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Thüringer OLG, Beschluss vom 27.05.2021 – 2 W 172/21

§ 45 Abs 1 GenG, § 45 Abs 3 GenG

1. Lädt der Vorstand einer eingetragenen Genossenschaft auf das Verlangen einer Minderheit der Mitglieder zu einer Präsenzversammlung ein und wählt nicht – wie von diesen Mitgliedern gewünscht – das schriftliche Umlaufverfahren, führte dies nicht zu einer schuldhaften Verzögerung der Einladung, denn für die Wahl der Versammlungsart durch den Vorstand ist maßgeblich, auf welchem Wege dem Einberufungsverlangen unverzüglich rechtssicher genügt werden kann.

2. Zwar können nach §§ 3 Abs. 1, 7 Abs. 3 des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht (im Folgenden: COVMG) Beschlüsse der Mitglieder im Jahre 2021 abweichend von § 43 Abs. 7 GenG auch dann schriftlich oder elektronisch gefasst werden, wenn dies in der Satzung der Genossenschaft nicht ausdrücklich zugelassen ist, bleibt aber mangels einer diesbezüglichen Satzungsregelung offen, wie den Teilnahmerechten der Genossen im schriftlichen Umlaufverfahren zu genügen ist, ist es nicht schuldhaft, wenn der Vorstand nicht das schriftliche Umlaufverfahren wählt.

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Jena vom 03.05.2021, Az. (Fall 20) aufgehoben.

2. Von der Erhebung der Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen; außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

4. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000.- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Beschwerdeführerin gehören nach den Feststellungen des Amtsgerichtes 357 Mitglieder an. Die Satzung liegt vor (Blatt 177 – 198 der Registerakte).

Mit Schreiben vom 01.12.2020 (Blatt 199 – 214 der Akte) beantragte das Mitglied der Beschwerdeführerin, Frau E., im eigenen Namen und im Auftrag weiterer ca. 90 Mitglieder die Einberufung einer außerordentlichen Generalversammlung mit den Tagesordnungspunkten: Beschluss über die Besetzung des Aufsichtsrates mit 5 Mitgliedern; Neubesetzung der Mitglieder des Aufsichtsrates Frau M. und Frau B., Abberufung der Mitglieder des Aufsichtsrates Herr W., Herr B., Frau W., Herr W.; Einberufung einer weiteren außerordentlichen Generalversammlung zur Neubesetzung der abgewählten Mitglieder des Aufsichtsrates.

Mit dem am 09.12.2020 übergebenen weiteren Schreiben (Blatt 200 der Akte) bekräftigte Frau E. den Antrag vom 01.12.2020 und erklärte, einen Beschluss zur Einberufung der Generalversammlung noch am 09.12.2020 zu erwarten.

Mit Schreiben vom 04.02.2021 (Blatt 215 der Akte) begehrte Herr N. Auskunft zum Verlangen nach Durchführung einer Generalversammlung. Aus diesem Schreiben ergibt sich zudem, dass einem Rundschreiben vom 19.02.2021 zu entnehmen war, dass die Durchführung einer außerordentlichen Generalversammlung von Vorstand und Aufsichtsrat beschlossen wurde. Mit dem Antwortschreiben vom 09.02.2021 (Blatt 216 der Akte) erklärte die Beschwerdeführerin, dass Entscheidungen über Personalfragen oder Satzungsänderungen nicht im schriftlichen Umlaufverfahren gefasst werden könnten und kündigte die Einladung zu einer Präsenzveranstaltung an.

Am 04.03.2021 ging der Antrag von 36 Mitgliedern der Beschwerdeführerin auf Ermächtigung zur Einberufung einer außerordentlichen Generalversammlung mit den Beschlussgegenständen der Festsetzung einer Mindestzahl von 5 Aufsichtsratsmitgliedern und der Wahl der Nachfolger zweier Mitglieder des Aufsichtsrates beim Amtsgericht ein (Blatt 166 – 219 der Akte).

Mit Schreiben vom 08.04.2021 (Blatt 247 – 253 der Akte) lud die Beschwerdeführerin zu einer außerordentlichen Generalversammlung am 02.06.2021 ein.

Mit Beschluss vom 03.05.2021, der Beschwerdeführerin am 04.05.2021 zugestellt, ermächtigte das Amtsgericht die Antragsteller, eine Mitgliederversammlung der Genossenschaft unter Bekanntgabe der Tagesordnungspunkte: Festsetzung einer Mindestzahl von 5 Aufsichtsratsmitgliedern und Wahl zur Neubesetzung der Aufsichtsratsmitglieder M. und B. einzuberufen (Blatt 282 – 285 der Akte).

