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Thüringer Oberlandesgericht, Urteil vom 14.05.2021 – 9 U 189/20

§§ 280 Abs. 1, 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, 814, 821, 195, 199 Abs. 1, 204 Abs. 1 Nr. 1, 2038 Abs. 1 Satz 2 Hs. 1 BGB; § 167 ZPO; §§ 3a, 4b Satz 1, 10 Abs. 1 RVG; § 43a Abs. 4 BRAO – Anwaltshaftung

Tenor

1.        

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 17.01.2020,     Az. 3 O 1537/17, wird zurückgewiesen.

2.        

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3.        

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1. genannte Urteil des Landgerichts    Erfurt ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheits-      leistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht der         Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstre-         ckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Die Klägerin verlangt vom Beklagten Schadensersatz aus Anwaltshaftung und Honorarrückzahlung wegen erfolgloser Rechtsverteidigung in einem Vorprozess.

lm Vorprozess, der durch eine Klage vom 08.11.2012 eingeleitet wurde, nahm die VR-Bank (jetzige Streithelferin) die Klägerin auf Rückzahlung einer Fehlüberweisung in Anspruch. Die Klägerin mandatierte den Beklagten mit der Verteidigung gegen die Klage, wurde aber auf Rückzahlung verurteilt und vermochte auch in den Folgeinstanzen keine Klageabweisung zu erreichen.

Zu der Fehlüberweisung war es wie folgt gekommen:

Der Vater der Geschäftsführerin der Klägerin, Norbert Förster, war am 19.07.2008 verstorben und hatte zu Lebzeiten sog. DG-Fondsanteile gekauft. Es handelte sich um einen Flugzeugleasingfonds.

Norbert Förster wurde von seiner Witwe Heidemarie, seiner Tochter Viola und seinem Sohn Thomas gesetzlich beerbt. Die Klägerin ist eine Kommanditgesellschaft. Nach dem Gesellschaftsvertrag wurden im Erbfall die Kinder des Norbert Förster Gesellschafter.

Aus der DG-Fondsanlage wurde nach dem Tod des Vaters eine Ausschüttung in Höhe von 890.670,46 € gezahlt. Die Auszahlung der Ausschüttung erfolgte im Jahre 2009. Das Geld ging bei der VR-Bank ein, wurde dort aber am 30.12.2009 nicht auf einem Konto des Verstorbenen oder auf einem Konto der Erbengemeinschaft verbucht, sondern aufgrund eines Bankfehlers auf einem Konto der Klägerin, wovon die Geschäftsführerin sogleich -am 06.01.2010- 25 % (entsprechend ihrem Erbanteil) auf ihr Privatkonto überweisen ließ. Der Erbschein lag der VR-Bank bereits seit dem 07.08.2008 vor. Die Ausschüttung sollte nach dem Willen der Fondsgesellschaft auf ein Privatkonto des Erblassers bei der VR-Bank überwiesen werden, das aber zum Zeitpunkt des Geldeingangs nicht mehr bestand.

Aus der Beteiligung bestanden noch Steuerschulden der Miterben gegenüber den zuständigen Finanzämtern.

Etwa drei Jahre später, nämlich mit zwei Schreiben seines Rechtsanwalts vom 31.05.2012 und 28.06.2012, wandte sich der Bruder, Thomas Förster, an die VR-Bank und bat um Auskunft über den Verbleib der Fondsausschüttung.

Am 03.07.2012 fand eine Besprechung der Geschäftsführerin der Klägerin mit Mitarbeitern der Streithelferin statt, in der es um den fehlgebuchten Betrag ging.

Mit Schreiben an die Klägerin vom 14.09.2012 (Anlage B 6) machte die Streithelferin von einem Stornierungsrecht Gebrauch. In dem Schreiben heißt es weiter, dass die Geschäftsführerin der Klägerin bei der Besprechung zugesagt habe, das Geld ,,innerhalb kürzester Zeit“ auf ein Konto der Erbengemeinschaft „zurückzubuchen“ oder damit eine Steuerschuld der Erbengemeinschaft in gleicher Höhe zu begleichen und diese Verfahrensweise durch Belege nachzuweisen.

Die angekündigte Rückbuchung sei aber nicht erfolgt, Belege seien nicht überreicht worden und ein Kontakt sei nicht mehr herzustellen.

Die Klägerin zahlte nichts an die Streithelferin zurück und die Geschäftsführerin der Klägerin behielt den auf ihr Privatkonto überwiesenen Betrag ein.

Die Streithelferin „fror“ daraufhin das Geschäftskonto der Klägerin mit dem fehlgebuchten Betrag ein und nahm eine Berichtigungsbuchung der verbliebenen 617.590,95 € auf ein Konto der Erbengemeinschaft vor, die aber wegen Widerspruchs der Geschäftsführerin der Klägerin rückgängig gemacht wurde.

Wegen der Blockierung ihres Kontos wandte sich die Klägerin mit einer E-Mail vom 29.11.2012 an den Beklagten und bat um Rat (Anlage B 13). An diesem Tag fand auch ein Telefongespräch zwischen der Geschäftsführerin der Klägerin und dem Mitarbeiter des Beklagten, Rechtsanwalt K1.de, statt. Weitere Mandantenbesprechungen in der Angelegenheit fanden am 22.01.2013 und 14.03.2013 statt.

Eine Einigung mit der Streithelferin kam trotz weiterer Gespräche und eines Vergleichsentwurfs nicht zustande.

In dem genannten Vorprozess vor dem Landgericht Meiningen (Az. 2 O 976/12) wurde die Klägerin am 17.04.2013 zur Rückzahlung an die Streithelferin verurteilt. Berufung und Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hatten keinen Erfolg.

Die Streithelferin vollstreckte zunächst teilweise nach Hinterlegung und nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs erneut. Dagegen erhob die Klägerin eine Vollstreckungsgegenklage, die mangels Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses nicht zugestellt wurde.

lm Auftrag der Mutter der Geschäftsführerin der Klägerin – Frau Heidemarie Förster – beantragte der Beklagte am 24.12.2012 gegen die VR-Bank den Erlass eines Mahnbescheids betreffend die fehlüberwiesene Summe aus dem Fonds in Höhe von Euro 890.670,46, der am 28.12.2012 erlassen wurde. Die Mutter verlangte nunmehr von der VR-Bank, dass diese das Geld, das sie von der Klägerin zurückverlangte, an die Erbengemeinschaft weiterleitete. Auch darüber wurde unter dem Aktenzeichen 2 O 449/13 (196) ein prozess vor dem Landgericht Meiningen geführt. Das Landgericht Meiningen wies die Klage der Mutter durch Urteil vom 23.07.2014 ab, das Thüringer Oberlandesgericht gab ihr durch Urteil vom 10.1 1 .2015 statt (5 U 521/14\ und der Bundesgerichtshof wies die Nichtzulassungsbeschwerde durch Beschluss vom 19.09.2017 zurück (Xl ZR 521/15).

Die Klägerin hat behauptet, der Beklagte habe ihr bei den Mandantengesprächen in den Jahren 2012 und 2013 fehlerhaft nicht angeraten, die Ausschüttung an die Streithelferin zurückzuzahlen. Stattdessen habe er eine Erfolgsaussicht der Rückzahlungsklage der Streithelferin verneint und nicht über die Risiken der Rechtsverteidigung aufgeklärt. Er habe nicht den sichersten Weg gewählt. Die Geschäftsführerin der Klägerin sei der Ansicht gewesen, dass sie als Miterbin zusammen mit ihrer Mutter 3/4 des Nachlasses verwalte und somit beide Miterben aufgrund dieser Mehrheit die notwendigen Geschäfte der Erbengemeinschaft vornehmen könnten. Diese hätten beschlossen, die Ausschüttung auf dem Konto der Klägerin zu belassen, um damit Steuerschulden der Miterben zu begleichen, Wegen dieses Rechtsirrtums sei die Klägerin nicht bereit gewesen, der Rückzahlungsaufforderung der Streithelferin nachzukommen. Die Überweisung auf das Privatkonto der Geschäftsführerin sei ebenfalls wegen der Steuerschuld nicht freiwillig rückgängig gemacht worden. Der Beklagte habe erklärt, dass die Vorgehensweise im Rahmen der ordnungsgemäßen Nachlassverwaltung legitim sei. Sie habe dem Finanzamt am 10.09.2012 Einzugsermächtigungen erteilt, um die Steuerschulden vom Konto der Klägerin abbuchen zu lassen. Die Blockade des Kontos habe die Einziehung verhindert. Erst später habe die Klägerin erfahren, dass sie keinen Anspruch auf die Ausschüttung aus dem Flugzeugfonds habe.

