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Thüringer Oberlandesgericht, Urteil vom 18.09.2019 – 2 U 96/19

AktG §§ 249 Abs. 1 Satz 1, 246 Abs. 1, 243 ff. , 253 Abs. 1 Satz 2, 256 Abs. 5; HGB §§ 249, 252, 266 Abs. 3 B Nr. 3; GmbHG § 16 Abs. 1; ZPO §§ 265 Abs. 1 Satz 1, 167; BGB 187, 188

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 27.12.2018, Az. 1 HK O 46/11, abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um die Anfechtbarkeit oder Nichtigkeit einer Reihe von Beschlüssen, die auf der Gesellschafterversammlung der Beklagten am 20.04.2011 gefasst wurden.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht die angefochtenen Beschlüsse  antragsgemäß für nichtig erklärt. Es wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO ergänzend auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Mit ihrer Berufung trägt die Beklagte vor:

Es seien Verkündungsmängel gegeben, die zur Aufhebung des angegriffenen Urteils führten. ln der mündlichen Verhandlung vom 01.11.2018 sei Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den 13.12.2018 anberaumt worden und das Urteil sei überraschenderweise ohne Ankündigung/Bekanntgabe einer Verlegung des Verkündungstermins am 27.12.2018 verkündet worden. Damit habe das Landgericht gegen § 310 Abs. 1 Satz 1 ZPO und gegen § 169 Absatz 1 Satz 1 GVG verstoßen.

Der Kläger habe die Anfechtungsfrist nicht eingehalten. Die einmonatige Anfechtungsfrist sei um 3 Tage überschritten worden. Der Kläger habe keinerlei zwingende Umstände vorgebracht, die die Fristüberschreitung rechtfertigen könnten. Daher habe das Landgericht die Anfechtungsklage abweisen müssen.

Die vom Landgericht angenommene Auskunfts-/lnformationsverletzung und die Nichtigkeit der Jahresabschlüsse seien nicht gegeben.

Die Beklagte habe gegenüber dem Kläger Geheimhaltungsinteressen, so dass ihm nicht alle Fragen beantwortet werden müssten. Da der Kläger erst wenige Stunden vor der Gesellschafterversammlung einen Fragenkatalog mit 31 Fragen vorgelegt habe, hätten diese wegen der fehlenden Vorbereitungszeit und wegen der Länge/des Umfanges der Beantwortung objektiv in der Gesellschafterversammlung nicht beantwortet werden können.

Der Kläger habe den Fragenkatalog lediglich rechtsmissbräuchlich aufgestellt, um einen Beschlussmangel zu konstruieren. Diesen Vortrag habe das Landgericht nicht berücksichtigt, so dass es den Anspruch der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt habe.

Die Beklagte sei nicht zur Bildung von Rückstellungen verpflichtet gewesen, da die zu Grunde liegende Teilgewinnabführungserklärung unwirksam/nichtig sei. Falls der Senat diesen Punkt als entscheidungserheblich ansehe, sei das Verfahren auszusetzen. Zudem habe der behauptete Bilanzfehler die Bilanz nicht wesentlich beeinträchtigt. Der Kläger habe hierzu nichts vorgetragen. Auch diesen Vortrag der Beklagten habe das Landgericht nicht berücksichtigt und damit den Anspruch der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,

1. unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Mühlhausen vom 27.12.2018, Az. 1 HK O 46/11, die Klage abzuweisen;

2. hilfsweise das Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 27.12.2018, Az.1 HK O 46/11, aufzuheben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Gericht erster lnstanz zurückzuverweisen;

3. hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt;

die Berufung zurückzuweisen

Der Kläger trägt vor:

Verkündungsmängel stünden dem wirksamen Erlass eines Urteiles nur dann entgegen, wenn gegen elementare, zum Wesen der Verlautbarung gehörende Formerfordernisse verstoßen worden sei. Die fehlende Unterrichtung der Parteien über die Verlegung des Verkündungstermins beeinträchtige die Wirksamkeit der Urteilsverkündung nicht. Ausweislich des Protokolls der öffentlichen Sitzung des Landgerichts vom 27.12.2018 sei das Urteil ordnungsgemäß unter Wahrung der Öffentlichkeit verkündet worden. Zudem könne ein Verfahrensfehler nur dann relevant werden, soweit die Entscheidung auf dem Verfahrensfehler beruhe, was nur dann der Fall sei, wenn der Rechtsmittelführer sachlich benachteiligt sei.

Die Anfechtungsfrist sei eingehalten. Die Anfechtungsfrist habe erst mit Erhalt des Protokolls der Gesellschafterversammlung am 03.05.2011 zu laufen begonnen. Der Kläger habe zwingend einer anwaltlichen Beratung bedurft. Es sei dem Kläger nicht zuzumuten, allein aus seiner Wahrnehmung heraus eine Anfechtungsklage zu initiieren, zumal innerhalb der Anfechtungsfrist alle Anfechtungsgründe vollständig vorgetragen werden müssten. Der Kläger habe die Beklagte unverzüglich zur Übersendung des Beschlussprotokolls aufgefordert. Wenn die Beklagte nicht dafür Sorge trage, dass der Kläger die für ihn als Gesellschafter maßgeblichen und notwendigen Informationen betreffend die Beschlussfassung erhalte, könne sie sich nicht darauf berufen, dass der Kläger das Verfahren mit aller ihm zumutbaren Beschleunigung betreiben müsse. Selbst wenn man davon ausgehe, dass die Anfechtungsfrist am Tag der Gesellschafterversammlung zu laufen begonnen habe, sei die Klageerhebung rechtzeitig gewesen. Das Maß der allenfalls marginalen Überschreitung sei im Lichte der konkreten Umstände betreffend den Zeitpunkt der Klageerhebung zu bewerten. Je größer die Überschreitung der Monatsfrist sei, desto schwerwiegender müssten die Umstände betreffend den Zeitpunkt der Klageerhebung sein. Die Verzögerung der Übersendung des Protokolls und die Komplexität der Beschlussgegenstände sowie der die Beschlussmängel tragenden Gründe rechtfertigten die Überschreitung der Monatsfrist. Um die streitgegenständlichen Unrichtigkeiten aufzudecken und fundiert darstellen zu können, sei die Erstellung aufwändiger Analysen und eine diesbezügliche Beratung notwendig gewesen. Bei der Erstellung der Vergleichsdaten mit der PRO Land Agrar GmbH Nägelstedt sei der Kläger auf die entsprechenden Daten durch die Zuarbeit des dortigen Geschäftsführers angewiesen gewesen, was ebenfalls einen weiteren Zeitaufwand bedurft habe. Dennoch sei die Klage noch innerhalb der Monatsfrist nach Durchführung der GesellschafterversammlungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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gefertigt und durch Postversand beim Landgericht eingereicht worden.

Richtigerweise gehe das Landgericht davon aus, dass sämtliche Beschlussfassungen wegen der Verweigerung der Auskünfte zu den Fragestellungen des Klägers anfechtbar seien. Die Jahresabschlüsse seien aber auch wegen Verstößen gegen Bewertungsvorschriften nichtig. Durch die Unterlassung der Bildung von Rückstellungen betreffend die Verpflichtungen der Beklagten auf Teilgewinnabführung an die Pro Max Agrar GmbH & Co. KGBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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GmbH & Co. KG
KG
sei die Ertragslage der Beklagten vorsätzlich unrichtig wiedergegeben worden.

Aufgrund der zum Zeitpunkt der Erstellung der Jahresabschlüsse vorliegenden gerichtlichen Bestätigungen habe die Beklagte unter keinen Umständen davon ausgehen können, dass die Ansprüche auf Teilgewinnabführung nicht bestünden und auch in Bezug auf die Erlöse sei die Ertragslage der Beklagten vorsätzlich unrichtig wiedergegeben worden.

Dies stehe in einem engen Zusammenhang mit der Verlagerung von Gewinn- und Geschäftschancen der Beklagten auf Parallelgesellschaften.

Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Beklagten ist begründet. Die streitgegenständlichen Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 20.04.2011 sind weder anfechtbar noch nichtig.

1.

