Klagen im Zusammenhang mit der Abberufung von Geschäftsführern und der Beendigung des Anstellungsvertrages … Verhältnis von Organstellung und AnstellungsvertragBitte wählen Sie ein Schlagwort:AnstellungsvertragVerhältnis von Organstellung und Anstellungsvertrag … Trennungstheorie … Trennungsgrundsatz … 1. Möglichkeiten der […]
Eintrag lesenGerichtsurteile und Gerichtsbeschlüsse für Verletzung der allgemeinen Überwachungspflicht
KG Berlin, Urteil vom 28.04.2022 – 2 U 39/18
Ersatz pflichtwidriger Zahlungen I Exkulpation des Geschäftsführers einer Konzern-GmbH durch für den Gesamtkonzern eingeholtes Insolvenzgutachten
1. Ein vom Insolvenzverwalter als Indiz der Überschuldung vorgelegter Jahresabschluss ist nicht schon deswegen ohne Aussagekraft, weil er vor Insolvenzeröffnung nicht mehr förmlich beschlossen und vom Geschäftsführer unterzeichnet werden konnte. Vielmehr sind dem Geschäftsführer konkrete Einwendungen in der Sache zumutbar.
2. Zur Frage, ob sich der Geschäftsführer einer konzernangehörigen GmbH zur Exkulpation auf ein Anwaltsgutachten stützen kann, welches das Vorliegen von Insolvenztatbeständen im Wege einer reinen Konzernbetrachtung verneint.
3. Hat der auf die Erstattung von Zahlungen in der Insolvenz in Anspruch genommene Geschäftsführer die sorgfältige Plausibilitätskontrolle einer Insolvenzbegutachtung unterlassen, kann er nicht geltend machen, bei deren Vornahme hätte ihm der Fehler des Begutachtenden nicht auffallen müssen.
Eintrag lesenOLG Hamm, Urteil vom 06.04.2022 – I-8 U 73/12
Zu den Amtspflichten der Aufsichtsratsmitglieder zählt die Überwachung des Vorstandes und ggf. Verfolgung von Pflichtverstößen einschließlich der Geltendmachung entsprechender Schadensersatzansprüche (vgl. grundlegend BGH, Urteil vom 21.04.1997, II ZR 175/95, BGHZ 135, 244 – ARAG/Garmenbeck)
1. Zur Haftung von Aufsichtsratsmitgliedern einer Aktiengesellschaft wegen unterlassener Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen Mitglieder des Vorstandes.
2. Der Schaden der Aktiengesellschaft, für den die Aufsichtsräte haften und der u.a. in der Belastung mit langfristigen Mietzinsverbindlichkeiten liegt, entfällt nicht unter dem Gesichtspunkt des Vorteilsausgleichs, wenn sich nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft die Mietzinsgläubiger durch Vergleich mit dem Insolvenzverwalter verpflichten, ihre zur Tabelle angemeldeten und bestrittenen Forderungen zum Teil nicht gerichtlich zu verfolgen.
Eintrag lesenBGH, Urteil vom 6. November 2018 – II ZR 11/17
Haftung des GmbH-Geschäftsführers für Zahlungen nach Insolvenzreife I Voraussetzungen einer Geschäftsverteilung oder Ressortaufteilung auf der Ebene der Geschäftsführung
Eine Geschäftsverteilung oder Ressortaufteilung auf der Ebene der Geschäftsführung setzt eine klare und eindeutige Abgrenzung der Geschäftsführungsaufgaben auf Grund einer von allen Mitgliedern des Organs mitgetragenen Aufgabenzuweisung voraus, die die vollständige Wahrnehmung der Geschäftsführungsaufgaben durch hierfür fachlich und persönlich geeignete Personen sicherstellt und ungeachtet der Ressortzuständigkeit eines einzelnen Geschäftsführers die Zuständigkeit des Gesamtorgans insbesondere für nicht delegierbare Angelegenheiten der Geschäftsführung wahrt. Eine diesen Anforderungen genügende Aufgabenzuweisung bedarf nicht zwingend einer schriftlichen Dokumentation (Abgrenzung zu BFH, Urteil vom 26. April 1984, V R 128/79, BFHE 141, 443).
