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Thüringer Oberlandesgericht, Urteil vom 26.09.2018 – 2 U 56/18

AktG §§ 88, 93

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 15.12.2017, Az. 6 O 610/17, wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das unter Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Mtihlhausen ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Die Verfügungsklägerin (im Folgenden: die Klägerin) beantragt mit ihrer einstweiligen Verfügung die Eintragung von Vormerkungen zur Sicherung eines behaupteten Anspruches gegen den Verfügungsbeklagten (im Folgenden: der Beklagte) auf Auflassung der streitgegenständlichen Grundstücke.

Mit Beschluss vom 06.11.2017 hat das Amtsgericht Nordhausen die beantragte einstweilige Verfügung ohne mündliche Verhandlung erlassen. Auf das entsprechende Eintragungsersuchen des Amtsgerichts hin hat das Grundbuchamt die Vormerkungen eingetragen.

Auf den Widerspruch des Beklagten hat das Amtsgericht das Verfügungsverfahren mit Beschluss vom 21.11.2017 an das Landgericht Mühlhausen verwiesen. Das Landgericht hat die einstweilige Verfügung mit dem nunmehr angefochtenen Urteil vom 15.12.2017 aufrechterhalten.

Der Beklagte wendet sich mit seiner Berufung gegen die Aufrechterhaltung der einstweiligen Verfügung. Er beantragt, unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Mühlhausen vom 15.12.2017, Az. 6 O 610/17, die einstweilige Verfügung des Amtsgerichts Nordhausen vom 06.11.2017, Az. 22 C 507/17, aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung und beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Von der weiteren Darstellung des Sachverhaltes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen, da eín Rechtsmittel gegen die vorliegende Entscheidung nicht statthaft ist, 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

II.

Die Berufung ist unbegründet. Das Landgericht hat die einstweilige Verfügung des Amtsgerichtes zu Recht aufrechterhalten, weil die Klägerin glaubhaft gemacht hat, gegen den Beklagten einen durch Eintragung einer Vormerkung zu sichernden Anspruch auf Auflassung der streitgenständlichen Grundstücke zu haben, §§ 935, 940 ZPO, §§ 885 Abs. 1, 883 Abs. 1 BGB iVm §§ 249 Abs. 1 BGB, 93 Abs. 2 Satz 1 AktG.

1.

Der Beklagte war zwischen dem 01.09.2014 und dem 06.02.2017, und damit auch zur Zeit der streitgegenständlichen Grundstückskäufe, die zwischen dem 24.03.2015 und dem 18.11.2015 vereinbart und vollzogen wurden, Vorstand der Klägerin.

2.

Nach § 88 Abs. 1 Satz 1 AktG ist es den Vorstandsmitgliedern u.a. verboten, im Geschäftszweig der Gesellschaft für eigene Rechnung Geschäfte zu machen.

Regelungsgegenstand und -zweck des § 88 AktG sind der Schutz der Gesellschaft vor Wettbewerbshandlungen und vor anderweitigem Einsatz der Arbeitskraft ihrer Vorstandsmitglieder. Unter den Begriff des „Geschäftemachens“ fällt daher jede, wenn auch nur spekulative, auf Gewinnerzielung gerichtete Teilnahme am geschäftlichen Verkehr, die nicht nur zur Befriedigung eigener privater Bedürfnisse erfotgt, also nicht lediglich persönlichen Charakter hat; deshalb stellt die bloße Anlage eigenen Vermögens in Werten, mit denen auch die Gesellschaft handelt, noch kein Geschäftemachen dar (BGH, Urteil vom 17. Februar 1997 – ll ZR 278195 -, Rn. 9, juris).

Es kann vorliegend offen bleiben, ob – auch – ein Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot vorliegt oder der Beklagte durch den Ankauf der streitgegenständlichen Grundstücke noch im Bereich der zulässigen Vermögensanlage handelte. Denn jedenfalls hat die Klägerin eine Haftung des Beklagten aus § 93 Abs. 2 AktG glaubhaft gemacht.

3.

Nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG haben Vorstandsmitglieder bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden: Nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG sind Vorstandsmitglieder, die ihre Pflichten verletzen, der Gesellschaft zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Zu den Treuepflichten des Beklagten gehörte es auch, Geschäftschancen im lnteresse der Klägerin zu nutzen.

a)

Aus der Treuepflicht folgt insbesondere die Verpflichtung, Geschäftschancen der Gesellschaft für diese zu nutzen und das korrespondierende Verbot, solche Geschäftschancen selbst auszubeuten oder nahe stehenden Dritten zu überlassen (Krieger/Sailer-Coceani in: Schmidt, K./Lutter, AktG, 3. A., § 93 AktG, Rn. 21). Nach diesem Grundsatz dürfen solche Geschäfte, die der Gesellschaft zuzuordnen sind, nicht von den Vorstandsmitgliedern für eigene Rechnung getätigt werden. Das Verbot, Geschäftschancen der Gesellschaft an sich zu ziehen, deckt sich für weite Bereiche mit dem in § 88 AktG normierten Wettbewerbsverbot für Vorstandsmitglieder. Jedoch ist weder das erstere bloßer Unterfall des Wettbewerbsverbots, noch íst dieses Unterfall der Geschäftschancenlehre (Hopt/Roth in: Hirte/Mülber/Roth, Aktiengesetz Großkommentar, 5. A. , § 93 AktG, Rn. 251).

lnhalt dieser Treuepflicht ist es, dass es dem Geschäftsleiter – hier also dem Vorstand der AG – ohne ausdrückliche Erlaubnis nicht gestattet ist, im Geschäftszweig der Gesellschaft Geschäfte für eigene Rechnung zu tätigen oder tätigen zu lassen oder den Vollzug bereits von der Gesellschaft abgeschlossener Verträge durch Abwicklung auf eigene Rechnung oder in sonstiger Weise zu beeinträchtigen oder zu vereiteln. Der Geschäftsleiter darf Geschäftschancen nicht für sich, sondern nur für die Gesellschaft ausnutzen und hat ihr, wenn er hiergegen verstößt, einen dadurch entstandenen Schaden zu ersetzen.

Ein Geschäftsleiter darf keine Geschäfte an sich ziehen, die in den Geschäftsbereich der Gesellschaft fallen und dieser aufgrund bestimmter konkreter Umstände bereits zugeordnet sind (BGH, Urteil vom 04. Dezember 2012 – ll ZR 159/10 -, Rn. 21, juris).

Das betrifft alle Geschäftschancen, die im Bereich des Tätigkeitsbereiches der Gesellschaft liegen, oder an denen die Gesellschaft aus anderen Gründen ein konkretes lnteresse hat, wie etwa beim Erwerb eines Betriebsgrundstücks. Solche Geschäftschancen darf der Vorstand nicht nur nicht an sich ziehen, sondern sie müssen vom Vorstand im Rahmen seines geschäftlichen Ermessens auch zugunsten der Gesellschaft wahrgenommen werden (Hopt/Roth in: Hirte/Mülber/Roth, aaO, S 93 AktG, Rn. 254).

b)

Diese Treuepflicht oblag dem Beklagten schon auf der Grundlage seiner Organstellung. Die Regelung in § 9 des Anstellungsvertrages ist somit nur wiederholend, nicht rechtsbegründend. Auf die Einwände des Beklagten gegen die Wirksamkeit der vertraglichen Regelung kommt es daher nicht an.

c)

Gegen seine Pflicht, Geschäftschancen im lnteresse der Klägerin zu nutzen, hat der Beklagte durch den Ankauf der streitgegenständlichen Grundstücke verstoßen.

aa)

Die Geschäftschance, die streitgegenständlichen Grundstücke anzukaufen, war der Klägerin zugeordnet.

(1)

Grundsätzlich íst ein Geschäft dann der Gesellschaft zugeordnet, wenn die Gesellschaft als erste mit dem Geschäft in Berührung gekommen ist (BGH, Urteilvom 04. Dezember 2012 – ll ZR 159/10 -, Rn. 26, juris). Für das Vorliegen einer Geschäftschance, die der Gesellschaft gebührt, reicht es aus, wenn das Geschäft zum üblichen Tätigkeitsbereich der Gesellschaft gehört, oder diese ein nicht unerhebliches lnteresse an einem bestimmten Geschäft hat. Entscheidend ist die abstrakte Gefährdung der lnteressen der Gesellschaft im Einzelfall (OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Frankfurt
, Urteil vom 13. Mai 1997 – 11 U (Kart) 68/96 -, Rn. 24, juris).