Es verhilft der Berufung allerdings nicht schon zum Erfolg, dass die Beklagte geltend macht, das angefochtene Urteil sei verfahrensfehlerhaft verkündet worden.

a) ln der mündlichen Verhandlung am 01.11.2018 hat das Landgericht Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den 13.12.2018 bestimmt (Seite 2 der gerichtlichen Niederschrift vom 01.11.2018, Seite 2, Blatt 599 RS der Akte). Tatsächlich wurde das Urteil aber am 27.12.2018 verkündet (Verkündungsprotokoll vom 27.12.2018, Blatt 609 der Akte).

Der Gerichtsakte lässt sich weder eine Verlegung des ursprünglich bestimmten Verkündungstermines noch eine Bekanntmachung gegenüber den Parteien entnehmen. Dies führt aber weder zur Unwirksamkeit des Urteils, noch zu dessen Aufhebung.

aa) Das Urteil ist wirksam, weil die Mindestanforderungen der Verlautbarung gewahrt wurden.

Verkündungsmängel stehen dem wirksamen Erlass eines Urteils nur entgegen, wenn gegen elementare, zum Wesen der Verlautbarung gehörende Formerfordernisse verstoßen wurde, so dass von einer Verlautbarung im Rechtssinne nicht mehr gesprochen werden kann. Sind deren Mindestanforderungen hingegen gewahrt, hindern auch Verstöße gegen zwingende Formerfordernisse das Entstehen eines wirksamen Urteils nicht. Zu den Mindestanforderungen gehört, dass die Verlautbarung vom Gericht beabsichtigt war oder von den Parteien derart verstanden werden durfte und die Parteien vom Erlass und Inhalt der Entscheidung förmlich unterrichtet wurden. Diese Rechtsprechung beruht auf der Überlegung, dass aus Gründen der Rechtssicherheit nicht jeder Verkündungsmangel dazu führen kann, ein Urteil als bloßes Schein- oder Nichturteil einzuordnen, das als solches nicht in Rechtskraft erwachsen kann und dessen Nichtexistenz somit auch noch nach vielen Jahren unabhängig von Rechtsmittelfristen geltend gemacht werden könnte (BGH, Beschluss vom 05. Dezember 2017 – Vlll ZR 204/16 -, Rn. 7, juris).

Ausweislich des Verkündungsprotokolles hat das Landgericht das Urteil am 27.12.2018 bewusst verkündet. Der Erlass und der Inhalt des verkündeten Urteils wurde den Parteien sodann durch Zustellung förmlich bekannt gemacht, wie sich aus den Empfangsbekenntnissen der Prozessbevollmächtigten ergibt (Blatt 615, a, b der Akte).

bb) Eine Aufhebung und Zurückverweisung an das Landgericht wegen des Verfahrensmangels kommt gemäß § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO nur dann in Betracht, wenn das Urteil auf dem Verkündungsmangel beruht oder wenigstens beruhen kann (Zöller – Feskorn, ZPO, 32. A., § 310 ZPO, Rn. 9; BGH, Urteil vom 12. März 2004 – V ZR 37/03 -, Rn. 12, juris). Hierfür ergibt sich aus dem Berufungsvortrag nichts.

b) Es ist nicht festzustellen, dass bei der Verkündung der Entscheidung die Öffentlichkeit nicht gewahrt wurde.

aa) Gemäß § 169 Abs. 1 Satz 1 GVG ist die Verhandlung vor dem erkennenden Gericht einschließlich der Urteilsverkündung öffentlich.

Auch im Falle eines Verstoßes gegen die Pflicht zur Verkündung des Urteils in öffentlicher Sitzung (§ 310 Abs. 1 Satz 1 ZPO; § 169 Satz 1 GVG) handelte es sich bei dem verkündeten Urteil nicht um ein Scheinurteil. Vielmehr läge auch dann nur ein solcher Verkündungsmangel vor, der die Mindestanforderungen an das Existentwerden des Urteils nicht in Frage stellt (BGH, Beschluss vom 05. Dezember 2017 – Vlll ZR 204/16 -, Rn. 10, juris). Verstöße gegen die Öffentlichkeit können aber auf Antrag unter den Voraussetzungen des § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreites führen (Zöller – Lückemann, aaO, § 169 GVG, Rn. 12).

bb) Es liegt kein Verstoß gegen die Wahrung der Öffentlichkeit bei der Urteilsverkündung vor.

Die Urteilsverkündung gehört zu den Förmlichkeiten des Verfahrens, die zu protokollieren sind, § 160 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 3 Nr. 7 ZPO. Das Verkündungsprotokollweist die Verkündung in öffentlicher Sitzung des Landgerichtes aus. Dagegen ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig, § 165 ZPO. Danach oblag es der Beklagten, mit einem entsprechenden Beweisantritt Tatsachen vorzutragen, die mit hinreichender Sicherheit in objektiver und subjektiver Hinsicht die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass das Protokoll im Sinne des § 165 Satz 2 ZPO gefälscht ist (BGH, Beschluss vom 03. März 2004 – Vlll ZB 121/03 -, Rn. 13, juris). Hierfür ergibt sich aus der Berufung nichts.

Öffentlichkeit im Sinne des § 169 Abs. 1 GVG ist die Saalöffentlichkeit (Zöller – Lückemann, aaO, § 169 GVG, Rn. 2), deren Gewährleistung durch das Protokoll dokumentiert ist. Dass niemand von den Parteien anwesend war, ist für die Wirksamkeit der Verkündung unschädlich, wie sich auch aus § 311 Abs. 2 Satz 2 ZPO ergibt (vgl. a. OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Frankfurt
, Beschluss vom 08. Juni 2004 – 2 W 29/04 -, Rn. 14, juris). Darüber hinaus käme eine Aufhebung und Zurückverweisung nur in Betracht, wenn die Entscheidung auf dem Verstoß beruht oder zumindest beruhen kann. Auch hierfür ergibt sich aus dem Berufungsvortrag nichts.

2.

Die streitgegenständlichen Beschlüsse mussten nach dem Leitbild zur Anfechtungsfrist, welches sich aus § 246 Abs. 1 AktG ergibt, rechtzeitig angefochten werden, um Anfechtungsgründe erfolgreich geltend machen zu können. Da die Anfechtungsgründe vorliegend aber verspätet klageweise geltend gemacht wurden, ist die Klage als Anfechtungsklage unbegründet.

a) Das GmbHG enthält keine eigenständige Regelung über die Geltendmachung von Beschlussmängeln. Es entspricht jedoch der ständigen Rechtsprechung des BGH, dass die aktienrechtlichen Vorschriften entsprechend heranzuziehen sind. Soweit danach Beschlüsse der Gesellschafterversammlung mangelhaft sind, können sie durch die kassatorisch wirkende Anfechtungsklage beseitigt werden (BGH, Urteil vom 11. Februar 2008 – ll ZR 187/06 -, Rn. 22, juris). Beschlüsse der Gesellschafterversammlung einer GmbH – wie es die Beklagte zur Zeit der streitgegenständlichen Beschlussfassung am 20.04.2011 war – sind daher entsprechend § 243 Abs. 1, Abs. 4 AktG wegen Verletzung des Gesetzes oder der Satzung oder unrichtiger, unvollständiger oder verweigerter Erteilung von Informationen anfechtbar (Baumbach/Hueck – Zöllner/Noack, GmbHG, 21. A., Anh. § 47 GmbHG, Rn. 81).

b) Das Erfordernis, eine – fristgebundene – Anfechtungsklage zu erheben, setzt die Feststellung eines bestimmten Beschlussergebnisses voraus, das im Klagewege „kassiert“ werden soll, bis dahin aber vorläufig wirksam und für alle Beteiligten verbindlich ist (BGH, Urteil vom 11. Februar 2008 – ll ZR 187/06 -, Rn. 22, juris). Diese Voraussetzung ist hier gegeben; die streitgegenständlichen Beschlüsse wurden in der Gesellschafterversammlung am 20.04.2011 festgestellt.

aa) Wenn ein bestimmtes Beschlussergebnis vom Versammlungsleiter festgestellt worden ist, muss der Beschluss mit diesem Beschlussergebnis als vorläufig verbindlich gelten, so dass er nur durch Anfechtungsklage beseitigt werden kann (BGH, Urteil vom 21. März 1988 – ll ZR 308/87 -, Rn. 7, juris; BGH, Urteil vom 11. Februar 2008 – ll ZR 187/06 -, Rn. 22, juris), wenn er nicht an Nichtigkeitsgründen leidet. Die Feststellung eines Beschlussergebnisses erfordert ein förmliches Festhalten desselben, durch das die Unsicherheit darüber beseitigt werden soll, ob ein wirksamer Beschluss gefasst wurde. Erfüllt ist diese Voraussetzung stets, wenn ein Versammlungsleiter diese Feststellung trifft. Ein förmliches Festhalten ist aber auch auf andere Weise möglich, soweit das Ziel, Unsicherheit über die Fassung eines Beschlusses zu beseitigen, erreicht wird (BGH, Urteil vom 11. Februar 2008 – ll ZR 187/06 -, Rn. 24, juris).

bb) Dass die angegriffenen Beschlüsse auf der Gesellschafterversammlung am 20.04.2011 gefasst wurden, wurde durch den einstimmig zum Versammlungsleiter gewählten Herrn Heinz förmlich festgestellt. Aus dem vorgelegten Protokoll der Gesellschafterversammlung (Anlage 82, Blatt 39 – 41 der Akte) ergibt sich, dass der Versammlungsleiter die jeweiligen Beschlüsse verlas, zur Abstimmung stellte, dann die Stimmabgabe und abschließend die Zustimmung zu dem jeweiligen Beschluss feststellte.