Der Beklagte sei verpflichtet gewesen, die Sach- und Rechtslage hinsichtlich des Anliegens zu prüfen, insbesondere ob das Finanzamt direkt vom Konto der Klägerin bezahlt werden könne, um eine befürchtete Blockade des Bruders zu verhindern. Sie, die Klägerin, habe eine rechtliche Einschätzung seitens des Beklagten erhalten, die ihre Rechtsansicht bestätigt habe, wonach die 3/4-Mehrheit diese Verfahrensweise legitimiere. Aus der Anlage B 13 (E-Mail der Klägerin an Rechtsanwalt K1.de vom 29.11.2012) ergebe sich, dass dem Beklagten die Problematik bekannt gewesen sei, weil im Anhang der E-Mail entsprechende Unterlagen überlassen worden seien. In dem Mandantentelefonat vom 29.11.2012 sei nicht auf die Pflicht zur Rückzahlung hingewiesen worden. lm Beisein des Zeugen Marcus Pross, Mitarbeiters der Klägerin, habe Rechtsanwalt K1.de bestätigt, dass wegen der. Mehrheitsentscheidung die Klage der Streithelferin keinen Erfolg haben könne. Hohe Prozessrisiken seien nicht aufgezeigt worden. Nie sei geäußert worden, dass der prozess mit hoher Wahrscheinlichkeit verloren gehe. Um eine Zeitverzögerung sei es der Geschäftsführerin der Klägerin nicht gegangen, vielmehr um einen Weg zu dem Ziel der direkten Tilgung der Steuerschulden. Die Geschäftsführerin habe für den Fall, dass die Abbuchung der Steuerschulden nicht über das Konto der Klägerin erfolgen könne, sicherstellen wollen, dass die Ausschüttung der Erbengemeinschaft gutgeschrieben werde.

Aufrechnungsmöglichkeiten der Klägerin seien nicht erörtert worden. Mit dem Guthaben auf dem eingefrorenen Konto der Klägerin in Höhe von Euro 617.590,95 habe gegen den Rückzahlungsanspruch aufgerechnet werden können. Das sei vom Beklagten versäumt worden. Außerdem habe der Beklagte es versäumt, wenigstens hilfsweise die Aufrechnung gegenüber der Streithelferin mit Forderungen aus dem Kontoguthaben zu erklären. Dann hätte nur eine Vollstreckung in Höhe des verbleibenden Restbetrages von 273.079,51 € erfolgen können (890.670,46 € abzüglich 617.590,95 €).

Die Furcht der Geschäftsführerin der Klägerin, ihr Bruder könne die Ausschüttung anderweitig verwenden und die Erbengemeinschaft würde auf den Steuerschulden sitzen bleiben, sei nachvollziehbar, aber beiordnungsgemäßer rechtlicher Beratung und Zusammenarbeit mit der Streithelferin unproblematisch ausräumbar gewesen. Der Bruder der Geschäftsführerin habe ohne die Bevollmächtigung durch die anderen Mitglieder der Erbengemeinschaft nicht über die Ausschüttung verfügen können. Das habe seine Kontoberechtigung nicht hergegeben und das habe der Beklagte gewusst.

Ab dem Zeitpunkt des Mahnbescheidsantrags im Auftrag der Mutter habe der Beklagte wegen der gegensätzlichen Ansichten zur Wirksamkeit der Überweisung widerstreitende Interessen vertreten. Während die Klägerin eine Gültigkeit der Überweisung auf ihr Konto geltend gemacht habe, habe Heidemarie Förster eine Fehlbuchung geltend gemacht. Es habe nur eines der Verfahren gewonnen werden können. Es liege ein Verstoß gegen §  43a Abs.4 BRAO vor. Der Beklagte habe zum Mahnbescheid der Mutter gegen die VR-Bank erklärt, dass dieses Verfahren mit der Klage der VR-Bank zwar sachlich, aber nicht rechtlich zusammenhänge.

Hilfsweise werde geltend gemacht, dass der Beklagte auf Stundenlohnbasis abgerechnet habe, aber keine Honorarvereinbarung getroffen worden sei. Insoweit habe er zu viel abgerechnet. Wegen der Vertretung widerstreitender Interessen stehe dem Beklagten aber gar kein Honoraranspruch zu.

Gegenstand der einzelnen Klageanträge sind Schadensersatzansprüche wegen aussichtsloser und zudem unsachgemäßer Verteidigung gegen die Klage der Streithelferin (Gerichtsgebühren und Anwaltshonorare, Verzugszinsen) – Klageanträge zu 1) bis 3) – sowie Bereicherungsansprüche wegen ganz oder teilweise rechtsgrundlos gezahlter Anwaltsvergütung – hilfsweise im Klageantrag zu 1).

Die Klägerin hat beantragt,

1.        

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von Euro      160.781,20 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.01.2018 zu zahlen,

2.        

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von Euro 111.481,25 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.01.2018 zu zahlen,

3.        

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von Euro 73.900,54 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.01.2018 zu zahlen.

Diesen Anträgen hat sich die Streithelferin angeschlossen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen

Er hat gemeint, eine anwaltliche Pflichtverletzung liege nicht vor, außerdem keine Kausalität bzw. kein objektiver Zurechnungszusammenhang. Er habe nur ein beschränktes Mandat gehabt, nämlich auf irgendeine Weise die Klage der Streithelferin abzuwehren. Über Risiken sei aufgeklärt worden. Er habe von der Führung eines Rechtsstreits aber nicht abraten müssen. Die Ansicht, dass eine 3/4-Mehrheit ausreichend sei, um die Überweisung auf das Konto der Klägerin zu genehmigen, sei vertretbar gewesen und in einer Stellungnahme des Rechtsanwalts beim Bundesgerichtshof, Dr. Siegmann, bestätigt worden (Anlage B 17, AB2 Bl. 44 f.). Die Rechtsverteidigung gegen die Klage der Streithelferin sei also nicht aussichtslos gewesen. Über das Risiko, dass der prozess verloren gehen könne, sei aufgeklärt worden. Die Klägerin habe nicht geltend gemacht, sie hätte die Forderung der Streithelferin anerkannt, wenn sie ordnungsgemäß – entsprechend ihrem Standpunkt – belehrt worden wäre. Sie sei vielmehr beratungsresistent gewesen. Denn auch in der Verhandlung vor dem Landgericht Meiningen habe sie einem Vergleichsvorschlag des Gerichts nicht zugestimmt, wonach eine Berichtigungsbuchung zugunsten des Erbengemeinschaftskontos erfolgen sollte. Die Geschäftsführerin habe vielmehr ohne Rücksprache mit dem Beklagten oder Rechtsanwalt K1.de den Sitzungssaal verlassen. Sie habe wegen eines seit Jahren bestehenden Streits mit ihrem Bruder zu verhindern versucht, dass dieser als Miterbe Zugriff auf die Ausschüttung erhalte.

Eine Abbuchung vom Geschäftskonto habe sie nur zulassen wollen, wenn sichergestellt sei, dass der Betrag zur Begleichung der Steuerverbindlichkeiten unmittelbar an das Finanzamt fließe, ohne dass der Bruder eine solche Direktzahlung verhindern könne.

