InsO § 134 Abs. 1; BGB § 123 Abs. 1, § 311 Abs. 2 Nr. 1, § 280 Abs. 1, § 652 Abs. 1
Zahlt ein Schuldner vereinbarungsgemäß Maklerlohn für die Vermittlung von Verträgen, stellt die Zahlung der sich an der Höhe der in den Hauptverträgen vereinbarten Vergütung orientierenden Provision keine unentgeltliche Leistung dar, auch wenn die Hauptverträge zivilrechtlich anfechtbar sind oder die Kunden des Schuldners verlangen könnten, schadensersatzrechtlich so gestellt zu werden, als ob die Verträge nicht geschlossen worden seien, weil der Schuldner sie bei Abschluss der Verträge betrogen hat.
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 24. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 16. Juli 2020 im Kostenpunkt sowie insoweit aufgehoben, als der Beklagte zur Zahlung von mehr als 750,21 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 2. Mai 2015 verurteilt worden ist.
Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Memmingen vom 1. August 2019 wird zurückgewiesen. Auf die Anschlussberufung des Beklagten wird das genannte Urteil insoweit aufgehoben, als der Beklagte zur Zahlung von mehr als 750,21 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 2. Mai 2015 verurteilt worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittel werden dem Kläger auferlegt.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger ist Verwalter in dem auf einen Antrag vom 1. Oktober 2014 am 1. Mai 2015 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der M. GmbH (fortan: Schuldnerin). Diese warb in den Jahren 2013 und 2014 bei einer Vielzahl von Kunden Geldmittel ein. Sie behauptete, ein so genanntes Affiliate-Netzwerk zu betreiben, bei dem Händler und Dienstleister auf der einen Seite ihre Kauf- und Dienstleistungsangebote bewerben und die Affiliates auf der anderen Seite Werbeplatz für die Werbemittel der Händler und Dienstleister auf ihren Internetseiten gegen ein Entgelt (Provisionen) zur Verfügung stellen konnten. Interessierten Kunden bot sie an, sich durch den Erwerb von Service-Paketen an dem Geschäftsmodell zu beteiligen und in Abhängigkeit von den erzielten Werbeeinnahmen Provisionen zu erhalten. Zusätzlich sollten Provisionen für die Vermittlung von Neukunden gezahlt werden. Tatsächlich erbrachte die Schuldnerin, wie von vorneherein von ihr geplant, die versprochenen Leistungen nicht, sondern verwendete die eingeworbenen Geldbeträge teilweise, um Provisionen für vorgetäuschte Werbeeinnahmen und für die Vermittlung neuer Kunden auszuzahlen. Die Verantwortlichen wurden strafrechtlich zur Verantwortung gezogen und wegen Betrugs verurteilt.2
Auch der Beklagte erwarb im Vertrauen auf die Angaben der Schuldnerin zwei Service-Pakete und vermittelte in der Folgezeit den Verkauf von Paketen an weitere Geschädigte. Er erhielt von der Schuldnerin in der Zeit vom 16. September 2013 bis zum 23. Juli 2014 in elf Überweisungen insgesamt 13.287 € ausbezahlt. Diesen Auszahlungen lagen neun Gutschriften für die Vermittlung von Neukunden in Höhe von 12.394,25 € und zwei Gutschriften in Höhe von 892,75 € auf die selbst erworbenen Pakete unter Hinweis auf angebliche Werbeeinnahmen zugrunde.3
Der Kläger hat die Auszahlungen gemäß § 134 InsO angefochten und die Rückgewähr gemäß § 143 InsO gerichtlich geltend gemacht mit der Begründung, die Schuldnerin habe eine Geschäftstätigkeit nur vorgetäuscht und ein betrügerisches Schneeballsystem betrieben. Das Landgericht hat den Beklagten zur Zahlung von 892,75 € (angebliche Werbeeinnahmen) nebst Zinsen und anteiliger Rechtsanwaltskosten verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers und die Anschlussberufung des Beklagten hat das Berufungsgericht das Urteil des Landgerichts abgeändert und den Beklagten verurteilt, an den Kläger insgesamt 11.165,55 € nebst Zinsen zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und die weitergehende Berufung und Anschlussberufung zurückgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Abweisung der Klage, soweit der Kläger mehr als 750,21 € nebst Zinsen begehrt.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg.
