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Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 15. Mai 2019 – 2 W 159/19

§ 65 Abs 2 GmbHG, § 72 GmbHG, § 73 Abs 1 GmbHG, § 74 Abs 1 GmbHG

1. Die Liquidation einer GmbH ist beendet, wenn das verwertbare Gesellschaftsvermögen verteilt ist und auch keine sonstigen Abwicklungsmaßnahmen mehr erforderlich sind. Daran fehlt es, wenn ein die Gesellschaft betreffendes Steuerverfahren noch nicht abgeschlossen ist.

2. Die Auflösung der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Gesellschaft
ist von den Liquidatoren in den Gesellschaftsblättern bekannt zu machen, verbunden mit der Aufforderung an die Gläubiger der Gesellschaft, sich bei der Gesellschaft zu melden. Nach dem GmbHG darf die Verteilung des Vermögens der Gesellschaft nicht vor Ablauf eines Jahres seit dem Tage vorgenommen werden, an dem die Aufforderung an die Gläubiger in den Gesellschaftsblättern erfolgte.

3. Der Löschung einer GmbH stehen das Fehlen eines Gläubigeraufrufs und eines Sperrjahres nicht entgegen, wenn der Gesellschaft kein verteilungsfähiges Vermögen mehr zur Verfügung steht.

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Jena vom 08.04.2019, Az. HRB ___, wird zurückgewiesen.

2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000.- Euro festgesetzt.

4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Mit Beschluss der Gesellschafterversammlung der Antragstellerin vom 01.03.2019 wurde die Antragstellerin aufgelöst und der bisherige Geschäftsführer Dr. W… zum Liquidator berufen. Mit Anmeldung vom 01.03.2019 (UR-Nr. W…/2019 des Notars Wa…, J…), beim Registergericht am 04.03.2019 eingegangen, wurden die Auflösung der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Gesellschaft
, die Bestellung des Liquidators und zugleich das Erlöschen der Antragstellerin ohne Liquidation zur Eintragung in das HandelsregisterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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angemeldet.

Mit Verfügung vom 06.03.2019 wies das Registergericht den Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin darauf hin, dass die Veröffentlichung des Gläubigeraufrufes vorgelegt werden muss, die Erklärung des Liquidators dahingehend zu erweitern ist, dass Beteiligungen der Antragstellerin an anderen Unternehmen nicht bestehen und dass das steuerrechtliche Verhältnis mit dem Finanzamt vollständig abgewickelt wurde.

Mit Schreiben vom 14.03.2019 (Blatt 14 der Registerakte) teilte das Finanzamt J… mit, dass das Besteuerungsverfahren für abgelaufene Zeiträume noch nicht abgeschlossen sei und ausweislich der letzten vorliegenden Bilanz zum 31.12.2017 noch Aktivvermögen vorhanden sei.

Die Antragstellerin nahm zur Verfügung des Registergerichtes dahingehend Stellung, dass bei Vermögenslosigkeit der Gesellschaft sowohl der Gläubigeraufruf entbehrlich als auch unerheblich sei, ob das Verhältnis mit dem Finanzamt vollständig abgewickelt sei. Dass Beteiligungen der Antragstellerin nicht bestünden, ergebe sich bereits aus der durch den Liquidator abgegebenen Versicherung. Die Gesellschaft sei zum Zeitpunkt der Anmeldung vermögenslos. Das Aktivvermögen sei zum Jahresende ausgebucht worden.

Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss vom 08.04.2019 (Blatt 28, 29 der Akte), dem Verfahrensbevollmächtigen der Antragstellerin am 10.04.2019 zugestellt, wies das Registergericht die Anmeldung zurück, Wegen der Gründe wird auf diesen Beschluss Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin vom 23.04.2019, die bei dem Registergericht am 30.04.2019 eingegangen ist, und mit der die Antragstellerin weiterhin geltend macht, dass bei Vermögenslosigkeit der Gesellschaft sowohl der Gläubigeraufruf entbehrlich als auch unerheblich sei, ob das Verhältnis mit dem Finanzamt vollständig abgewickelt sei, dass sich bereits aus der durch den Liquidator abgegebenen Versicherung ergebe, dass Beteiligungen der Antragstellerin nicht bestünden, und dass die Gesellschaft zum Zeitpunkt der Anmeldung vermögenslos sei, da das Aktivvermögen zum Jahresende ausgebucht worden sei.