Der Beklagte sei erst mit der E-Mail vom 29.11.2012 mandatiert worden, als der Streit mit der Streithelferin bereits Monate bestanden habe. Die Geschäftsführerin der Klägerin habe gewusst, dass die Ausschüttung nicht der Klägerin zustehe. Es habe keiner rechtlichen Prüfung bedurft, ob die Streithelferin den fehlgebuchten Betrag zurückverlangen könne oder nicht. Eine Rechtsberatung dazu sei auch nicht erbeten worden. Der bei ihm angestellte Rechtsanwalt K1.de habe bei dem ersten Telefonat darauf hingewiesen, dass die Klägerin ungerechtfertigt bereichert sei. Der Mandatsauftrag habe darin bestanden, mit allen Mitteln zu versuchen, eine Überweisung an die Streithelferin und die Erbengemeinschaft zu verhindern und zu bewirken, dass der Betrag ohne Blockade des Bruders an das Finanzamt überwiesen werde. Die Klage der VR-Bank sollte auf irgendeine Weise abgewehrt werden und gleichzeitig versucht werden, begonnene Vergleichsgespräche fortzuführen. Auch nach Scheitern eines Vergleichs habe der Rechtsstreit bis zum Ende fortgesetzt werden sollen. Es habe geklärt werden sollen, ob ein Mehrheitsbeschluss von ¾ der Erbengemeinschaft betreffend die Verwendung der Ausschüttung zur Tilgung der Steuerschulden ausreichend sei. Die Geschäftsführerin der Klägerin sei nicht in der Lage gewesen, die Steuerschuld ohne das Geld aus dem Fonds zu tilgen.

Eine Berufung gegen das landgerichtliche Urteil habe er nicht empfohlen. Den Mahnbescheid habe er nur vorsorglich empfohlen, weil ggf. sonst ein Anspruch der Erbengemeinschaft gegen die Streithelferin auf Auszahlung der Ausschüttung zu verjähren gedroht habe. Die Geschäftsführerin der Klägerin sei mit dieser Vorgehensweise einverstanden gewesen.

Eine Aufrechnung habe nicht empfohlen werden müssen, da eine solche nicht möglich gewesen sei.

Die Rechnungen über die Stundenhonorare seien – wie unstreitig ist – von der Klägerin unbeanstandet beglichen worden. Es sei daher treuwidrig, sich nun darauf zu berufen, dass es keine Honorarvereinbarung vorgelegen habe, Außerdem sei – wie ebenfalls unstreitig ist – über Jahre hinweg auf einer Stundensatzbasis von 200 € abgerechnet worden. Vorsorglich werde mit gesetzlichen Honoraransprüchen nach RVG in Höhe von Euro 45.578,95 netto/54.238,95 brutto aufgerechnet (Klageerwiderung Seite 16 ff.).

Ebenfalls vorsorglich werde Verjährung eingewandt in Bezug auf Honorarzahlungen bis zum 31.12.2013.

Der geltend gemachte Schaden werde bestritten, Die Positionen seien teilweise nicht ersatzfähig, teilweise fehle die Kausalität der behaupteten Pflichtverletzung.

Ansprüche aus Bereicherungsrecht bestünden nicht, insbesondere nicht zu den Anträgen zu 2 und 3, denn die Beträge seien nicht an den Beklagten geflossen.

Eine Interessenkollision habe nicht bestanden. Nichtig könne außerdem allenfalls das spätere Mandat sein, nicht aber das vorherige.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Scharf, Pross und K1.de und hat die Geschäftsführerin der Klägerin sowie den Beklagten persönlich angehört. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 30.10.2019 Bezug genommen (Bl. 327 ff. d.A.).

Das Landgericht hat die Klage durch das angefochtene Urteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen Bezug genommen wird, abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass die Klägerin eine Pflichtverletzung des Beklagten nicht bewiesen und sich im Falle eines Rates zum Anerkenntnis des Rückzahlungsanspruchs der VR-Bank nicht beratungskonform verhalten hätte. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Mit ihrer Berufung macht die Klägerin geltend, das Landgericht habe die Klage zu Unrecht abgewiesen. Sie wiederholt im Wesentlichen ihren erstinstanzlichen Sachvortrag.

Der Beklagte habe seine Anwaltspflichten verletzt, weil er der Klägerin zu einer Anspruchsabwehr geraten habe, statt richtigerweise zu einer Anerkennung und Erfüllung des Rückzahlungsanspruchs der VR-Bank. Die Klägerin hätte sich beratungsgemäß verhalten, da eine Rechtsverteidigung gegen die Rückgängigmachung der Fehlbuchung nicht erfolgversprechend gewesen sei.

Das Mandat des Beklagten sei nicht auf eine reine Anspruchsabwehr beschränkt gewesen. Eine Aufklärung über die fehlenden Erfolgsaussichten sei auch notwendig gewesen. Denn die Klägerin sei der Auffassung gewesen, dass die Verbuchung der Fondsausschüttung auf dem Geschäftskonto der Klägerin durch Mehrheitsbeschluss der Miterben genehmigt worden sei, Die Klägerin habe mit dem Geld Steuerschulden der Miterben tilgen wollen. Daher sei es der Wunsch der Klägerin gewesen, das Geld auf dem Geschäftskonto zu belassen. Der Beklagte habe diese Rechtsansicht auch im Vorprozess der VR-Bank gegen die Klägerin vorgetragen. Diese Ansicht sei aber falsch gewesen. Darüber habe der Beklagte nicht aufgeklärt.

Das Landgericht habe den Beweis einer fehlerhaften Beratung zu Unrecht als nicht geführt angesehen und die Zeugenaussagen falsch gewürdigt. Es habe den Zeugen Scharf, Mitarbeiter der Bank, für glaubwürdig gehalten, obwohl dessen Zeugenaussage von seinem Aktenvermerk vom 03.07.2012 (AB1 Bl. 165) abgewichen sei.

Das Landgericht habe es weiter fehlerhaft unterlassen, die Zeugin Großpietsch, Prozessbevollmächtigte der VR-Bank, als Zeugin zu vernehmen zu der klägerischen Behauptung, der Beklagte habe sich in seinem Standpunkt hinsichtlich der Genehmigung durch Mehrheitsbeschluss der Erbengemeinschaft zu sicher gezeigt und der VR-Bank einen überzogenen Vergleichsvorschlag unterbreitet, den diese nicht habe mittragen können. Nur an diesem Gehabe sei eine Einigung mit der Bank gescheitert, was der Beklagte ebenfalls zu vertreten habe.

Die Aussage des Zeugen K1.de habe das Landgericht zu Unrecht als glaubhaft angesehen. Es widerspreche der Lebenserfahrung, dass ein Anwalt Erfolgsaussichten verneine, bevor ihm Unterlagen vorgelegen haben. Auch habe die Klägerin erst mit E-Mail vom 29.11.2012 (AB2 Bl. 26) um Rat gefragt, so dass nicht schon vorher Rat erteilt worden sein könne.

Der Zeuge Pross, Mitarbeiter der Klägerin, habe die fehlerhaften Auskünfte des Beklagten zum Mehrheitsbeschluss bestätigt. Selbst wenn der Zeuge K1.de zuvor eine andere Auskunft erteilt und auf fehlende Erfolgsaussichten einer Rechtsverteidigung hingewiesen gehabt hätte, wäre diese Auskunft durch die gegenteilige Auskunft des Beklagten überholt gewesen.

Der pauschale Vortrag, Rechtsanwalt K1.de habe auf die fehlenden Erfolgsaussichten hingewiesen, genüge ohnehin nicht.

lm Fall eines Vergleichs zwischen der Klägerin und der VR-Bank wäre der Betrag von 617.590,95 € auf ein Konto der Erbengemeinschaft geflossen und von dort an das Finanzamt, das bereits entsprechende Duldungsverfügungen erlassen gehabt habe. Dann hätte sich auch der zweite Vorprozess der Mutter erübrigt. Auch die Instanzen wären erspart geblieben.

Die Vollstreckungsabwehrklage hätte dann ebenfalls nicht vorbereitet werden müssen.

Der Beklagte habe es weiter unterlassen, zu einer Hilfsaufrechnung gegenüber der VR-Bank zu raten. Die Klägerin habe mit einem Anspruch auf Auszahlung des auf ihrem Geschäftskonto seit 14.09.2012 (Bl. 456) eingefrorenen Fondsguthabens aufrechnen können. Damit wäre der Rückzahlungsanspruch der VR-Bank erfüllt gewesen und Zinsen erspart worden.

