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BGH, Urteil vom 27. Mai 2020 – VIII ZR 401/18

GG Art. 12 Abs. 1 Satz 1; AGG § 19 Abs. 1 Nr.1, § 20 Abs.1 Satz 1

a) Zur Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung (§ 20 Abs. 1 Satz 1 AGG) – hier wegen des Alters – kann sich ein Unternehmer auch im Anwendungsbereich des zivilrechtlichen Benachteiligungsverbots des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes auf seine Unternehmerfreiheit (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG) berufen und somit wirtschaftliche Ziele anführen.

b) Die wechselseitigen interessen in Form der Realisierung dieser unternehmerischen Handlungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG) auf der einen und des Schutzes vor Diskriminierung (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 AGG) auf der anderen Seite sind in einen angemessenen Ausgleich zueinander zu bringen. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, inwieweit dem Benachteiligten die Ungleichbehandlung zumutbar und inwieweit er auf die Leistung – hier einen Ferienaufenthalt in einem Wellnesshotel – angewiesen ist.

Tenor

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) – 5. Zivilkammer – vom 28. Juni 2018 wird auf ihre Kosten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Kostenentscheidung des Landgerichts wie folgt abgeändert wird:

Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens nach Kopfteilen zu tragen.

Tatbestand

Die Kläger nehmen die Beklagte wegen einer aus ihrer Sicht unrechtmäßigen Altersdiskriminierung auf Zahlung einer Entschädigung in Anspruch.

Die Beklagte betreibt ein Wellness- und Tagungshotel in B.. Ihre Angebote richtet sie als sogenanntes „Adults-Only-Hotel“ nur an Personen, die das sechzehnte Lebensjahr vollendet haben.

Die Mutter der fünf Kläger, die das sechzehnte Lebensjahr jeweils nicht vollendet hatten, bat die Beklagte im Dezember 2016 um die Erstellung eines Angebots für die Übernachtung der Kläger und ihrer Eltern im Zeitraum vom 30. Januar bis zum 3. Februar 2017.

Die Beklagte teilte auf die Anfrage mit, aufgrund der Altersbeschränkung sei es ihr nicht möglich, ein entsprechendes Angebot zu unterbreiten, und bot ihre Hilfe bei der Suche nach einer Alternative an.

Die Klage, mit der die Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer angemessenen Entschädigung, hilfsweise zur Zahlung in Höhe von 500 € pro Kläger, jeweils nebst Zinsen, begehrt haben, hat vor dem Amtsgericht keinen Erfolg gehabt.

Die hiergegen eingelegte Berufung hat das Landgericht zurückgewiesen und den Klägern gesamtschuldnerisch – nicht nach Kopfteilen – dieKosten des Berufungsverfahrens auferlegt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihr Zahlungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:

Die Ungleichbehandlung der Kläger aufgrund ihres Alters begründe im Ergebnis keine – eine Schadensersatzpflicht der Beklagten auslösende – Verletzung des zivilrechtlichen Benachteiligungsverbots nach §§ 19 ff. AGG. Ungeachtet aller weiteren rechtlichen Fragen, insbesondere ob sich die Ungleichbehandlung im Rahmen eines Massengeschäfts nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 AGG vollzogen habe – es mithin vorliegend um die Begründung eines Schuldverhältnisses gegangen sei, welches typischerweise ohne Ansehen der Person zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande komme – liege für die Ungleichbehandlung ein sachlicher Grund vor (§ 20 Abs. 1 Satz 1 AGG). Damit sei der konkrete Ausschluss der fünf Kläger von dem Angebot der Beklagten gerechtfertigt.

Die Annahme eines sachlichen Grundes für eine unterschiedliche Behandlung bedürfe grundsätzlich einer wertenden Feststellung im Einzelfall nach den Maßstäben von Treu und Glauben. Sachliche Gründe könnten sich dabei bereits aus dem Charakter des Schuldverhältnisses ergeben, aber auch aus Umständen, die in der Sphäre des (angeblich) Benachteiligenden oder des Benachteiligten lägen.

Eine unterschiedliche Behandlung sei jedenfalls dann zulässig, wenn der Handelnde hiermit ein nachvollziehbares und nicht offensichtlich willkürliches Ziel verfolge. Bei der Beantwortung dieser Frage sei der objektive Maßstab der allgemeinen Verkehrsanschauung heranzuziehen, wobei dem Anbieter ein gewisser Spielraum zur Verfügung stehe.

Die Beklagte habe mit dem Ausschluss der Kläger nicht willkürlich, sondern nachvollziehbar im Rahmen der Verfolgung ihrer unternehmerischen Ziele gehandelt. Sie habe den ihr zustehenden Spielraum als Anbieter im Ergebnis nicht überschritten und die Differenzierung erweise sich gegenüber den fünf Klägern im konkreten Markt als zumutbar.

Die Positionierung der Beklagten in dem örtlich breit besetzten Marktsegment der Beherbergungsbetriebe, welche sie im Rahmen der Betätigung ihrer unternehmerischen Freiheit vornehme, stelle einen sachlichen Grund für eine Beschränkung des Zugangs eines Teils der potenziellen Kunden zu einer Dienstleistung dar. Denn auch eine zielgruppenorientierte Ansprache bestimmter Kundenkreise diene der Funktionsfähigkeit einer auf Wettbewerb beruhenden freien wirtschaft.