(2)

Der Erwerb der streitgegenständlichen Grundstücke lag im satzungsmäßigen Tätigkeitsbereich der Klägerín. Ausweislich des in Kopie vorgelegten Handelsregisterauszuges (Anlage ASt 1, Blatt 83 – 85 der Akte) gehören u.a. die Produktion, Verarbeitung und Vertrieb von pflanzlichen und tierischen Produkten aller Art und die Vermögensverwaltung mobilen und immobilen Eigentums der Gesellschaft zum Gegenstand des Unternehmens.

Von diesem Unternehmensgegenstand ist der Erwerb von Flächen, die dem landwirtschaftlichen Betrieb dienen können, unabhängig davon erfasst, ob die Grundstücke zur landwirtschaftlichen Produktion sofort oder erst später, mehr oder weniger gut geeignet sind. Es bleibt die wirtschaftliche Entscheidung der Klägerin, ob und zu welchem Preis sie im Rahmen ihres Unternehmensgegenstandes Flächen angesichts deren Lage und Eigenschaften erwirbt.

Es bestand auch ein konkretes lnteresse der Klägerin. Hierfür reicht es aus, wenn die Gesellschaft in Vertragsverhandlungen eingetreten ist, sie schon lnteresse an dem Geschäft geäußert hat, oder ihr das Geschäft auch nur angeboten wurde (Hopt/Roth in: Hirte/Mülbert/Roth, aaO, § 93 AktG, Rn. 256). Die Klägerin hat durch die Vorlage der entsprechenden Pachtverträge (Anlagen ASt 3, 4, Blatt 99 – 110 der Akte) glaubhaft gemacht, dass sie in Bezug auf die streitgegenständlichen Grundstücke bereits mit deren Verpächtern in Vertragsbeziehungen stand. Sie hat weiter durch die Vorlage der eidesstattlichen Versicherung von Frau Koch (Anlage ASt 5, Blatt 113 der Akte) glaubhaft gemacht, dass solche vertraglichen Beziehungen im Einzelfall auch zu einem Flächenerwerb führen. Des Weiteren hat sie durch Vorlage der Aniage ASt 4a giaubhaft gemacht, dass in Bezug auf diese Grundstücke auch an sie bereits eine Kaufanfrage gerichtet worden war.

(3)

Der Beklagte kann nicht rnit der Behauptung durchdringerr, die Klågerin seizur Finanzierung des Objekts weder bereit noch in der Lage gewesen. Dabei ist davon auszugehen,dass von einem Geschäftsleiter, dem sich eine Geschäftschance für die Gesellschaft bietet, grundsätzlich erwartet wird, alles Erdenkliche zu tun, um diese für die Gesellschaft zu nutzen, wozu gegebenfalls auch die Erschließung von Finanzquellen gehört (BGH, Urteil vom 04. Dezember 2012 – ll ZR 159/10 -, Rn. 30 – 31, juris). Ohne dies konkret versucht zu haben, kann sich ein Geschäftsleiter daher nicht entlasten (BGH, Urteil vom 23. September 1985 – ll2R257184 -, Rn. 20, juris). Zudem hat die Klägerin durch Vorlage der eidesstattlichen Versicherung von Frau Koch (Anlage ASt 5, Blatt 1 13 der Akte) glaubhaft gemacht, dass ihr die erforderlichen Mittel zur Verfügung gestanden hätten, da sie über eine freie Liquidität von 1,1 Mio. Euro verfügte.

bb)

Durch den Ankauf der Grundstücke nutzte der Beklagte die Geschäftschance in seinem eigenen lnteresse statt im lnteresse der Klägerin.

