§ 35 Abs 1 GWB, § 26 Abs 2 GWB, § 75f HGB
1. Eine Zeitung, die in ihrem Verbreitungsgebiet die einzige regionale Tageszeitung ist, hat auf dem Stellenanzeigenmarkt eine monopolartige Stellung und ist Normadressat des GWB § 26 Abs 2 S 1.
2. Wird von einer marktbeherrschenden Regionalzeitung der Abdruck einer Stellenanzeige für einen Setzer davon abhängig gemacht, daß der Inserent sich verpflichtet, bei dieser Zeitung beschäftigte Stellenbewerber nur mit Zustimmung des Verlages einzustellen, so liegt eine unzulässige Behinderung im Sinne des GWB § 26 Abs 2 vor.
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Kartellsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 27. Februar 1980 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise aufgehoben und wie folgt neu gefaßt:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der Kartellkammer des Landgerichts Osnabrück vom 7. September 1979 teilweise abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, gegen die übliche Vergütung an einem von der Klägerin gewünschten Erscheinungstage in den von der Klägerin gewünschten Ausgaben der N O Zeitung die nachfolgend wiedergegebene Anzeige im Stellenanzeigenteil abzudrucken oder abdrucken zu lassen, ohne dies von der Bedingung abhängig zu machen, die Klägerin dürfe bestimmte potentielle Bewerber nur mit Zustimmung der Beklagten berücksichtigen:
„Wir suchen für sofort einen Setzer für unser Compugraphic-Lichtsatzgerät (Handsetzer kann angelernt werden).
Bewerbungen an W O, H…straße …, … O, Telefon ….“
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 1/3, die Beklagte 2/3.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin ist die Bundeszentrale einer Handelskette des Lebensmitteleinzelhandels. Sie betreibt in O ein Werbeatelier. Sie verlangt von der Beklagten als der Herausgeberin der N O Zeitung (NOZ) den Abdruck einer Stellenanzeige, mit der sie einen Setzer, einen graphischen Zeichner und einen Druckereigehilfen sucht. Wie bereits in früheren gleichgelagerten Fällen macht die Beklagte hinsichtlich der gesuchten Setzer den Abdruck der Stellenanzeige davon abhängig, daß die Klägerin sich verpflichtet, Setzer der beiden Gesellschafterfirmen der Beklagten, bei denen die NOZ gedruckt wird, nur mit Zustimmung der Beklagten einzustellen. Die Abgabe einer solchen Verpflichtung hat die Klägerin abgelehnt. Sie ist auch nicht bereit, eine auf einen Zeichner und einen Druckereigehilfen beschränkte Anzeige, zu deren Abdruck die Beklagte bereit ist, in Auftrag zu geben. Randnummer2
Mit der Klage begehrt die Klägerin, die Beklagte zum Abdruck einer Stellenanzeige für einen Setzer, einen Zeichner und einen Druckereigehilfen zu verurteilen. Sie vertritt den Standpunkt, die Beklagte sei als Monopolunternehmen verpflichtet, die Anzeige ohne Vorbedingung abzudrucken. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist von dem Berufungsgericht zurückgewiesen worden. Randnummer3
Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren ursprünglichen Antrag als Hauptantrag weiter. Mit ihrem in der Revisionsinstanz gestellten Hilfsantrag begehrt sie den Abdruck einer auf einen Setzer beschränkten Stellenanzeige mit dem im Urteilstenor wiedergegebenen Inhalt. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat teilweise Erfolg. Randnummer5