I.5
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der Kläger habe gegen den Beklagten aus Insolvenzanfechtung nach § 134 Abs. 1 InsO einen Zahlungsanspruch in Höhe von 11.165,55 €. Es handele sich nicht nur – wie vom Landgericht angenommen – bei den Zahlungen der Schuldnerin auf die eigenen Werbepakete der Beklagten, sondern auch bei den gezahlten Vermittlungsprovisionen in Höhe von 12.394,25 € um unentgeltliche Leistungen im Sinne von § 134 Abs. 1 InsO. Der Beklagte könne sich jedoch im Hinblick auf die von ihm abgeführte Umsatzsteuer auf den gesamten Auszahlungsbetrag erfolgreich auf Entreicherung berufen. Vorgerichtliche Anwaltskosten seien nicht geschuldet. Das Berufungsgericht hat sich aufgrund der Angaben des Beklagten davon überzeugt, dass die Provisionen in einem Umfang von 12.394,25 € für die Vermittlung des Erwerbs von Service-Paketen durch Neukunden gezahlt worden seien. Auch insoweit handele es sich aber um unentgeltliche Leistungen. Das Landgericht habe unangegriffen festgestellt, dass die Schuldnerin ein Schneeballsystem betrieben und lediglich Scheingewinne erwirtschaftet und ausbezahlt habe, was ihr bewusst gewesen sei. Der Erwerb der Service-Pakete durch die vom Beklagten vermittelten Neukunden sei bei rechtlicher Betrachtung wertlos gewesen, weil die zugrundeliegenden Rechtsgeschäfte zwischen der Schuldnerin und den Neukunden gemäß § 134 BGB (Verstoß gegen § 263 BGB) oder gemäß § 138 BGB nichtig gewesen seien. Die Schuldnerin habe im Gegensatz zum gutgläubigen Beklagten gewusst, dass die vermittelten Werbepakete nicht werthaltig gewesen seien. Sie habe sich des Beklagten als Werkzeug bei der betrügerischen Anwerbung neuer Kunden bedient. Die Schuldnerin habe dem Beklagten die Provisionen in dem Bewusstsein ausbezahlt, dass diese von ihr rechtlich nicht geschuldet gewesen seien. Dass einem etwaigen Rückforderungsanspruch der Schuldnerin § 814 BGB entgegengestanden habe, hindere die Annahme einer unentgeltlichen Leistung nicht.
II.6
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der Kläger hat gemäß § 143 Abs. 1, § 134 Abs. 1 InsO gegen den Beklagten einen Rückgewähranspruch wegen Anfechtung einer unentgeltlichen Leistung allein in Höhe von 750,21 € nebst Zinsen, wie das Landgericht – in dieser Höhe vom Beklagten mit der Anschlussberufung nicht angefochten – festgestellt hat. Darüber hinaus steht dem Kläger ein anfechtungsrechtlicher Rückgewähranspruch nebst Zinsen nicht zu.7
1. Nach § 134 Abs. 1 InsO ist eine unentgeltliche Leistung des Schuldners anfechtbar, es sei denn, sie ist früher als vier Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden. Leistung im Sinne des § 134 Abs. 1 InsO ist jede Rechtshandlung, die dazu dient, einen zugriffsfähigen Gegenstand aus dem Vermögen des Schuldners zu entfernen. Die Auszahlungen an den Beklagten in Höhe von 13.287 € sind wegen der damit verbundenen Vermögensminderung als Leistung einzustufen. Für die Frage der Unentgeltlichkeit ist auf den Zeitpunkt des Rechtserwerbs des Anfechtungsgegners in Folge der Leistung des Schuldners abzustellen, also auf den gemäß § 140 InsO zu bestimmenden Zeitpunkt, zu dem die rechtlichen Wirkungen der Rechtshandlung eintreten (vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 2020 – IX ZR 208/18, NZI 2021, 26 Rn. 8). Hier sind die Provisionen auf dem Konto des Beklagten in der Zeit von September 2013 bis Juli 2014 gutgeschrieben worden, also in einem Zeitraum von drei bis 13 Monaten vor Antragstellung.8