(1)

Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Beklagte von der Ankaufsmöglichkeit in Ausübung seines Vorstandsamtes oder privat erfuhr. Die Verpflichtung des Geschäftsleiters, den Vorteil der Gesellschaft zu wahren und Schäden von ihr abzuwenden, hängt nicht davon ab, ob er von den Geschäftschancen seiner Gesellschaft anlässlich einer dienstlichen oder privaten Besorgung Kenntnis erlangt hat. Solange der Geschäftsleiter bestellt ist, ist seine Sorgfalts- und Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft unteilbar (BGH, Urteil vom 23. September 1985 – ll ZR 246/84 -, Rn. 7, juris; BGH, Urteil vom 04. Dezember 2012 – ll ZR 159/10-,Rn.27,juris;OLGFrankfurt,Urteil vom 13. Mai 1997 – 11 U(Kart) 68/96 -, Rn. 25, juris).

(2)

Ebenso ist es unerheblich, dass der Beklagte die Grundstücke weiterhin an die Klägerin verpachtete. Zu Recht macht die Klägerin insoweit geltend, dass sich die rechtliche und wirtschaftliche Situation der Klägerin als Eigentümerin von derjenigen als Verpächterin wesentlich unterscheiden würde (vgl. a. BGH, Urteil vom 23. September 1985 – ll ZR 257/84 -, Rn. 19, juris). Zudem hat der Beklagte selbst auf die laufenden Verfahren vor dem Landwirtschaftsgericht hingewiesen, von der die Klägerin durch die Vorlage der eidesstattlichen Versicherung von Frau Koch glaubhaft gemacht hat, dass es um die Herausgabe der Grundstücke an den Beklagten nach einer Kündigung der jeweíligen Pachtverträge geht.

d)

Eine die Pflichtwidrigkeit der Handlung ausschließende Einwilligung der Klägerin in den Kauf der Grundstücke durch den Beklagten liegt nicht vor.

aa)

Für die ihm günstige rechtsvernichtende Tatsache, dass die Gesellschaft eine in ihren Geschäftsbereich fallende und ihr bereits zugeordnete Geschåftschance wieder freigegeben hat, ist nach allgemeinen Grundsätzen der die Geschäftschance für sich nutzende Geschäftsleiter darlegungs- und beweisbelastet (BGH, Urteil vom 04. Dezember 2012 – ll ZR 159/10 -, Rn. 28, juris).

bb)

Der Aufsichtsrat kann entsprechend § 88 Abs. 1 Satz 1, 2 AktG für Geschäfte in dem Bereich der Geschäftschancen der Gesellschaft seine Einwilligung erteilen, allerdings zum Einen nur durch einen Beschluss und zum Anderen nicht als Blankoeinwilligung (§ 88 Abs. 1 S. 3 AktG entsprechend). Voraussetzung dafür ist, dass die Gesellschaft die Chance auf keinen Fall wahrnehmen will. Das Vorstandsmitglied hat alle Umstände offenzulegen, die die Entscheidung über den Verzicht beeinflussen können. Liegt eine dieser Voraussetzungen nicht vor, kann der Aufsichtsrat die Erlaubnis nicht wirksam erteilen, da es sich um ein zwingendes Verbot handelt. Die Zustimmung muss im vorhinein erteilt werden, Genehmigung reicht also nicht aus, da ansonsten ein Verstoß gegen § 93 Abs. 4 Satz 2 AktG vorliegt (Hopt/Roth in: Hirte/Mülbert/Roth, aaO, § 93 AktG, Rn. 252, 253).

cc)

Eine wirksame Einwilligung des Aufsichtsrates ergibt sich aus dem Vortrag des Beklagten nicht, denn der Beklagte behauptet lediglich die Einwiiiigung eines der Mitglieder des Aufsichtsrates. Da eine Einwilligung nur durch Beschluss, in Kenntnis und bezogen auf die konkreten Umstände des einzelnen Geschäfts erteilt werden kann, nicht aber konkludent durch Duldung oder als Blanko-Einwilligung (Henssler/Strohn – Dauner-Lieb, Gesellschaftsrecht, 2. A., § 88 AktG, Rn. 7), kommt es nicht darauf an, wie sich der Aufsichtsrat in der Vergangenheit verhalten und ob und in welchem Umfang er Geschäfte von Organmitgliedern im Geschäftsbereich der Klägerin gekannt, geduldet oder in diese eingewilligt hat, ob und in welchem Umfang also eine ,,betriebliche Übung“, wie der Beklagte vorträgt, bestand. Aus einem solchen – hier im Übrigen streitigen – Vorverhalten des Aufsichtsrates kann der Beklagte daher keine wirksame Einwilligung in den Erwerb der streitgegenständlichen Grundstücke herleiten.