Eintrag lesenBGH, Urteil vom 18. September 2018 – II ZR 152/17
Aktiengesellschaft I Beginn der Verjährung von Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft gegen ein Aufsichtsratsmitglied wegen Verjährenlassens von Ersatzansprüchen der Gesellschaft gegen ein Vorstandsmitglied bei verbotener Einlagenrückgewähr an das Aufsichtsratsmitglied
1. Die Verjährung von Schadensersatzansprüchen einer Aktiengesellschaft gegen ein Aufsichtsratsmitglied gemäß § 116 Satz 1, § 93 Abs. 2, Abs. 6 AktG wegen Verjährenlassens von Ersatzansprüchen der Gesellschaft gegen ein Vorstandsmitglied beginnt gemäß § 200 Satz 1 BGB mit dem Zeitpunkt der Verjährung des Ersatzanspruchs der Gesellschaft gegen das Vorstandsmitglied.
2. Das gilt auch dann, wenn der Ersatzanspruch der Gesellschaft gegen das Vorstandsmitglied darauf beruht, dass dieses Einlagen an das Aufsichtsratsmitglied zurückgewährt hat.
Eintrag lesenLG Stuttgart, Urteil vom 19.12.2017 – 31 O 33/16 KfH
Aktiengesellschaft I Anfechtung eines Entlastungsbeschlusses der Hauptversammlung wegen Informationspflichtverletzung I Einordnung einer dem verbundenen Unternehmen zuzuordnenden Angelegenheit als mittelbare (Eigen-)Angelegenheit der Gesellschaft I Auskunftsverweigerungsrecht I Anforderungen an ein Überwachungssystem
1. Zur Einordnung einer dem verbundenen Unternehmen zuzuordnenden Angelegenheit als mittelbare (Eigen-)Angelegenheit der Gesellschaft im Sinne von § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG lassen sich abstrakt drei Fallgruppen klassifizieren, zwischen denen es Überschneidungen geben kann:(Rn.118)
– Das Erreichen der „Erheblichkeitsschwelle“ eines Vorgangs, der unmittelbar ein Tochterunternehmen betrifft, sich aber auf die Muttergesellschaft auswirkt, wird indiziert, wenn sich Vorstand oder Aufsichtsrat dieser Gesellschaft in der Vergangenheit tatsächlich mit der Angelegenheit des Tochterunternehmens befasst haben.(Rn.119)
– In Fällen, in denen die Marktmissbrauchsverordnung bereits anwendbar ist, genügen bei Konzernsachverhalten jedenfalls ein indirekter Emittentenbezug im Sinne des Art. 7 Abs. 1 lit. a der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 und die Kursrelevanz auf der Ebene der Obergesellschaft, um die jeweilige Insiderinformation als Angelegenheit der Gesellschaft subsumieren zu können.(Rn.120)
– Grundsätzlich kann von einem unmittelbaren Gesellschaftsbezug der Angelegenheit des verbundenen Unternehmens ausgegangen werden, wenn ein Vorstand, der den objektiven Sorgfaltsanforderungen des § 93 Abs. 1 AktG nachkommen will, und ein Aufsichtsrat, der seine Pflicht zur Überwachung des Vorstandes nach § 111 Abs. 1 AktG ernstnimmt, objektiv Anlass haben, sich im Interesse der (eigenen) Gesellschaft mit den Vorgängen im verbundenen Unternehmen auseinanderzusetzen.
2. Vorstand und Aufsichtsrat haben den Aktionären in den Grenzen des § 131 Abs. 1 AktG auch zu Tatsachenfragen, aus deren Beantwortung sich Pflichtverletzungen einzelner Organmitglieder ergeben können, grundsätzlich Rede und Antwort zu stehen. Das Auskunftsverweigerungsrecht nach § 131 Abs. 3 Nr. 1 AktG dient – wo geboten – dem Schutz der Gesellschaft und ihrer verbundenen Unternehmen, nicht aber dem Schutz pflichtwidrig agierender Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieder vor Entdeckung der Pflichtverletzung.