2. Die Auszahlungen an den Beklagten erfolgten jedoch – mit Ausnahme der beiden Gutschriften in Höhe von 892,75 € auf die selbst erworbenen Pakete unter Hinweis auf angebliche Werbeeinnahmen – nicht unentgeltlich im Sinne von § 134 Abs. 1 InsO.9
a) In einem Zwei-Personen-Verhältnis – wie vorliegend – ist eine Leistung als unentgeltlich anzusehen, wenn ein Vermögenswert des Verfügenden zugunsten einer anderen Person aufgegeben wird, ohne dass dem Verfügenden ein entsprechender Vermögenswert vereinbarungsgemäß zufließen soll. Entgeltlich ist dagegen eine Verfügung, wenn der Schuldner für seine Leistung etwas erhalten hat, was objektiv ein Ausgleich für seine Leistung war oder jedenfalls subjektiv nach dem Willen der Beteiligten sein sollte (BGH, Urteil vom 22. Oktober 2020, aaO Rn. 9). Für die Bewertung ist in erster Linie die objektive Wertrelation zwischen der Leistung des Schuldners und der Gegenleistung des Empfängers ausschlaggebend. Andernfalls könnten die Beteiligten allein dadurch, dass sie einer für den Schuldner objektiv wertlosen Leistung in ihren rechtsgeschäftlichen Erklärungen einen subjektiven Wert beimessen, den Zweck des Gesetzes vereiteln (BGH, Urteil vom 22. Oktober 2020, aaO Rn. 10).10
Leistungen des Schuldners sind nicht nach § 134 InsO anfechtbar, wenn er diese ohne Rechtsgrund vorgenommen und ihm deswegen ein Bereicherungsanspruch gegen den Leistungsempfänger zugestanden hat, wenn also der Leistungsempfänger keinen Anspruch auf die Leistung gegen den Schuldner gehabt hat und er einem Bereicherungsanspruch des Schuldners nicht § 814 BGB hat entgegenhalten können. Denn es handelt sich bei der Bezahlung einer tatsächlich nicht bestehenden Schuld im Zwei-Personen-Verhältnis nicht um eine unentgeltliche Leistung des Schuldners, wenn dieser irrtümlich annimmt, zu einer entgeltlichen Leistung verpflichtet zu sein. Auch ohne eine vertragliche Vereinbarung einer Gegenleistung fehlt es an einer für die Unentgeltlichkeit erforderlichen kompensationslosen Minderung des schuldnerischen Vermögens, wenn der Empfänger die Leistung des Schuldners auf andere Art und Weise auszugleichen hat. Leistet der Schuldner, weil er sich irrtümlich hierzu verpflichtet hält, steht ihm hinsichtlich der Leistung ein Bereicherungsanspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB zu. Der Empfänger ist von vornherein diesem Bereicherungsanspruch ausgesetzt. Insoweit fehlt es bei einer solchen Leistung an einem endgültigen, vom Empfänger nicht auszugleichenden, freigebigen Vermögensverlust des Schuldners. Daher ist eine Leistung des Schuldners, wenn dieser irrtümlich annimmt, zu einer entgeltlichen Leistung verpflichtet zu sein, nicht nach § 134 Abs. 1 InsO anfechtbar. Entsprechendes gilt, wenn die Kondiktionssperre des § 817 Satz 2 BGB nicht eingreift (BGH, Urteil vom 1. Oktober 2020 – IX ZR 247/19, NJW 2021, 234 Rn. 10 f).11
b) Nach diesen Maßstäben können die Vermittlungsprovisionen mit der Begründung des Berufungsgerichts nicht als unentgeltlich im Sinne von § 134 Abs. 1 InsO angesehen werden.12