I. Das Berufungsgericht hat einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf vorbehaltlosen Abdruck der Stellenanzeige für einen Setzer, einen Zeichner und einen Druckereigehilfen gemäß § 35 in Verbindung mit § 26 Abs. 2 GWB verneint. Selbst wenn – wie das Berufungsgericht unterstellt – die Klägerin als Verlegerin der in ihrem Verbreitungsgebiet einzigen regionalen Tageszeitung ein marktbeherrschendes Unternehmen auf dem lokalen und regionalen Zeitungsannoncenmarkt in Osnabrück anzusehen wäre, sei sie nicht zu dem begehrten Abdruck ohne Vorbedingung verpflichtet. Ihre Weigerung sei vielmehr sachlich gerechtfertigt, denn sie sei berechtigt, zum Schutz ihrer eigenen Interessen die Bedingung aufzustellen, daß die Klägerin keine Setzer der Gesellschafterfirmen der Beklagten ohne deren Zustimmung einstelle. Durch den Abdruck der Anzeige würden insbesondere die Setzer der Gesellschafterfirmen der Beklagten erreicht und könnten zu einem Wechsel zur Klägerin veranlaßt werden. Damit würde die Beklagte der Klägerin beim Wettbewerb um diese Mitarbeiter behilflich sein. Im Hinblick darauf, daß ein erheblicher Mangel an Setzern herrsche und die Abwerbung durch die Klägerin den für den eigenen Betrieb erforderlichen Personalbestand gefährden würde, sei ihr der vorbehaltlose Abdruck der begehrten Anzeige billigerweise nicht zuzumuten. Wenn die Klägerin Mitarbeiter der Beklagten oder ihrer Gesellschafterfirmen anwerben wolle, müsse sie einen anderen Weg suchen. Randnummer6
Diese Ausführungen halten, soweit damit auch der hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf Abdruck einer Stellenanzeige allein für einen Setzer verneint wird, der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
II.
1.
a) Der in der Revisionsinstanz gestellte Hilfsantrag der Klägerin ist zulässig, da es sich nur um ein gegenüber dem Hauptantrag eingeschränktes Begehren handelt (vgl. BGHZ 26, 31, 37 f). Die Klägerin hat nämlich in dem Hilfsantrag lediglich den Inhalt der in erster Linie begehrten Stellenanzeige um das Gesuch für einen Zeichner und einen Druckereigehilfen gekürzt und auf das Gesuch für einen Setzer, das den eigentlichen Streitpunkt des Rechtsstreits bildet, beschränkt. Randnummer8
b) Der von der Klägerin mit dem Hilfsantrag geltend gemachte Anspruch auf bedingungsfreien Abdruck einer Stellenanzeige für einen Setzer ist nach den vom Berufungsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen gemäß § 35 Abs. 1 in Verbindung mit § 26 Abs. 2 GWB begründet. Danach hat die Beklagte als marktbeherrschendes Unternehmen die Klägerin in einem Geschäftsverkehr, der gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich ist, behindert. Diese Behinderung ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts als unbillig im Sinne von § 26 Abs. 2 GWB anzusehen. Randnummer9
Die Beklagte ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die einzige regionale Tageszeitung. Damit ist sie auf dem regionalen Stellenanzeigenmarkt marktbeherrschend. Die Herausgeber von Anzeigenblättern, die nach Behauptung der Beklagten ebenfalls als Anbieter für den Abdruck von Stellenanzeigen für Setzer in Betracht kommen sollen, sind hierbei nicht zu berücksichtigen. Die betreffenden Fachkräfte, die sich anhand von Stellenanzeigen über das regionale Angebot an offenen Stellen informieren wollen, sehen Anzeigenblätter aufgrund ihres typischen Inhalts nicht als geeignete Informationsquelle an. Hierfür kommen nur die regionalen Tageszeitungen in Betracht, die herkömmlicherweise mit dem Abdruck von Stellengesuchen beauftragt werden und dementsprechend in ihren Stellenanzeigenteilen einen umfassenden Überblick über die Stellenangebote geben. Da die Beklagte in ihrem Verbreitungsgebiet die einzige regionale Tageszeitung ist, hat sie eine monopolartige Stellung und ist damit Normadressat des § 26 Abs. 2 Satz 1 GWB. Randnummer10
