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Thüringer OLG, Urteil vom 14.03.2012 – 2 U 259/11

AktG §§ 57, 62; GmbHG § 31; BGB § 134; HGB § 128; ZPO § 33; MilchquotV

1. Der besondere Gerichtsstand der Widerklage ist aufgrund einer entsprechenden Anwendung von § 33 ZPO auch dann gegeben, wenn der Drittwiderbeklagte bis lang nicht am Verfahren beteiligt war (BGHZ 187, 112 ff. sowie BGH 30.09.2010 – Xa ARZ 208/10, n.v.).

2. Durch eine ergänzende Vertragsauslegung darf nicht eine gesetzeswidrige Vertragsgestaltung (hier: Verstoß gegen § 57 AktG) herbeigeführt werden.

3. § 57 AktG greift auch dann ein, wenn der Empfänger im Zeitpunkt der rechtswirksamen Übertragung ehemaliger Aktionär der Gesellschaft ist. Leistungen an ehemalige Aktionäre sind nach allgemeiner Auffassung jedenfalls dann von § 57 Abs. 1 AktG untersagt, wenn die Leistung während der Zeit der Aktionärsstellung versprochen wurde (OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, AG 1 996, 324 [325]; Bayer, MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 57 Rdnr. 58; Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl. 2010, § 57 Rdnr. 33; Henze, Großkomm. AktG, 5. Aufl. 2000, § 57 Rdnr. 80; Lange, in: Hanssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 2011, § 57 AktG Rdnr. 5).

4. Durch § 57 Abs. 1 Satz 1 AktG soll nicht der Abschluss von – für das Gesellschaftsvermögen – neutralen Umsatzgeschäften unterbunden werden (siehe Henze, Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2000, § 57 Rdnr. 39). Um ein solches neutrales Umsatzgeschäft handelt es sich aber nicht, wenn der Gesellschaft seitens des Aktionärs für den bei ihr eingetretenen Vermögensverlust kein Gegenwert zufließt, der diesen Vermögensverlust wirtschaftlich ausgleicht.

5. Nach herrschender Meinung ist sowohl das gegen § 57 Abs. 1 AktG verstoßene Verpflichtungsgeschäft als auch das entsprechende Verfügungsgeschäft nach § 134 BGB nichtig.

6. Ist eine Rückgewähr der empfangenen Leistung aus rechtlichen Gründen nicht möglich, dann wird der Schuldner nach der vorherrschenden Ansicht (so Drinhausen, in: Heidel, Aktienrecht, 2. Aufl. 2007, § 62 Rdnr. 15; Henze, Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2000, § 62 Rdnr. 40; Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 62 Rdnr. 8; Lange, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 2011, § 62 AktG Rdnr. 4; Lutter, KölnerKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 62 Rdnr. 27; Solveen, in: Hölters, AktG, 2011, § 62 Rdnr. 11; H.P.Westermann, in: Bürgers/Körber, AktG, 2. Aufl. 2011, § 62 Rdnr. 7; Wiesner, MünchHdb. AG, 3. Aufl. 2007, § 16 Rdnr. 65) von der Pflicht zur Rückgewähr der unter Verstoß gegen § 57 Abs. 1 AktG empfangenen Leistung frei (§ 275 Abs. 1 BGB). Ob die Rechtsfolgeanordnung des § 62 Abs. 1 AktG zwecks Vermeidung derartiger Ergebnisse generell in einen Wertersatzanspruch umzuinterpretieren ist (hierfür Bayer, MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 62 Rdnr. 50; Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl. 2010, § 62 Rdnr. 18, m.w.N.), kann aufgrund der Besonderheiten des hier zu beurteilenden Rechtsstreits offen bleiben.

7. Der Bundesgerichtshof (BGHZ 176, 62 ff.) hat aus dem Zweck der Parallelnorm in § 31 Abs. 1 GmbHG einen Anspruch auf verschuldensunabhängigen Ausgleich einer etwaigen Wertminderung abgeleitet. Wird im vorstehenden Sinne der Zweck des § 62 Abs. 1 Satz 1 AktG in den Vordergrund gerückt, dann ist ein Anspruch auf Wertausgleich jedenfalls dann anzuerkennen, wenn die Anwendung der §§ 280 ff. BGB keinen dem Zweck des § 57 Abs. 1 AktG genügenden Vermögensausgleich gewährleisten. Korrespondiert die Unmöglichkeit weder mit einem Schadensersatzanspruch noch mit einem Anspruch auf Herausgabe des Surrogats (§ 285 BGB), so wandelt sich der grundsätzlich auf Rückerstattung in Natur gerichtete Anspruch in einen solchen auf Wertersatz um, da andernfalls der mit § 62 Abs. 1 AktG verfolgte Zweck, die entgegen § 57 Abs. 1 AktG erfolgte Vermögensverschiebung zum Zwecke der Kapitalerhaltung rückgängig zu machen, verfehlt würde.

8. Dies entspricht im Übrigen der allgemeinen Ansicht, dass bei solchen Leistungen, bei denen eine Rückübertragung aufgrund der Natur der Leistungen ausgeschlossen ist (Dienstleistungen, Gebrauchsüberlassungen), der Rückgewährsanspruch nicht entfällt, sondern analog § 346 Abs. 2 Nr. 1 BGB auf Wertersatz gerichtet ist (so Drinhausen, in: Heidel, Aktienrecht, 2. Aufl. 2007, § 62 Rdnr. 15; Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 62 Rdnr. 8; Solveen, in: Hölters, AktG, 2011, § 62 Rdnr. 11; H.P. Westermann, in: Bürgers/Körber, AktG, 2. Aufl. 2011, § 62 Rdnr. 7; Wiesner, MünchHdb. AG, 3. Aufl. 2007, § 16 Rdnr. 65).

9. Schuldner des Rückerstattungsanspruchs ist der die Leistung empfangende Aktionär  (siehe Lange, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 2011, § 62 AktG Rdnr. 3). Handelt es sich bei dem Aktionär um eine Kommanditgesellschaft, kann auch deren persönlich haftender Gesellschafter in Anspruch genommen werden, da er gemäß § 161 Abs. 2 HGB in Verbindung mit § 128 Satz 1 HGB als Gesamtschuldner für die Verbindlichkeiten der Kommanditgesellschaft einzustehen hat.

10. Dem Rückerstattungsanspruch aus § 62 AktG kann nicht die Mitwirkung des Vorstands der Gesellschaft entgegengehalten werden, da § 57 Abs. 1 Satz 1 AktG indirekt auch die Minderheitsaktionäre davor schützt, dass sich der Wert ihrer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung vermindert.

11. Die Milchquote wird nicht durch privatrechtlichen Verfügungsvertrag, sondern durch behördliche Übertragungsbescheinigung übertragen (§ 19 Abs. 6 MilchquotV). Das gilt ebenfalls bei einer Übertragung auf einen ausgeschiedenen Gesellschafter (§ 27 Abs. 1 MilchquotV). Die Übertragung der Milchreferenzmenge beruht somit auf einem privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakt.

Schlagworte: Aktienrecht, Aktionär, Ausscheiden, Einlagenrückgewähr, Kapitalerhaltung, Minderheitenschutz, Minderheitsgesellschafter, Nichtigkeitsgründe, Wertersatz