Diese unternehmerische Ausrichtung auf Wellness- und Tagungsgäste, die das sechzehnte Lebensjahr vollendet haben, sei geeignet, ein in der von der Beklagten gewählten Zielgruppe angenommenes Bedürfnis nach Ruhe in besonderem Maße zu befriedigen und diesen Kunden ein Gefühl der Exklusivität zu vermitteln. Ein solches sei im Bereich der Erholung oder im Tagungsbetrieb für zahlreiche Hotelgäste zwangsläufig mit der Abwesenheit von Störungen der Ruhe verbunden. Diese werde ein signifikanter Teil der Erholungssuchenden am Alter der jeweiligen Teilnehmer festmachen.

Unter Berücksichtigung der wechselseitigen interessen der ausgeschlossenen (unter 16-jährigen) und der übrigen Gäste sei die soziale Vertretbarkeit der Ungleichbehandlung zu bejahen, ohne dass die Beklagte noch weiter zu einem konkreten Ruhebedürfnis ihrer Kundschaft oder zu einem konkreten Störungspotenzial von Personen unter 16 Jahren differenziert vortragen müsse. Auch auf einen Nachweis des unternehmerischen Erfolgs des konkreten Konzepts komme es nicht an.

Die Beklagte habe vielmehr ein ausreichendes Interesse an ihrer unternehmerischen Positionierung im Markt, wogegen die Kläger unmittelbar kein eigenes Interesse an der konkreten Teilhabe gerade im Hause der Beklagten anführen könnten.

Die Kläger hätten weder in ihrer Gesamtheit noch individuell einen Aspekt im Leistungsangebot der Beklagten angeführt, der für sie ein besonderes Interesse an der Beherbergung begründe. Zur Untermauerung ihres Wunschs, im Hause der Beklagten einen Ferienaufenthalt zu verbringen, hätten sie lediglich darauf verwiesen, dass ihre Mutter im Jahr 2008 sowie ein Teil der Familie im Jahr 2015 dort Gäste gewesen seien; zudem sei das Hotel im September 2017 auf einer Bewertungsplattform als Nummer 1 der Hotels in B.         geführt worden.

Zu diesem fehlenden konkreten Interesse komme hinzu, dass eine Zumutbarkeit der Differenzierung insbesondere dann näher liege, wenn der benachteiligte Geschäftspartner – vorliegend die Kläger – bei Massengeschäften in der Regel nicht sehr stark auf den einzelnen Anbieter angewiesen sei. Dies bedeute entgegen der Ansicht der Kläger nicht, dass die Benachteiligung nur dadurch gerechtfertigt sei, dass andere Marktteilnehmer dieselbe Leistung benachteiligungsfrei anbieten würden. Vielmehr führe das Gewicht der unternehmerischen Freiheit des Anbieters in einem breit besetzten Markt dazu, dass die Ungleichbehandlung sozial akzeptiert werde.

Daher könne im Rahmen der stets auch strategischen Verfolgung unternehmerischer Ziele sowie der Positionierung eines einzelnen Betriebs am Markt eine vorgenommene Differenzierung nicht losgelöst von solchen konkreten Marktverhältnissen sowie den Beziehungen des Anbieters zu den potenziellen Kunden betrachtet werden. Der Anbieter könne dabei auch nur vermeintliche oder antizipierte Kundenwünsche und -interessen berücksichtigen und mit diesen grundsätzlich auch Differenzierungen begründen.

II.

Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist.

1. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis rechtsfehlerfrei einen Anspruch der Kläger auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung aus § 21 Abs. 2 Satz 1, 3 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) verneint. Zwar wurden diese wegen ihres Alters unmittelbar benachteiligt (§§ 1, 3 Abs. 1, § 19 Abs. 1 Nr. 1 AGG). Für diese unterschiedliche Behandlung liegt jedoch ein sachlicher Grund vor (§ 20 Abs. 1 Satz 1 AGG), so dass sie gerechtfertigt ist.

a) Gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 AGG ist der Benachteiligende im Falle der Verletzung des Benachteiligungsverbots (§ 19 Abs. 1 AGG) verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Der ersatzfähige Schaden umfasst gemäß § 21 Abs. 2 Satz 3 AGG auch einen Nichtvermögensschaden, wegen dem der Benachteiligte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen kann. Nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 AGG ist eine Benachteiligung aus Gründen – unter anderem – des Alters bei der Begründung, Durchführung und Beendigung zivilrechtlicher Schuldverhältnisse, die typischerweise ohne Ansehen der Person zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen (Massengeschäfte), unzulässig.

b) Zwar ist mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen des Berufungsgerichts – insbesondere zu den Umständen eines Vertragsschlusses sowie möglichen Vertragspartnern – das Vorliegen eines solchen Massengeschäfts nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 AGG und damit eine unzulässige Benachteiligung aus Gründen des Alters zu Gunsten der Kläger im Revisionsverfahren zu unterstellen.