Der Abdruck von Stellenanzeigen ist nach der Branchenübung ein Geschäftsverkehr, der Unternehmen von der Art der Klägerin üblicherweise zugänglich ist. Dabei ist außer Betracht zu lassen, daß die Beklagte die Stellenanzeigen für Setzer regelmäßig nur unter der hier streitigen Bedingung abdruckt; denn das Merkmal des üblicherweise zugänglichen Geschäftsverkehrs im Sinne von § 26 Abs. 2 GWB ist gerade nicht nach der Praxis desjenigen Unternehmens, in dessen Verhalten die unbillige Behinderung liegen soll, sondern anhand der allgemeinen Praxis der betreffenden Geschäftskreise zu bestimmen (vgl. BGHZ 42, 318, 326 – Rinderbesamung I –; Sen.Urt. v. 10. 10. 1978, GRUR 1979, 177, 178 – Zeitschriften-Grossisten –). Randnummer11
Die Klägerin wird durch das Verlangen der Beklagten, sich zu verpflichten, die für diese tätigen Setzer nur mit deren Zustimmung einzustellen, behindert; denn dadurch wird ihr der freie Zugang zu einem Teil der zu umwerbenden Fachkräfte verwehrt. Randnummer12
Diese Behinderung ist, wie das Berufungsgericht verkannt hat, unbillig im Sinne von § 26 Abs. 2 GWB. Für diese Frage kommt es auf eine umfassende Interessenabwägung an; und zwar sind die rechtlich schutzwürdigen Interessen der beteiligten Unternehmen unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen gegenüberzustellen und in ihrer Gesamtheit zu würdigen (vgl. BGHZ 38, 90, 102 – Grote-Revers –; Sen.Urt. v. 8. 6. 1967, WuW/E BGH 863, 870 – Rinderbesamung II –). Dabei besteht eine Wechselbeziehung zwischen dem Gewicht der gegenseitigen Interessen. Je stärker die Behinderung in die wettbewerblichen Möglichkeiten des behinderten Unternehmens eingreift, desto weniger schutzwürdig sind die Interessen des behindernden Unternehmens anzusehen. Ferner ist zu berücksichtigen, daß die Schutzwürdigkeit seiner Interessen nicht alle Formen der zu seinem Schutz erfolgenden Behinderung rechtfertigen; es muß sich vielmehr um ein angemessenes und vertretbares Mittel der Interessenwahrung handeln. Randnummer13
Wie in dem Berufungsurteil zutreffend festgestellt worden ist, hat die Beklagte ein Interesse daran, die für sie arbeitenden Setzer zu halten und nicht durch eigene Mithilfe zum Ausscheiden zu veranlassen. Dieses an sich anzuerkennende Interesse der Beklagten ist insbesondere deshalb betroffen, weil das Stellengesuch der Klägerin bei einem Abdruck in der Zeitung der Beklagten in der betreffenden Druckerei bekannt wird und bei einem etwaigen Ausscheiden eines Setzers wegen der Mangelsituation in diesem Beruf schwer ein Ersatz zu finden ist. Randnummer14
Das Berufungsgericht hat jedoch zu einseitig auf diese Belange der Beklagten abgestellt und dabei verkannt, daß sich die Schutzwürdigkeit dieser Interessen nicht isoliert beurteilen läßt. Vielmehr ist ihnen die Beeinträchtigung des Interesses der Klägerin an einem freien Wettbewerb um die für die Beklagte arbeitenden Setzer gegenüberzustellen. Ferner ist die Schutzwürdigkeit des von der Beklagten zur Interessenwahrung gewählten Mittels zu prüfen. Randnummer15