Mit Schreiben vom 05.05.2021 (Blatt 297 – 304 der Akte) beriefen die Antragsteller eine Generalversammlung im schriftlichen Verfahren ein.

Am 07.05.2021 ging die Beschwerde bei Gericht ein (Blatt 287 der Akte).

Mit Schreiben vom 12.05.2021 (Blatt 305 – 311 der Akte) erklärte die Beschwerdeführerin, aus organisatorischen Gründen den Termin für die außerordentliche Generalversammlung auf den 01.06.2021 ändern zu müssen und lud für diesen Tag zur Generalversammlung ein.

Das Amtsgericht half der Beschwerde nicht ab.

II.

Die gemäß §§ 58 Abs. 1 iVm 375 Nr. 7 FamFG statthafte sowie auch im Übrigen in zulässiger Weise eingelegte Beschwerde ist begründet. Die Voraussetzungen für die Ermächtigung der Antragsteller zur Einberufung nach § 45 Abs. 3 GenG liegen nicht vor.

1.

Die Beschwerde ist zulässig.

Es handelt sich vorliegend um ein unternehmensrechtliches Verfahren, § 375 Nr. 7 FamFG iVm 45 Abs. 3 GenG, so dass die Bestimmungen des FamFG Anwendung finden. Die angegriffene Entscheidung des Amtsgerichtes ist eine Endentscheidung im Sinne des § 58 Abs. FamFG. Die Beschwerdeführerin ist beschwerdebefugt, § 59 Abs. 1 FamFG, weil die Erteilung der gerichtlichen Ermächtigung unmittelbar in die materielle Rechtsstellung der Genossenschaft eingreift, indem ihre Verfassung zeitweise suspendiert wird und anstelle des satzungsmäßigen Einberufungsorgans die vom Gericht ermächtigte Minderheit tritt (KG, Beschluss vom 19. Mai 1998 – 1 W 5678/97 –, Rn. 14, juris). Die Beschwerde wurde form- und fristgerecht eingelegt.

2.

Die Beschwerde ist begründet. Die Voraussetzungen für die Ermächtigung der Antragsteller nach § 45 Abs. 3 GenG liegen nicht vor, weil die Beschwerdeführerin dem Einberufungsverlangen entsprach.

a)

Nach § 45 Abs. 3 GenG kann das Gericht auf deren Antrag Mitglieder, die erfolglos ein Verlangen auf Einberufung einer Generalversammlung gestellt hatten, zur Einberufung der Generalversammlung ermächtigen.Randnummer17

Mit den 36 Antragstellern hat eine ausreichende Zahl von Mitgliedern der Beschwerdeführerin den Antrag auf Ermächtigung bei Gericht gestellt (§ 45 Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 GenG, § 31 Abs. 3 der Satzung). Mit den ca. 90 Mitgliedern hatte zuvor eine ausreichende Anzahl bei dem nach §§ 25 Abs. 1, 44 Abs. 1 GenG, § 31 Abs. 1 Satz 2 der Satzung für die Einberufung zuständigen Vorstand die Einberufung einer Generalversammlung verlangt. Das Verlangen wurde in Textform gestellt, unter Anführung des Zwecks und der Gründe. Die Beschwerdeführerin hat auch nicht eingewandt, dass die an das Einberufungsverlangen zu stellenden formalen Anforderungen nicht gewahrt worden seien.

b)

Dem Einberufungsverlangen wurde entsprochen (§ 45 Abs. 3 Satz 1 GenG), da die Beschwerdeführerin ohne schuldhaftes Zögern eine Generalversammlung einberief.

aa)

Nach § 45 Abs. 1 Satz 1 GenG muss die Generalversammlung auf ein zulässiges Einberufungsverlangen einer ausreichenden Zahl von Genossenschaftsmitgliedern unverzüglich einberufen werden. Die Definition des Begriffes „unverzüglich“ findet sich in § 121 Abs. 1 BGB; die dort enthaltene Legaldefinition gilt für das gesamte Privatrecht (Palandt-Ellenberger, BGB, 80. A., § 121 BGB, Rn. 3), also auch bei der Anwendung des § 45 GenG (Lang/Weidmüller, GenG, 39. A., § 45 GenG, Rn. 3). „Unverzüglich“ bedeutet somit „ohne schuldhaftes Zögern“. Dem Einberufungsverlangen wird daher dann nicht entsprochen, wenn die Einberufung der Generalversammlung schuldhaft verzögert wird. Eine förmliche Ablehnung des Einberufungsverlangens ist hingegen nicht Voraussetzung für die gerichtliche ErmächtigungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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(Müller, GenG, 2. A., § 45 GenG, Rn. 16; Pöhlmann u.a. – Fandrich, GenG, 4. A., § 45 GenG, Rn. 2, 10).