Das Berufungsgericht hat den Klägern einen Anspruch auf Entschädigung jedoch zu Recht versagt, da es gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 AGG im Ergebnis an einer die Schadensersatzpflicht begründenden Verletzung des Benachteiligungsverbots fehlt. Dies ist – nach der als Rechtfertigungsgrund ausgestalteten Norm (vgl. BT-Drucks. 16/1780, S. 43) – dann der Fall, wenn für die unterschiedliche Behandlung – wie hier – ein sachlicher Grund vorliegt.

aa) Bei dem Tatbestandsmerkmal des sachlichen Grundes handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff (vgl. BAGE 157, 296 Rn. 25, 35 ff. [zu § 3 Abs. 2 AGG]). Im Rahmen der Anwendung eines derartigen Rechtsbegriffs auf den konkreten Sachverhalt ist dem Tatrichter ein Beurteilungsspielraum vorbehalten. Das Revisionsgericht kann die Entscheidung des Berufungsgerichts somit regelmäßig nur darauf überprüfen, ob das Berufungsgericht den Rechtsbegriff verkannt oder sonst unzutreffende rechtliche Maßstäbe angelegt hat, ob es Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze hinreichend beachtet hat oder ob ihm von der Revision gerügte Verfahrensverstöße unterlaufen sind, indem es etwa wesentliche Tatumstände übersehen oder nicht vollständig gewürdigt hat (vgl. Senatsurteile vom 9. Oktober 2019 – VIII ZR 21/19, NJW 2020, 835 Rn. 21; vom 11. Dezember 2019 – VIII ZR 144/19, NJW 2020, 1215 Rn. 23; BGH, Beschluss vom 7. Oktober 2004 – V ZB 22/04, BGHZ 160, 354, 360; jeweils mwN). Einer an diesem Maßstab ausgerichteten Prüfung hält die Beurteilung des Berufungsgerichts stand.

bb) Ob ein sachlicher Grund für die unterschiedliche Behandlung nach § 20 Abs. 1 Satz 1 AGG besteht, ist – wovon das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen ist – anhand einer wertenden Feststellung im Einzelfall nach den Maßstäben von Treu und Glauben (§ 242 BGB) zu beurteilen (BT-Drucks. 16/1780, S. 43; MünchKommBGB/Thüsing, 8. Aufl., § 20 AGG Rn. 9; Erman/Armbrüster, BGB, 15. Aufl., § 20 AGG Rn. 4; Palandt/Grüneberg, BGB, 79. Aufl., § 20 AGG Rn. 2; Franke/Schlichtmann in Däubler/Bertzbach, AGG, 4. Aufl., § 20 Rn. 9; Hey/Forst/Weimann, AGG, 2. Aufl., § 20 Rn. 10). Zur Auslegung des Begriffs des sachlichen Grundes können die in § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 4 AGG genannten Regelbeispiele als „Richtschnur“ (so BT-Drucks. 16/1780, aaO) herangezogen werden.

Im Rahmen der wertenden Feststellung sind sowohl die sich aus dem Charakter des Schuldverhältnisses ergebenden Umstände als auch diejenigen, die aus der Sphäre der am Geschäft Beteiligten stammen, zu berücksichtigen (vgl. BT-Drucks. 16/1780, aaO; Hey/Forst/Weimann, aaO). Dabei ist dem Benachteiligenden bei der Abwicklung seiner Geschäfte eine gewisse Standardisierung zuzugestehen (vgl. BT-Drucks. 16/1780, aaO), da es um die Rechtfertigung der Ungleichbehandlung bei einem Massengeschäft, mithin um Sachverhalte geht, die häufig auftreten und bei denen der Anbieter grundsätzlich bereit ist, das Geschäft im Rahmen seiner Kapazitäten mit jedermann abzuschließen (vgl. BT-Drucks. 16/1780, S. 41; BGH, Urteil vom 25. April 2019 – I ZR 272/15, VersR 2019, 1428 Rn. 18).

cc) Hiernach hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei einen sachlichen Grund für die Weigerung der Beklagten bejaht, unter Berufung auf das Alter der Kläger einen Beherbergungsvertrag zu schließen. Entgegen der Ansicht der Revision hat es dabei nicht einen zu weiten Maßstab angelegt, sondern unter Beachtung sämtlicher Einzelfallumstände die vorgenannten Kriterien in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise berücksichtigt.

Zudem hat das Berufungsgericht den von ihm angenommenen sachlichen Grund auf seine Verhältnismäßigkeit hin beurteilt. Deren Voraussetzungen hat es rechtsfehlerfrei bejaht, so dass dahinstehen kann, ob der zur Rechtfertigung der unterschiedlichen Behandlung herangezogene sachliche Grund einer solchen Verhältnismäßigkeitsprüfung standhalten muss oder ob er insoweit lediglich einer Willkürkontrolle unterliegt (für eine Verhältnismäßigkeitsprüfung MünchKommBGB/Thüsing, aaO Rn. 11, 14; Staudinger/Serr, BGB, Neubearb. 2018, § 20 AGG Rn. 9 ff.; Erman/Armbrüster, aaO; BeckOGK-BGB/Mörsdorf, Stand: 15. Februar 2020, § 20 AGG Rn. 24; Franke/Schlichtmann, aaO Rn. 11; Hey/Forst/Weimann, aaO Rn. 15 ff.; aA Bauer/Krieger/Günther, Gleichbehandlungsgesetz und Entgelttransparenzgesetz, 5. Aufl., § 20 AGG Rn. 6; Adomeit/Mohr, AGG, 2. Aufl., § 20 Rn. 3, 20).

