Einträge nach Montat filtern

Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 27. April 2022 – 7 U 63/21

§ 1000 AGBG AUT, § 1333 AGBG AUT, § 1334 AGBG AUT, EUV 1215/2012 Art 17 Abs 1 Buchst c, EUV 1215/2012 Art 18 Abs 1 S 1, EUV 1215/2012 Art 66 Abs 1

1. Für Verfahren, die Ansprüche aus einem Vertrag betreffen, den ein Verbraucher zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht seiner beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zuzurechnen ist, gilt der für die Zuständigkeit bei Verbrauchersachen anwendbare Abschnitt 4 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012, wenn der andere Teil in dem Mitgliedstaat, in dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt. Der Verbraucher kann die Klage in einer Verbrauchersache dann vor dem Gericht des Ortes erheben, wo er seinen Wohnsitz hat.

2. Plant das Unternehmen einen Börsengang und beabsichtigt, in Vorbereitung dieses Schritts die Genussrechte in bisher nicht ausgegebene Aktien umzuwandeln, darf es dies nicht einseitig tun, wenn die Genussrechtsbedingungen dies nicht erlauben. Es ist auch nicht dann zulässig, wenn Änderungen für eine börsliche Notierung der Genussrechte erforderlich sind, denn die Genussrechte wurden noch nicht börslich notiert.

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 25.02.2021, Az. 5 O 129/19, unter Zurückweisung der weiter gehenden Berufung teilweise abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 18.000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, höchstens aber 4 % ab dem 18.07.2020 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt die Klägerin zu 30 % und die Beklagte zu 70 %, die Kosten der Berufungsinstanz trägt die Klägerin zu 7 %, die Beklagte zu 93 %.

3. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Die Klägerin vereinbarte mit Vertrag vom 22.11.2006 mit der (X) Vermögensanlagen AG mit Sitz in W… den Erwerb von Genussscheinen mit Gewinn- und Verlustbeteiligung im Wert von insgesamt 18.000 €. Nach dem Vertrag sollten Genussscheine zum (X) … Fund … erworben werden. Der Klägerin wurde mit Schreiben vom 29.11.2006 der (X) Vermögensanlagen AG bestätigt, dass diese Zeichnung angenommen wurde. Nachdem die (X) Vermögensanlagen AG sich in (Y) Investments AG umbenannte hatte, erklärte die Klägerin am 07.07.2007 (Anl BK1, Bl 298 R) schriftlich, dass sie sich mit der Änderung der auf ihre Beteiligung anwendbaren Genussrechtsbedingungen dahin einverstanden erklärt, dass die Bedingungen für den (Y) … Fund 450 Anwendung finden sollten. Sie erhielt zu ihrer Vertragsnummer ein Zertifikat über Genussscheine im Wert von 18.000 € am (Y) … Fonds 450. Diese Bezeichnung enthielten in der Folgezeit auch die Kontoabbuchungen für die monatlich zu zahlenden Beiträge der Klägerin.Randnummer2

Mit Schreiben vom 20.01.2016 (Anl K 6) kündigte die Klägerin ihre Beteiligung und erklärte zugleich vorsorglich den Widerruf und die Anfechtung gegenüber der (Y) Investments AG. Die Prozessbevollmächtigen der (Y) Investments AG teilten mit, dass diese jetzt (Y) Investments GmbH heiße und wiesen die von der Klägerin abgegebenen Erklärungen zur Beendigung des Vertrages unter Hinweis auf dafür fehlende Voraussetzungen zurück.Randnummer3

Ausweislich einer Registerauskunft der Republik Österreich (Anl K 8) ist die (Y) Investments GmbH aufgrund eines Beschlusses der Generalversammlung vom 25.09.2018 mit der Beklagten verschmolzen. Die (Y) Investments GmbH wurde am 15.02.2019 aus dem Register gelöscht.Randnummer4

Die Klägerin ist der Ansicht, sie sei berechtigt gewesen, den mit der (X) Vermögensanlagen AG geschlossenen Vertrag jedenfalls ordentlich zu kündigen. Überdies sei der Vertrag aber auch widerruflich gewesen, weil die Widerrufsbelehrung fehlerhaft gewesen sei. Ihr sei der Vertrag von ihrem Anlageberater vorgelegt worden, der mit ihr nur über die vorhandenen Geldanlagen habe sprechen wollen. Das Gespräch über die Genussrechte sei nicht vorher vereinbart oder angekündigt worden. Sie habe eine Genussrechtsbeteiligung erworben, die nicht durch die Verschmelzung der früherem (Y) Investments AG mit der Beklagten in eine Aktienbeteiligung habe einseitig verändert werden können.Randnummer5