bb)

Die Einberufung musste daher innerhalb der nach den Umständen des Einzelfalles zu bemessenden Prüfungs- und Überlegungsfrist erfolgen (Palandt-Ellenberger, aaO, § 121 BGB, Rn. 3). Diesen Anforderungen genügte die Beschwerdeführerin vorliegend unter den besonderen Bedingungen der Corona-Pandemie.

(1)

Das Einberufungsverlangen wurde mit Schreiben vom 01.12.2020 erhoben (Blatt 199 der Akte) und mit Schreiben vom 09.12.2020 bekräftigt (Blatt 200 der Akte), so dass bis zum Eingang des Antrages auf gerichtliche ErmächtigungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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bei Gericht am 04.03.2021 (Blatt 166 der Akte) 3 Monate und bis zur Fertigung der Einladung vom 08.04.2021 (Blatt 247ff. der Akte) 4 Monate vergangen waren. Die formale Prüfung des Einberufungsverlangens benötigte nicht mehr als das Lesen des Textes, die Prüfung von Quorum und Begründung des Verlangens sowie die Prüfung der Frage, ob die Generalversammlung für die im Einberufungsverlangen geltend gemachten Gründe der Einberufung zuständig ist (Henssler/Strohn-Geibel, Gesellschaftsrecht, 5. A. § 45 GenG, Rn. 3). Die Zweckmäßigkeit des Verlangens hatte der Vorstand nicht zu prüfen (Beuthien, GenG, 16. A., § 45 GenG, Rn. 4; Müller, aaO, § 45 GenG, Rn. 19a; Pöhlmann u.a. – Fandrich, aaO, § 45 GenG, Rn. 11). Dies stand daher der Einberufung in der regelmäßig als angemessen anzusehenden Frist von ein bis zwei Tagen (Henssler/Strohn-Geibel, aaO, § 45 GenG, Rn. 3) nicht entgegen.

(2)

Es führte aber nicht zu einer schuldhaften Verzögerung der Einladung, dass der Vorstand nicht – wie es die Beschwerdegegner taten – das schriftliche Umlaufverfahren wählte, sondern zu einer Präsenzversammlung einlud.Randnummer23

§ 45 GenG dient dem Minderheitenschutz (Henssler/Strohn-Geibel, aaO, § 45 GenG, Rn. 1) und da der Vorstand die Zweckmäßigkeit des Verlangens nicht zu prüfen hat, muss die Handlung des Vorstandes darauf gerichtet sein, dem Willen der das Verlangen stellenden Genossenschaftsmitglieder im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten zu entsprechen. Es kommt daher nicht darauf an, ob der Vorstand die Abhaltung einer Präsenzveranstaltung angesichts des Zweckes und der Gründe des Einberufungsverlangens für vorzugswürdig erachtet. Es ist vielmehr maßgeblich, auf welchem Wege dem Einberufungsverlangen unverzüglich rechtssicher genügt werden kann. Dies erforderte aber nicht, dem Einberufungsverlangen durch die Wahl des schriftlichen Beschlussverfahrens – im Umlauf – zu entsprechen.Randnummer24

Das Genossenschaftsgesetz geht vom Konzept einer Präsenzveranstaltung aus, in der die Mitglieder ihre Rechte ausüben, wozu neben dem Stimmrecht insbesondere auch das Anwesenheitsrecht, das Rederecht, das Auskunftsrecht und das Antragsrecht gehört (Thume, WM 2020, 1053, 1054).Randnummer25

Nach § 43 Abs. 7 GenG kann die Satzung zulassen, dass Beschlüsse der Mitglieder schriftlich oder in elektronischer Form gefasst werden. Die Satzung der Beschwerdeführerin enthält keine Regelung zur Beschlussfassung im Umlaufverfahren. Nach §§ 3 Abs. 1, 7 Abs. 3 des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht in der Fassung durch das Gesetz zur weiteren Verkürzung der Restschuldbefreiungsverfahren und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht sowie im Miet- und Pachtrecht (im Folgenden zur Vereinfachung: COVMG) können Beschlüsse der Mitglieder auch im Jahre 2021 abweichend von § 43 Abs. 7 GenG auch dann schriftlich oder elektronisch gefasst werden, wenn dies in der Satzung nicht ausdrücklich zugelassen ist. Es kann offen bleiben, ob schon § 43 Abs. 7 GenG präsenzlose Versammlungen zulässt. Denn jedenfalls auf der Grundlage von § 3 Abs. 1 COVMG können nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes Generalversammlungen auch virtuell abgehalten werden (Henssler/Strohn-Geibel, aaO, § 43 GenG, Rn. 6a; Thume, WM 2020, 1053, 1056).Randnummer26