3. Bei der Anfechtung wegen Informationspflichtverletzung und der Berufung der Gesellschaftsorgane auf ein Auskunftsverweigerungsrecht gilt nicht die Einschränkung, dass eine Anfechtung des Entlastungsbeschlusses bei erkennbaren und schwerwiegenden Pflichtverletzungen der Organmitglieder nur auf diejenigen tatsächlichen Erkenntnisse gestützt werden kann, die bereits zum Zeitpunkt der Hauptversammlung bekannt waren.
4. Der Vorstand der Obergesellschaft muss in jedem Fall eine „konzerndimensionale Risikoerfassung und -auswertung“ einrichten und Entwicklungen auf der Ebene der Tochtergesellschaft in das eigene Überwachungssystem einbeziehen, wenn sie zu bestandsgefährdenden Entwicklungen auch bei der Muttergesellschaft führen können. Ein Überwachungssystem nach § 91 Abs. 2 AktG darf sich nicht damit begnügen, bei der Risikoquantifizierung lediglich Minimalstrafen oder für am wahrscheinlichsten gehaltene Strafen anzusetzen.
5. Hinweis der Dokumentationsstelle des Bundesgerichtshofs: Das Urteil vom 19. Dezember 2017 ist durch Beschluss vom 19. April 2018 berichtigt worden. Der Berichtigungsbeschluss ist am Ende der Entscheidung angefügt.
Eintrag lesenOLG Celle, Beschluss vom 03.07.2013 – 1 Ws 123/13
Vorenthaltung von Arbeitsentgelt I Voraussetzungen der Erfüllung der Informations- und Umgrenzungsfunktion der Anklageschrift I Haftung mehrerer Geschäftsführer I Abgrenzung zwischen abhängiger und selbstständiger Tätigkeit bei Beschäftigung von Krankentransportfahrern als Honorarkräfte I Subsumtionsirrtum beim Eventualvorsatz
1. Mängel der Informationsfunktion berühren die Wirksamkeit einer Anklage nicht. Gemäß § 203 StPO kommt es für die Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens allein darauf an, ob gegen den Angeschuldigten hinreichender Tatverdacht besteht. Solange daher die vorgeworfenen Taten tatsächlich und rechtlich hinreichend bestimmt sind, ist dem Gericht die erforderliche Prüfung möglich. Allein der Umstand, dass es sich bei der Anklage um eine weniger gut gelungene handelt, macht diese nicht unwirksam.
2. Beim Vorwurf des Veruntreuens von Arbeitsentgelt wird die Umgrenzungsfunktion der Anklage bereits dadurch gewahrt, dass die einzelnen verfahrensgegenständlichen Taten, nämlich das jeweils einen konkreten Zeitraum betreffende Nichtabführen von Sozialversicherungsbeiträgen für bestimmte Personen an konkret benannte Sozialversicherungsträger trotz bestehender Pflicht, bezeichnet werden. Schon die Darstellung, welche Einkünfte die einzelnen Arbeitnehmer hatten und nach welchem Berechnungssatz sich die Höhe der Sozialversicherungsbeiträge richtet, ist zur Erfüllung der Umgrenzungsfunktion der Anklage ohne Bedeutung.
3. Die Aufteilung von Aufgaben zwischen mehreren Geschäftsführern einer GmbH wirkt sich auf strafbewehrte Pflichten der gesamten Geschäftsführung nicht aus. Eine interne Zuständigkeitsverteilung kann allein hinsichtlich des subjektiven Tatbestandes der einzelnen Geschäftsführer Auswirkung entfalten.