Die Klägerin hat die Auszahlung ihres angelegten Betrages von 18.000 € und entsprechend den Genussrechtsbedingungen zum (X) … Fund … einer Überschussdividende sowie einer Sonderdividende, insgesamt Zahlung in Höhe von 25.457,40 € beantragt.Randnummer6

Die Beklagte hat die Klageabweisung beantragt und hat eingewandt, das Landgericht Neuruppin sei international nicht zuständig. Die Klägerin sei keine Verbraucherin, sondern sei nach der Umwandlung Gesellschafterin der Beklagten, da sie sogenannte „B-Anteile“ infolge der Verschmelzung erhalten habe, die mit den ursprünglichen Anteilen gleichwertig seien. Es handele sich infolgedessen um eine gesellschaftsinterne Streitigkeit, die an dem für den Sitz der Beklagten maßgeblichen Gerichtsstand in England zu führen sei. Sie ist der Auffassung gewesen, dass die Kündigung nicht wirksam erklärt worden sei, zudem sei zum maßgeblichen Stichtag die Beteiligung infolge einer Kapitalherabsetzung auf „0“ reduziert worden, wie die zum Zeitpunkt der Umwandlung am 31.12.2018 gefertigte Bilanz ausweise. Sie hat die Einrede der Verjährung erhoben und hierzu ausgeführt, dass ihr die Klageschrift erst im Jahr 2020 wirksam zugestellt worden sei.Randnummer7

Wegen des Sachverhaltes und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand und die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils ergänzend Bezug genommen.Randnummer8

Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 19.260 € nebst Zinsen verurteilt und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass es international zuständig sei, weil die Klägerin als Verbraucherin Geld angelegt habe und der dadurch begründete Gerichtsstand auch gegenüber der Beklagten als Rechtsnachfolgerin Geltung behalte. Die Klage sei auch begründet. Die Kündigung könne nach den von der Klägerin zitierten Genussrechtsbedingungen nach Ablauf der Mindestvertragsdauer jeweils zum Ende des nächsten Geschäftsjahres erfolgen und sei zum 31.12.2017 wirksam geworden. Das Genussrecht der Klägerin habe ausweislich eines vorgelegten Auszuges aus dem Genussrechtsregister zum 31.12.2016 noch einen Wert von 18.229,10 € erreicht. Die Herabsetzung des Kapitals auf „0“ könne die Beklagte nicht mit Erfolg einwenden, da sie ausführe, dass der Klägerin mit der Verschmelzung gleichwertige B-Stammaktien an ihrem Vermögen zugewiesen worden seien, im Umfang von 21.110 Stück. Daher sei es widersprüchlich, wenn zuvor eine Herabsetzung auf „0“ erfolgt sei. Es sei – insoweit der Rechtsprechung des OLG NaumburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Naumburg
folgend – davon auszugehen, dass die Anteile tatsächlich nicht wertlos seien, sondern dass nur eine temporäre Abwertung vorgenommen worden sei, um Anleger, die ihre Beteiligung gekündigt hatten, dazu zu bewegen, ihre Kündigungen zurückzunehmen. Neben dem angelegten Betrag vom 18.000 € stehe der Klägerin eine Sonderdividende von 7 %, hier 1.260 € nach § 5 Abs. 5 der Genussrechtsbedingungen zu. Ein weiterer Gewinn sei von der Klägerin nicht ausreichend dargelegt. Die Verjährungsfrist sei bei Zustellung der Klage am 29.07.2020 noch nicht abgelaufen, da die Fälligkeit des Auszahlungsanspruchs erst zum 31.12.2017 gegeben gewesen sei.Randnummer9