Von der virtuellen Abhaltung einer Generalversammlung ist aber die Beschlussfassung im schriftlichen Umlaufverfahren ohne Abhaltung einer Versammlung zu unterscheiden. § 3 Abs. 1 COVMG sieht zwar die schriftliche Beschlussfassung vor, enthält aber keine Regelung zur Frage der Beschlussfassung im schriftlichen Umlaufverfahren ohne Durchführung einer – virtuellen – Generalversammlung. Die Ermöglichung von Beschlussfassungen außerhalb von Versammlungen – im schriftlichen Umlaufverfahren – lässt sich dem Wortlaut des § 3 Abs. 1 COVMG daher nicht entnehmen. Die Zulässigkeit des schriftlichen Umlaufverfahrens ist schon auf der Grundlage des § 43 Abs. 7 GenG bei Existenz einer dies näher ausgestaltenden Satzungsregelung streitig (vgl. Klein ZIP 2016, 1155, 1157; andererseits Beuthien-Schöpflin, GenG, 16. A., § 43 GenG, Rn. 30). Es bleibt mangels einer diesbezüglichen Regelung auch offen, wie den Teilnahmerechten der Genossen im schriftlichen Umlaufverfahren zu genügen ist. Dies stellt schon im Rahmen einer Satzungsregelung ein Problem der Regelungstiefe dar (Lang/Weidmüller, aaO, § 43 GenG, Rn. 114j) und bleibt auf der Grundlage des COVMG vollkommen offen. Zudem besteht die Gefahr des Verlustes des Rechtes zur Erhebung einer Anfechtungsklage mangels Erhebung eines Widerspruches (Lang/Weidmüller, aaO, § 43 GenG, Rn. 114a). Es ist des Weiteren festzustellen, dass § 3 Abs. 1 COVMG im Gegensatz zu § 2 COVMG iVm § 48 Abs. 2 GmbHG und § 5 Abs. 2, Abs. 3 COVMG keine ergänzenden Regelungen enthält, die darauf schließen lassen, dass der Gesetzgeber die Ermöglichung des schriftlichen Umlaufverfahrens in seinen Regelungswillen aufnahm. Es lässt sich der gesetzlichen Regelung daher nicht entnehmen, dass schriftliche Beschlussfassungen im Umlaufverfahren ermöglicht werden sollen (hierzu: Thume, WM 2020, 1053, 1059).Randnummer27

Es ist daher nicht schuldhaft, dass die Beschwerdeführerin nicht das schriftliche Umlaufverfahren wählte, sondern auf die Abhaltung einer Präsenzversammlung abstellte. Im Gegensatz zu dem nicht näher ausgestalteten Umlaufverfahren bietet die Präsenzveranstaltung eine hinreichende Sicherheit dafür, dass die Teilnahmerechte der Mitglieder gewahrt und ausgeübt werden können. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin die hinreichenden technischen Möglichkeiten für die Abhaltung einer virtuellen Generalversammlung besitzt. Zudem ist im Rahmen der Entscheidung über die Wahl der Versammlungsweise auch zu berücksichtigen, dass die Teilnahmerechte im Falle einer virtuellen Versammlung nur dann gewahrt werden können, wenn die Mitglieder auch die erforderlichen technischen Möglichkeiten innehaben, was ebenfalls den Vorzug einer Präsenzveranstaltung begründen kann. In diesem Zusammenhang wird auch beachtlich, dass die Tagesordnungspunkte, die nunmehr nach dem Willen der Antragsteller zum Gegenstand des Umlaufverfahrens gemacht werden sollen, keine besondere Dringlichkeit aufweisen. Denn nach § 23 Abs. 1 Satz 1 der Satzung besteht der Aufsichtsrat aus mindestens 3 Mitgliedern, so dass auch eine größere Mitgliederzahl zulässig ist. Da der Aufsichtsrat derzeit aus 6 Mitgliedern besteht, kommt der Erhöhung der Mindestzahl auf 5 Mitglieder keine Dringlichkeit zu. Auch die Wahl zweier Aufsichtsratsmitglieder ist deswegen nicht besonders dringlich, weil nach § 3 Abs. 5 COVMG ein Mitglied des Aufsichtsrates auch nach dem Ablauf seiner Amtszeit bis zur Bestellung eines Nachfolgers im Amt bleibt.