Eine vorläufig verbindliche Feststellung des Abstimmungsergebnisses liegt vor, wenn ein mit entsprechender Kompetenz ausgestatteter Versammlungsleiter tätig war, die entsprechende Feststellung getroffen und den an der Abstimmung Beteiligten zur Kenntnis gebracht hat. Die Kompetenz zur verbindlichen Feststellung bedarf entweder der Grundlage in der Satzung oder des allseitigen Einverständnisses der anwesenden Gesellschafter bzw. ihrer Vertreter. Ein derartiges Einverständnis ist u.a. anzunehmen, wenn der Versammlungsleiter im Einverständnis der anwesenden Gesellschafter tätig wird und unwidersprochen die Feststellung vornimmt (Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, 21. A., Anh. § 47 GmbHG, Rn. 120; Lutter/Hommelhoff – Bayer, GmbHG, 19. Anh. § 47 GmbHG, Rn. 38). Dass der Versammlungsleiter die Beschlussfeststellung unwidersprochen vornahm, ergibt sich ebenfalls aus der vorgelegten Niederschrift, da keine Erklärungen der anwesenden Gesellschafter abgegeben wurden.

Zudem gibt es über das Ergebnis der Beschlussfassung auch keine Unklarheit. In dieser Situation sind die § 243ff. AktG auch ohne eine förmliche Beschlussfeststellung anzuwenden (Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, aaO, Anh. § 47 GmbHG, Rn. 120a,124; Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, 18. A., Anh. § 47 GmbHG, Rn. 38). Wenn die Gesellschafter am Ende der Gesellschafterversammlung von einem bestimmten Beschlussergebnis übereinstimmend ausgegangen sind, so steht dies einer im Protokoll getroffenen Beschlussfeststellung gleich; dann ist der Gesellschafterbeschluss hinreichend bestimmt, so dass eine Anfechtungsklage möglich ist und nicht etwa eine Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Beschlusses zu erheben ist (OLG CelleBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Celle
, Urteil vom 15. Mai 1996 – 9 U 185/05 -, Rn. 20, juris).

c) Der Kläger ist zur Anfechtung der streitgegenständlichen Beschlüsse befugt.

aa) Zur Anfechtung ist jeder Gesellschafter der GmbH befugt. Die Anfechtungsbefugnis ist eine materiell-rechtliche Voraussetzung für das mit der  Anfechtungsklage beantragte Gestaltungsurteil (Münchener Kommentar zum GmbHG – Wertenbruch, 3. A., Anh. § 47 GmbHG, Rn. 248). Die Rechtsfolge der fehlenden Anfechtungsbefugnis ist die Unbegründetheit der Anfechtungsklage (BGH, Urteil vom 24. April 2006 – ll ZR 30/05 -, Rn. 15, juris).

bb) Die Gesellschaftereigenschaft beurteilt sich nach der Gesellschafterliste, § 16 Abs. 1 GmbHG, und muss zunächst im Zeitpunkt der Klageerhebung gegeben sein (Baumbach/Hueck – Zöllner/Noack, aaO, Anh. § 47 GmbHG, Rn. 136, 137). Dies ist der Fall. Die Klage wurde am 11.06.2011 erhoben (Blatt 24a der Akte). Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger Gesellschafter der Beklagten, wie sich an den Gesellschafterlisten vom 11.02.2009 und vom 25.06.2013 (Anlage 1a, Blatt 13 der Akte, und Anlagenkonvolut 86, Blatt 215 der Akte) ablesen lässt.

cc) Die Anfechtungsbefugnis muss noch im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bestehen, da es für die Begründetheit der Klage auf diesen Zeitpunkt ankommt (Münchener Kommentar zum GmbHG – Wertenbruch, aaO, Anh. § 47 GmbHG, Rn. 262; BGH, Urteil vom 25. Februar 1965 – ll ZR 287/63 -, Rn. 46, juris). Auch dies ist der Fall.

(1) Der Beschluss über den Ausschluss des Klägers vom 22.08.2013 wurde rechtskräftig für nichtig erklärt (Urteil des LG Mühlhausen vom 10.04.2014, Az. HK O 60/13; Urteil des Senats vom 07.01.2015, Az. 2 U 317/14; Beschluss des BGH vom 27.10.2015, Az. ll ZR 13/15).

(2) Darüber hinaus beschloss die Gesellschafterversammlung der Beklagten am 29.12.2014 nochmals, den Kläger auszuschließen und seinen Geschäftsanteil einzuziehen. Dieser Beschluss wurde mit Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 06.07.2017 (Az. HK O 9/15) für nichtig erklärt. Die Berufung der Beklagten ist unter dem Az. 2 U 492/17 vor dem Senat anhängig. Der Senat hat das Berufungsverfahren mit Beschluss vom 05.12.2018 wegen Vorgreiflichkeit bis zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs über die Nichtzulassungsbeschwerden bzw. Revisionen in den Verfahren ll ZR 426/17 (Vorinstanz Thüringer OLG in Jena, 2 U 89/17) und ll ZR 175/18 (Vorinstanz Thüringer OLG in Jena, 2 U 79/15) ausgesetzt.

(2.1) Das Landgericht Mühlhausen hat mit einstweiligen Verfügungen vom 12.01.2015 (Az. HK O 2/15, Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 04.02.2015, Blatt 127 – 129 der Akte) und vom 01.12.2015 (Az. HK O 81/15) jeweils der Beklagten geboten, den Kläger bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Wirksamkeit des Ausschluss- und Einziehungsbeschlusses vom 29.12.2014 als Gesellschafter der Beklagten zu behandeln. Der Fortbestand der Anfechtungsbefugnis ergibt sich aber nicht schon aus diesen einstweiligen Verfügungen.

Die einstweilige Verfügung vom 01.12.2015 wurde durch das Urteil des Senats vom 24.08.2016, Az. 168/16, aufgehoben.

Das rechtliche Schicksal der einstweiligen Verfügung vom 12.01.2015 wurde nicht vorgetragen. Selbst wenn dieser Beschluss bestandskräftig und vollzogen sein sollte, bindet er den Senat aber nicht in Bezug auf die Feststellung der Anfechtungsbefugnis. Adressat dieses Gebotes ist nur die Beklagte und nicht das erkennende Gericht, welches ungeachtet der etwaigen Verpflichtung der Beklagten, den Kläger als Gesellschafter zu behandeln, über den materiell-rechtlichen Fortbestand der Anfechtungsbefugnis nach Recht und Gesetz zu entscheiden hat.

(2.2) Auch das Erfordernis, effektiven Rechtsschutz zu gewähren, führt nicht zum Fortbestand der Anfechtungsbefugnis, wenn und falls der Kläger am 29.12.2014 materiell-rechtlich seine Gesellschafterstellung verloren hätte. Für die Wahrnehmung der Rechte gegen den Einziehungsbeschluss selbst ist zwar von der weiteren Rechtsinhaberschaft auszugehen, um der verfassungsrechtlich gebotenen Rechtsschutzmöglichkeit Geltung zu verschaffen (BGH, Urteil vom 24. Januar 2012 – ll ZR 109/11 -, Rn. 24, juris; BGH, Urteil vom 22. März 2011 – ll ZR 229/09 -, Rn. 5ff., juris). Diese Rechtsprechung bezieht sich aber gerade auf den Angriff gegen den Einziehungsbeschluss selbst. Die Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes erfordert darüber hinaus nicht auch die Zubilligung des Fortbestandes der Anfechtungsbefugnis gegen sonstige Maßnahmen der Gesellschaft ohne ein darauf bezogenes und fortbestehendes Interesse des (ehemaligen) Gesellschafters. Kann der Gesellschafter kein solches Interesse geltend machen, kann der Rechtsstreit bis zur Klärung der Wirksamkeit seines Ausschlusses ausgesetzt werden.

