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Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 17.03. 2000 – 1 U 8/00 

unwirksames Wettbewerbsverbot

§ 75 Abs 1 HGB, § 75 Abs 2 HGB

1. Im Falle eines Aufhebungsvertrages sind die Abs. 1 und Abs. 2 des HGB § 75 entsprechend anzuwenden.

2. Das Wettbewerbsverbot wird unwirksam, wenn der dadurch belastete Teil vor Ablauf eines Monats nach Wirksamkeit des Aufhebungsvertrages mitteilt, daß er sich nicht an die Vereinbarung des Wettbewerbsverbots gebunden fühlt.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 23. November 1999 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen I des Landgerichts Itzehoe wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Es beschwert die Klägerin in Höhe von 60.000,- DM.

Gründe

I. Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass der Beklagte im Zeitraum 1. Juni 1999 bis 31. Mai 2001 im Umkreis von 50 km um ihren Sitz weder selbständig noch unselbständig und weder unmittelbar noch mittelbar im Bestattungsgewerbe tätig sein darf. Randnummer2

Die Parteien schlossen am 16. Juni 1998 einen Geschäftsführervertrag (Bl. 5 – 12 d.A.). In § 10 dieses Vertrages heißt es sinngemäß, dass dem Beklagten untersagt sei, nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses auf die Dauer von zwei Jahren in irgendeiner Weise im Bestattungsgewerbe tätig zu werden, und zwar im Umkreis von 50 km Luftlinie um den Sitz der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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. Weiter ist vereinbart, dass dem Beklagte für die Zeit des Wettbewerbsverbotes eine monatliche Entschädigung in Höhe von 50 % des durchschnittlich zuletzt bezogenen Entgelts zu zahlen sei. Randnummer3

Die Klägerin kündigte das Anstellungsverhältnis gegenüber dem Beklagten mit Schreiben vom 25. März 1999 zum 30. Juni 1999 und unter dem 1. April 1999 fristlos. Der Beklagte wehrte sich gegen die Kündigung vor dem Arbeitsgericht Elmshorn. Die Parteien schlossen vor dem Arbeitsgericht Elmshorn am 18. Mai 1999 einen Vergleich u.a. dahin, dass sie sich darüber einig seien, „dass das Arbeitsverhältnis durch ordentliche Kündigung … vom 25. März 1999 zum 31. Mai 1999 beendet wird“. Sie behielten sich den Widerruf des Vergleichs bis zum 28. Mai 1999 vor. Der Vergleich wurde nicht widerrufen. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten schrieb unter dem 18. Juni 1999 an die Prozessbevollmächtigten der Klägerin, dass der Beklagte das vereinbarte Wettbewerbsverbot als unwirksam ansehe. Randnummer4

Die Klägerin hat den eingangs referierten Antrag gestellt. Der Beklagte hat mit der Begründung Klagabweisung beantragt, dass das im Vertrag vom 16. Juni 1998 enthaltene Konkurrenzverbot wegen Sittenwidrigkeit unwirksam sei. Randnummer5

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung als unbegründet abgewiesen, dass zwar im Hinblick auf die Äußerung des Beklagten, dass er das Konkurrenzverbot für unwirksam halte, ein Feststellungsinteresse gegeben, die Feststellungsklage also zulässig sei. Der Beklagte müsse sich aber nicht an das vereinbarte Wettbewerbsverbot halten, weil es wegen Sittenwidrigkeit unwirksam sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei ein Wettbewerbsverbot im Hinblick auf die in Art. 12 GG enthaltenen Wertentscheidung, die auch bei der Auslegung zivilrechtlicher Generalklauseln zu beachten sei, nur zulässig, wenn es örtlich, zeitlich und gegenständlich das notwendige Maß nicht überschreite. Das Wettbewerbsverbot gehe insbesondere deshalb über den zum Schutz der Klägerin erforderlichen räumlichen Bereich hinaus, weil der gesamte Großraum Hamburg erfasst sei. Randnummer6

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie geltend macht, dass das vereinbarte Wettbewerbsverbot nicht über das zu ihrem Schutz erforderliche Maß hinausgehe. Ihre Kunden stammten nicht nur aus Wedel; das gleiche gelte für die Verstorbenen. Im übrigen sei sie mit weiteren Bestattungsunternehmen in einem Verbund zusammengeschlossen, so dass auch das Einzugsgebiet der verbundenen Unternehmen mit zu berücksichtigen sei. Randnummer7

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Randnummer8

II. Die zulässige Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Feststellungsklage zu Recht für zulässig, aber unbegründet gehalten. Randnummer9

Die Feststellungsklage ist unbegründet, weil das im Vertrag der Parteien vom 16. Juni 1998 vereinbarte Wettbewerbsverbot entsprechend § 75 Abs. 2 HGB unwirksam ist. Randnummer10

Die §§ 74 ff. HGB sind zwar auf das Verhältnis der Parteien nicht ohne weiteres anwendbar. Der Bundesgerichtshof hat eine entsprechende Anwendbarkeit der Arbeitnehmerschutzvorschriften §§ 74 ff. HGB auf das Verhältnis einer GmbH zu ihren Geschäftsführern verneint (BGHZ 91, 1, 3). Die Parteien haben jedoch vereinbart, dass auf ihr Verhältnis die §§ 74 ff. HGB Anwendung finden sollen. In § 10 Nr. 7 des Geschäftsführervertrages heißt es, nachdem in den Nr. 1 – 6 die Einzelheiten des Wettbewerbsverbotes geregelt worden sind: „Im übrigen gelten die Vorschriften der §§ 74 ff. des Handelsgesetzbuches„. Randnummer11