4.

Der Beklagte ist gemäß § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG dafür darlegungs- und beweispflichtig, die erforderliche Sorgfalt eingehalten zu haben. Dies ist nicht der Fall. Der Beklagte hat schuldhaft gehandelt, da er bei seinem Verstoß gegen das Verbot, Geschäftschancen der Klägerin zu beeinträchtigen, zumindest fahrlässig handelte, § 276 BGB.

a)

Nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG war der Beklagte verpflichtet, die ihm als Vorstandsmitglied der Klägerin obliegenden Pflichten mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters wahrzunehmen. lnsoweit gilt ein objektiver typisierter Verschuldensmaßstab, so dass der Beklagte als Vorstandsmitglied der Klägerin für die Fähigkeiten und Kenntnisse einzustehen hat, die die ihm anvertraute Leitungsaufgabe objektiv erforderte. Maßgeblich ist danach, wie sich ein pflichtbewußter selbständig tätiger Leiter eines Unternehmens der konkreten Art, der nicht mit eigenen Mitteln wirtschaftet, sondern ähnlich wie ein Treuhänder fremden Vermögensinteressen verpflichtet ist, zu verhalten hat. Daraus folgt, dass der Beklagte als Vorstandsmitglied stets allein den Vorteil des Unternehmens zu wahren und seine Aufgaben mit der Sorgfalt wahrzunehmen hatte, die notwendig war, um Schaden von der Gesellschaft abzuwenden (OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Düsseldorf
, Urteil vom 28. November 1996 – 6 U 11/95 -, Rn. 83 – 94, juris).

b)

Diesem Sorgfaltsmaßstab wurde der Beklagte zumindest fahrlässig nicht gerecht, § 276 Abs. 1 BGB. Dem würde es auch nicht entgegenstehen, wenn der Beklagte den Grundstückserwerb wegen des behaupteten Vorverhaltens des Herrn Koch oder anderer Mitglieder des Aufsichtsrates und Vorstandes für erlaubt gehalten hätte. Denn der Beklagte hätte sich dann in einem Rechtsirrtum befunden, ohne dass sich insoweit Anhaltspunkte für ein fehlendes Verschulden des Beklagten ergeben. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs fordert der Geltungsanspruch des Rechts, dass der Verpflichtete grundsätzlich das Risiko eines lrrtums über die Rechtslage selbst trägt. Daher stellt die höchstrichterliche Rechtsprechung in diesen Fällen an das Vorliegen eines unverschuldeten Rechtsirrtums seit je her strenge Anforderungen.

Ein unverschuldeter Rechtsirrtum liegt bei einem Schuldner regelmäßig nur dann vor, wenn er die Rechtslage unter Einbeziehung der höchstrichterlichen Rechtsprechung sorgfältig geprüft hat und bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt auch mit einer anderen Beurteilung durch die Geríchte nicht zu rechnen brauchte. Ein solcher Ausnahmefall ist etwa dann anzunehmen, wenn der Schuldner eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung für seine Auffassung in Anspruch nehmen konnte und eine spätere Änderung derselben nicht zu befürchten brauchte. Musste der Schuldner dagegen mit der Möglichkeit rechnen, dass das zuständige Gericht einen anderen Rechtsstandpunkt einnehmen würde als er, ist ihm regelmäßig ein Verschulden anzulasten. Dies gilt insbesondere bei einer unklaren Rechtslage. Hier handelt ein Schuldner regelmäßig bereits dann fahrlässig, wenn er sich erkennbar in einem Grenzbereich des rechtlich Zulässigen bewegt, in dem er eine von der eigenen Einschätzung abweichende Beurteilung der rechtlichen Zulässigkeit des fraglichen Verhaltens in Betracht ziehen muss. Der Schuldner darf das Risiko einer zweifelhaften Rechtslage nicht dem Gläubiger zuschieben. Entscheidet er sich bei einer unsicheren Rechtslage dafür, die von ihm geforderte Leistung nicht zu erbringen, geht er – von besonderen Sachlagen abgesehen – das Risiko, dass sich seine Einschätzung später als falsch erweist, zumindest fahrlässig ein und hat deshalb seine Nichtleistung zu vertreten, wenn er – wie in einem späteren Rechtsstreit festgestellt wird – zur Leistung verpflichtet war. Sofern der Schuldner zu einer eigenständigen rechtlichen Beurteilung nicht in der Lage ist, muss er Rechtsrat einholen; für ein etwaiges Verschulden seines Rechtsberaters hat er nach § 278 BGB einzustehen, wobei für einen unverschuldeten Rechtsirrtum des Rechtsberaters dieselben strengen Grundsätze wie für den Schuldner selbst gelten (BGH, Urteil vom 11.06.2014, Vlll ZR 349/13, zitiert nach juris, Rn. 37).