Der Beklagte könne mangels schriftlicher Vergütungsvereinbarung allenfalls ein gesetzliches Honorar verlangen, so dass auch insoweit ein Rückzahlungsanspruch bestehe.

Wegen Vertretung widerstreitender Interessen im Folgeprozess der Mutter könne der Beklagte überhaupt kein Honorar verlangen.

Soweit der Beklagte sich unter Bezugnahme auf sein Schreiben vom 21.12.2012 (AB2 Bl. 67 f.) auf einen Haftungsausschluss berufe, verschweige er, dass dieses Schreiben den späteren Rechtsstreit der Mutter gegen die VR-Bank betreffe.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach ihren erstinstanzlichen Klageanträ-   gen zu erkennen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 511 Abs. 1, 2 Nr. 1 , 517, 519, 520 ZPO). In der Sache hat sie keinen Erfolg. Denn das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB und auch keinen Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1Alt. 1 BGB.

1.

Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin aus § 280 Abs. I BGB scheidet aus, da die Klägerin eine Pflichtverletzung des Beklagten nicht bewiesen hat. Zu diesem Ergebnis ist das Landgericht aufgrund zutreffender Beweiswürdigung gelangt.

a.

Dies gilt zunächst für eine Pflicht des Beklagten, der Klägerin von einer Rechtsverteidigung gegen die Klage der Streithelferin abzuraten.

Bei einer Schadensersatzklage gegen einen Rechtsanwalt trifft die Beweislast den Kläger, der eine Aufklärungs- oder Beratungspflichtverletzung behauptet (BGH, Urteil vom 14. Juli 2016, lX ZR 291/14, NJW 2016, 3430-3432, juris Rn. 6 m.w.N.). Die mit dem Nachweis einer negativen Tatsache (unterlassene Aufklärung) verbundenen Schwierigkeiten werden dadurch ausgeglichen, dass der Anwalt die behauptete Nicht- oder Falschberatung substanziiert Bestreiten und darlegen muss, wie im Einzelfall beraten oder aufgeklärt worden sein soll (BGH, a.a.O.). Dem Anspruchsteller obliegt dann der Nachweis, dass diese Darstellung nicht zutrifft (BGH, a.a.O.).

Insoweit hat das Landgericht zu Mandantenbesprechungen vom 22.01.2013 und 14.03.2013 Beweis erhoben, anlässlich derer der Beklagte auf die Risiken aufmerksam gemacht haben will. Diese Mandantenbesprechungen fallen in die Zeit des bestehenden Mandatsverhältnisses.

Der Beklagte hat ausweislich der Klageerwiderung Seite 11 oben vorgetragen, dass der bei ihm angestellte Rechtsanwalt K1.de, der in dieser Sache Sachbearbeiter gewesen sei, anlässlich des ersten Telefonats mit der Klägerin am 29.11.2012 die geschäftsführende Gesellschafterin der Klägerin, Viola Förster, darauf hingewiesen habe, dass die Klägerin im Hinblick auf den fehlgebuchten Ausschüttungsbetrag ungerechtfertigt bereichert sei und dieser Betrag zurück zu zahlen sei. Dieser Vortrag entspricht den erforderlichen Substantiierungsanforderungen, da er die erfolgte Beratung nach Zeit und Inhalt darlegt. Die Klägerin räumt dieses Telefonat ein (Berufungsbegründung Seite 7) und hatte mit vorheriger E-Mail vom selben Tag eine Beratung erbeten (E-Mail vom 29.11.2012, Anlage B13, AB2 Bl. 26). Der Vortrag des Beklagten zum Inhalt der Beratung ist nachvollziehbar, weil es verständlich erscheint, dass eine Fehlbuchung einer Bank normalerweise rückgängig gemacht werden muss.

Der Beklagte hat weiter vorgetragen, er habe die Klägerin „immer wieder“ auf das Risiko einer Rechtsverteidigung gegen die Rückzahlungsklage der VR-Bank aufmerksam gemacht (Klageerwiderung, Seite 23, Bl. 89 d.A.). Dies ist dahin auszulegen, dass dies auch bei den Mandantenbesprechungen am 22.01.2013 und 14.03.2013 der Fall gewesen ist. Dass es diese Besprechungen gegeben hat, ist unstreitig (Schriftsätze der Klägerin vom 16.10.2018, Seite 3, Bl. 162 d.A. und 01.02.2019, Seite 3, Bl. 220; Schriftsatz des Beklagten vom 02.12.2019, Seite 3, Bl. 369 d.A.) und entspricht auch dem unstreitigen Tatbestand des Landgerichts (Urteil S. 3, Bl. 386). Somit hat der Beklagte substantiiert dargelegt, die Klägerin ordnungsgemäß beraten zu haben.

aa.

Der Zeuge Scharf, damals Bankkaufmann bei der VR-Bank, hat nach seinen Angaben an keinem Mandantengespräch eines Rechtsanwalts teilgenommen und konnte daher hierzu nichts bekunden. Aus seinen Aktenvermerken vom 03.07.2012 und 27.09.2012 (Anlage K18, AB1 Bl. 165 f.) ergibt sich nichts anderes. lm Gegenteil sprechen seine Zeugenaussage (Sitzungsprotokoll vom 30.10.2019, Seite Bl. 328 ff.) und seine Aktenvermerke vom 03.07.2012 und 27.09.2012 (AB1 Bl. 165, 166) zumindest insofern für die Richtigkeit des Beklagtenvortrags, als die Klägerin nie ernsthaft zu einer Rückbuchung bereit war, sondern eine eher vertröstende Haltung gegenüber der VR-Bank eingenommen hat. Denn der Zeuge hatte versucht, die klägerische Geschäftsführerin zu einer Rückbuchung zu bewegen, ist damit aber gescheitert.

bb.

Der Zeuge K1.de hat bekundet, der Klägerin bei dem Telefonat vom 29.11.2012 erklärt zu haben, dass die Fehlbuchung rückgängig zu machen sei (Sitzungsprotokoll vom 30.10.2019, Seite 4 ff., Bl. 330 ff,). Die Geschäftsführerin Viola Förster habe verlangt, dass ein Weg gefunden werde, die Bank unter Druck zu setzen, um die Ausschüttung auf dem Konto der Klägerin zu behalten und für eine Steuerzahlung verwenden zu können. Auch nach Vorlage und Prüfung von Unterlagen habe er Frau Förster geraten, das Geld an die Bank zurückzuführen. Er habe keine großen Erfolgsaussichten gesehen, sich gegen den Rückzahlungsanspruch der VR-Bank zu verteidigen (Sitzungsprotokoll Seite 5, Bl. 331). lm weiteren Verlauf sei eine Rückzahlung nicht mehr möglich gewesen, da das Konto eingefroren gewesen sei. Er habe aber einen Entwurf einer Vergleichsvereinbarung ausgearbeitet, um doch noch zu einer Einigung zwischen der VR-Bank und der Klägerin zu gelangen. Der Prüfungsverband der Banken habe aber dann von einem Vergleich abgeraten. Er – Rechtsanwalt K1.de – habe nunmehr begonnen, an einer Klageerwiderung zu arbeiten. Hierzu habe es ein Telefongespräch mit der Klägerin vom 14.03.2013 gegeben, bei dem er der Geschäftsführerin erneut erklärt habe, dass die Fehlbuchung zurückzuzahlen sei. Als das Landgericht in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen habe, dass es der Klage stattgeben werde, habe die Geschäftsführerin den Sitzungssaal „mit Türknallen“ verlassen.