Gegen das am 16.04.2021 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 20.04.2021 Berufung eingelegt, die sie am 16.06.2021 begründet hat. Zur Begründung ihres Rechtsmittels wiederholt die Beklagte ihre Auffassung, dass es sich wegen der Aktionärsposition der Klägerin um eine innergesellschaftliche Streitigkeit handele. Sie beruft sich auf einen Verschmelzungsplan, nach dessen Inhalt die (Y) Holdings Limited anlässlich der Durchführung der Verschmelzung die „erforderliche Anzahl“ von B-Anteilen zu einem Nennwert von 0,001 € übernommen habe und treuhänderisch zugunsten der Genussrechtsinhaber gehalten habe. Die Ansprüche aus der Treuhanderklärung seien unter Bezugnahme auf das verbleibende eingezahlte Beteiligungskapital der ehemaligen Genussrechtsinhaber zugewiesen und die Anzahl den Anlegern im Februar 2019 mitgeteilt worden. Der Anleger handele daher nicht als Verbraucher, sondern als Aktionäre. Ausgehend davon sei die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit für die in London ansässige Beklagte nicht begründet.Randnummer10

Sie hat Bedenken, ob die Klageschrift wirksam über das besondere Anwaltspostfach eingereicht worden sei. Das Landgericht habe auch die Anwendbarkeit österreichischen Rechts nicht beachtet, die in den Genussrechtsbedingungen vereinbart gewesen sei. Danach sei die ursprüngliche Genussrechtsemittentin mit der Verschmelzung erloschen. Die Genussrechte seien von der Beklagten als übernehmender Rechtsträgerin durch gleichwertige Rechte oder durch die Änderung der Rechte angemessen abzugelten gewesen. Die Genussrechte würden als Sonderrechte bilanziert, nicht als Gläubigerrechte. Ihr Wert bestimme sich im Verhältnis zur wirtschaftlichen Entwicklung des übertragenden Unternehmens und sei daher bei der Umwandlung neu zu bestimmen gewesen. Dies ergebe sich aus Art. 13 der Richtlinie (EG) Nr. 78/855 über die Verschmelzung von Aktiengesellschaften.Randnummer11

Entsprechend dieser Richtlinie und der Regelung in § 225a Abs. 2 Satz 1 öAktG habe für die Dauer der Verschmelzung ein Treuhänder Aktien gehalten, die den Genussrechtsinhabern zukommen. Die den einzelnen ehemaligen Genussrechtsinhabern zustehenden Anteile seien ihnen mit Schreiben aus Februar 2019 jeweils mitgeteilt worden, indem ein Auszug aus dem Aktienregister erteilt wurde. Dieser sehe für die Klägerin einen Anteil von 12.084 Aktien vor.Randnummer12

Sie ist der Ansicht, dass die Anteile der Klägerin zutreffend zum 31.12.2017 auf „0“ bilanziert worden seien. Dies entspreche dem im Verschmelzungsplan vorgesehenen Stichtag. Sie behauptet, die Verlustbeteiligung der Genussrechte habe sich zum 31.12.2017 vollständig realisiert. Die Gesellschaft hätte zum 31.12.2017 einen Verlust ausweisen müssen. Um dies zu vermeiden, sei ein Ertrag aus Verlustübernahme bilanziert worden, der dazu führe, dass die Sonderrechte mit „0“ zu bilanzieren seien. Die Genussrechte seien an den Verlusten der Emittentin während der gesamten Vertragslaufzeit beteiligt worden. Dies habe zu einer Verlusttragung in Höhe des jeweiligen Nennbetrages geführt. Dieser sei auf der Passivseite der Bilanz mit dem Genussrechtskapital zu verrechnen gewesen. Daher seien die Anteile an der Beklagten mit dem Wert der zuvor bestehenden Genussrechte gleichwertig.Randnummer13

Sie sei nach österreichischem Recht nicht verpflichtet gewesen, zum 31.12.2017 eine Abrechnung der Genussrechte zu erstellen. Der Jahresabschluss zum 31.12.2017 stehe auch nicht im Widerspruch zu dem im Jahr 2019 mitgeteilten Ergebnis aus dem Aktienregister. Denn zu unterscheiden sei zwischen dem Buchwert, den die Klägerin als Auszahlungsanspruch geltend machen könne und dem wahren Wert, der den Anteilen zukomme, weil sie eine Berechtigung am Vermögen der Beklagten unter Einbeziehung von stillen Reserven und des Unternehmenswertes darstellten. Sie nennt diesen Wert den „rechnerischen Wert“, der für die Berechnung der Auszahlungssumme nicht maßgeblich sei.Randnummer14