aa) Soweit die Schuldnerin ihren Geschäftspartnern Provisionen aus tatsächlich nicht geschalteten Werbungen ausgezahlt hat, hat sie an diese ohne Rechtsgrund geleistet (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB). Denn aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen schuldete sie diese Provisionen nur, wenn die Werbepartner auf den Internetseiten der Geschäftspartner geworben hätten und die Voraussetzungen der vereinbarten Vergütung eingetreten wären. Da die Schuldnerin in dieser Hinsicht keine Tätigkeiten entfaltet hatte, konnten Vergütungsansprüche der Schuldnerin aus den Werbeverträgen und Provisionsansprüche der Geschäftspartner nicht entstehen. Dem Bereicherungsanspruch der Schuldnerin hätten die Geschäftspartner – und so auch der Beklagte in Bezug auf die vom Landgericht ausgeurteilten 892,75 € – allerdings § 814 BGB entgegenhalten können, weil die Schuldnerin wusste, dass Vergütungs- und Provisionsansprüche nicht entstanden sind. Mithin waren die Auszahlungen der Schuldnerin insoweit unentgeltlich (§ 134 Abs. 1 InsO). Dies hat der Beklagte bereits in der Berufungsinstanz nicht in Abrede gestellt.13
bb) Das Berufungsgericht hat sich jedoch davon überzeugt, dass die Auszahlungen an den Beklagten in einem Umfang von 12.394,25 € für die Vermittlung von Neukunden erfolgt sind. Insoweit erfolgten die Provisionszahlungen der Schuldnerin nicht ohne Rechtsgrund, sondern dienten der Erfüllung einer Verpflichtung der Schuldnerin aus einem wirksamen entgeltlichen Vertrag.14
(1) Der Beklagte hatte gegen die Schuldnerin diesbezüglich einen wirksamen Anspruch auf Zahlung der Provisionen aus § 652 Abs. 1 BGB.15
(a) Der Beklagte und die Schuldnerin haben nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts einen Maklervertrag gemäß §§ 652 ff BGB geschlossen, weil die Schuldnerin dem Beklagten für die Vermittlung eines Vertrags (Service-Paket) einen Maklerlohn (Provision) versprochen hat. Dieser Maklervertrag war nicht nach § 134 BGB oder § 138 BGB nichtig, sondern wirksam. Dies gilt auch für die vom Beklagten vermittelten Verträge (Hauptverträge). Der Wirksamkeit dieser Verträge steht nicht entgegen, dass die Schuldnerin die vermittelten Hauptverträge von vornherein nicht erfüllen, sondern die Geschäftspartner im Sinne von § 263 StGB betrügen und den Beklagten als vorsatzlos handelndes Werkzeug zur Vermittlung weiterer Geschädigter einsetzen wollte. Eine Nichtigkeit wegen Verstoßes gegen § 138 BGB wäre nur dann anzunehmen, wenn der gemeinsame Zweck der Vertragspartner darauf gerichtet gewesen wäre, ein sittenwidriges Geschäft zu betreiben. Das aber war nicht der Fall. Der Beklagte und die Geschäftspartner wurden von der Schuldnerin darüber getäuscht, dass diese die in den Hauptverträgen vereinbarten Tätigkeiten nicht entfalten und den Beklagten als vorsatzlos handelndes Werkzeug einsetzen wollte. Sittenwidrig waren somit lediglich die von vornherein beabsichtigte Untätigkeit der Schuldnerin und ihre Täuschungen, nicht aber die mit den gutgläubigen Vertragspartnern und dem gutgläubigen Beklagten vereinbarten Verträge (vgl. BGH, Urteil vom 1. Oktober 2020 – IX ZR 247/19, NJW 2021, 234 Rn. 15 mwN). Ebenso wenig sind die Verträge nach § 134 BGB wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nichtig, weil der Beklagte und die Geschäftspartner von der Schuldnerin im Hinblick auf das von ihr installierte Schneeballsystem betrogen worden sind (§ 263 StGB). Richtet sich das gesetzliche Verbot – wie vorliegend – nur gegen eine Partei, kann regelmäßig angenommen werden, das verbotswidrige Geschäft solle Wirkungen entfalten. Verletzt nur eine der Vertragsparteien durch den Abschluss eines Vertrages ein gesetzliches Verbot, ist der Vertrag in der Regel gültig (vgl. BGH, Urteil vom 1. Oktober 2020, aaO Rn. 16 mwN).16
Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus dem vom Kläger in Bezug genommenen Urteil des Bundesgerichtshofs vom 13. März 2008 zu einem Schenkkreis (III ZR 282/07, NJW 2008, 1942 Rn. 6). Danach sind Zuwendungen in einem Schenkkreis wegen Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) nichtig, weil es sich hierbei um ein Schneeballsystem handelt, welches darauf angelegt ist, dass die ersten Mitglieder einen (meist) sicheren Gewinn erzielen, während die große Masse der späteren Teilnehmer ihren Einsatz verlieren muss, weil angesichts des Vervielfältigungsfaktors in absehbarer Zeit keine neuen Mitglieder mehr geworben werden können. Dies verstößt – wie in der Rechtsprechung allgemein anerkannt ist – gegen die guten Sitten (vgl. auch BGH, Urteil vom 22. April 1997 – XI ZR 191/96, NJW 1997, 2314, 2315). Die diesen Entscheidungen zugrundeliegenden Sachverhalte unterscheiden sich von dem hier zu beurteilenden dadurch, dass dort alle Beteiligten wussten, an einem Schneeballsystem teilzunehmen. Vorliegend ging es dem Beklagten und den anderen Geschäftspartnern aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen und der Werbeaussagen der Schuldnerin darum, das Affiliate-Netzwerk zu vergrößern und möglichst hohe Werbeeinnahmen zu erzielen. Von den betrügerischen Absichten der Schuldnerin wussten sie ebenso wenig wie darum, dass die Schuldnerin die Einzahlungen der neuen Geschäftspartner nutzte, um die Provisionsansprüche der alten zu begleichen, also ein Schneeballsystem betrieb.17
(b) § 652 Abs. 1 BGB macht das Entstehen eines Provisionsanspruchs des Maklers vom Zustandekommen des Hauptvertrags abhängig. Demnach schließen Umstände, die einen wirksamen Abschluss des Hauptvertrags verhindern oder ihn als von Anfang an unwirksam erscheinen lassen (Formnichtigkeit, Gesetzwidrigkeit, Sittenwidrigkeit, anfängliche objektive Unmöglichkeit, Anfechtung wegen Irrtums oder arglistiger Täuschung), eine Provisionspflicht aus (BGH, Urteil vom 14. Dezember 2000 – III ZR 3/00, NJW 2001, 966, 967; vom 9. Juli 2009 – III ZR 104/08, NJW 2009, 2810 Rn. 9). Dies gilt selbst dann, wenn der Auftraggeber des Maklers die Unwirksamkeit selbst verschuldet hat (BGH, Urteil vom 29. November 1978 – IV ZR 44/77, NJW 1979, 975, 976; Röhricht/Mock in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, 5. Aufl., Vorbemerkung zu § 93 Rn. 64). Ebenso entfällt der Provisionsanspruch des Maklers, wenn der Kunde von seinem Recht aus § 311 Abs. 2 Nr. 1, § 280 Abs. 1, § 249 Abs. 1 BGB Gebrauch macht, im Wege des Schadensersatzes so gestellt zu werden, als ob der Vertrag nicht geschlossen worden sei. Anderes gilt, wenn der Kunde an dem Vertrag unter Geltendmachung eines einfachen Schadensersatzanspruchs nach § 280 BGB festhalten will (Röhricht/Mock in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, aaO Rn. 70).18