Diese Zeugenaussage hat das Landgericht zu Recht dahin gewürdigt, dass der Beklagte damit eine ausreichende Beratung der Klägerin über die mangelnden Erfolgsaussichten einer Rechtsverteidigung gegen die Rückzahlungsklage der VR-Bank bewiesen hat. Die Zeugenaussage hat diesen Inhalt und lässt keine Widersprüche erkennen, die ihren Wahrheitsgehalt in Zweifel ziehen. Dass der Zeuge im Lager des Beklagten steht, reicht für sich allein nicht aus, um der Zeugenaussage einen Beweiswert abzusprechen (BGH, Urteil vom 18.01.1995, VIII ZR 23/94, BGHZ 128, 307-312 = NJW 1995, 955-957). Besondere Umstände, die dies rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Es gibt keinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass Zeugen, die einer Prozesspartei nahestehen, von vornherein als parteiisch und unzuverlässig zu gelten haben und ihre Aussagen grundsätzlich unbrauchbar sind (BGH, Urteil vom 09.10.2001, X ZR 153/99, BauR 2002, 775-779, juris Rn. 21).

cc.

Der Zeuge Pross, Mitarbeiter der Klägerin, hat von einer Besprechung vom „Januar 2013″ berichtet, die unter Beteiligung des Beklagten im Hause der VR-Bank stattgefunden habe. Hierbei kann es sich nur um die Besprechung vom 22.01.2013 gehandelt haben, von der auch die Klägerin im Schriftsatz vom 01.02.2019 auf Seite 2 berichtet (Bl. 220 d.A.). Denn zu einer weiteren Besprechung mit der VR-Bank vom Januar 2013 trägt keine der Parteien etwas vor. Soweit die Klägerin darüber hinaus von einem Gespräch vom 21.01.2013 in ihren Räumen spricht (Schriftsatz vom 01.02.2019, Seite 10, Bl. 227 d.A.), hat davon der Zeuge Pross nichts berichtet. Auch an ein Telefonat zwischen der Klägerin und Rechtsanwalt K1.de konnte er sich nicht erinnern (Sitzungsprotokoll vom 30.10.2019, Seite 9 unten, Bl. 335).

Zu dem Gespräch in den Räumen der VR-Bank vom 22.01.2013 hat der Zeuge Pross ausgesagt, der Beklagte habe gegenüber der Bank erklärt, diese komme mit ihrer Rückzahlungsklage „nicht durch“ und die Klägerin „habe Recht“ (Sitzungsprotokoll vom 30.10.2019, Seite 9, Bl. 335). Daraus lässt sich jedoch nicht ableiten, dass der Beklagte die Klägerin falsch beraten hat. Denn der Zeuge hat weiter ausgeführt, dass man sich bei dieser Besprechung mit der VR-Bank einigen wollte. Es ging also um Vergleichsgespräche. Es ist nicht unüblich, in Vergleichsgesprächen einen Standpunkt in der Weise darzustellen, dass der Gegner beeindruckt und zu einem Nachgeben bewegt wird, Daraus lässt sich noch nicht entnehmen, dass der eigene Mandant in gleicher Weise beraten worden ist. Aus dem Gespräch vom 22.01.2013 ergibt sich daher keine Falschberatung gegenüber der Klägerin.

Der Zeuge Pross hat weiter berichtet, dass er bei einem Mandantengespräch zwischen der Klägerin und dem Beklagten am 14.03.2013 in einem Café zugegen gewesen sei. Er schilderte seinen damaligen Eindruck, dass die Klage der VR-Bank keinen Erfolg haben werde. Der Zeuge gab aber auch hier an, dass man sich einigen wollte. Das relativiert seine Angaben zu den Erfolgsaussichten der Klage. Denn das Erstreben einer Einigung hat grundsätzlich nur Sinn, wenn der eigene Rechtsstandpunkt nicht sicher erscheint. An Einzelheiten, so gab der Zeuge weiter an, könne er sich nicht erinnern. Aus diesen Bekundungen des Zeugen lässt sich keine klare Erkenntnis darüber gewinnen, dass der Beklagte von guten Erfolgsaussichten einer Rechtsverteidigung ausgegangen ist und die Klägerin entsprechend beraten hat, zumal sich der Zeuge nicht an Einzelheiten erinnern konnte.

lm Übrigen steht der Aussage des Zeugen Pross – wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat – die Aussage des Zeugen K1.de entgegen. Dass beide Rechtsanwälte – der Beklagte und Rechtsanwalt K1.de – in der Sache unterschiedlicher Auffassung gewesen seien, behauptet die Klägerin nicht. Es ist daher kein Grund ersichtlich, warum beide Anwälte entgegengesetzte Ratschläge erteilt haben sollten. Die Klägerin behauptet auch nicht, den Beklagten auf einen abweichenden Standpunkt seines Kollegen Löffler angesprochen zu haben. Die Klägerin hat darüber hinaus nicht bewiesen, dass der Beklagte einen anderen Rat erteilt hat als sein Kollege Rechtsanwalt Löffler.

dd.

Die Zeugin Großpietsch, Prozessbevollmächtigte der VR-Bank, brauchte nicht vernommen zu werden. Denn aus einem Schreiben dieser Zeugin vom 06.02.2013 (AB2 Bl. 42 f.) ergibt sich, dass der Prüfungsverband der Banken von einem Vergleich abgeraten hat. Daran ist der Vergleich gescheitert, nicht an angeblichen überzogenen Forderungen gegenüber der Bank, die der Beklagte im Zuge von Vergleichsgesprächen artikuliert haben soll.

b.

Der Beklagte hat seine anwaltlichen Pflichten ferner nicht dadurch verletzt, dass er der Klägerin nicht zu einer schuldbefreienden Aufrechnung mit einem Anspruch aus dem Girovertrag gegen die Klageforderung der VR-Bank geraten hat.

Dies hätte offensichtlich nicht den Zielen der Klägerin entsprochen, dann eine Aufrechnung hätte der Sache nach nichts anderes bedeutet als die Erfüllung der Rückzahlungsverpflichtung durch Erfüllungssurrogat und damit eine Aufgabe der eigenen Rechtsposition. Vielmehr genügte es, zur Rückbuchung zu raten und auf die Risiken der Rechtsverteidigung gegen die Rückzahlungsklage hinzuweisen.

Eine Aufrechnung mit einem Auszahlungsanspruch der Klägerin aus dem Girovertrag wäre zudem rechtlich gar nicht möglich gewesen.

Eine Fehlbuchung begründet grundsätzlich zunächst einen Auszahlungsanspruch des Kontoinhabers, mit dem er theoretisch aufrechnen könnte (BGH, Beschluss vom 08.11.2000, 5 StR 433/00, NJW 2001 , 453 ff., juris Rn. 10, 12; Urteil vom 16.04.1991, Xl ZR 68/90, NJW 1991, 2140 f.,juris Rn. 14; Urtei lvom 29.05.1978, II ZR 166/77, BGHZ 72, 9 ff = NJW 1978, 2149 ff., juris Rn. 10). Diesen Auszahlungsanspruch verliert der Kontoinhaber allerdings wieder, wenn die Bank von ihrem Stornorecht nach Nr. 8 Abs. 1 AGB-Banken Gebrauch macht. Diese Möglichkeit besteht nach dem Wortlaut dieser Regelung jedoch nur bis zum nächsten Rechnungsabschluss. Nach Rechnungsabschluss besteht nur noch ein eingeschränktes Stornorecht, wonach eine Stornierung wieder ruckgängig gemacht werden muss, wenn der Bankkunde Einwendungen erhebt (Nr. 8 Abs. 2 AGB-Banken). „Einwendung“ in diesem Sinne ist bereits das fehlende Einverständnis des Kunden (Bunte, in: Bunte/Zahrte, AGB-Banken, 5. Aufl. 2019, Nr. 8 Rn. 160). In dieser Weise wurde im vorliegenden Fall verfahren, wie sich aus dem Schriftsatz der Streithelferin vom 08.11.2012 und deren Schreiben vom 14.09,2002 ergibt (Anlage B4, B6). Die Stornierung erfolgte nach Rechnungsabschluss und musste wegen Widerspruchs der Klägerin rückgängig gemacht werden, weil Fehlbuchung und Rechnungsabschluss gleichzeitig erfolgt waren. Der Kontoauszug vom 31.12.2009 (Anlage B1) weist sowohl Fehlbuchung vom 30.12.2009, als auch den am 30.12.2019 gebuchten Rechnungsabschluss aus. Nach Rechnungsabschluss bestand kein uneingeschränktes Stornorecht mehr, sondern es musste die Stornierung auf Widerspruch der Klägerin nickgängig gemacht werden. In einem solchen Fall bleibt der Bank die Möglichkeit, den sich aus der Fehlbuchung ergebenden Bereicherungsanspruch mit einer gesonderten Klage zu verfolgen (Kropf, in: Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bank- und Kapitalmarktrecht, 5. Aufl. 2019, AGB-Banken Nr. 8 Rn. 3.404; Bunte, in: Bunte/Zahrte, AGB-Banken, 5. Aufl. 2019, Nr. 8 Rn. 156). Dies ist hier in dem Vorprozess geschehen. Die Bank hat dort ihren Bereicherungsanspruch gegen die Klägerin geltend gemacht. Er war begründet, weil die Gutschrift des fehlgebuchten Betrages ohne Rechtsgrund erfolgte (Bunte, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, Band l, 5. Aufl. 2017, § 13 Rn. 1). Dieser Bereicherungsanspruch begründete zugunsten der Streithelferin die Einrede nach § 821 BGB (BGH, Urteil vom 15.12.1994, IX ZR 252/93, NJW 1995, 1484 ff., juris Rn. 9; Schwintowski, Bankrecht, 5. Aufl. 2018, Kap.3 Rn. 82; Krack, JR 2002, 23 ff.,25; Palandt/Sprau, BGB, 80. Auflage 2021, § 675 f Rn. 37). Ein Anspruch, dem eine Einrede entgegensteht, kann nach § 390 BGB aber nicht zur Aufrechnung gestellt werden. Schon ihr bloßes Bestehen hindert die Aufrechnung (BGH, Urteil vom 14. Juli 2005, IX ZR 142/02, ZlP 2005, 1559-1561, juris Rn. 10). Dies gilt auch für die Bereicherungseinrede nach § 821 BGB (Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2016, § 390 Rn. 3; Erman/Wagner, BGB, 16. Aufl. 2020, § 390 Rn. 2).