(2.3) Auf die Wirksamkeit der Beschlussfassung vom 29.12.2014 kommt es für die Entscheidung des vorliegenden Falles aber deswegen nicht an, weil der Kläger jedenfalls in entsprechender Anwendung des § 265 Abs. 1 Satz 1 ZPO weiterhin zur Führung des Prozesses befugt ist.

Veräußert der Gesellschafter während des Prozesses seine Beteiligung, kann er gleichwohl den Anfechtungsprozess entsprechend § 265 ZPO weiterführen, wenn er daran ein rechtliches Interesse hat (Baumbach/Hueck – Zöllner/Noack, aaO, Anh. § 47 GmbHG, Rn. 137; Lutter/Hommelhoff – Bayer, GmbHG, 19. A., Anh. § 47 GmbHG, Rn. 72; BGH, Urteil vom 25. Februar 1965 – ll ZR 287/63 -, Rn. 45, juris). Da die Anfechtungsbefugnis ein aus der Mitgliedschaft unmittelbar folgendes Verwaltungsrecht ist und nach dem Normzweck des § 265 Abs. 2 ZPO außer der verklagten Partei zumindest auch das Interesse des ursprünglichen Rechtsinhabers und Klägers an der Weiterführung des Prozesses geschützt werden soll, ist der Rechtsgedanke dieser Vorschrift gleichermaßen im GmbH-Recht wie im Aktienrecht auf den Fall der Veräußerung der Mitgliedschaft während des laufenden Prozesses anzuwenden. Die Vorschrift des § 265 Abs. 2 ZPO greift außer bei der freiwilligen Übertragung der im Streit befangenen Rechtsposition auch in den Fällen des unfreiwilligen Rechtsverlustes infolge gesetzlichen Forderungsübergangs, kraft Hoheitsakts oder eines Ausschlusses im Wege des „squeeze out“. Gesteht man dem Aktionär, der seine Rechtsposition freiwillig aufgibt, analog § 265 Abs. 2 ZPO das Recht zur Fortsetzung eines laufenden aktienrechtlichen Anfechtungsprozesses für den Fall zu, dass er hieran ein rechtliches Interesse hat, so muss ihm die entsprechende Berechtigung erst recht zustehen, wenn der betreffende Aktionär seine Rechtsstellung unfreiwillig, d.h. durch einen Eingriff von Außen in seine Aktionärsstellung, verliert (BGH, Urteil vom 09. Oktober 2006 – ll ZR 46/05 -, Rn. 15, 16, juris). Ein dem entsprechender unfreiwilliger Verlust der Gesellschaftereigenschaft erfolgt auch im Falle des Zwangsausschlusses aus der GmbH.

Ein Interesse des Klägers an der Klärung der Wirksamkeit der streitgegenständlichen Beschlüsse besteht fort, weil der streitgegenständliche Inhalt der Jahresabschlüsse 2008 und 2009 mit dem Streit um die Bildung von Rückstellungen für die streitige Teilgewinnabführungsverpflichtung der Beklagten, die Zustimmungen zur Vortragung des Jahresüberschusses dieser Jahre und die Frage der Entlastung mit der Folge eines möglichen Ausschlusses von Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft wegen bekannter oder erkennbarer Pflichtverletzungen durch Vorstand und Aufsichtsrat in diesen Jahren Einfluss auf den Wert des Gesellschaftsanteiles des Klägers und die diesem im Falle des Ausschlusses und der Einziehung zukommende Abfindung haben kann.

d) Die Anfechtungsklage ist unbegründet, weil die Anfechtungsgründe verspätet geltend gemacht wurden.

aa) Anfechtungsgründe sind nur zu berücksichtigen, wenn sie fristgerecht geltend gemacht werden (BGH, Urteil vom 19. Juli 2011 – ll ZR 124/10 -, Rn. 16, juris).

Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH muss die Klage auf Anfechtung eines Gesellschafterbeschlusses mit aller dem klagenden Gesellschafter zumutbaren Beschleunigung erhoben werden, wobei die Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG – von eng begrenzten Ausnahmen abgesehen – als Maßstab gilt. Wird diese Frist überschritten, kommt es darauf an, ob zwingende Umstände den Gesellschafter an einer früheren klageweisen Geltendmachung des Anfechtungsgrundes gehindert haben (BGH, Urteil vom 12. Januar 1998 – ll ZR 82/93 -, Rn. 30, juris; BGH, Urteil vom 18. April 2005 – ll ZR 151/03 -, Rn. 13, juris; BGH, Beschluss vom 13. Juli 2009 – ll ZR 272/08 -, juris). Dass und welche zwingenden Gründe für die Überschreitung der Monatsfrist vorgelegen haben, hat der Anfechtungskläger substantiiert vorzutragen und gegebenenfalls unter Beweis zu stellen (BGH, Urteil vom 18. April 2005 – ll ZR 151/03 -, Rn. 13, Juris). Binnen der Anfechtungsfrist muss der den Teil des Klagegrundes bildende maßgebliche Lebenssachverhalt, aus dem der Kläger die Anfechtbarkeit des Beschlusses herleiten will, vorgetragen werden (BGH, Urteil vom 14. März 2005 – ll ZR 153/03 -, Rn. 17, juris), die Anfechtungsgrunde müssen also in ihrem wesentlichen tatsächlichen Kern in den Rechtsstreit eingeführt werden (BGH, Beschluss vom 13. Juli 2009 – ll ZR 272/08 -, juris; BGH, Urteil vom 22.März 2011 – ll ZR 229/09 – Rn. 13, juris; BGH, Urteil vom 16. Februar 2009 – ll ZR 185/07 -, Rn. 34, juris). Welche rechtlichen Schlussfolgerungen der Kläger hieraus zieht, ist hingegen unerheblich (Scholz – Schmidt, GmbHG, 11. A., § 45 GmbHG, Rn. 145). Verspätet vorgetragene Gründe sind nur noch als Nichtigkeitsgründe beachtlich, die nicht nach § 242 AktG geheilt sind (BGH, Urteil vom 08. Februar 2011 – II ZR 206/08 -, Rn. 12, juris). Nach Fristablauf neu vorgetragene Beschlussmängel können daher nur noch im Wege der Nichtigkeitsklage geltend gemacht werden; die auf sie gestützte Klage wird abgewiesen, wenn sie bloß die Anfechtbarkeit, nicht aber die Nichtigkeit des Beschlusses begründen (Schmid/Lutter – Schwab, AktG, 3. A., § 246 AktG, Rn. 15). Das Nachschieben von neuen Anfechtungsgründen ist ausgeschlossen (BGH, Urteil vom 24. April 2006 – ll ZR 30/05 -, Rn. 18, juris).

Die Wahrung der Anfechtungsfrist ist eine materielle Klagevoraussetzung, die von der klagenden Partei dazutun und in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen ist (BGH, Urteil vom 15. Juni 1998 – ll ZR 40/97 -, Rn. 11 , juris). Werden Anfechtungsgründe verspätet geltend gemacht, ist die Anfechtungsklage als unbegründet abzuweisen (BGH, Urteil vom 18. April 2005 – ll ZR 151/03 -, Rn. 7, juris).

bb) Die zwischenzeitlich erfolgte Umwandlung der Beklagten in eine AG bleibt insoweit ohne Einfluss.

Die Beklagte wurde durch formwechselnde Umwandlung aufgrund eines Umwandlungsbeschlusses vom 29.12.2014 in eine Aktiengesellschaft mit der Firma „Agrar AG Unstruttal Großvargula“ umgewandelt. Die Eintragung in das Handelsregister des Amtsgerichts Jena (HRB 511960) erfolgte am 26.01.2016, wie sich aus dem in Anlage B 11 (Blatt 408, 409 der Akte) vorgelegten Handelsregisterauszug ergibt. Die Eintragung hat konstitutive Wirkung; die Umwandlung wurde daher mit ihrer Eintragung wirksam, § 202 Abs. 1 Nr. 1 UmwG (Kallmeyer-Meister/Klöcker, UmwG, 5. A., § 202 UmwG, Rn. 1, 5, 7; Lutter-Decker/Hoger, UmwG, 5. A., § 202 UmwG, Rn. 5, 6).