II.

Die gemäß § 58 Abs. 1 FamFG statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Gesellschaft, die als Antragstellerin im Verfahren der Anmeldung beschwerdeberechtigt ist, § 59 Abs. 1, Abs. 2 FamFG, ist unbegründet. Das Registergericht hat die Anmeldung der Auflösung, der Bestellung des bisherigen Geschäftsführers der Gesellschaft zu deren Liquidator und des Erlöschens ohne Liquidation zu Recht zurückgewiesen, da nach der Mitteilung des Finanzamtes J… das Besteuerungsverfahren für abgelaufene Zeiträume noch nicht abgeschlossen ist. Die Voraussetzungen für eine Eintragung nur der Auflösung und Liquidatorbestellung liegen nicht vor.

1.

Das Registergericht hat die Anmeldung der Auflösung, der Bestellung des bisherigen Geschäftsführers der Gesellschaft zu deren Liquidator und des Erlöschens ohne Liquidation zu Recht zurückgewiesen, da nach der Mitteilung des Finanzamtes J… das Besteuerungsverfahren für abgelaufene Zeiträume noch nicht abgeschlossen ist und die Voraussetzungen für eine Eintragung nur der Auflösung und Liquidatorbestellung nicht vorliegen.

a)

Gemäß § 74 Abs. 1 GmbHG haben die Liquidatoren den Schluss der Liquidation zur Eintragung in das HandelsregisterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Eintragung in das Handelsregister
Handelsregister
anzumelden, wenn die Liquidation beendet und Schlussrechnung gelegt ist.Randnummer10

Die Liquidation ist beendet, wenn das verwertbare Gesellschaftsvermögen verteilt ist und auch keine sonstigen Abwicklungsmaßnahmen mehr erforderlich sind (Baumbach/Hueck-Haas, GmbHG, 21. A., § 74 GmbHG, Rn. 2). Daran fehlt es, wenn ein die Gesellschaft betreffendes Steuerverfahren noch nicht abgeschlossen ist (Senat, Beschluss vom 27.9.2017, Az. 2 W 407/17; vgl. auch Lutter/Hommelhoff-Kleindieck, GmbHG, 19. A., § 74 GmbHG, Rn. 5; Baumbach/Hueck-Haas, aaO, § 60 GmbHG, Rn. 105). Nicht abgeschlossene Steuerverfahren können – von zu bewirkenden Zustellungen abgesehen – etwa durch Steuer(nach)forderungen oder –erstattungen Auswirkungen auf das Gesellschaftsvermögen haben. Die Einlegung von Rechtsmitteln gegen Steuerbescheide kann sich als geboten erweisen. Auch sonst besteht regelmäßig keine Veranlassung, eine Gesellschaft durch ihre Löschung gleichsam einem laufenden Steuerverfahren zu entziehen (OLG HammBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Hamm
, Beschluss vom 01. Juli 2015 – 27 W 71/15 –, Rn. 6, juris). Dies ist vorliegend nach Auskunft des zuständigen Finanzamts, welche die Antragstellerin insoweit nicht in Zweifel gezogen hat, der Fall.