(3)

Es ist nicht festzustellen, dass die zeitliche Verzögerung bis zur vorliegenden Einladung auf einem schuldhaften Verhalten des Vorstandes beruht. Ausweislich der Darstellung in der Einladung vom 08.04.2021, der die Beschwerdegegner nicht entgegengetreten sind, wurde zunächst versucht, am 24.03.2021 bzw am 13.04.2021 eine Präsenzversammlung zu organisieren. Die Abhaltung von Präsenzveranstaltungen wurde zwischenzeitlich durch die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie unmöglich gemacht; dass besondere Schwierigkeiten bestanden, ergibt sich auch aus dem von den Beschwerdegegnern vorgelegten Schreiben der Stadtverwaltung … vom 12.03.2021 (Blatt 223 der Akte).

cc)

Die Einberufung zur Präsenzversammlung weist keine derartigen Mängel auf, dass sie als Nichteinberufung anzusehen wäre.Randnummer30

Die Versammlung wurde erkennbar durch den Vorstand einberufen. Mangels einer abweichenden Satzungsregelung ist für den Versammlungsort der Sitz der Genossenschaft maßgeblich (Henssler/Strohn-Geibel, aaO, § 43 GenG, Rn. 6), an dem die Versammlung auch stattfinden soll. Die Sicherung der Mitgliedschafts- und Teilnahmerechte hat durch die Ausgestaltung der Versammlung vor Ort zu erfolgen und ist nicht schon Gegenstand der Einberufung.

3.

Da hiermit die Beschwerdeentscheidung vorliegt, scheidet eine einstweilige Anordnung nach § 64 Abs. 3 FamFG aus; sie ist auch nicht erforderlich, weil die Ermächtigung zur Einberufung der Versammlung aufgehoben ist und damit das Umlaufverfahren nicht fortgeführt werden darf.

4.

Die Kostenentscheidung beruht in Bezug auf die Nichterhebung der Gerichtskosten auf § 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG.Randnummer33

Im Übrigen entspricht es billigem Ermessen, dass eine Erstattung außergerichtlicher Kosten nicht stattfindet, die Beteiligten mithin ihre jeweiligen außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen haben (§ 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG). Zwar ist das Maß des Obsiegens oder Unterliegens vornehmlich in echten Streitverfahren ein Gesichtspunkt, der in die Ermessensentscheidung nach § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG eingestellt werden kann (BGH, Beschluss vom 19. Februar 2014 – XII ZB 15/13 –, Rn. 16, juris). Dem Sinn und Zweck des § 81 Abs. 1 FamFG unter Berücksichtigung von Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte entspricht es aber, wenn das Gericht in seine Ermessensentscheidung sämtliche in Betracht kommenden Umstände einbezieht. Hierzu zählen neben dem Maß des Obsiegens und Unterliegens etwa die Art der Verfahrensführung, die verschuldete oder unverschuldete Unkenntnis der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse (BGH, Beschluss vom 18. November 2015 – IV ZB 35/15 –, Rn. 16, juris). Dabei geht § 81 FamFG nicht von einem Regel-Ausnahme-Verhältnis aus (OLG München, Beschluss vom 30. April 2012 – 31 Wx 68/12 –, Rn. 8, juris). Im Rahmen der Billigkeit ist vorliegend zu berücksichtigen, dass es sich um das von Treuepflichten beherrschte Verhältnis innerhalb einer Genossenschaft geht und die Beschwerdegegner auf der Grundlage des § 45 Abs. 3 GenG ein Recht ausgeübt haben, das auf der Grundlage einer intensiven Abwägung der rechtlichen Gegebenheiten zu beurteilen war.

5.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil es sich um die Entscheidung eines Einzelfalles auf der Grundlage der besonderen Umstände des vorliegenden Sachverhaltes handelt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichtes erfordert, § 70 Abs. 2 FamFG.Randnummer35

Die Festsetzung des Gegenstandswertes für das Beschwerdeverfahren beruht mangels genügender Anhaltspunkte für eine abweichende Bestimmung auf § 36 Abs. 3 GNotKG.

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Schlagworte: Generalversammlung, Genossenschaft, Präsenzveranstaltung, Umlaufverfahren