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts haben die von dem Beklagten vermittelten Kunden aufgrund der Vermittlung die Service-Pakete erworben und sind die vermittelten Verträge zustande gekommen (§ 652 Abs. 1 Satz 1 BGB). Diese waren, wie ausgeführt, weder nach § 134 BGB noch nach § 138 BGB unwirksam. Allerdings hätten die vom Beklagten vermittelten Geschäftspartner die Verträge mit der Schuldnerin wegen arglistiger Täuschung nach § 123 Abs. 1 BGB anfechten oder nach § 311 Abs. 2 Nr. 1, § 280 Abs. 1, § 249 Abs. 1 BGB verlangen können, so gestellt zu werden, als ob die Verträge nicht geschlossen worden wären, weil sie von der Schuldnerin über deren Bereitschaft, ihren vertraglichen Verpflichtungen nachzukommen, getäuscht worden sind. Die Anfechtbarkeit des Vertrags oder die Möglichkeit, vom Vertragspartner verlangen zu können, so gestellt zu werden, als wäre der Vertrag nicht geschlossen worden, lassen den Provisionsanspruch des Maklers aber noch nicht entfallen (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juli 2009 – III ZR 104/08, NJW 2009, 2810 Rn. 16). Vielmehr hätten die Geschäftspartner die Verträge tatsächlich nach § 123 BGB anfechten oder entsprechend Schadensersatz verlangen müssen. Dass die Geschädigten entweder gegenüber der Schuldnerin oder aber gegenüber dem Kläger Ansprüche auf Rückzahlung der Vergütung des Service-Pakets wegen Anfechtung oder Schadensersatz geltend gemacht hätten, ist nicht festgestellt und vom Kläger nicht vorgetragen. Im Übrigen ändert die Möglichkeit, dass der Anspruch des Beklagten später entfallen konnte, nichts daran, dass die Schuldnerin im anfechtungsrechtlich maßgeblichen Zeitpunkt der Leistung (§ 140 Abs. 1 InsO) auf eine bestehende Verbindlichkeit zahlte (vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 2018 – IX ZR 143/17, BGHZ 220, 280 Rn. 12 f).19
(2) Der vom Berufungsgericht zur Begründung in Bezug genommene Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 21. Dezember 2010 (IX ZR 199/10, NZI 2011, 107) führt zu keinem anderen Ergebnis. Unabhängig davon, dass diese Entscheidung durch die neue Rechtsprechung des Senats (BGH, Urteil vom 20. April 2017 – IX ZR 252/16, BGHZ 214, 350 Rn. 9, 21) modifiziert wurde (vgl. oben), lag der Entscheidung in einem relevanten Punkt ein anderer Sachverhalt zugrunde, auch wenn der Ausgangspunkt dort ebenfalls ein betrügerisches Schneeballsystem war. Anfechtungsgegner war ein Makler, welcher der Schuldnerin Anleger vermittelt hatte. Dieser sollte durch Folge-(Bestands-)provisionen an den Gewinnen der von ihm vermittelten Anlagen beteiligt werden. Hier hat der Bundesgerichtshof in der Auszahlung der Folgeprovisionen eine unentgeltliche Leistung gesehen, weil sich die Folgeprovisionen nach der Höhe der Gewinne, die den Anlegern gutgeschrieben worden seien, bemessen hätten. Insoweit habe es sich jedoch um Scheingewinne gehandelt, die ihrerseits nach § 134 InsO der Anfechtung unterlägen. Diese Gewinne könnten deswegen bei der Berechnung der Folgeprovision nicht berücksichtigt werden. Bei dieser Sachlage entbehrten die Zahlungen der Schuldnerin an den Vermittler einer vertraglichen Grundlage und seien mithin rechtsgrundlos (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB) erfolgt (BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2010, aaO Rn. 12; vgl. auch BGH, Urteil vom 22. September 2011 – IX ZR 209/10, NZI 2011, 976 Rn. 13 f).20
Im Streitfall hat das Berufungsgericht aber gerade nicht festgestellt, dass sich die Provisionen, welche der Beklagte für den Abschluss von Verträgen über den Erwerb von Service-Paketen mit neuen Geschäftspartnern erhalten hat, an etwaigen, tatsächlich nicht erwirtschafteten Werbeeinkünften ausgerichtet hätten. Vielmehr hat der Beklagte sich unwiderlegt dahin eingelassen, die Höhe der Provision sei von der Größe des vom Kunden erworbenen Service-Pakets abhängig gewesen. Aus den vom Beklagten vorgelegten Provisionsabrechnungen, soweit sie aufgeschlüsselt sind, ergibt sich nichts Gegenteiliges.21