4. Beim Zusammentreffen von Merkmalen der Abhängigkeit und Selbstständigkeit entscheidet über das Überwiegen das Gesamtbild der tatsächlichen Umstände. Krankentransportfahrer, die über keine eigene Betriebsstätte verfügen, in den Betriebsablauf einer GmbH eingebunden sind, von dieser gestellte Fahrzeuge und Kleidung nutzen, keinem unternehmerischen Risiko ausgesetzt sind, die Abrechnungen von der GmbH erstellen lassen und nur zu von der GmbH vorgegebenen Zeiten tätig werden können, sind abhängig Beschäftigte. Einflussnahmemöglichkeiten auf die Erstellung der Dienstpläne und die Entscheidung darüber, die Tätigkeit durchzuführen, stellen dem gegenüber keine so wesentlichen Faktoren dar, dass die Fahrer als selbstständige Unternehmer zu qualifizieren sind.
5. Für den erforderlichen Eventualvorsatz bei § 266a StGB genügt, dass der Täter um sämtliche Umstände weiß, die die Arbeitnehmereigenschaft der eingesetzten Personen begründen und daher den wesentlichen Bedeutungsgehalt des Merkmals „Arbeitnehmer“ und die daraus folgenden Pflichten erfasst. Die möglicherweise fehlerhafte Subsumtion unter den Begriff „Arbeitnehmer“ führt daher nicht zu einem Tatbestandsirrtum, sondern stellt einen Subsumtionsirrtum dar, der allein bei Unvermeidbarkeit Auswirkungen auf die Vorwerfbarkeit haben könnte.
Eintrag lesenThüringer OLG, Urteil vom 12.08.2009 – 7 U 244/07
fristlose Kündigung des GmbH-Geschäftsführers I Unterlassene Errichtung eines Kontrollsystems im Konzern und unterlassene Überwachung des Mitgeschäftsführers als Kündigungsgrund I Beginn der Kündigungsfrist bei Beauftragung eines Wirtschaftsprüfers mit einer Sonderprüfung
1. Der Geschäftsführer der GmbH verletzt seine Pflichten in einer Weise, die eine außerordentliche Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB rechtfertigt, wenn er kein Kontrollsystem zur Unterbindung von Scheinrechnungen eingerichtet hat.
2. Im Konzern obliegt dem Geschäftführer der Muttergesellschaft die Überwachung der Tochtergesellschaften.
3. Bei mehreren Geschäftsführern besteht eine wechselseitige Überwachungspflicht jedenfalls bei grundlegenden Pflichten wie der Buchführungspflicht.
4. Wird vom Aufsichtsrat ein Wirtschaftsprüfer mit einer Sonderprüfung hinsichtlich der gegenüber dem Geschäftsführer erhobenen Vorwürfe beauftragt, beginnt die Kündigungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB erst mit der Unterrichtung des gesamten Aufsichtsrats, nicht eines einzelnen Mitglieds, über das Ergebnis der Sonderprüfung durch den Wirtschaftsprüfer.
Eintrag lesenBGH, Urteil vom 20. Februar 1995 – II ZR 9/94
GmbH I Überwachungspflicht des Geschäftsführers hinsichtlich der wirtschaftlichen und finanziellen Situation I Verletzung der Überwachungspflicht als Kündigungsgrund
1. Der GmbH-Geschäftsführer kann dem Gebot des GmbHG § 49 Abs 3 auf Einberufung einer Gesellschafterversammlung bei Verlust der Hälfte des Stammkapitals nur nachkommen, wenn er die wirtschaftliche Lage des Unternehmens laufend beobachtet und sich bei Anzeichen einer krisenhaften Entwicklung einen Überblick über den Vermögensstand verschafft.
2. Deshalb muß der Geschäftsführer für eine Organisation sorgen, die ihm die dafür erforderliche Übersicht über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Gesellschaft jederzeit ermöglicht.
3. Aus der Überwachungspflicht ist der Geschäftsführer nicht entlassen, wenn ein wesentlicher Teil der Buchhaltungsarbeiten am Sitz der die GmbH beherrschenden Gesellschafterin erledigt wird.
4. Es kann aber an einem wichtigen Grund für die auf die Verletzung der Überwachungspflicht gestützte Kündigung des Anstellungsverhältnisses fehlen, wenn der die GmbH beherrschende Gesellschafter den Geschäftsführer im Innenverhältnis von seiner Überwachungsaufgabe freigestellt hatte.
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