Auf der Grundlage der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung musste es dem Beklagten deutlich werden, dass er auf die Wirksamkeit einer formlosen Einwilligung nur durch eines der Aufsichtsratsmitglieder nicht vertrauen konnte.

5.

Die Klägerin handelt nicht rechtsmissbräuchlich.

Es kann offen bleiben, in welchem Umfang Organmitglieder in der Vergangenheit Flächen im Geschäftsbereich der Klägerin ankauften. lnwieweit darin jeweils ein Verstoß gegen die jeweiligen Treuepflichten lag, kann anhand der vorgetragenen Tatsachen nicht beurteilt werden und ist von der Gesellschaft zu prüfen. Es lässt die Pflichtwidrigkeit des Handelns des Beklagten jedenfalls nicht entfallen, wenn zuvor bereits weitere Personen pflichtwidrig handelten. Der Pflichtenkatalog des § 93 Abs. 2 AktG ist nicht im Vorhinein abdingbar, wie aus § 93 Abs. 4 AktG zu ersehen ist. Einen Anspruch auf Einwilligung in die Wahrnehmung von Geschäftschancen der Gesellschaft hatte der Beklagte nicht.

6.

Die Bestimmung des kausalen Schadens erfolgt in Anwendung der §§ 249 ff. BGB (Schmidt/Lutter – Krieger/Sailer-Coceani, aaO, § 93 AktG, Rn. 36).

Die Klägerin hat nach § 249 Abs. 1 BGB einen Anspruch darauf, dass der Beklagte den Zustand herstellt, der bestehen würde, wenn er nicht in einer die gesellschaftliche Treuepflicht missachtenden Weíse eine der Klägerin zugeordnete Geschäfischance für eigene Zwecke genutzt hätte. Dieser Zustand lässt sich nur dadurch herstellen, dass der Beklagte der Klägerin das Eigentum an den Grundstücken verschafft, damit sie selbst die ihr entzogene Geschäftschance nutzen kann (BGH, Urteil vom 04. Dezember 2012 – ll ZR 159/10 -, Rn. 45, juris).

7.

Für den Erlass der einstweiligen Verfügung ist es nicht erforderlich, dass eine Gefährdung des zu sichernden Anspruches glaubhaft gemacht wird, § 885 Abs. 1 Satz 2 BGB.

Auch sonst ergibt sich aus dem Vortrag der Parleien nichts, was die Dringlichkeit entfallen Iieße. lnsbesondere lassen die Verfahren vor dem Landwirtschaftsgericht die Dringlichkeit nicht entfallen, da sie der Klägerin keine vorläufige Sicherheit bieten.

8.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO und die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Schlagworte: AktG § 93, AktG §§ 93 Abs. 1 S. 2 AktG, Geschäftschancenlehre, Haftung des Vorstands, Haftung für Wettbewerbsverstöße, Haftung nach § 93 Abs. 2 AktG, Haftung nach § 93 AktG, Haftung Vorstand, Verstoß gegen die Geschäftschancenlehre, Verstoß gegen Geschäftschancenlehre, Verstoß gegen Wettbewerbsverbot, Vorstand