c) Das Berufungsurteil ist auch nicht aus anderen Gründen richtig. Die Zahlung der Provisionen an den Beklagten für die Vermittlung der Neukunden war nicht deswegen unentgeltlich, weil die vereinbarte Gegenleistung des Beklagten wertlos gewesen wäre. Dieser hat der Schuldnerin als Gegenleistung für den Maklerlohn Verträge (Service-Pakete) vermittelt. Damit hat die Schuldnerin für ihre Leistung etwas erhalten, was objektiv ein Ausgleich für ihre Leistung war. Dass der Maklerlohn objektiv und subjektiv überhöht und somit teilweise unentgeltlich gewesen wäre, hat der Kläger nicht geltend gemacht. Dafür ist aufgrund der vorgelegten Abrechnungen auch nichts ersichtlich. Als Folge der Maklertätigkeit des Beklagten hat die Schuldnerin Verträge mit neuen Kunden geschlossen und die dafür vereinbarten Entgelte vereinnahmt. Dass diese Einnahmen, weil die Verträge zivilrechtlich anfechtbar waren, möglicherweise nicht von Dauer waren, ist unerheblich. Die Schuldnerin handelte nicht freigebig, weil sie ihren Gläubigern nicht kompensationslos Mittel entzogen hat, die andernfalls im Zeitpunkt der Insolvenz zu ihrer Befriedigung zur Verfügung gestanden hätten (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juli 2018 – IX ZR 307/16, NZI 2018, 800 Rn. 31). Dass der Beklagte durch die Vermittlung von Kunden unwissentlich das betrügerische Schneeballsystem unterstützte, begründet als solches keinen insolvenzrechtlichen Rückgewähranspruch aus §§ 143, 134 InsO, solange hierdurch die Anspruchsvoraussetzungen dieses Anfechtungstatbestandes nicht verwirklicht wurden.22
3. Hinsichtlich der unentgeltlich erlangten Provisionszahlungen auf die selbst erworbenen Service-Pakete wegen angeblicher Werbemaßnahmen (892,75 €) ist der Beklagte in Höhe von 142,54 € entreichert, wie das Berufungsgericht mit Recht entschieden hat. Einwendungen werden insoweit im Revisionsverfahren nicht erhoben. Der Einwand des Wegfalls der Bereicherung kann sich – neben Luxusaufwendungen, die der Anfechtungsgegner dem Gläubiger möglicherweise gemäß § 143 Abs. 1 Satz 2 oder Abs. 2 Satz 1 InsO und § 818 Abs. 3 BGB entgegenhalten kann – nur auf Kosten beziehen, die im Zusammenhang mit der Auszahlung der Scheingewinne (hier: Schein-Werbeeinnahmen) stehen (BGH, Urteil vom 22. April 2010 – IX ZR 163/09, NJW 2010, 2125 Rn. 10). Dazu gehören die Umsatzsteuern, welche der Beklagte auf die von der Schuldnerin ausgekehrten Provisionen hat zahlen müssen. Eine endgültige steuerliche Mehrbelastung aufgrund des Erwerbs des Anfechtungsgegenstands ist im Rahmen des § 818 Abs. 3 InsO zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 22. April 2010, aaO Rn. 14).
III.23
Das angefochtene Urteil kann deshalb keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Aufhebung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat in der Sache selbst zu entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Soweit der Beklagte vom Landgericht zur Zahlung von 750,21 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 2. Mai 2015 verurteilt worden ist, hat das Urteil Bestand. Die weitergehende Klage wird abgewiesen, weil die Voraussetzungen eines Anfechtungsanspruchs gemäß § 134 Abs. 1, § 143 Abs. 1 und 2 InsO insoweit nicht erfüllt sind.
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