Davon abgesehen stand einer Aufrechnung mangelnde Gleichartigkeit entgegen (§ 387 BGB). Ein Bereicherungsanspruch wegen einer Fehlbuchung richtet sich nicht auf Zahlung, sondern auf Zustimmung zur Berichtigung der Fehlbuchung (BGH, Urteil vom 29.05.1978. II ZR 166/77; BGHZ 72, 9 ff. = NJW 1978, 2149 ff., juris Rn. 10; OLG KarlsruheBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, Urteil vom 19.05.2009, 17 U 467/08, WM 2009, 1899 ff., juris Rn.17). Doch auch dann, wenn in einem Anspruch auf Zustimmung zur Berichtigung der Fehlbuchung eine Geldwertschuld zu sehen wäre, gegen die nach herrschender Meinung aufgerechnet werden kann (Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 2016, S 387 Rn. 83), könnte die Klägerin wegen der Einredebehaftetheit dieses Auszahlungsanspruchs mit ihm nicht aufrechnen.

Ob einer Aufrechnung darüber hinaus auch Nr. 4 AGB-Banken entgegenstand, wonach ein Kunde nur aufrechnen kann, wenn seine Forderung unbestritten oder rechtskräftig festgestellt ist, bedarf hier keiner Entscheidung mehr.

c.

Da keine Pflichtverletzung bewiesen ist, kann die Frage dahingestellt bleiben, ob eine Anwaltshaftung des Beklagten auch deshalb ausscheidet, weil der Beklagte – wie er behauptet – nur ein eingeschränktes Mandat übernommen hatte.

d.

Dahinstehen kann ferner, ob die beiden Miterbinnen die Fehlbuchung auf dem Konto eines außerhalb der Erbengemeinschaft stehenden Dritten (Klägerin), der darauf keinen Anspruch hatte, durch Mehrheitsbeschluss genehmigen konnten und ob eine solche Genehmigung eine Maßnahme der ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses im Sinne von § 2038 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 BGB darstellte, was sowohl vom Landgericht Meiningen im Rechtsstreit VR-Bank ./. Klägerin in seinem Urteil vom 17.04.2013, 2 O 976/12 (372), als auch vom Thüringer Oberlandesgericht in seinem Berufungsurteil vom 01.07.2014, 5 U 356/13 (2 O 976/12 LG Meiningen) verneint worden ist (BA Bl. 98 ff.; 341 ff ., Anlage K2).

Wenn der Beklagte – wie ihm nicht widerlegt werden konnte – auf die fehlenden Erfolgsaussichten einer Rechtsverteidigung gegen die Rückzahlungsklage der Streithelferin hingewiesen hat, hat er seine Beratungspflichten erfüllt, so dass er nicht zusätzlich darauf hinweisen musste, dass auch die Argumentation mit ordnungsgemäßer Verwaltung keine Erfolgsaussicht haben konnte.

Davon abgesehen ist nicht davon auszugehen, dass die Klägerin im Falle eines gesonderten Hinweises auch auf die Fragwürdigkeit der Argumentation mit einer wirksamen Genehmigung sich beratungsgemäß verhalten und etwa den Rückzahlungsanspruch unter diesem Gesichtspunkt anerkannt hätte. Wie ausgeführt, hat die Beweisaufnahme ergeben, dass die Geschäftsführerin der Klägerin trotz Aufklärung zur mangelnden Erfolgsaussicht verlangt hat, einen Weg zu finden, die Bank unter Druck zu setzen, um die Ausschüttung auf dem Konto der Klägerin behalten und für eine Steuerzahlung verwenden zu können. Ein weiteres Indiz ist der Umstand, dass die Klägerin bereits am 26.09.2012 einer banktechnischen Berichtigungsbuchung der VR-Bank widersprochen hatte (Schreiben des Beklagten an Steuerberaterin vom 21.08.2014, Seite 4, AB1 Bl. 177R), also zu einem Zeitpunkt, als der Beklagte unstreitig noch nicht mandatiert war. Dieser wurde am 29.11.2012 mandatiert. Dies entspricht dem Vortrag beider Parteien (Schriftsatz der Klägerin vom 16.10.2018, Seite 8, Bl. 167 d.A.; Klageerwiderung, Seite 8, Bl. 74 d.A.).

2.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten auch keine Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB wegen rechtsgrundlos gezahlten oder überzahlten Anwaltshonorars.

Zwar fehlt ein Rechtsgrund für das Behaltendürfen des Stundensatzhonorars, da die Parteien unstreitig keine Honorarvereinbarung nach § 3a RVG getroffen haben. Die Klageanträge rechtfertigen aber aus anderen Gründen keinen Rückzahlungsanspruch. Darüber hinaus steht dem Beklagten zumindest das gesetzliche Anwaltshonorar zu.

a.

Ein Bereicherungsanspruch in Höhe der mit den Klageanträgen zu 2. und 3. geltend gemachten Beträge scheidet von vornherein aus, weil diesen Anträgen keine Bereicherung des Beklagten zugrunde liegt,

Die Klägerin macht insoweit vielmehr einen Zinsschaden in Höhe von 111.481,25 EUR und 73.900,54 EUR geltend, der ihr dadurch entstanden ist, dass sie an die Streithelferin Verzugszinsen leisten musste (Klageschrift Seite 4, 6 und 7). Sie trägt vor, der erstgenannte Betrag betreffe Zinsen auf die Hauptforderung der Streithelferin, die bis zur ersten Vollstreckungsmaßnahme angefallen waren. Die Hauptforderung ergibt sich aus dem Urteil des Landgerichts Meiningen vom 17.04.2013, 2 O 976/12 (372), durch welches die Klägerin zur Zahlung von 890.670,46 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.09.2012 an die VR-Bank verurteilt worden ist. Die erste Vollstreckungsmaßnahme datiert vom 26.02.2014. Bis zu diesem Zeitpunkt waren die mit dem Klageantrag zu 2 geltend gemachten Verzugszinsen angefallen. Denn es war bereits ein Verzugszeitraum von 17 Monaten verstrichen. Ein Zins von 8 % aus der Hauptforderung ergab bereits einen Jahreszinsschaden von über 70.000 €. Der Klageantrag zu 2. betrifft einen Zinsschaden der Klägerin. Da die Streithelferin mit der ersten Vollstreckungsmaßnahme nur einen Teil der Hauptforderung vollstreckt hat, liefen weitere Verzugszinsen auf. Diese wurden dann mit einer zweiten Vollstreckungsmaßnahme vom Dezember 2015 geltend gemacht.