Gemäß § 75 Abs. 2 HGB wird ein Wettbewerbsverbot unwirksam, wenn der Prinzipal das Dienstverhältnis kündigt und der Handlungsgehilfe vor Ablauf eines Monats nach der Kündigung schriftlich erklärt, dass er sich an die Vereinbarung nicht gebunden erachte, es sei denn, dass für die Kündigung ein erheblicher Anlass in der Person des Handlungsgehilfen vorgelegen hat. Die Klägerin hat den Geschäftsführervertrag mit dem Beklagten zunächst ordentlich und dann fristlos gekündigt. Wenn es im daraufhin vor dem Arbeitsgericht Elmshorn geschlossenen Vergleich heißt, dass das Arbeitsverhältnis durch ordentliche Kündigung der Beklagten vom 25. März 1999 zum 31. Mai 1999 beendet wird, so lässt sich diese Einigung materiell-rechtlich nur als Abschluss eines Aufhebungsvertrages verstehen. Eine ordentliche Kündigung war nämlich gemäß § 2 des Geschäftsführervertrages jeweils nur bis zum Quartalsende möglich, also am 25. März 1999 nur zum 30. Juni 1999 und nicht zum 31. Mai 1999. Der Aufhebungsvertrag ist, da die Parteien eine Widerrufsmöglichkeit des Vergleichs bis zum 28. Mai 1999 vereinbart hatten, am 29. Mai 1999 wirksam geworden. Randnummer12

Im Falle eines Aufhebungsvertrages sind die Absätze 1 und 2 des § 75 HGB entsprechend anzuwenden. Je nach dem, wer den Anlass zur Kündigung gegeben hat, der Prinzipal oder der Handlungsgehilfe, ist entweder § 75 Abs. 1 HGB oder § 75 Abs. 2 HGB anzuwenden (Baumbach/Hopt, HGB 29. Aufl. § 75 Rdn. 6 f.). Vorliegend hat die Klägerin den Anstoß zum Abschluss des Aufhebungsvertrages durch die von ihr erklärten Kündigungen gesetzt. Dass der Beklagte erheblichen Anlass zu den Kündigungen gegeben hätte, ist nicht ersichtlich. Randnummer13

Wann die einmonatige Frist nach § 75 Abs. 1 HGB bei einem auf eine Kündigung hin geschlossenen Aufhebungsvertrag beginnt, ob mit der Kündigung oder mit dem wirksamen Abschluss des Aufhebungsvertrages, ist zweifelhaft. Das Bundesarbeitsgericht (BAG DB 1972, 1130) vertritt die Auffassung, dass die Frist schon mit der Kündigung beginnt. Dagegen spricht jedoch, dass der Arbeitnehmer noch keinen Anlass für eine Erklärung über das Wettbewerbsverbot nach § 75 HGB sehen muss, solange er die Kündigung für unwirksam halten kann. Das wird in der Regel bis zur Wirksamkeit des Vergleichs der Fall sein. Auf diese Zweifelsfrage kommt es im Verhältnis zwischen der Klägerin und dem Beklagten jedoch nicht entscheidend an; denn zwischen ihnen gelten die §§ 74 ff. HGB nur, weil dies in § 10 des Geschäftsführervertrages bestimmt ist. Die von der Klägerin gestellten Bedingungen des Geschäftsführervertrages sind für eine Mehrzahl von Verträgen vorformuliert. Bei ihnen handelt es sich damit um allgemeine Geschäftsbedingungen i.S.d. § 1 AGBG. Gemäß § 5 AGBG gehen Zweifel bei der AuslegungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Zweifel bei der Auslegung
allgemeiner Geschäftsbedingungen zu Lasten des Verwenders. Die Rechtsprechung hat aus § 5 AGBG den Grundsatz entwickelt, dass allgemeine Geschäftsbedingungen, sofern sie objektiv in unterschiedlicher Weise verstanden werden können, in kundenfreundlichster Weise auszulegen sind (vgl. Palandt, BGB, 59. Aufl. AGBG 5 Rdn. 9). Unter Berücksichtigung dieses Grundsatzes ist Randnummer14

§ 75 HGB im Verhältnis der Parteien dahin auszulegen, dass die ein-monatige Frist im Fall eines auf eine Kündigung hin abgeschlossenen Aufhebungsvertrages ab Vertragsschluss läuft. Der Aufhebungsvertrag der Parteien entfaltet infolge ausgebliebenen Widerrufs des Vergleichs seit dem 29. Mai 1999 Wirkung. Vor Ablauf von einem Monat ab dem 29. Mai 1999 ist der Klägerin das Schreiben des Beklagten vom 18. Juni 1999 zugegangen. In diesem Schreiben hat der Beklagte der Klägerin mitgeteilt, dass er das Wettbewerbsverbot für unwirksam erachte. Diese Mitteilung ist als vom Beklagten an die Klägerin gerichtete Erklärung auszulegen, dass er sich nicht an die Vereinbarung des Wettbewerbsverbots gebunden erachte. Randnummer15

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die weiteren Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 713, 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Die Beschwer der Klägerin übersteigt 60.000,- DM nicht, sondern beläuft sich genau auf diesen Betrag, so dass die Revision gegen dieses Urteil nicht gegeben ist.

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unwirksames Wettbewerbsverbot

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