(1) Das Berufungsgericht hat zu Recht in der Verfolgung wirtschaftlicher interessen der Beklagten, die darauf gerichtet sind, sich am Markt als Wellness- und Tagungshotel mit einem speziellen Angebot zu positionieren, ein legitimes Ziel gesehen. Zur Erreichung dieses Ziels kann sich die Beklagte auf ihre Berufsausübungsfreiheit berufen (Art. 12 Abs. 1 Satz 1, Art. 19 Abs. 3 GG; vgl. BVerfGE 30, 292, 312; 50, 290, 363). Zwar stellen diese unternehmerische Freiheit und die in ihrer Ausübung verfolgten wirtschaftlichen interessen – worauf die Revision insoweit zu Recht hinweist – allein noch keinen Rechtfertigungsgrund dar. Sie bilden jedoch einen wichtigen Bestandteil des Rechtfertigungsgrundes.

(a) Die Berufsausübungsfreiheit sichert die Teilhabe am Wettbewerb, mithin die wirtschaftliche Dispositionsfreiheit (BVerfGE 25, 1, 22). Sie umfasst das Recht der am Markt Tätigen, die Bedingungen ihrer Marktteilhabe selbst festzusetzen (vgl. BVerfGE 106, 275, 298 f.). Die „Unternehmerfreiheit“ schützt somit die freie Gründung und Führung von Unternehmen und damit auch die Ausgestaltung des konkreten Auftretens am Markt (vgl. BVerfGE 50, 290, aaO; BVerfGE 132, 99, 132). Dabei besteht ein angemessener Spielraum zur Entfaltung der Unternehmerinitiative, mithin der Verfolgung wirtschaftlicher interessen durch ein bestimmtes Angebot an Waren und Dienstleistungen (vgl. BVerfGE 29, 260, 266 f.; BVerfGE 50, 290, 366 [zur aus Art. 2 Abs. 1 GG hergeleiteten wirtschaftlichen Handlungsfreiheit]).

(b) Hiernach ist die Entscheidung der Beklagten, ein auf die Schwerpunkte Wellness sowie Tagungen gerichtetes Leistungsangebot vorzuhalten und in Umsetzung dieses Geschäftsmodells Personen unter 16 Jahren generell aus dem Angebotsspektrum auszuschließen, um sich im Ergebnis erfolgreich am Markt zu positionieren, von ihrer unternehmerischen Handlungsfreiheit umfasst.

(c) Auf diese unternehmerische Handlungs- und Gestaltungsfreiheit kann sich die Beklagte entgegen der Auffassung der Revision auch im Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes berufen.

Zwar stellt die Regelung des § 19 Abs. 1 AGG eine verfassungsgemäße Schranke des Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG und somit der unternehmerischen Betätigungsfreiheit dar. Jedoch führt die Einschränkung eines Grundrechts nicht dazu, dass dieses bei der gebotenen Abwägung der widerstreitenden interessen (hier: unternehmerische Betätigungsfreiheit einerseits und Schutz vor Benachteiligung als Ausprägung der allgemeinen Handlungsfreiheit, Art. 2 Abs. 1 GG andererseits) im Einzelfall nicht mehr zu berücksichtigen wäre. Vielmehr ist auch der Rechtfertigungstatbestand des § 20 Abs. 1 Satz 1 AGG – was die Revision übersieht – verfassungsorientiert auszulegen, da bürgerlich-rechtliche Vorschriften nicht in Widerspruch zu den in den Grundrechten zum Ausdruck kommenden Prinzipien stehen dürfen (so BVerfGE 81, 242, 254). Somit ist vorliegend zu Gunsten der Beklagten auch die Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG als zentrale Grundnorm des Berufsverfassungsrechts (so Maunz/Dürig/Scholz, GG, Stand: Oktober 2019, Art. 12 Rn. 6) und die ihr zukommende wirtschaftliche Betätigungsfreiheit bei der Prüfung des Vorliegens eines sachlichen Grundes im Sinne des § 20 Abs. 1 Satz 1 AGG zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 32, 311, 317 f. [zum UWG]).