Aus alledem folgt, dass die Klageanträge zu 2. und 3. keine Bereicherung betreffen, sondern einen Schaden, der, wie oben ausgeführt, mangels Pflichtverletzung nicht zugesprochen werden kann.

b.

Aber auch der mit dem Klageantrag zu 1. geforderte Betrag in Höhe von 160.781,20 EUR kann nicht als Bereicherungsanspruch zuerkannt werden.

aa.

Soweit die Klägerin neben den Zahlungen an den Beklagten Beträge geltend macht, welche sie an sonstige Dritte geleistet hat (vgl. Seiten 5 f. der Klageschrift), ist der Beklagte dadurch nicht bereichert.

aaa.

lm Klageantrug zu 1. sind zwei Beträge enthalten, denen Zahlungen der Klägerin an die Streithelferin zugrunde liegen:

aaaa.

Dies betrifft eine Zahlung in Höhe von 7.513,66 EUR an die Streithelferin (Klageschrift Seite 6), mit der die Klägerin außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten erstattete.

bbbb.

Des weiteren handelt es sich um eine Zahlung in Höhe von 769,65 EUR (Klageschrift Seite 6), mit der die Klägerin diese Kostenerstattung zu verzinsen hatte.

Diese beiden Beträge hat die Klägerin in den Klageantrag zu 1. eingerechnet, wie folgende Aufstellung zeigt:

– Kosten gemäß Aufstellung Klageschrift Seite 5/6                          152.497,89 €

– außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten der

Streithelferin:                                                                                       7.513,66 €

Verzugszinsen auf die Rechtsverfolgungskosten:                                769,65 €

– Summe / Klageantrag zu 1:                                                            160.781,20 €

Die Beträge von 7,513,66 € und 769,65 € stellen daher Schadensersatz dar, aber keine Bereicherung des Beklagten. Diese Beträge sind nicht an den Beklagten geflossen, sondern an die Streithelferin.

bbb.

Auch weitere im Klageantrag zu 1. enthaltene Beträge betreffen Zahlungen an Dritte (BGH-Anwalt, Gerichtskosten, Kostenerstattung an Streithelferin). Auch insoweit scheiden Bereicherungsansprüche denklogisch aus.

Dies betrifft folgende, in dem Betrag von 152.497,89 € enthaltenen Beträge:

– Kostennote des BGH-Anwalts vorn 11.11.2014

(Anlagenkonvolut K5, AB 1 Bl. 74)                                                             12.102,18 €

– Gerichtskostenrechnung der Thür. OLG vom 28.02.2014

  (Anlagenkonvolut K5, AB 1 Bl. 75)                                                                    60,00 €

– Gerichtskostenrechnung des BGH vom 20.04.2016

  (Anlagenkonvolut K5, AB 1 Bl. 93)                                                               9.952,00 €

– Gerichtskosten (kein Beleg vorgelegt)                                                         4.981,00 €

– Kostenfestsetzungsbeschluss

  (Anlagenkonvolut K5, AB1 Bl. 100)                                                            41.246,21 €

– Gerichtskostenrechnung des Thür. OLG vom 18.08.2014

(Anlagenkonvolut K5, AB1 Bl. 77)                                                                16.624,00 €

– zusammen                                                                                                  84.965,39 €

Auch diese Beträge können nicht als Bereicherung des Beklagten angesehen werden.

bb.

Ferner sind aus dem Klageantrag zu 1. weitere 28.679,00 € herauszurechnen. Diese betreffen Honorarzahlungen an den Beklagten für 2013. Insoweit ist ein etwaiger Rückzahlungsanspruch der Klägerin verjährt. Dies betrifft folgende im Jahre 2013 an den Beklagten gezahlte Zeithonorare, gegen deren Rückforderung der Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben hat:

– Kostennote Nr.2013000021 vom 06.01.2013                                              2.915,50 €

– Kostennote Nr. 2013000245 vom 07.05.2013                                                714,00 €

– Kostennote Nr. 2013000251 vom 07.05.2013                                           16.660,00 €

– Kostennote Nr. 2013000295 vom 06.06.2013                                             8.389,50 €

– zusammen                                                                                                  28.679,00 €

Insoweit ist ein Rückzahlungsanspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB nach §§ 195, 199 Abs. 1 BGB verjährt. Der Beklagte erhebt die Einrede nur hinsichtlich der Honorarzahlungen, die die Klägerin bis 31.12.2013 an ihn geleistet hat. Dabei handelt es sich um die vorgenannten Beträge.

Die Verjährungsfrist beträgt nach § 195 BGB drei Jahre und wurde mit dem Schluss des Jahres 2013 in Lauf gesetzt. Nach § 199 Abs. 1 BGB wird die Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres in Lauf gesetzt, in welchem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger (hier: die Klägerin) von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen hätte müssen. Diese Voraussetzungen lagen im Jahre 2013 vor. Denn mangels Existenz einer Honorarvereinbarung nach § 3a RVG fehlte es im Zeitpunkt der Zahlungen im Jahre 2013 an einem rechtlichen Grund für das Behaltendürfen des Honorars. Deshalb war im Zeitpunkt der Zahlungen gleichzeitig ein Rückzahlungsanspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB entstanden.

Die Klägerin hatte auch Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen. Denn sie wusste, dass keine Honorarvereinbarung gegeben war. § 199 Abs. 1 BGB setzt für den Verjährungsbeginn nicht voraus, dass dem Gläubiger eines Rückzahlungsanspruchs auch das gesetzliche Erfordernis einer Honorarvereinbarung bekannt war oder er von diesem Erfordernis hätte Kenntnis haben können oder müssen. Vielmehr genügt es, wenn der Gläubiger eines Bereicherungsanspruchs nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall I BGB von der Leistung und den Tatsachen weiß, aus denen sich das Fehlen des Rechtsgrundes ergibt (BGH, Urteil vom 19.03.2019, Xl ZR 95/17, NJW 2019, 2162-2164, juris Rn. 27). Hierbei genügt es, wenn der Gläubiger die tatsächlichen Umstände kennt, aus denen sich für einen rechtskundigen Dritten der Anspruch ergibt (BGH, Urteil vom 01.06.2011, VIII ZR 91/10, NJW 2011, 2570-2572, juris Rn. 23). Nicht erforderlich ist, dass der Gläubiger den Anspruch aufgrund einer zutreffenden rechtlichen Würdigung erkennt (BGH a.a.O.). Insbesondere ist es nicht notwendig, dass der Gläubiger die Rechtsvorschrift kennt, aus der sich die Notwendigkeit einer Honorarvereinbarung ergibt, Eine Kenntnis von der den Rückzahlungsanspruch auslösenden Rechtsvorschrift ist nicht erforderlich (BGH, a.a.O., juris Rn. 24).

Nur ausnahmsweise kann Rechtsunkenntnis des Gläubigers den Verjährungsbeginn hinausschieben, wenn eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage vorliegt, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig einzuschätzen vermag (BGH, Urteil vom 19.03.2019, Xl ZR 95/17, NJW 2019, 2162-2164, juris Rn. 27). In diesen Fällen fehlt es an der Zumutbarkeit der Klageerhebung als übergreifender Voraussetzung für den Verjährungsbeginn (BGH, a.a.O.). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Denn die Rechtslage zur Notwendigkeit einer Honorarvereinbarung ist weder unsicher noch zweifelhaft.

Somit wurde die Verjährungsfrist mit dem Ablauf des Jahres 2013 in Lauf gesetzt und lief – drei Jahre später – am 31.12.2016 ab. Die Klage wurde erst am 29.12.2017 bei Gericht eingereicht und am 23.01.2018 zugestellt. Um die Verjährungsfrist nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB zu hemmen, hätte die Klage aber spätestens Ende 2016 eingereicht und nach § 167 ZPO „demnächst“ zugestellt werden müssen. Das ist nicht erfolgt. Die erst im Jahre 2017 eingereichte Klage konnte den Ablauf der Verjährungsfrist nicht mehr hemmen.