Maßgeblich sei für die hier geltend gemachten Ansprüche der Buchwert, nicht der rechnerische Wert, der sich beim Börsengang ergeben könne. Hilfsweise wendet sie ein, dass eine Auszahlung nach dem rechnerischen Wert zuvor von der Beklagten festgestellt werden müsse. Dies würde die Fälligkeit begründen.Randnummer15

Die Beklagte beantragt,Randnummer16

das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 25.02.2021 abzuändern und die Klage abzuweisen.Randnummer17

Die Klägerin beantragt,Randnummer18

die Berufung zurückzuweisen.Randnummer19

Sie verweist darauf, dass sie ihre Genussrechtsbeteiligung vor der Verschmelzung wirksam zum 31.12.2018 gekündigt habe. Auch die Verschmelzung sei erst zu diesem Zeitpunkt wirksam geworden. Ihr Anspruch auf Rückzahlung der gekündigten Beteiligung sei vor Wirksamwerden der Verschmelzung begründet worden und mithin von der Beklagten als übernehmender Rechtsträgerin zu erfüllen.Randnummer20

Nach der vorgelegten Änderung der Genussrechtsbedingungen stehe ihr ein Rückzahlungsanspruch weiterhin zu, da ihre Verlustbeteiligung nur in geringem Umfang bestehe. Die Genussrechtsbedingungen sähen in § 5 Abs. 1 eine Verlustbeteiligung nur für das laufende Jahr vor, nicht aber eine Beteiligung am Verlustvortrag. Die Berechnung richte sich nach § 5 Abs. 2 der Genussrechtsbedingungen. Danach ergebe sich für sie nur eine Verlustbeteiligung von 1/4.132,8 tel. Ausgehend vom Betriebsergebnis der Gewinn- und Verlustberechnung ergäbe sich ein Betrag von 1.566,90 €. Die von der Beklagten vorgenommene Abwertung des Kapitals zur Begründung außerordentlicher Erträge sei in den Genussrechtsbedingungen nicht vorgesehen und könne mithin nicht Grundlage der Berechnung des Verlustes sein. Maßgeblich sei vielmehr der Nennbetrag abzüglich des Verlustanteils. Schließlich könne die von der Beklagten vorgelegte Berechnung aufgrund der Bilanz für das Jahr 2017 nicht maßgeblich sein, weil die Beklagte in einem Schreiben vom Februar 2019 an alle Anleger mitgeteilt hatte, dass die Abwertung der Anteile nur temporär zur Neustrukturierung vorgenommen worden sei.Randnummer21

Ergänzend wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung hat nur in geringem Umfang Erfolg. Sie führt zur Abänderung des angefochtenen Urteils und Klageabweisung, soweit die Beklagte zur Zahlung einer Sonderdividende verurteilt worden ist. Im Übrigen ist sie unbegründet.

1.

Die internationale Zuständigkeit, die auch in der Berufungsinstanz von Amts wegen zu prüfen ist (BGH, Urteil vom 28.11.2002 – III ZR 102/02, NJW 2003, 426 Rn. 10; BGHZ 115, 90, 91; BGHZ 134, 127, 129), des Landgerichts Neuruppin ist gegeben.Randnummer24

Für die im Jahr 2020 bewirkte Zustellung finden die europarechtlichen Regelungen über die internationale Zuständigkeit noch in der bis zum 31.12.2020 geltenden Übergangsfrist Anwendung, Art. 126, Art. 127 Abs. 1 des Abkommens über den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirlands aus der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft vom 24.01.2020 (ABl. L 29 vom 31.01.2020, S. 7).Randnummer25