Mit der Wirksamkeit des Formwechsels besteht der formwechselnde Rechtsträger in der in dem Umwandlungsbeschluss bestimmten Rechtsform weiter, § 202 Abs. 1 Nr. 1 UmwG. Es besteht eine Identität des Rechtsträgers; eine Vermögensübertragung im Wege der Gesamtrechtsnachfolge findet nicht statt. Das Vermögen des formwechselnden Rechtsträgers ist nach dem Formwechsel Vermögen des Rechtsträgers neuer Rechtsform, es besteht Vermögensidentität (Decher/Hoger in: Lutter, Umwandlungsgesetz, 5. A., § 202 UmwG, Rn. 9). Schuldrechtliche Beziehungen bestehen nach einem Formwechsel unverändert fort (Decher/Hoger in: Lutter, Umwandlungsgesetz, aaO, § 202 UmwG, Rn. 42). Zwar hat der Formwechsel eine Diskontinuität der auf den Rechtsträger anwendbaren Rechtsordnung zur Folge; die für die bisherige Rechtsform geltende Rechtsordnung wird durch die für die neue Rechtsform geltende ausgetauscht. Daraus können sich erhebliche Abweichungen der Rechtsverhältnisse der Gesellschaft zu ihren Gesellschaftern und der Gesellschafter untereinander im Vergleich zu dem vor dem Formwechsel bestehenden Rechtszustand ergeben. Auf Grund der Diskontinuität der Rechtsordnung kann es mit Rücksicht auf zwingende Normen der neuen anwendbaren Rechtsordnung zu Einschränkungen des Grundsatzes der Identität selbst kommen (Decher/Hoger in: Lutter, Umwandlungsgesetz, § 202 UmwG, Rn. 9, 42). Die neue Rechtsordnung ist aber nicht auf noch in der Rechtsform der GmbH abgeschlossene Sachverhalte anzuwenden. Die Anfechtbarkeit oder Nichtigkeit der am 20.04.2011 gefassten Beschlüsse beurteilt sich daher noch nach dem für die Beklagte als GmbH geltenden Recht.

cc) Die von dem Kläger behauptete Teilnahme von Nichtgesellschaftern an der Abstimmung über die Beschlussvorlagen begründet allenfalls die Anfechtbarkeit, nicht die Nichtigkeit der Beschlussfassungen. Die Berücksichtigung der Stimmen, die von Nichtgesellschaftern abgegeben wurden, führt zu einem Fehler der Beschlussergebnisfeststellung. Der festgestellte Beschluss ist dann anfechtbar, wenn sich die Berücksichtigung dieser Stimmen auf das Ergebnis auswirkte (Baumbach/Hueck – Zöllner/Noack, aaO, Anh. § 47 GmbHG, Rn. 115 – 117,130; Lutter/Hommelhoff – Bayer, aaO, Anh. § 47 GmbHG, Rn. 49 – 51; § 47 GmbHG, Rn. 53).

Auch die Nichtbeantwortung von Fragen des Klägers auf der Gesellschafterversammlung kann nur die Anfechtbarkeit der auf der Versammlung gefassten Beschlüsse begründen, § 243 Abs. 4 AktG.

Der Kläger macht des weiteren inhaltliche Fehler der beschlussgegenständlichen Jahresabschlüsse 2008 und 2009 geltend. Wegen erheblicher Verstöße gegen Gesetz oder Satzung kann der Feststellungsbeschluss entsprechend §§ 257 Abs. 1 Satz 1, 243 Abs. 1 AktG angefochten werden; die Einschränkung des § 257 Abs. 1 Satz 2 AktG ist nicht entsprechend anwendbar (Baumbach/Hueck – Zöllner/Noack, aaO, Anh. § 47 GmbHG, Rn. 63, 63a, 109; Lutter/Hommelhoff – Bayer, aaO, Anh. § 47 GmbHG, Rn. 57; BGH, Versäumnisurteil vom 21. Juli 2008 – ll ZR 39/07 -, Rn. 14, 15, juris; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 30. April 1997 – 7 U 174/96 -, Rn. 11, 12, juris; KG Berlin, Urteil vom 17. April 2001 – 14 U 380/199 – Rn. 15, juris).

dd) Mit der Klageerhebung wurde die Anfechtungsfrist nicht eingehalten.

(1) Die Frist beginnt jedenfalls mit der Kenntnis des Gesellschafters von der Beschlussfassung (Baumbach/Hueck – Zöllner/Noack, aaO, Anh. § 47 GmbHG, Rn. 153; OLG HammBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Hamm
, Urteil vom 21. Dezember 2015 – 8 U 67/15 -, Rn. 81, juris). Die Abstimmung erfolgte in Anwesenheit des Klägers, welcher an der Abstimmung teilnahm. Die Beschlussvorschläge waren in der Einladung vom 25.03.2011 (Anlage B3, Blatt 42, 43 der Akte) bereits formuliert und wurden in der entsprechenden Reihenfolge zur Abstimmung gestellt (Protokoll zur Gesellschafterversammlung, Seite 2/3, Anlage B2, Blatt 40, 41 der Akte). Dies entspricht auch den Klageanträgen (Blatt 2, 3 der Akte). Der Kläger hatte daher am 20.04.2011 uneingeschränkte und zweifelsfreie Kenntnis von den Beschlussfassungen und ihrem Inhalt.

(2) Die Frist ist durch Klageerhebung zu wahren (Baumbach/Hueck – Zöllner/Noack, aaO, Anh. § 47 GmbHG, Rn. 158a).

Die Klage ging am 23.05.2011 bei Gericht ein. Mit Verfügung vom 25.05.2011 wurde der Kostenvorschuss, welcher aus dem von dem Kläger angegebenen Streitwert berechnet worden war, angefordert (Blatt I der Akte) und durch den Kläger am 31.05.2011 eingezahlt (Blatt ll der Akte). Die Klage wurde der Beklagten am 11.06.2011 zugestellt (Blatt 24a der Akte).

Da dem Kläger keine erhebliche Verzögerung der Zustellung zur Last fällt, ist auf die Klageeinreichung abzustellen, § 167 ZPO. Damit wurde die Anfechtungsfrist um 3 Tage überschritten. In die Berechnung der Fristüberschreitung ist das Wochenende einzubeziehen.

Die Fristenberechnung richtet sich nach §§ 187, 188 BGB (Baumbach/Hueck – Zöllner/Noack, aaO, Anh. § 47 GmbHG, Rn. 158). Die Monatsfrist begann daher mit dem 20.04.2011 und lief am Freitag, dem 20.05.2011, ab, §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB. Eine die Monatsfrist ausdehnende Postlaufzeit ist nicht anzuerkennen, da es nicht auf die rechtzeitige Versendung, sondern auf die rechtzeitige Klageerhebung ankommt.

Auch eine Überschreitung der Monatsfrist um wenige Tage ist nur dann unschädlich, wenn hierfür zwingende Gründe bestanden (vgl. Scholz – Schmidt, GmbHG, 12. A., § 45 GmbHG, Rn. 143; OLG HammBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Hamm
, Urteil vom 04. Dezember 2003 – 27 U  112/03 -, Rn. 6, juris).

(3) Zwingende Gründe für die Überschreitung der Anfechtungsfrist liegen nicht vor.

(3.1) Es kann für den Beginn der Anfechtungsfrist erforderlich sein, dass dem betreffenden Gesellschafter ein Versammlungsprotokoll übersandt wird, wenn nur dieses eine Beurteilung

der Erfolgsaussichten einer eventuellen Anfechtungsklage ermöglicht (OLG HammBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Hamm
, Urteil vom 21. Dezember 2015 – 8 U 67/15 -, Rn. 82, juris).