Für die Unzulässigkeit der Löschung bei noch nicht abgeschlossenem Steuerverfahren spricht auch, dass es damit zur Beendigung dieser Verfahren keiner Nachtragsliquidation bedarf. Die Nachtragsliquidation verursacht erheblichen Aufwand, der vermieden wird, wenn die Gesellschaft vor ihrer Löschung auch steuerlich abgewickelt wird. Hinzu kommt, dass die Voraussetzungen, unter denen die Nachtragsliquidation wegen noch laufender Steuerverfahren geboten ist, im Einzelnen streitig sind. So ist umstritten, ob die Nachtragsliquidation entsprechend § 273 Abs. 4 AktG zur Vornahme bestimmter Abwicklungsmaßnahmen voraussetzt, dass nachträglich verteilbares Vermögen hervorgetreten ist bzw. die Steuerbehörde dartun kann, dass sie ihren Steueranspruch auch realisieren kann (vgl. einerseits OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG München
, Beschluss vom 07. Mai 2008 – 31 Wx 28/08 –, Rn. 15, juris; andererseits KG, Beschluss vom 13. Februar 2007 – 1 W 272/06 –, Rn. 11, juris und OLG KarlsruheBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Karlsruhe
, Beschluss vom 21. Juni 1989 – 4 W 126/88 –, LS nach juris), und ob dem Nachtragsliquidator dabei nur ein auf die Vornahme bestimmter Einzelmaßnahmen beschränkter Aufgabenkreis zukommt (vgl. einerseits OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG München
, Beschluss vom 07. Mai 2008 – 31 Wx 28/08 –, Rn. 21, juris: andererseits OLG KoblenzBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Koblenz
, Urteil vom 09. März 2007 – 8 U 228/06 –, Rn. 22, juris). Zudem kommt eine gerichtliche Bestellung als Nachtragsliquidator gegen den Willen des Bestellten grundsätzlich nicht in Betracht, da eine Verpflichtung zur Übernahme des Amtes nicht besteht (OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG München
, Beschluss vom 07. Mai 2008 – 31 Wx 28/08 –, Rn. 24, juris). Die damit einhergehenden praktischen Schwierigkeiten in der Abwicklung von Steuerverfahren einer im Handelsregister bereits gelöschten Gesellschaft stellen sich nicht, wenn man die Löschung nach § 74 Abs. 1 GmbHG erst nach Abschluss der Steuerverfahren vornimmt (OLG HammBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Hamm
, Beschluss vom 01. Juli 2015 – 27 W 71/15 –, Rn. 6, juris).

2.

Schon aus den oben unter 1. dargestellten Gründen ist die Beschwerde zurückzuweisen. Wegen der weiteren Bedenken des Registergerichtes gegen die Eintragung der angemeldeten Tatsachen weist der Senat auf Folgendes hin:

a)

Der Liquidator hat mit der Anmeldung versichert, dass die Gesellschaft vollständig vermögenslos ist. Das Registergericht hat eine Ergänzung der Erklärung des Liquidators dahingehend gefordert, dass keine Beteiligungen an anderen Unternehmen bestehen. Mit der Beschwerde wurde eine Kopie des Jahresabschlusses zum 31.01.2019 vorgelegt (Blatt 33 – 36 der Akte), aus der sich ergibt, dass die im Vorjahr noch vorhandenen Vermögenswerte – wie mit der Beschwerde auch vorgetragen wurde – ausgebucht wurden und nur noch eine Verbindlichkeit gegenüber den Gesellschaftern besteht, die nach der Versicherung des Liquidators nicht mehr befriedigt werden soll. Es ergibt sich daraus auch, dass eine Beteiligung an einer „F__“ keine Erträge mehr erbracht hat.

Die gesetzliche Vorschrift des § 74 Abs. 1 GmbHG sieht vor, dass die Liquidatoren den Schluss der Liquidation zum Handelsregister der Gesellschaft anzumelden haben, wenn die Liquidation beendet ist. Die Beendigung der Liquidation tritt ein, wenn das verwertbare Vermögen der Gesellschaft verteilt ist und keine sonstigen Abwicklungsmaßnahmen erforderlich sind. Das Registergericht hat aufgrund der Anmeldung der LiquidatorenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Anmeldung
Anmeldung der Liquidatoren
Liquidatoren
im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes, § 26 FamFG, zu prüfen, ob die Liquidation in diesem Sinne tatsächlich beendet ist. In diesem Rahmen besteht keine Bindung an einen Gesellschafterbeschluss, durch den die Beendigung der Liquidation festgestellt wird (OLG HammBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Hamm
, Beschluss vom 08. Mai 2001 – 15 W 43/01 –, Rn. 13, juris). Im Rahmen des pflichtgemäß auszuübenden Ermessens darf das Registergericht einerseits grundsätzlich von der Richtigkeit der angemeldeten Tatsachen ausgehen, andererseits begründeten Zweifeln nachgehen(OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Düsseldorf
, Beschluss vom 04. August 2015 – 3 Wx 114/15 –, Rn. 11, juris; OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Köln
, Beschluss vom 05. November 2004 – 2 Wx 33/04 –, Rn. 7, juris). Es wird daher im weiteren Verfahren darauf ankommen, ob das Registergericht trotz der Versicherung des Liquidators und des nunmehr vorgelegten Jahresabschlusses begründete Zweifel an der Vermögenslosigkeit der Gesellschaft erkennt.