(d) Von der Beachtlichkeit wirtschaftlicher Gesichtspunkte im Rahmen der Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung ging offensichtlich auch der Gesetzgeber des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes aus. Er sieht in der gezielten Ansprache bestimmter Kundenkreise, die der Anbieter anlocken möchte, einen Bestandteil der auf Wettbewerb beruhenden wirtschaft (vgl. BT-Drucks. 16/1780, S. 44). Zwar betrifft diese Beurteilung den speziellen Rechtfertigungsgrund des § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AGG als Regelbeispiel, wonach ein sachlicher Grund für die unterschiedliche Behandlung dann vorliegt, wenn mit dieser besondere Vorteile gewährt werden. Dies erfasst insbesondere Fälle, in denen aufgrund unterschiedlicher Konditionen zugunsten einer bestimmten Gruppe alle anderen potentiellen Geschäftspartner benachteiligt werden (Beispiel: Preisnachlässe für Schüler). Jedoch ist die Relevanz wirtschaftlicher Gesichtspunkte nicht auf solche Fälle beschränkt. Vielmehr können derartige Umstände auch im Rahmen der allgemeinen Regelung in § 20 Abs. 1 Satz 1 AGG bei der Bestimmung des legitimen Ziels einer Ungleichbehandlung herangezogen werden, wenn – wie vorliegend – eine bestimmte Personengruppe – hier: unter 16-Jährige – gänzlich von einem Angebot ausgeschlossen wird (vgl. BAGE 157, 296 Rn. 38; MünchKommBGB/Thüsing, aaO Rn. 16; Staudinger/Serr, aaO Rn. 14; Erman/Armbrüster, aaO Rn. 5; BeckOGK-BGB/Mörsdorf, aaO Rn. 20; Hey/Forst/Weimann, aaO Rn. 21; Adomeit/Mohr, aaO Rn. 19; Rath/Rütz, NJW 2007, 1498 ff.; anders bezüglich des Vermieters Staudinger/Rolfs, BGB, Neubearb. 2018, § 20 AGG Rn. 4).

(2) Die auf das Alter der Kläger gestützte Weigerung der Beklagten, einen Beherbergungsvertrag zu schließen, diente der Erreichung des vorgenannten Ziels.

(a) Der Beklagten ist bei der Auswahl derjenigen Mittel, mit denen sie ihre unternehmerischen Ziele verwirklichen möchte, ein gewisser Spielraum zuzugestehen (vgl. Hey/Forst/Weimann, aaO Rn. 20; vgl. auch BT-Drucks. 1780/16, aaO sowie Adomeit/Mohr, aaO Rn. 24; jeweils zu § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AGG). Dabei ist es ihr insbesondere nicht versagt, die voraussichtliche Geeignetheit des (diskriminierenden) Mittels an Erfahrungswerten festzumachen (vgl. auch BT-Drucks. 1780/16, S. 44 [zu § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AGG]). Zudem hat der Unternehmer – wie ausgeführt – im Rahmen der Zielerreichung das Recht zur Pauschalisierung und Standardisierung, worauf bei der Abwicklung der hier in Rede stehenden Massengeschäfte nicht verzichtet werden kann (so BT-Drucks. 16/1780, S. 43; Erman/Armbrüster, aaO Rn. 8; Adomeit/Mohr, aaO Rn. 20).

(b) Dies zu Grunde gelegt, ist das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die Ausrichtung der Beklagten auf Gäste, die das sechzehnte Lebensjahr vollendet haben, ein taugliches Mittel dafür ist, die beabsichtigte Schwerpunktsetzung des Hotels zu realisieren und sich erfolgreich am Markt zu behaupten. Das auf Wellness- und Tagungsgäste abzielende Angebot der Beklagten ist gerade auf solche Leistungen ausgerichtet, bei denen Ruhe und Entspannung nicht lediglich eine untergeordnete Rolle spielen. Die Einschätzung der Beklagten, dass sich mit dem Ruhebedürfnis der von ihr ausgewählten Zielgruppe das an anderen Bedürfnissen orientierte Verhalten von Kindern nicht uneingeschränkt in Einklang bringen lässt, mithin der Ausschluss jüngerer Hotelgäste die Erreichung des Geschäftszwecks fördert, hält sich im Rahmen des der Beklagten zukommenden unternehmerischen Handlungsspielraums sowie der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise. Daher kommt es – entgegen der Auffassung der Revision – nicht darauf an, ob das Bedürfnis nach Ruhe und Entspannung tatsächlich bei allen (über 16-jährigen) Vertragspartnern der Beklagten gleichermaßen besteht.

(3) Der Ausschluss der Kläger vom Angebot der Beklagten war zur Zielerreichung auch erforderlich. Ein milderes Mittel stand der Beklagten nicht zur Verfügung. Insbesondere kann sie – entgegen der Ansicht der Revision – nicht auf die Ausübung ihres Hausrechts im Einzelfall verwiesen werden.

Diese lediglich ex-post mögliche Reaktion auf Ruhestörungen durch Ausübung des Hausrechts im Einzelfall ist im Vergleich zu der ex-ante zu beurteilenden Frage des Ausschlusses von Gästen nicht in gleichem Maße zur (vorbeugenden) Verhinderung möglicher Störungen geeignet. Die mit dem Ausschluss unter 16-jähriger Gäste einhergehende pauschale Verweigerung eines Vertragsschlusses ist somit im Bereich der Massengeschäfte (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 AGG) hinzunehmen.

Zudem könnte die Beklagte, worauf die Revisionserwiderung zu Recht hinweist, ihr Hausrecht nach Vertragsschluss im Falle eines störenden Verhaltens der Kläger während des Hotelaufenthalts nicht mehr ohne Weiteres ausüben. Nach dem Zustandekommen eines Beherbergungsvertrags bedarf die Erteilung eines Hausverbots vielmehr der Rechtfertigung durch besonders gewichtige Sachgründe (vgl. BGH, Urteil vom 9. März 2012 – V ZR 115/11, NJW 2012, 1725 Rn. 14).