Der Kläger war aber nicht auf den Erhalt der Sitzungsniederschrift angewiesen, um den Inhalt der Beschlussfassung festzustellen. Der Kläger war auf der Versammlung anwesend und in der Lage, Ablauf und Inhalt der Beschlussfassung unmittelbar festzustellen. Die Beschlussvorlagen waren in der Einladung bereits im Wortlaut angekündigt und auch nur mit diesem Wortlaut zur Abstimmung gestellt worden. Der Kläger konnte den Inhalt der Beschlussfassung daher schon während der Gesellschafterversammlung durch den laufenden Vergleich mit der vorliegenden Einladung in der Art eines eigenen Protokolles festhalten.

Der Kläger war auch nicht auf den Erhalt der Sitzungsniederschrift angewiesen, um die Erfolgsaussichten feststellen zu können. In Bezug auf die mit der Klage vorgetragenen Anfechtungsgründe enthält die Niederschrift keine erheblichen Ausführungen. Es ergibt sich aus dem Vortrag des Klägers auch nichts dafür, dass der Kläger auf die mit der Niederschrift am 03.05.2011 übersandte Anwesenheitsliste angewiesen war. Nach dem Sitzungsprotokoll waren auf der Sitzung 18 Gesellschafter anwesend und 3 Gesellschafter vertreten. Die Tatbestände, auf die sich der Kläger stützt, um darzulegen, dass bestimmte Personen nicht Gesellschafter der Beklagten waren, liegen nach dem Klagevortrag im Zeitraum zwischen 1996 und 2008. Diese und die betroffenen Personen waren dem Kläger daher schon unabhängig von der Übersendung der Niederschrift und der Anwesenheitsliste bekannt. Sein eigener Fragenkatalog und die Tatsache der Nichtbeantwortung bestimmter Fragen waren dem Kläger ebenfalls unabhängig von der Niederschrift bekannt und für das Problem der Relevanz der Fragestellungen ergibt sich aus der Niederschrift nichts.

(3.2) Eine Überschreitung der Monatsfrist kann weiter dann gerechtfertigt sein, wenn die zu klärenden rechtlichen und tatsächlichen Fragen von erheblicher Schwierigkeit sind (BGH, Urteil vom 12. Oktober 1992 – ll ZR 286/91 -, Rn. 8, juris; BGH, Urteil vom 14. Mai 1990 – ll ZR 126/89, Rn. 9, juris). So ist dem Anfechtungsberechtigten die Klageerhebung nicht zumutbar, solange er nicht ausreichend Zeit hatte, schwierige tatsächliche oder rechtliche Fragen zu klären oder klären zu lassen, auf die es für die Beurteilung der Erfolgsaussicht der Klage ankommt (OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG München
, Urteil vom 28. Oktober 1999 – 14 U 268/99 -, Rn. 8, juris). Solche Fälle sind aber nur in eng begrenzter Ausnahme anzuerkennen (BGH, Urteil vom 18. April 2005 – ll ZR 151/03 -, Rn. 13, juris).

Der Kläger hat nicht vorgetragen, welchen Zeitraum die Klärung bestimmter rechtlicher und tatsächlicher Fragen in Anspruch nahm und aus welchen Gründen und in welchem Umfang ihn dies dazu zwang, einen längeren Zeitraum als einen Monat seit Kenntnis der streitgegenständlichen Beschlussfassungen in Anspruch zu nehmen.

Ungeachtet dessen ist es auch aus tatsächlichen Gründen ausgeschlossen, dass zu klärende Fragen den Kläger zur Überschreitung der Anfechtungsfrist zwangen. Denn die Klageschrift datiert vom 19.05.2011 (Blatt 1 der Akte) und wurde auch nach dem Vortrag des Klägers (Schriftsatz vom 26.04.2019, Seite 6, Blatt 653 der Akte) an diesem Tage mit einfacher Post an das Gericht übersandt. Sie hätte daher an diesem oder am Folgetage per Fax ohne weiteren Zeitverzug bei Gericht anhängig gemacht werden können. Der Kläger wurde auch nicht erst nachträglich in Kenntnis von Tatsachen gesetzt, die die Anfechtung begründen.

ee) Soweit die durch den Kläger herangezogenen Anfechtungsgründe nicht bereits in der Klageschrift enthalten waren, sind sie erst Recht verspätet geltend gemacht worden.

(1) Der Kläger macht geltend, auch Fragen des Mitgesellschafters Rohr seien nicht beantwortet worden. Diesen Anfechtungsgrund hat der Kläger erstmals mit Schriftsatz vom 15.05.2014, bei Gericht am 19.05.2014 eingegangen, erwähnt (Blatt 97, 98 der Akte), mithin knapp drei Jahre nach dem Ablauf der Anfechtungsfrist.

(2) Inhaltliche Mängel des Jahresabschlusses haben sich noch nicht daraus ergeben, dass der Kläger mit der Klageschrift die Darstellung der Erträge und Erlöse in der Gesellschafterversammlung und die erzielten Erlöse angezweifelt hat (Klageschrift Seiten 5 – 9, Blatt 5 – 9 der Akte). Eine inhaltlich falsche Darstellung im Jahresabschluss könnte sich allenfalls aus dem Ansatz der Vorräte ergeben – hierzu die Darstellung des Problems „KVG“ in der Klageschrift (Seite 8, Blatt 8 der Akte). Aber auch hierdurch wird offengelassen, ob der mögliche Fehler im Jahresabschluss 2007 liegt oder im Jahresabschluss 2008. Ein inhaltlicher Mangel des Jahresabschlusses 2008 wird daher auch damit nicht dargelegt.

Die fehlende Rückstellung für die durch die Beklagte auf der Grundlage der streitigen Teilgewinnabführungsverpflichtung abzuführenden Beträge wurde erstmals mit Schriftsatz vom 21.04.2016, bei Gericht eingegangen am 28.04.2016, erwähnt (Blatt 420 ff. der Akte).

3. Die Beschlussfassungen betreffend die Zustimmung zu den Jahresabschlüssen 2008 und 2009 sowie die Zustimmung zur Vortragung des jeweils ausgewiesenen Jahresüberschusses auf neue Rechnung sind nicht wegen inhaltlicher Mängel der Jahresabschlüsse gemäß §§ 249 Abs. 1 Satz 1, 253 Abs. 1 Satz 2, 266 Abs. 3 B Nr. 3 HGB, 256 Abs. 5 AktG nichtig.

a) Es ist unabhängig von der konkreten Formulierung des Klageantrages auch zu prüfen, ob Nichtigkeitsgründe gegeben sind. Die auf Feststellung gerichtete Nichtigkeits- und die auf Rechtsgestaltung gerichtete Anfechtungsklage verfolgen dasselbe materielle Ziel, nämlich die richterliche Klärung der Nichtigkeit des Gesellschafterbeschlusses mit Wirkung für und gegen jedermann. Soweit ihnen derselbe Streitgegenstand zugrunde liegt und die Anfechtungsklage nicht verspätet ist, ist es eine vom Gericht durch Subsumtion zu beantwortende Rechtsfrage, ob die Vorschrift des § 248 AktG oder die des § 249 AktG Anwendung findet (BGH, Urteil vom 17. Februar 1997 – ll ZR 41/96 -, Rn. 12, juris).

Beschlüsse der Gesellschafterversammlung einer GmbH sind nur unter den einschränkenden Voraussetzungen der für Hauptversammlungsbeschlüsse einer AG maßgebenden §§ 241f., 249 AktG nichtig (BGH, Urteil vom 17. Februar 1997 – ll ZR 41/96 -, Rn. 9, juris). Bestimmte Inhaltliche Mängel eines festgestellten Jahresabschlusses führen in entsprechender Anwendung des § 256 AktG unter den dort aufgestellten Voraussetzungen zur Nichtigkeit der Feststellung (Baumbach/Hueck – Zöllner/Noack, aaO, Anh. § 47 GmbHG, Rn. 63, 63a; Lutter/Hommelhoff – Bayer, aaO, Anh. § 47 GmbHG, Rn. 57; BGH, Urteil vom 12. Januar 1998 – ll ZR 82/93 -, Rn. 20, juris; BGH, Urteil vom 11. Oktober 1999 – ll ZR 120/98 -, Rn. 7, juris). Die Beschlussfassung über die Zustimmung zum Vortrag der Jahresüberschüsse ist entsprechend § 253 Abs. 1 AktG nichtig, wenn die Feststellung des JahresabschlussesBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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nichtig ist (Baumbach/Hueck – Zöllner/Noack, aaO; Anh. § 47 GmbHG, Rn. 62; OLG Stuttgart, Urteil vom 11. Februar 2004 – 14 U 23/03 -, Rn. 15, juris).

