Keine Haftung des Abschlussprüfers der deutschen P&R-Gesellschaften
1. Gegen den Abschlussprüfer der deutschen P&R-Gesellschaften bestehen grundsätzlich keine Ansprüche der Anleger aus Prospekthaftung im engeren oder weiteren Sinne, aus Vertrag oder aus sonstiger Vertrauenshaftung:
a) Die Kauf- und Verwaltungsverträge der P&R-Gruppe unterlagen erst ab 31. Dezember 2016 einer gesetzlichen Prospektpflicht. Vorher mussten die Inhaltsanforderungen an Prospekte aus § 7 VermAnlG nicht erfüllt werden (vgl. Senat, Hinweisbeschluss vom 13. Juli 2020 – 8 U 2610/20, WM 2020, 1822).
b) Ansprüche aus richterrechtlicher Prospekthaftung im engeren Sinn scheiden hier schon deshalb aus, weil eine gemeinsame unternehmerische Betätigung der Anleger am Markt nicht vorliegt. Der Kauf von Containern stellt den Erwerb einzeln zuzuordnender Vermögensgegenstände dar und steht damit dem Erwerb von Immobilien oder Waren gleich.
c) Der allgemeine Hinweis in einer Informationsbroschüre, „Unabhängige Wirtschaftsprüfer testieren P&R die vollständige Vertragsabwicklung für die Containerinvestitionen“, reicht nicht aus, um Ansprüche aus Prospekthaftung im weiteren Sinn auszulösen.
2. Die Erteilung eines unrichtigen Testats für einen Jahresabschluss durch einen Wirtschaftsprüfer kann bei einer besonders schwerwiegenden Verletzung der Sorgfaltspflichten sittenwidrig im Sinne des § 826 BGB sein.
a) Der Sittenverstoß setzt ein leichtfertiges und gewissenloses Verhalten des Auskunftgebers voraus. Die Vorlage eines unrichtigen Bestätigungsvermerks allein reicht dabei nicht aus. Erforderlich ist vielmehr, dass der Wirtschaftsprüfer seine Aufgabe qualifiziert nachlässig erledigt, zum Beispiel durch unzureichende Ermittlungen oder durch Angaben ins Blaue hinein, und dabei eine Rücksichtslosigkeit an den Tag legt, die angesichts der Bedeutung des Bestätigungsvermerks für die Entscheidung Dritter als gewissenlos erscheint. Ob dies der Fall ist, kann nur dann sachgerecht beantwortet werden, wenn vorher geklärt wird, ob und in welchen Punkten der Jahresabschluss objektive Fehler enthält. Zur Beurteilung der richtigen bilanziellen Bewertung ist im Zivilprozess in der Regel die Einholung eines Sachverständigengutachtens geboten, es sei denn, das Gericht verfügt ausnahmsweise selbst über die notwendige besondere Sachkunde und weist die Parteien zuvor hierauf hin (vgl. zuletzt BGH, Urteil vom 20. Januar 2022 – III ZR 194/19, Rz. 18 mwN; ebenso Senat, Hinweis vom 9. Dezember 2021 – 8 U 6063/21, BeckRS 2021, 43191, juris, zur Haftung des Abschlussprüfers von Wirecard).
b) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Klagepartei hier zumindest einige möglicherweise sittenwidrige haftungsbegründende Pflichtverletzungen des Beklagten hinreichend dargelegt und unter Sachverständigenbeweis gestellt (insbes. „unvollständige Darstellung des Geschäftsmodells im Lagebericht“, „nicht ausreichende Prüfung und Darstellung bestandsgefährdender Risiken“ und „Nichtbeanstandung der Informationsabschottung“).
3. Die deshalb hier an sich gem. § 531 Abs. 2 Nr. 1 ZPO gebotene Aufhebung und Zurückverweisung an das Landgericht zur umfangreichen Beweisaufnahme konnte nur deshalb unterbleiben, weil sich die Hilfsbegründung zur mangelnden Kausalität im Ergebnis als zutreffend erwiesen hat. Es fehlt vorliegend jedenfalls an der erforderlichen haftungsbegründenden Kausalität der beanstandeten Testate bzw. eines diesbezüglich pflichtwidrigen Verhaltens des Beklagten für die Kaufentscheidung der Kläger:
a) Anders als im Falle des Abschlussprüfers von Wirecard (vgl. dazu Senat, Hinweis vom 9. Dezember 2021 – 8 U 6063/21, BeckRS 2021, 43191, juris) kommt Containerkäufern wie den Klägern kein Erfahrungssatz dahingehend zugute, dass aufgrund des gewöhnlichen Laufs der Dinge davon auszugehen wäre, dass die – unterstellt gebotene – Verweigerung oder weitere Einschränkung der Testate durch den Beklagten bekannt geworden wäre oder sonst zu einem früheren Insolvenzantrag oder zu einem früheren Zusammenbruch des behaupteten „Schneeballsystems“ von P&R geführt hätte.
Wenn der Geschäftsführung der deutschen P&R-Gesellschaften klägerseits einerseits ein betrügerisches Vorgehen vorgeworfen wird, das jahrelang bewusst verschleiert worden sei, um sich selbst massiv zu bereichern, kann nicht andererseits ein Erfahrungssatz angenommen werden, dass sich dieselben Personen im Falle der Verweigerung des Testats rechtstreu verhalten und dies umgehend veröffentlicht hätten. Es erscheint dem Senat vielmehr naheliegend, dass die Geschäftsführung das behauptete „Schneeballsystem“ – auch zum eigenen finanziellen Vorteil – auch dann bis zu dessen wirtschaftlichen Zusammenbruch im März 2018 fortgesetzt hätte.
b) Der Beklagte selbst war vor der Veröffentlichung der Testate im Bundesanzeiger gem. § 323 Abs. 1 Satz 1 HGB zur Verschwiegenheit verpflichtet. Er durfte deshalb auch nicht anstelle der Geschäftsführung der P&R-Gruppe von sich aus den Vertrieb und notfalls die Fachpresse über eine – unterstellt – unterbliebene Veröffentlichung seiner – unterstellt – negativen Testate informieren, sodass die Anleger auch auf diesem Wege nicht Kenntnis von einer etwaigen Verweigerung oder weiteren Einschränkung der Testate durch den Beklagten erhalten konnten.
Eintrag lesen