(4) Schließlich war die Verweigerung eines Vertragsschlusses auch angemessen.

(a) Hiernach ist es geboten, dass bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere der Beeinträchtigung der Kläger und dem Gewicht der dies rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt ist (vgl. BVerfGE 94, 372, 389 f.). Im Anwendungsbereich des zivilrechtlichen Benachteiligungsverbots des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes sind somit die Zielkonflikte zwischen den verschiedenen interessen – Privatautonomie und unternehmerische Freiheit einerseits sowie die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), vorliegend in ihrer Ausprägung als Schutz vor Diskriminierung, andererseits – in einen angemessenen Ausgleich zu bringen (vgl. BT-Drucks. 16/1780, S. 26, 40).

Dies ist vorliegend erfolgt. Das von der Beklagten in Ausübung ihrer unternehmerischen Handlungsfreiheit verfolgte Ziel, sich mittels des Betriebs eines auf Wellness- und Tagungsgäste spezialisierten „Erwachsenenhotels“ am Markt (erfolgreich) zu positionieren, und die damit einhergehende Belastung der Kläger in Form ihres Ausschlusses von diesem Angebot stehen nicht außer Verhältnis zueinander.

(b) Das Berufungsgericht hat bei der Prüfung, inwiefern den Klägern dieser Ausschluss zumutbar ist – entgegen der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geäußerten Ansicht der Revision -, zutreffend auf deren fehlendes Interesse gerade am Leistungsangebot der Beklagten abgestellt. Soweit die Revision geltend macht, es möge Fallgestaltungen geben, in denen es nicht auf ein solches Fehlen von interessen des Diskriminierten ankomme, verkennt sie, dass vorliegend das Vorhalten eines bestimmten Leistungsspektrums – anders als in den von ihr angeführten Fallgestaltungen – auf der Umsetzung eines legitimen unternehmerischen Konzepts beruht. Bei Vorliegen eines solchen Geschäftskonzepts – wie hier – sind im Rahmen der Abwägung jedoch die Interessenlagen einander gegenüber zu stellen.

Hiernach haben die Kläger – wie das Berufungsgericht zutreffend festgestellt hat – weder in ihrer Gesamtheit noch individuell einen Gesichtspunkt im Leistungsangebot der Beklagten angeführt, der für sie ein besonderes Interesse an der Beherbergung speziell im Hotel der Beklagten begründet. Im Gegensatz zu deren unternehmerischem Ziel, sich mittels eines bestimmten Angebots im Wettbewerb der (örtlichen) Beherbergungsbetriebe zu behaupten, fehlt den Klägern ein eigenes Interesse an der konkreten Teilhabe am Leistungsspektrum der Beklagten. Die festgestellten Gründe für die wahl dieses Hotelbetriebs – die nicht die Kläger, sondern deren vertretungsberechtigte Eltern getroffen haben – lassen ein über allgemeine Erwägungen – konkret der wahl anhand der Bestbewertung und dem Prinzip „bekannt und bewährt“ – hinausgehendes Interesse der Kläger an der wahl nicht erkennen.

Zudem waren die Kläger auf die von der Beklagten schwerpunktmäßig angebotenen Leistungen im Wellness- und Tagungsbereich auch nicht in besonderer Art und Weise angewiesen. Es ging ihnen nicht um die Inanspruchnahme von Gütern oder Dienstleistungen, welche sie zur täglichen Lebensgestaltung oder zur Befriedigung zentraler Lebensbedürfnisse benötigten. Vielmehr sollte sich der beabsichtigte Aufenthalt lediglich im Rahmen ihrer vorübergehenden Freizeitgestaltung vollziehen (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 9. März 2012 – V ZR 115/11, aaO Rn. 27).

(c) Überdies können die Kläger dieses (Freizeit-)Interesse in der Region, in welcher sich das Hotel der Beklagten befindet, in vergleichbarer Weise auch andernorts befriedigen. Zwar kann ein Unternehmer seine Ungleichbehandlung nicht (allein) damit rechtfertigen, dass andere Unternehmer eine ähnliche Leistung diskriminierungsfrei anbieten. Dies schließt es jedoch nicht aus, bei der Beurteilung der Angemessenheit der konkret in Rede stehenden Ungleichbehandlung auch in den Blick zu nehmen, ob dem Benachteiligten der beabsichtigte Vertragsschluss anderweit möglich ist. Denn im Rahmen der Beurteilung des Einzelfalls kann – was das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat – nicht unberücksichtigt bleiben, dass ein Marktteilnehmer gerade auf die Leistung des anderen nur in geringem Maße angewiesen ist (vgl. MünchKommBGB/Thüsing, aaO Rn. 15; Hey/Forst/Weimann, aaO Rn. 19). Dies ist auf Seiten der Kläger vorliegend der Fall.

(d) Entgegen der Ansicht der Revision hat das Berufungsgericht nicht (antizipierte) Kundenwünsche und damit interessen Dritter „als solche“ zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung herangezogen. Damit kommt es auf die von den Parteien aufgeworfene – in der Literatur diskutierte – Frage, ob im Bereich der Rechtfertigung einer zivilrechtlichen Benachteiligung auf – ihrerseits diskriminierende – Kundenpräferenzen abgestellt werden kann, nicht an (vgl. hierzu MünchKommBGB/Thüsing, aaO Rn. 18 ff.; BeckOGK-BGB/Mörsdorf, aaO Rn. 21).

