pflichtverletzung. Vielmehr ist auch dann pflichtgemäßes Handeln nach § 93 Abs. 1 S. 1 AktG möglich; allerdings indiziert der Verstoß gegen § 93 Abs. 1 S. 2 AktG eine Pflichtverletzung.
3. Um Informationspflichten zu genügen, müssen grundsätzlich in der konkreten Entscheidungssituation alle verfügbaren Informationsquellen tatsächlicher und rechtlicher Art ausgeschöpft werden, um auf dieser Grundlage die Vor- und Nachteile der bestehenden Handlungsoptionen sorgfältig abzuschätzen und den erkennbaren Risiken Rechnung zu tragen.
4. Das abstrakte Gefährdungsdelikt des § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG bedarf einer einschränkenden Auslegung. Die Vorschrift dient dem Schutz von Aktionären und dritten Personen, die zu der Aktiengesellschaft in rechtlicher oder wirtschaftlicher Beziehung stehen oder in eine solche Beziehung treten wollen und deshalb an dem Vermögensstand, den Verhältnissen und der Vertrauenswürdigkeit der Gesellschaft interessiert sind. Angesichts dieses Schutzzwecks sind Erklärungen aus dem Tatbestand auszuschließen, die bei abstrakter Betrachtungsweise für eine Entscheidung der geschützten Personen, mit der Gesellschaft in rechtliche oder wirtschaftliche Beziehungen zu treten, nicht relevant sind.
Eintrag lesen