Die Zuständigkeit richtet sich nach Art. 66 Abs. 1, 17 Abs. 1, Art. 18 Abs. 1 EuGVVO. Danach gilt für Verfahren, die Ansprüche aus einem Vertrag betreffen, den eine Person, der Verbraucher ist, zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Person zuzurechnen ist, der für die Zuständigkeit bei Verbrauchersachen anwendbare Abschnitt 4 des EuGVVO, wenn der andere Teil in dem Mitgliedstaat, in dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt. Im maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (MüKoZPO/Gottwald, Art. 17 EuGVVO Rn 9; Dörner/ EG-Anerkennungs/VollstreckungsZustVO, Art. 17 EuGVVO Rn. 13; Musielak/Voit/Stadler § 17 EuGVVO Rn. 7b; OLG Frankfurt, NJW-RR 2009, 645) am 22.11.2005 richtete die (X) Vermögensanlagen AG ihre Tätigkeit in Österreich aus, sie verfügte aber auch über eine Niederlassung in S…, wie sich aus dem Vertrag (Anl K1, Bl. 11) ergibt. Damit war eine gewerbliche Tätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland gegeben. Die Klägerin war berechtigt, die Klage in der Verbrauchersache nach Art. 18 Abs. 1 EuGVVO vor dem Gericht des Ortes zu erheben, wo sie ihren Wohnsitz hat.Randnummer26

Soweit die Beklagte später Rechtsnachfolgerin der (X) Vermögensanlagen AG geworden ist, kann sie sich nicht auf ihre fehlende eigene Tätigkeit in der Bundesrepublik berufen. Vielmehr bleibt die Rechtsnachfolge ohne Einfluss auf die einmal begründete internationale Zuständigkeit (BGH, Urteil vom 09.02.2017 – IX ZR 67/16, MMR 2018, 95).Randnummer27

Die Klägerin handelt auch nicht als Aktionärin der Beklagten mit der Folge, dass für die internationale Zuständigkeit Gesellschaftsrecht Anwendung finden würde. Die Klägerin hat hier eine schuldrechtliche Genussrechtsbeteiligung gezeichnet, die sie mit Schreiben vom 20.01.2016 (Anl K6) gekündigt hat. Genussrechte sind Dauerschuldverhältnisse eigener Art, die keine Mitgliedschaftsrechte begründen, sondern schuldrechtliche Ansprüche, die Gesellschafter- oder aktienrechtlichen Ansprüchen lediglich nachgebildet sein können und keine Mitgliedschaftsrechte begründen (BGH, Urteil vom 05.10.1992 – II ZR 172/91, BGHZ 119, 305, juris Rn 9 bzw. zu Genussrechten österreichischen Rechts: OGH, Entscheidung vom 06.07.2010 – 1Ob105/10p – ZFR 2010/140, S. 221, Ziffer 7.1. ).

2.

Der Anspruch auf Auszahlung richtet sich nach den zwischen den Parteien vereinbarten Bedingungen. Insoweit ist zunächst auf den Wortlaut der Vereinbarung abzustellen, maßgeblich sind die zuletzt aufgrund der Erklärung der Klägerin vom 07.07.2007 geltenden Bedingungen für den (Y) … Fund 450, die in § 6 Abs. 4 für den Fall der Kündigung gemäß § 6 Abs. 1 und 2 die Rückzahlung des Nennbetrages abzüglich eines Verlustanteils gemäß § 5 der Bedingungen vorsehen. Der Rückzahlungsanspruch ist jeweils drei Monate nach Ende des Geschäftsjahres fällig (§ 5 Abs. 4 Satz 2, § 4 Abs. 5 der Bedingungen).

3.

Die Genussrechtsbeteiligung ist auf die Beklagte infolge der Verschmelzung übergegangen. Die Beklagte war nicht berechtigt, die Beteiligung ohne Zustimmung der Klägerin mit Wirkung ab dem 31.12.2018 in eine Aktienbeteiligung umzuwandeln.Randnummer30

§ 11 Abs. 1 der Genussrechtsbedingungen sieht vor, dass die Teilnahme am Verlust und der Rang der Genussrechte nachträglich nicht verändert werden darf. Eine einseitige Änderung der Genussrechtsbedingungen ist nach § 11 Abs. 2 GB nur zulässig, wenn nachteilige Änderungen der steuerlichen Behandlung der Genussrechte eingetreten sind (lit. a), wenn die Fassung der Bedingungen formal geändert werden soll, ohne dass dadurch eine Änderung des Inhaltes der Rechte eintritt (lit b) oder wenn Änderungen für die börsliche Notierung der Genussrechte, wie die Verbriefung, erforderlich sind (lti c). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die Genussrechte sind nicht börslich notiert worden. Die Beklagte plante vielmehr einen Börsengang und beabsichtigte, in Vorbereitung dieses Schritts die Genussrechte in bisher nicht ausgegebene Aktien umzuwandeln. Die Berechtigung zu diesem einseitigen Schritt ist ihr in den Genussrechtsbedingungen aber nicht erteilt worden. Vielmehr regelt § 8 Abs. 1 GB gerade unter „Bestandsschutz“ den Fortbestand der Genussrechte bei Beteiligung der Gesellschaft an einem Umwandlungsvorgang.