Zwar hat das Berufungsgericht ausgeführt, nur vermeintliche beziehungsweise antizipierte Kundenwünsche und -interessen kämen „als mögliche Gründe für Differenzierungen“ in Betracht, wenn diese „sachlich gerechtfertigt“ erschienen. Es hat jedoch im Weiteren den antizipierten Kundenwünschen nicht bereits das Gewicht eines Rechtfertigungsgrunds beigemessen, sondern hierin lediglich – insoweit zutreffend – einen Bestandteil der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit gesehen. Denn es ist nicht festgestellt, dass der Ausschluss von unter 16-jährigen Gästen vom Leistungsangebot der Beklagten eine Reaktion auf entsprechende Kundenwünsche war.

Somit hat das Berufungsgericht in der Sache nur die allgemeine Orientierung und Entscheidung des Unternehmers am Nutzerverhalten berücksichtigt. Dies ist nicht zu beanstanden, da jeder vernünftigen und Wirtschaftlichkeitskriterien in den Blick nehmenden unternehmerischen Entscheidung zur Ausgestaltung eines bestimmten Geschäftsmodells – legitimerweise – eine antizipierte Beurteilung von Kundenwünschen zu Grunde liegt. Der Unternehmer wird seine Betätigung daran ausrichten, ob das von ihm zur Umsetzung angestrebte Konzept auf genügend Nachfrage stoßen wird. Dies hat auch die Beklagte getan, indem sie generelle Kundenwünsche im Rahmen ihrer strategischen Ausrichtung antizipiert und ihrem Geschäftsmodell zu Grunde gelegt hat. Sie hat damit nicht auf individuelle Kundenwünsche reagiert.

2. Entgegen der Auffassung der Revision besteht kein Anlass zu einer Vorlage des Rechtsstreits gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b, Abs. 3 AEUV an den Gerichtshof der Europäischen Union (im Folgenden: Gerichtshof). Eine Vorlagepflicht kommt einzig bezüglich der – auch von der Revision aufgeworfenen – entscheidungserheblichen Frage in Betracht, ob bei der Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung unternehmerische Ziele, mithin Wirtschaftlichkeitserwägungen, eine Rolle spielen können. Jedoch fehlt es hier bereits an einer Richtlinienvorgabe; zudem ist die Berücksichtigung wirtschaftlicher interessen nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs anerkannt (acte éclairé).

a) Die vorliegend zu beurteilende (gerechtfertigte) Ungleichbehandlung aufgrund des Alters im Zivilrechtsverkehr beruht nicht auf einer Richtlinienvorgabe. Die vier EU-Richtlinien, zu deren Umsetzung das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz geschaffen wurde, erfassen das Merkmal des Alters lediglich im Bereich der Beschäftigung, nicht jedoch im (übrigen) Zivilrechtsverkehr (vgl. BT-Drucks. 16/1780, S. 2, 26; MünchKommBGB/Thüsing, aaO, § 19 AGG Rn. 9; Erman/Armbrüster, aaO, § 19 AGG Rn. 3).

b) Selbst wenn man trotz dieser fehlenden Richtlinienvorgabe vorliegend im Grundsatz von einer Pflicht zur Vorlage an den Gerichtshof ausginge, bedürfte es einer solchen im Ergebnis nicht.

aa) Es ist anerkannt, dass Gegenstand eines Vorabentscheidungsersuchens auch eine überschießende Richtlinienumsetzung sein kann, mithin eine Konstellation, in welcher der nationale Gesetzgeber einen Unionsrechtsakt auf nicht harmonisierte Bereiche erstreckt. Dies ist der Fall, wenn das Unionsrecht den fraglichen Sachverhalt – hier die Ungleichbehandlung wegen des Alters – nicht unmittelbar regelt, der nationale Gesetzgeber bei der Umsetzung der Bestimmungen einer Richtlinie jedoch beschlossen hat, rein innerstaatliche Sachverhalte (Alter) und solche, die unter die Richtlinie fallen, gleich zu behandeln, und somit inhaltsgleiche Regelungen schaffen wollte. Zur Sicherstellung einer einheitlichen Auslegung bedarf es daher grundsätzlich auch dann einer Vorlage an den Gerichtshof, wenn zwar der konkrete Sachverhalt nicht von unionsrechtlichen Vorgaben erfasst wird, jedoch die Auslegung eines Begriffs klärungsbedürftig ist, der auf einer Richtlinienumsetzung beruht und gleichermaßen auch für unionsrechtlich erfasste Sachverhalte gilt (vgl. hierzu EuGH, Slg. 1997, I-4161 Rn. 34; EuGH, Urteil vom 8. November 2012 – C-271/11, juris Rn. 34; Calliess/Ruffert/Wegener, EUV/AEUV, 5. Aufl., Art. 267 AEUV Rn. 5; Karpenstein in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Stand: Oktober 2019, Art. 267 AEUV Rn. 21; Streinz/Ehricke, EUV/AEUV, 3. Aufl., Art. 267 AEUV Rn. 19).