b) Der Kläger macht geltend, zur Zeit der Erstellung der Jahresabschlüsse habe die Beklagte gegenüber der Pro Max Agrar GmbH & Co. KG Gräfentonna (im Folgenden: Pro Max) aus einer zwischen diesen Gesellschaften abgeschlossenen Teilgewinnabführungsvereinbarung Verbindlichkeiten in Höhe von 28.154,50 Euro für das Jahr 2008 und von 7.713,08 Euro für das Jahr 2009 gehabt. Sie hätte daher in den Jahresabschluss 2008 eine entsprechende Rückstellung in Höhe von 28.154,50 Euro und im Jahresabschluss 2009 in Höhe von 7.713,08 Euro einstellen müssen, da ihr die Verpflichtung bekannt gewesen sei.

aa) Rückstellungen sind Passivposten mit dem Zweck, Aufwendungen, deren Existenz oder Höhe  am Abschlussstichtag noch nicht sicher sind und die erst später zu einer Auszahlung führen, der Periode der Verursachung zuzurechnen (Baumbach/Hopt – Merkt, HGB. 37. A., § 249 HGB, Rn. 1). Sie bilden eine Bilanzposition, § 266 Abs. 3, lit. B HGB und sind u.a. für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden, § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB, und in der Höhe des nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung erforderlichen Erfüllungsbetrages anzusetzen, § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB.

Eine ungewisse Verbindlichkeit im Sinne des § 249 HGB liegt vor, wenn sie in Grund oder Höhe oder in Bezug auf den Zeitpunkt ihres Entstehens nicht feststeht, einerlei, ob aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen. Es besteht eine Pflicht zur Bildung erforderlicher Rückstellungen. Ist die Inanspruchnahme gewiss, ist die Verbindlichkeit zu passivieren, wird sie gewiss, ist entsprechend umzubuchen (Baumbach/Hopt-Merkt, aaO, § 249 HGB, Rn. 2, 4). Das Bestehen der Verbindlichkeit und die tatsächliche Inanspruchnahme müssen objektiv wahrscheinlich sein (OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Frankfurt
, Urteil vom 07. November 2006 – 5 U 109/05 -, Rn. 19, juris). Nach § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB sind bei der Bewertung der im Jahresabschluss ausgewiesenen Vermögensgegenstände und Schulden alle voraussehbaren Risiken und Verluste zu berücksichtigen; dies gilt auch bei der Entscheidung über die Bildung von Rückstellungen (BGH, Urteil vom 28. Januar 1991 – ll ZR 20/90 -, Rn. 13, juris).

In einem solchen Fall ist eine Wahrscheinlichkeitsbeurteilung erforderlich. Die Wahrscheinlichkeit, ob der geltend gemachte Anspruch in relevantem Umfang besteht, ist nach dem jeweiligen Erkenntnisstand von Jahr zu Jahr zu beurteilen (OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Frankfurt
, Urteil vom 24. Juni 2009 – 23 U 90/07 -, Rn. 106, juris). Maßgeblich ist, welche Tatsachen am Bilanzstichtag vorlagen und bis zu dem Zeitpunkt erkennbar waren, zu dem die Bilanz spätestens aufzustellen war (Baumbach/Hopt – Merkt, aaO, § 249 HGB, Rn. 2).

Eine Rückstellungsbildung ist erforderlich, wenn mehr Gründe für eine als gegen eine  Inanspruchnahme sprechen. In diesem Zusammenhang ist eine sorgfältige Abwägung aller in Betracht zu ziehenden Umstände erforderlich, weshalb es gegebenenfalls tatsächlicher Feststellungen und rechtlicher Wertungen bedarf. Hierbei ist die Beklagte nicht frei, sondern muss der Pflicht zur Bildung von Rückstellungen folgen, sobald die Tatbestandsvoraussetzungen hierfür vorliegen. Ihre subjektive Erwartung eines günstigen Prozessausgangs ist nicht entscheidend. Es kommt allein auf objektive Kriterien an. Die Frage, ob mehr Gründe für als gegen das Bestehen einer Schadensersatzpflicht in relevanter Höhe sprechen, ist demgemäß auf Grundlage objektiver, am Bilanzstichtag vorliegender und spätestens bei Aufstellung der Bilanz erkennbarer Tatsachen (vgl. § 252 Abs. 1 Ziff. 4 HGB) aus der Sicht eines sorgfältigen und gewissenhaften Kaufmannes zu beurteilen. Dabei darf weder die optimistischste, noch die pessimistischste Schätzungsalternative gewählt werden. vernünftiger kaufmännischer Beurteilung entspricht es vielmehr, den Rückstellung begründenden Sachverhalt mit allen positiven und negativen Aspekten zu berücksichtigen. Die Beklagte muss also die Forderung in der Höhe ansetzen, in der mit ihr gerechnet werden muss, wobei vor allem die für sie erkennbaren Vorstellungen des Anspruchsstellers maßgeblich sind. Sie hat dabei dem in § 252 Abs. 1 Ziff. 4 HGB enthaltenen Grundsatz der vorsichtigen Bewertung zu entsprechen. Auch der Grundsatz der Bilanzvollständigkeit als Ausprägung des Grundsatzes der Bilanzwahrheit spricht für eine möglichst vollständige Einstellung von Risiken in die Bilanz. Ein Ermessenspielraum kommt dabei dem Bilanzierenden nicht zu. Der Begriff des „Ermessens“ würde einen objektiv nicht überprüfbaren Entscheidungsfreiraum und damit ein gewisses Passivierungswahlrecht suggerieren. Eine Bilanz ist vielmehr aus objektivierter Perspektive zu betrachten, wobei eine Abwägung aller Umstände aber mitunter dazu führen kann, dass mehr als ein Ergebnis vertretbar erscheint (OLG Frankfurt, Urteil vom 24. Juni 2009 – 23 U 90/07 -, Rn. 109, juris).

Dem Grunde nach unsicher ist eine Verbindlichkeit, wenn die Merkmale ihres Entstehungstatbestandes noch nicht (vollständig) erfüllt und ihre Vollendung auch nicht als sicher zu gelten hat oder wenn begründeter Streit über den Bestand der Verbindlichkeit besteht. Rückstellungsfähig ist eine solche Verbindlichkeit, wenn die Verbindlichkeit nach den am Bilanzstichtag objektiv gegebenen Verhältnissen mit einiger Wahrscheinlichkeit besteht oder entstehen wird, wenn der Bilanzierende mit ihrem Be- oder Entstehen ernsthaft zu rechnen hat. Diese objektivierenden Kriterien müssen auch für das Handelsbilanzrecht gelten. Sie sind freilich nicht im Sinne einer statistischen Wahrscheinlichkeit von mehr als 50% o.ä. zu verstehen, sondern erfordern eine am Vorsichtsprinzip orientierte Beurteilung aus der Sicht eines ordentlichen Kaufmanns (Staub – Kleindiek, HGB, 5. Aufl. 2014, § 249 HGB, Rn. 35).

bb) Es ist unstreitig, dass in den Jahresabschlüssen 2008 und 2009 keine Rückstellungen für Verbindlichkeiten der Beklagten gegenüber der Pro Max aus der umstrittenen Teilgewinnabführungsvereinbarung enthalten waren. Nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung wären solche Rückstellungen aber zu bilden gewesen.

(1) Die Beklagte und die Pro Max streiten seit vielen Jahren über die Verpflichtung der Beklagten, jährlich einen Teil ihres Jahresüberschusses an die Pro Max abzuführen. Aus dem Verfahren mit dem Az. 2 U 79/10 ist es dem Senat gerichtsbekannt, dass sich die Beklagte mit einer Vereinbarung vom 05.10.1992 – noch in ihrer damaligen Rechtsform als GmbH – nach deren Wortlaut verpflichtete, ihren Jahresüberschuss in Höhe von bis zu 20% an die Klägerin abzuführen.

Die Pro Max und die Beklagte führten bereits in Bezug auf den Gewinnanteil für das Jahr 2003 einen Rechtsstreit vor dem Landgericht Mühlhausen, welches die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung verurteilte. Die Berufung gegen diese Verurteilung wies der 1. Senat des Thüringer Oberlandesgerichts mit dem rechtskräftig gewordenen Urteil vom 04.09.2008 (Az. 1 U 954/07) zurück. Eine weitere Verurteilung der Beklagten durch das Landgericht Mühlhausen (Az. 1 HK O 94/08) bezüglich der anteiligen Gewinnabführung für die Jahre 2004 und 2005 blieb unangefochten.