b)

Das Registergericht hat des Weiteren erklärt, dass die Veröffentlichung des Gläubigeraufrufes und die Einhaltung des Sperrjahres nicht umgangen werden dürfe.

aa)

Gemäß § 65 Abs. 2 GmbHG ist die Auflösung der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Auflösung
Auflösung der Gesellschaft
Gesellschaft
von den Liquidatoren in den Gesellschaftsblättern bekannt zu machen, verbunden mit der Aufforderung an die Gläubiger der Gesellschaft, sich bei der Gesellschaft zu melden. Gemäß § 73 Abs. 1 GmbHG darf die Verteilung des Vermögens der Gesellschaft, § 72 GmbHG, nicht vor Ablauf eines Jahres seit dem Tage vorgenommen werden, an dem die Aufforderung an die Gläubiger in den Gesellschaftsblättern erfolgte.

bb)

Der Senat schließt sich der Auffassung an, dass es dem Sinn und Zweck des Gläubigeraufrufes und des sich daran anschließenden Sperrjahres nicht entspricht, diese Voraussetzungen auch dann zu erfüllen und abzuwarten, wenn der Gesellschaft tatsächlich kein verteilungsfähiges Vermögen mehr zur Verfügung steht.

Das Gesetz schreibt die Einhaltung der Sperrfrist nur für den Fall vor, dass ein Gesellschaftsvermögen an die Gesellschafter verteilt werden soll. Kommt eine solche Verteilung nicht in Betracht, dann ist die Schutzvorschrift des § 73 Abs. 1 GmbHG gegenstandslos. Solange die Liquidationsgesellschaft nicht völlig vermögenslos ist, bezwecken der Gläubigeraufruf und das Sperrjahr, dass sich die Gläubiger melden, deren Forderungen der Gesellschaft nicht bekannt sind. Melden sich auf Grund des Aufrufs noch Gläubiger, so sind diese zu befriedigen, wenn die Forderungen fällig sind und wenn ihr Bestand nicht streitig ist. Reichen hierzu die vorhandenen Mittel nicht aus, so ist es Aufgabe des Liquidators, die verfügbaren Mittel unter Berücksichtigung sämtlicher Gläubiger zu verteilen. Dieser Schutz ist indes dann nicht (mehr) geboten, wenn kein verteilungsfähiges Aktivvermögen mehr vorhanden ist (Baumbach/Hueck – Haas, aaO, § 74 GmbHG, Rn. 2; Lutter/Hommelhoff – Kleindiek, aaO, § 74 GmbHG, Rn. 3; OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Köln
, Beschluss vom 05. November 2004 – 2 Wx 33/04 –, Rn. 6, juris; OLG NaumburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Naumburg
, Beschluss vom 27. Mai 2002 – 7 Wx 1/02, Rn. 18, juris).

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.

Die Festsetzung des Geschäftswertes für das Beschwerdeverfahren beruht mangels hinreichender Anhaltspunkte für eine anderweitige Bestimmung auf § 36 Abs. 3 GNotKG.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichtes erfordert, § 70 Abs. 2 Satz 1 FamFG.

Schlagworte: Liquidation, Vertretung bei Liquidation der Gesellschaft