4.

Eine Umwandlung der Genussrechte in Aktien ist auch nicht kraft Gesetzes eingetreten.Randnummer32

Auf die rechtliche Beurteilung der Genussrechte ist hier österreichisches Recht anwendbar. Für bis einschließlich 16.12.2009 geschlossene Verträge gilt Art. 27 ff. EGBGB a.F., da die Rom-I-VO nach deren Art. 28 nur für die ab dem 17.12.2009 geschlossenen Verträge gilt. Maßgeblich ist nach Art. 27 Abs. 1 EGBGB a.F. das Recht, das die Parteien gewählt haben, hier gemäß § 13 Abs. 1 der Genussrechtsbedingungen das österreichische Recht.Randnummer33

Auch soweit die Folgen der Verschmelzung auf die erworbene Genussrechtsbeteiligung zu prüfen sind, findet österreichisches Recht Anwendung. Für grenzüberschreitende Verschmelzungen gilt zwar grundsätzlich, dass das Recht desjenigen Staates Anwendung findet, nach dessen Recht der übernehmende Rechtsträger gegründet wird (EuGH Urteil vom 12.07.2012 – C 378/10 „Vale“). Allerdings gilt Abweichendes für Finanzierungsvereinbarungen, die die zuziehende Gesellschaft vor der Verschmelzung geschlossen hat.Randnummer34

Bei der hier eingetretenen Umwandlung handelt es sich nach dem Vortrag der Beklagten um eine grenzüberschreitende Verschmelzung durch Aufnahme, die entweder die Voraussetzungen des Art. 2 Abs. 2 lit. a) oder lit c) der Richtlinie 2005/56/EG vom 26.10.2005 erfüllt, da die (Y) Investments GmbH nach dem Vortrag der Beklagten ihr Vermögen auf die Beklagte übertragen hat. Art. 2 Abs. 2 lit a) regelt den Fall der Aufnahme durch eine Gesellschaft, die nicht zuvor Anteilsinhaberin der übergehenden Gesellschaft ist und Art. 2 Abs. 2 lit c) den Fall einer Übernahme durch eine Gesellschaft, die zuvor bereits sämtliche Anteile an der übergehenden Gesellschaft hält. Für beide Formen der Umwandlung sieht Art. 14 Abs. 1 lit a) vor, dass das Aktiv- und Passivvermögen der übertragenden Gesellschaft auf die übernehmende Gesellschaft übergeht. Dies bewirkt, dass die übernehmende Gesellschaft hinsichtlich sämtlicher Verträge, die von der übertragenden Gesellschaft geschlossen wurden, als Partei an deren Stelle tritt. Damit ist das Recht, das vor der Verschmelzung auf diese Verträge anzuwenden war, auch nach der Verschmelzung anzuwenden (EuGH, Urteil vom 07.04.2016 – C-483/14, IPrax 2016, 589 Rn. 57).Randnummer35

Eine Berechtigung der Beklagten zur Umwandlung der Genussrechte ergibt sich entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten nicht aus § 225a Abs. 3 des österreichischen Aktiengesetzes (öAktG). Die Regelung regelt die Folgen der Eintragung einer Verschmelzung und sieht vor, dass mit der Eintragung der Verschmelzung das Vermögen der übertragenden Gesellschaft einschließlich der Schulden auf die übernehmende Gesellschaft übergeht. § 225a Abs. 3 öAktG lautet : „Die Aktionäre der übertragenden Gesellschaft werden Aktionäre der übernehmenden Gesellschaft, soweit sich aus § 224 AktG nichts Anderes ergibt.“Randnummer36