Vorliegend steht die Bestimmung des „sachlichen Grundes“, welcher eine Ungleichbehandlung rechtfertigt, in Rede. Dessen Normierung in § 20 Abs. 1 Satz 1 AGG diente ausweislich der Gesetzesbegründung auch der Umsetzung von Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 2004/113/EG des Rates vom 13. Dezember 2004 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen (ABl. EG Nr. L 373 S. 37; vgl. BT-Drucks. 16/1780, S. 43). Danach ist eine unterschiedliche Behandlung – aufgrund des Geschlechts – nicht ausgeschlossen, wenn es durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist, die Güter und Dienstleistungen ausschließlich oder vorwiegend für die Angehörigen eines Geschlechts bereitzustellen, und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Diese Rechtfertigungsmöglichkeit dehnt § 20 Abs. 1 Satz 1 AGG einheitlich auf alle anderen Arten von Benachteiligungen wegen der Religion, einer Behinderung, des Alters und der sexuellen Identität aus.

bb) Zieht man hiernach zur Sicherstellung der einheitlichen Auslegung des Begriffs des „sachlichen Grundes“ grundsätzlich eine Vorlage in Betracht, ist diese vorliegend entbehrlich, da in der Rechtsprechung des Gerichtshofs anerkannt ist (acte éclairé), dass Wirtschaftlichkeitserwägungen eines Unternehmens bei der Prüfung eines sachlichen Grundes zur Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung – vorliegend im Sinne von § 20 Abs. 1 AGG – berücksichtigt werden können; wirtschaftliche Gründe stellen ein legitimes Ziel dar (vgl. EuGH, Slg. 1981, 911 Rn. 12; Slg. 1986, 1607 Rn. 35 f.; vgl. auch BAGE 157, 296 Rn. 38). Als solches wurden sie vorliegend herangezogen. Ob dieses wirtschaftliche Ziel die Ungleichbehandlung im Ergebnis rechtfertigt, ist – was vorliegend bejaht wurde – anhand der weiteren Kriterien der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit im Einzelfall zu beurteilen. Diese Prüfung obliegt dem nationalen Gericht.

c) Soweit die Revision weiter geltend macht, der Rechtsstreit werfe auch Fragen der Auslegung von Art. 21 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden CRCh) auf, übersieht sie, dass die mit der Charta verbürgten Grundrechte gemäß Art. 51 Abs. 1 Satz 1 CRCh ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union gelten (EuGH, EnWZ 2013, 547 Rn. 48; Jarass, Charta der Grundrechte der EU, 3. Aufl., Art. 21 Rn. 4) und ihnen eine durch Gerichte zu beachtende, die Anwendung nationaler Grundrechte verdrängende Drittwirkung zwischen Privaten daher nur dann zukommen kann, wenn der Gegenstand des Verfahrens die Anwendung unionsrechtlich vollständig vereinheitlichter Regelungen erfordert (vgl. BVerfG NJW 2020, 314 Rn. 42 f., 95 ff., 113). Die vorliegend zu beurteilende Rechtmäßigkeit einer Ungleichbehandlung wegen des Alters beruht – wie bereits ausgeführt – allerdings nicht auf einem Rechtsakt der Europäischen Union (vgl. für das ebenfalls nicht auf unionsrechtlichen Vorgaben beruhende Merkmal der Behinderung, BVerfG, Beschluss vom 30. Januar 2020 – 2 BvR 1005/18, juris Rn. 32 f.).

III.

Die Kostenentscheidung des Berufungsurteils war von Amts wegen zu berichtigen (vgl. hierzu BGH, Urteile vom 24. November 1980 – VII ZR 208/79, juris Rn. 22; vom 10. März 2011 – IX ZR 82/10, NJW 2011, 2649 Rn. 38; MünchKommZPO/Musielak, 5. Aufl., § 308 Rn. 24), da die Kläger zu Unrecht als Gesamtschuldner zur Tragung der Kosten des Berufungsverfahrens verurteilt wurden. Sie tragen die Kosten – auch diejenigen des Revisionsverfahrens – vielmehr gemäß § 97 Abs. 1, § 100 Abs. 1 ZPO nach Kopfteilen.

Auf mehrere unterlegene Kläger ist die vom Berufungsgericht offensichtlich herangezogene Vorschrift des § 100 Abs. 4 ZPO nicht anwendbar (vgl. Stein/Jonas/Muthorst, ZPO, 23. Aufl., § 100 Rn. 9; MünchKommZPO/Schulz, 5. Aufl., § 100 Rn. 12; Zöller/Herget, ZPO, 33. Aufl., § 100 Rn. 13). Da auch keiner der Ausnahmefälle des § 100 Abs. 2, 3 ZPO vorliegt, verbleibt es bei dem Grundsatz, wonach mehrere unterlegene Parteien für die Kostenerstattung gemäß § 100 Abs. 1 ZPO nach Kopfteilen haften, was vorliegend zur Klarstellung ausdrücklich auszusprechen war.

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Schlagworte: AGG, AGG §§ 19 20, AGG 6 Abs.1 Satz 1 Nr. 1, Diskriminierungsschutz nach dem AGG, GG Art. 12