Hinsichtlich der im Jahre 2013 geleisteten Honorarzahlungen kann die Klägerin somit infolge Verjährung keine Rückzahlung verlangen.

cc.

Zieht man die oben genannten Beträge vom Klageantrag zu 1. ab, so verbleiben 38.853,50 €.

Einem Rückzahlungsanspruch in dieser Höhe steht aber ein gesetzliches Anwaltshonorar in Höhe von 54.238,95 EUR brutto (45.578,95 EUR netto) gegenüber. Der Beklagte kann wegen Fehlens einer Honorarvereinbarung nach § 3a RVG zwar nicht – wie geschehen – nach Stunden zu je 200 € abrechnen, aber nach den gesetzlichen Gebührenvorschriften des RVG. Denn das Fehlen einer Honorarvereinbarung führt nach § 4b Satz 1 RVG nicht dazu, dass ihm gar kein Honorar zustünde. Vielmehr beschränkt sich sein Anspruch auf das gesetzliche Honorar, dass ihm ohne Honorarvereinbarung zusteht.

Dieses Honorar hat der Beklagte in der Klageerwiderung auf Seite 16 bis 21 schlüssig dargelegt und auch unter Angabe des jeweiligen Gegenstandswerts und der einschlägigen Vorschriften und Gebührentatbestände des RVG korrekt abgerechnet.

Dieses hat die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung auf Seite 23 und 25 in Höhe von 42.729,63 € brutto unstreitig gestellt.

Insoweit besteht also ein rechtlicher Grund für das Behaltendürfen des Honorars, so dass ein Rückzahlungsanspruch der Klägerin insgesamt ausscheidet.

dd.

Soweit die Klägerin einwendet, der Beklagte müsse das gesetzliche Honorar dem abgerechneten vereinbarten Stundensatzhonorar gegenüber stellen, so dass sie nur das jeweils niedrigere Honorar bezahlen müsse (Schriftsatz vom 05.04.2019, Seite 6, Bl. 294), braucht dem nicht nachgegangen zu werden. Auch kann der Meinungsstreit darüber, wer darzulegen und zu beweisen hat, dass das vereinbarte Honorar niedriger als das gesetzliche liegt, dahinstehen.

Zwar entspricht der Standpunkt der Klägerin der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 05. Juni 2014, IX ZR 137/12, BGHZ 201, 334-344 = NJW 2014, 2653-2656, juris, Rn. 16: Ist das gesetzliche Honorar höher, kann nur das vereinbarte verlangt werden; Mayer, in: Gerold/Schmidt, RVG, 24. Aufl. 2019, § 4b Rn. 6).

Die Klägerin hat aber das genannte gesetzliche Honorar unstreitig gestellt und an keiner Stelle behauptet, dass das vereinbarte Honorar niedriger liege als das gesetzliche. Ohne eine solche Behauptung bedarf es keiner Gegenüberstellung. lm Gegenteil, sie trägt vor: ,,Die Klägerin wusste nicht, dass die bezahlte Vergütung höher ist als die gesetzliche.; 1Bl. 475). Das ist ihr einziger Vortrag, der zu dieser Frage zu finden ist. Außerdem klagt die Klägerin unter dem Gesichtspunkt, der Beklagte habe zu viel abgerechnet und ihm stünde nur das gesetzliche Honorar zu, so dass er zur Rückzahlung verpflichtet sei (Schriftsatz vom 03.03.2021, Seite 6, Bl. 539). Darin liegt die konkludente Behauptung, das abgerechnete vereinbarte Honorar übersteige das gesetzliche. In diesem Fall kann der Beklagte das gesetzliche Honorar ohne Gegenüberstellung verlangen.

ee.

Die gesetzlichen Honorarabrechnungen des Beklagten brauchten für ihre Einforderbarkeit nach § 10 Abs. 1 RVG nicht auf einem gesonderten Rechnungsblatt enthalten zu sein, sondern konnten auch in einem Schriftsatz aufgestellt werden (BGH, Versäumnisurteil vom 04.07.2002, IX ZR 153/01, NJW 2002, 2774-2776, juris Rn. 13; OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Düsseldorf
, Urteil vom 08.02.2011, I-24 U 112/09, MDR 2011, 760, juris Rn. 59; Burhoff, in: Gerold/Schmidt, RVG, 24. Aufl. 2019, 6).

ff.

Die Klägerin bestreitet die „Mandatserteilungen“ bzw. „Aufträge“ nicht, sondern trägt nur hinsichtlich der Anzeige bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) vor, sie könne sich an einen Auftrag „nicht erinnern“ (Bl. 126). Dies ist kein Bestreiten einer Mandatserteilung. Außerdem hat die Klägerin sämtliche Stundenhonorarnoten des Beklagten, in denen die Tätigkeit des Anwalts jeweils aufgelistet war, bezahlt und dadurch konkludent das Bestehen aller Mandate bestätigt.

gg.

Da aus den genannten Gründen kein Rückzahlungsanspruch besteht, kann dahinstehen, ob ein solcher auch an § 814 BGB scheitern würde.

hh.

Die Klägerin hat auch keinen Rückzahlungsanspruch infolge Nichtigkeit des Mandats wegen Vertretung widerstreitender Interessen (§ 43a Abs. 4 BRAO). Zwar würde ein Verstoß gegen das Verbot des § 43a Abs. 4 BRAO tatsächlich zur Nichtigkeit des Anwaltsvertrages führen (BGH, Urteil vom 07.09.2017, IX ZR 71/16, MDR 2017, 1271-1272, juris Rn. 18). Indem der Beklagte die Klägerin, vertreten durch die Geschäftsführerin Viola Förster, sowie nachfolgend deren Mutter Heidemarie Förster vertreten hat, hat er keine widerstreitenden Interessen vertreten. Das Mandat der Klägerin war auf Abwehr eines Rückzahlungsanspruchs der VR-Bank gerichtet. Das Mandat der Mutter Heidemarie Förster wurde später erteilt und war auf Geltendmachung eines Zahlungsanspruchs der Erbengemeinschaft gegen die VR-Bank gerichtet. Der Beklagte hat nicht die Mutter in einem der Tochter bzw. der Klägerin entgegengesetzten Interesse vertreten. Vielmehr waren beide Interessen darauf gerichtet, dass die gezahlte Fondsausschüttung nicht bei der VR-Bank auf einem Konto verbleiben sollte, auf das weder die Klägerin noch die Erbengemeinschaft Zugriff hatten. Insoweit waren die Interessen von Mutter und Tochter gleichgerichtet. Der Beklagte hat beide Personen nicht gegeneinander vertreten. Gegner war einzig die VR-Bank. Dessen ungeachtet könnte in einem Fall des Interessenwiderstreits nur das zweite Mandat – also das der Mutter – nichtig sein, wie das Landgericht zutreffend erkannt hat. Ein Verstoß des Anwalts gegen die Pflicht zur Vermeidung von Interessenkollisionen führt nicht zum Verlust solcher Honoraranspruche, die schon vor der Pflichtverletzung entstanden sind (BGH, Urteil vom 23.04.2009, IX ZR 167/07, NJW 2009, 3292-3301, juris Rn. 32).

ii.

lm Übrigen wird auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Bezug genommen.

3.

Schadensersatz aus dem Vorprozess der Mutter gegen die VR-Bank kann die Klägerin nicht verlangen, weil dort die Mutter obsiegt hat.

4.

Die nachgereichten Schriftsätze der Parteien vom 07.04.2021 und 20.04.2021 geben keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (g 156 ZPO).

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. I ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1, 2, 709 S. 2 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 oder 2 ZPO nicht gegeben sind. Der Senat weicht nicht von einer höchstrichterlichen oder obergerichtlichen Entscheidung ab. Die Sache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung für die Rechtsanwendung und erfordert weder eine Fortbildung des Rechts noch eine Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.

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Schlagworte: Anwalt, Anwalt bei Anwaltshaftung, Anwaltshaftung, Beratungspflichten