Insoweit fehlt es schon an der Anwendbarkeit der Vorschrift: § 225 Abs. 3 öAktG betrifft unmittelbar die Umwandlung einer Aktiengesellschaft durch Verschmelzung mit einer anderen Aktiengesellschaft, die sie aufnimmt. Nach § 219 öAktG können Aktiengesellschaften unter Ausschluss der Abwicklung verschmolzen werden, indem das Vermögen einer Gesellschaft im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf eine andere bestehende Gesellschaft übertragen wird. Diese Verschmelzung regelt der Unterabschnitt 1, „Verschmelzung durch Aufnahme“, § 220 ff. öAktG. Hier handelt es sich nicht um die Verschmelzung von Aktiengesellschaften, auch die entsprechende Anwendbarkeit der Vorschrift führt nicht zu dem von der Beklagten vertretenen Ergebnis, da die Genussrechtsinhaber weder Aktionäre noch Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft sind.Randnummer37

Soweit die Beklagte meint, der „Untergang“ der Genussrechte ergebe sich aus § 226 Abs. 3 öAktG, geht auch diese Rechtsansicht fehl und entspricht gerade nicht der Auslegung der Vorschrift im Sinne der RL (EG) Nr. 2005/56. Art. 226 Abs. 3 öAktG ist eine Vorschrift, die unter der Überschrift „Gläubigerschutz“ regelt: „Den Inhabern von Schuldverschreibungen und Genussrechten sind gleichwertige Rechte zu gewähren oder die Änderung der Rechte oder das Recht angemessen abzugelten.“ Die Vorschrift kann unter Berücksichtigung europarechtlicher Vorgaben nicht dahin ausgelegt werden, dass den Inhabern von Schuldverschreibungen und Genussrechten nach Wahl der Emittentin andere Rechte angeboten oder sie ausbezahlt werden können. (EuGH, Urteil vom 07.04.2016 – C 483/14, IPrax 2016, 589 Rn. 70). Dies spricht gegen die von der Beklagten gewünschte Auslegung, sie sei aufgrund gesetzlicher Regelungen berechtigt zu einer Kapitalherabsetzung auf „0“ unter Angebot der Übernahme von Aktien an die Genussrechtsinhaber.Randnummer38

Das zum Ablauf des 31.12.2018 wirksam gekündigte Genussrecht ist infolge der Verschmelzung zum 30.12.2018 zunächst auf die Beklagte übergegangen und muss sodann zum 31.12.2018 entsprechend der vertraglichen Regelung abgefunden werden. Die Klägerin hat ihre Genussrechtsbeteiligung mit Schreiben vom 20.01.2016 (Anl K6) gekündigt. Die Kündigung war nach Ablauf der Mindestvertragslaufzeit, die ausweislich der Bestätigung vom 29.11.2006 (Anl K2) 10 Jahre betrug, nach § 6 Abs. 1., 2. des Vertrages mit einer Frist von zwei Jahren zum Jahresende möglich und wirkte mithin zum 31.12.2018.

5.

Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass die Kapitalherabsetzung auf „0“ den Regelungen in § 5 Abs. 1 und 2 GB entsprach. Nach § 5 Abs. 1 GB nehmen die Genussrechte bis zum Laufzeitende an einem zum Ende des jeweiligen Geschäftsjahres auszuweisenden Jahresfehlbetrag der Gesellschaft teil, soweit kraft vertraglicher Regelungen nicht anderes freies Eigenkapital durch eine Verlustbeteiligung vorrangig herabzusetzen ist. Maßgeblich für die Berechnung des Verlustanteils pro Genussrecht gemäß § 5 Abs. 2 GB ist der in der nach den Rechnungslegungsvorschriften IFRS erstellten Gewinn- und Verlustrechnung für das jeweilige Geschäftsjahr auszuweisende Jahresfehlbetrag. An einem etwaigen Verlustvortrag nehmen die Genussrechte nicht teil.Randnummer40

Die Beklagte ist, da es sich um eine Einwendung gegen die Höhe des sich aus § 6 Abs. 4 GB ergebenden Anspruchs handelt, darlegungs- und beweispflichtig für ihre Behauptung, die Reduzierung des Wertes der Genussrechte auf „0“ zum 31.12.2017 entspreche dem Wert der Genussrechte nach den genannten Regelungen des § 5 GB und zum 31.12.2018 ergäben sich keine abweichenden Werte, da die (Y) Investments GmbH keine Gewinne erzielt habe. Ihre Bilanz, die die Abwertung des Genussrechtskapitals aufführt, hat sie erstinstanzlich nach der mündlichen Verhandlung zum 31.12.2017 vorgelegt (Bl. 176 ff. und 180 ff.), die sie in der Berufungsinstanz (Bl. 208 ff.) näher erläutert.Randnummer41