Auch den Gewinnanteil für das Jahr 2008 klagte die Pro Max vor dem Landgericht Mühlhausen ein. Mit Urteil vom 26.08.2010 gab das Landgericht der Klage statt. Mit Urteil vom 06.03.2013 (Az. 2 U 782/10) wies der Senat die Berufung der Beklagten zurück. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten gegen die Entscheidung des Senats vom 06.03.2013 (BGH, Az. ll ZR 139/13) wurde zurückgewiesen. Anhängig war noch das Verfahren auf Zahlung der Teilgewinnabführung für das Jahr 2009 (Landgericht Mühlhausen, Az.1 HK O 77/13). lm Jahre 2012 bezahlte die Beklagte die eingeforderten Beträge für die Jahre 2008 und 2009 in Höhe von zusammen 35.867,58 Euro.

(2) Die Teilgewinnabführungsvereinbarung war abgeschlossen und die Pro Max hatte die Beklagte bereits mehrfach erfolgreich für verschiedene Vorjahre auf Zahlung in Anspruch genommen. Nach den Erfahrungen der Vergangenheit musste die Beklagte davon ausgehen, dass die Pro Max die Beträge ernstlich einfordert und gerichtlich geltend machen wird. Damit knüpfte die streitige Verbindlichkeit an Vergangenes an und galt Vergangenes ab, so dass die Verpflichtung rückstellungsfähig war (BGH, Urteil vom 28. Januar 1991 – ll ZR 20/90 -, Rn. 12, juris).

Soweit Rechtsstreitigkeiten geführt worden waren, hatten die beteiligten Gerichte die Position der Pro Max zum Bestand und zur Höhe der Gewinnabführung bestätigt. Zwar hat auch die Qualifizierung einer streitbefangenen Verbindlichkeit grundsätzlich unter Zugrundelegung des Rechtsstandpunkts des Kaufmanns zu erfolgen (BFH, Urteil vom 30. Januar 2002 – I R 68/00 -, Rn. 8, juris), aber die Beklagte musste nach allem trotz ihrer abweichenden Rechtsauffassung ernsthaft mit einer weiteren erfolgreichen Inanspruchnahme durch Pro Max rechnen. Es entsprach daher einer am Vorsichtsprinzip orientierten Beurteilung aus der Sicht eines ordentlichen Kaufmanns, Rückstellungen für die Teilgewinnabführungsverpflichtung zu bilden.

(3) Nach § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB sind Rückstellungen mit dem Betrag anzusetzen, der nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendig ist. Auch hier ist gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB vorsichtig zu bewerten (Staub – Kleindiek, aaO, § 253 HGB, Rn. 35).

Die Unterstellung unwahrscheinlicher oder besonders negativer Geschehensabläufe ist nicht zulässig. Der Wertansatz aus dem Intervall denkbarer Werte muss vielmehr so bemessen sein, dass die überwiegende Wahrscheinlichkeit gegen eine höhere Belastung spricht (Staub – Kleindiek, aaO, § 253 HGB, Rn. 35). Bei Ungewissheit des Grundes, aber Gewissheit der Höhe ist in der Regel der volle Betrag anzusetzen (Baumbach/Hopt – Merkt, aaO, § 253 HGB, Rn. 3).

Dies spricht dafür, dass die Beklagte den vollen Betrag in die Rückstellung einzustellen hatte. Dass die von den Klägern benannten Beträge 20% des für die Jahre 2008 und 2009 durch die Beklagte erwirtschafteten Jahresüberschusses ausmachten, ist nicht streitig. Bis zur Erstellung und Feststellung des Jahresüberschusses hatten die beteiligten Gerichte gegen die Beklagte und auf der Grundlage einer Pflicht zur Abführung von 20% des Jahresüberschusses entschieden. Die Beklagte griff zwar in der Folge auch die Berechnung des abzuführenden Betrages an, es war aber deswegen noch nicht überwiegend wahrscheinlich, dass zukünftig eine geringere Belastung bestehen werde. Zwar hat der Senat ebenfalls im Verfahren 2 U 79/15 zwischenzeitlich Zweifel an der Berechnung durch Pro Max geäußert, aber dies erfolgte zeitlich nach der Erstellung und Feststellung des JahresabschlussesBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Feststellung des Jahresabschlusses
und konnte deswegen nicht in die Entscheidung über die Bildung der Rückstellung einbezogen werden.

cc) Gemäß § 256 Abs. 5 Satz 2 AktG ist die unterbliebene, aber gebotene Rückstellung einer Überbewertung gleichzustellen (Hüffer, AktG, 13. A., § 256 AktG, Rn. 25). Die auf die Überbewertung von Posten des Jahresabschlusses bezogene Bestimmung des § 256 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AktG ist daher auch in diesem Falle heranzuziehen (OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Frankfurt
, Urteil vom 07. November 2006 – 5 U 109/05 -, Rn. 19, juris).

Zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses führt die Überbewertung – nur – dann, wenn sie die Darstellung wesentlich beeinträchtigt (Hüffer, aaO, § 256 AktG, Rn. 25; OLG HammBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Hamm
, Urteil vom 17. April 1991 – 8 U 173/90 -, Rn. 5, juris). Für die Frage der Wesentlichkeit kommt es zum einen auf die Bedeutung der verletzten Norm, zum anderen auf die Auswirkungen des Verstoßes auf das Zahlenwerk insgesamt, insbesondere auf die Erheblichkeit des Betrags an, um den die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft zu gut oder zu schlecht dargestellt wird (Schmidt, K./Lutter – Schwab, AktG, 3. A., § 256 AktG, Rn. 15). Hier sind maßgebliche Gesichtspunkte etwa das Verhältnis des Rückstellungsbetrages zu dem ausgewiesenen Betrag des Bilanzpostens „Rückstellungen“, das Verhältnis des Rückstellungsbetrages zur der ausgewiesenen Bilanzsumme oder das Verhältnis des Rückstellungsbetrages zu dem ausgewiesenen Jahresüberschuss. Die Beklagte hat auf das Erfordernis der wesentlichen Beeinträchtigung erstinstanzlich im Einzelnen hingewiesen (Schriftsatz vom 21.08.2018, Seiten 9 – 11 , Blatt 592 – 594 der Akte).

Trotz der entsprechenden Rügen der Beklagten hat der Kläger hierzu weder Tatsachenvortrag gehalten, noch die betroffenen Jahresabschlüsse vorgelegt. Es ist daher nicht festzustellen, dass die unterlassene Bildung von Rückstellungen die bilanzielle Darstellung wesentlich beeinträchtigte.

3. Der nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichte Schriftsatz des Klägers vom 16.09.2019 wurde zur Kenntnis genommen. Er gibt weder Veranlassung, die Verhandlung gemäß § 149 ZPO auszusetzen, noch die mündliche Verhandlung gemäß §§ 296a Satz 2,156 ZPO wieder zu eröffnen.

Die Beschlussfassung zur Entlastung kann – wie oben ausgeführt – als Folge der Versäumung der Anfechtungsfrist nicht erfolgreich angefochten werden. Die Jahresabschlüsse sind auch dann nicht Fehlern behaftet, die deren Nichtigkeit begründen, wenn der Geschäftsführer Hunstock, wie vom Kläger behauptet, sich untreu verhalten hat.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO und die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da es sich um die Entscheidung eines Einzelfalles ohne grundsätzliche Bedeutung handelt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichtes erfordert, § 543 Abs. 2 ZPO.

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Schlagworte: Anfechtungsfrist, Anfechtungsklage, Anfechtungsklage im Sinne der §§ 243 ff AktG, Anfechtungsklage nach § 245 AktG analog, Anwendung der aktienrechtlichen Grundsätze zur Nichtigkeits- und Anfechtungsklage, Festgestelltes Beschlussergebnis Anfechtungsklage, Klagefrist/Anfechtungsfrist, Nichtigkeits- und Anfechtungsklage, Präklusion von Anfechtungsgründen nach Ablauf der Anfechtungsfrist, Verhältnis von Feststellungs- Nichtigkeits- und Anfechtungsklage, Zustellung der Klage bei Gesellschaft vor Ende der Anfechtungsfrist