Nach ihren Ausführungen sei die Abwertung bereits zum 31.12.2017 erfolgt, um Einnahmen zu erzielen. Diese Bewertung entspricht nicht den Vorgaben der § 6 Abs. 4, § 5 Abs. 1 und 2 GB. Maßgeblich wäre danach vielmehr, welche Wertentwicklung die Genussrechte während der Laufzeit genommen haben und welcher zum jeweiligen Jahresende auszuweisende Fehlbetrag (§ 5 Abs. 1 GB) nach der Berechnungsweise, die in § 5 Abs. 2 GB vorgegeben ist, in Abzug gebracht worden ist und zu der Bezifferung des Wertes auf „0“ führte. Die zum 31.12.2017 vorgelegte Bilanz, die die Beklagte auch zum 31.12.2018 für maßgeblich erklärt, weist einen Verlustvortrag von 76.468,76 € aus und einen Jahresverlust von 0,00 €. Am Verlustvortrag nehmen die Genussrechte nach § 5 Abs. 1 S. 3 GB nicht teil.Randnummer42

Die von ihr erstinstanzlich in Bezug genommene Summe von 5.514.061,14 €, die als „Erträge aus der Herabsetzung des Genussrechtskapitals“ in der Bilanz zum 31.12.2017 aufgeführt werden, sind ohne nähere Darlegung nicht mit den nach der Berechnung gemäß § 5 Abs. 2 GB anteilig zu tragenden jährlichen Verlusten für die Klägerin als Beteiligte gleichzusetzen. Die entsprechende Entwicklung der Genussrechte der Klägerin behauptet die Beklagte zwar mit der Berufungsbegründung, sie legt sie indes nicht dar. Der weitere Vortrag, es sei zu einem Verlust infolge der Veräußerung von Finanzanlagen gekommen, der von den Genussrechtsinhabern in vollem Umfang zu tragen sei, so dass sich – nach Abzug der Genussrechte – noch ein verbleibender Verlust von 459.413,70 € ergebe, ist ebenfalls nicht nach den von ihr verfassten Genussrechtsbedingungen in Bezug auf die konkrete Beteiligung der Klägerin gemäß dem Wortlaut der Regelung des § 5 Abs. 2 GB nachzuvollziehen.Randnummer43

Soweit die Klägerin selbst im Schriftsatz vom 23.03.2022 ihrerseits eine Berechnung eines Abzuges nach der Bilanz der Klägerin in den Raum stellt, will sie die ihrer Auffassung nach geltende Berechnung beispielhaft darstellen, ein Zugeständnis möglicher Abzüge ist darin nicht zu sehen, wie sich aus ihrem Zusatz, dass die Bilanz unrichtig und nichtig sei, ergibt.

6.

Die Berufung ist indes in Höhe der erstinstanzlich zuerkannten Sonderdividende begründet, die nach den neueren, von der Klägerin akzeptierten Genussrechtsbedingungen im Fall der Kündigung nicht zu zahlen ist (vgl. § 6 Abs. 4 GB im Gegensatz zur Regelung, auf die sich die Klägerin berief, § 5 Abs. 5 GB, zitiert in der Klageschrift). Der von der Beklagten zu erstattende Betrag reduziert sich auf den Nennbetrag von 18.000 €.

7.

Der zu zahlende Betrag ist gemäß den §§ 1333, 1334, 1000 öABGB ab dem 01.04.2019 zu verzinsen. Der Zinssatz beträgt fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz, maximal aber 4 %. Die für die Beklagte günstigere, erstinstanzlich ausgesprochene Verzinsung ab dem 18.07.2020 bindet auch das Berufungsgericht, § 308 Abs. 1 ZPO.

8.

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 711, § 713 ZPO.Randnummer47

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen insoweit nicht vorliegen (§ 543 Abs. 2 ZPO).Randnummer48

Der Gebührenstreitwert für die Berufungsinstanz wird auf 19.260 € festgesetzt.

Löffler I www.K1.de I www.gesellschaftsrechtskanzlei.com I Gesellschaftsrecht I GmbHRecht I Erfurt I Thüringen I Sachsen I Sachsen-Anhalt I Hessen I Deutschland 2022

Schlagworte: Genussrechte, Umwandlung