Wie oben ausgeführt, besitzt die Beklagte als in ihrem Verbreitungsgebiet einzige regionale Zeitung auf dem betreffenden Stellenanzeigenmarkt eine monopolartige Stellung. Demzufolge wird die Klägerin durch die an den Abdruck der Anzeige geknüpfte Bedingung, die für die Beklagte tätigen Setzer nur mit deren Zustimmung einzustellen, von dem freien Wettbewerb um diese Gruppe von Setzern ausgeschlossen; denn andere brauchbare Mittel zur Anwerbung von Setzern sind nicht vorgetragen worden. Auch das Berufungsgericht, das die Klägerin auf einen „anderen Weg“ beim Werben um diese Setzer verweist, hat nicht dargelegt, welche Wege hierfür in Betracht kommen. Gegenüber dieser Auswirkung des Monopols der Beklagten geht das berechtigte Interesse der Klägerin an dem Wettbewerb um diese Setzer vor. Randnummer16
Bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen ist zu Ungunsten der Beklagten weiterhin zu berücksichtigen, daß sie zur Wahrung ihrer Interessen ein rechtlich mißbilligtes Mittel eingesetzt hat. Die von ihr verlangte Verpflichtung, die für sie tätigen Setzer nur mit ihrer Zustimmung einzustellen, stellt eine Sperrabrede unter Arbeitgebern dar, die, wie sich insbesondere aus § 75 f HGB ergibt, rechtlich nicht schutzwürdig ist. Nach dieser für Handlungsgehilfen aufgestellten Bestimmung, die auf vergleichbare nichtkaufmännische Arbeitnehmer entsprechend anzuwenden ist (vgl. BGH BB 1974, 1025 f), können von einer solchen Sperrabrede beide Teile frei zurücktreten; ferner findet aus einer solchen Vereinbarung weder Klage noch Einrede statt. Hierin liegt eine Wertentscheidung des Gesetzgebers dahin, daß das Interesse des Arbeitgebers, sich vor der Abwanderung seiner Arbeitnehmer zu schützen, gegenüber dem verfassungsrechtlich garantierten Recht des Arbeitnehmers auf freie Wahl seines Arbeitsplatzes zurückzutreten hat. Diese Wertung gilt auch im Rahmen des Wettbewerbsrechts. Eine derartige Interessenwahrung, die in die Arbeitsvertragsfreiheit Dritter eingreift, ist auch im Rahmen des § 26 Abs. 2 GWB nicht schutzwürdig. Randnummer17
Dies bedeutet nicht, daß die Beklagte der Werbewirkung der streitigen Stellenanzeige schutzlos ausgeliefert wäre. Vielmehr können die für sie tätigen Druckereien mit den Mitteln des freien Wettbewerbs versuchen, ihre Setzer zu halten. Dieses Ergebnis entspricht auch der Zielsetzung des Gesetzes wegen Wettbewerbsbeschränkungen, die Freiheit des Wettbewerbs zu schützen, während die Auffassung des Berufungsgerichts den Ausschluß des Wettbewerbs um eine Gruppe von Arbeitskräften zur Folge hätte. Randnummer18
Insgesamt liegt daher in der Verweigerung des bedingungsfreien Abdrucks einer Stellenanzeige für einen Setzer eine unbillige Behinderung gemäß § 26 Abs. 2 Satz 1 GWB, die nach § 35 Abs. 1 GWB zum Schadensersatz verpflichtet. Der Schadensersatz ist durch den bedingungsfreien Abdruck der Anzeige betreffend einen Setzer zu leisten. Randnummer19
2. Der Hauptantrag der Klägerin, der darüber hinaus auf den Abdruck einer kombinierten Stellenanzeige für einen Setzer, einen graphischen Zeichner und einen Druckereigehilfen zielt, hat keinen Erfolg. Hinsichtlich des Zeichners und des Druckereigehilfen ist die Weigerung der Beklagten nicht unbillig im Sinne von § 26 Abs. 2 GWB. Wie die Klägerin selbst vorgetragen hat, sucht sie in Wirklichkeit nur einen Setzer, jedoch keinen Zeichner und keinen Druckereigehilfen. Sie will diese Stellen nur deshalb mit aufführen, um ihrem Gesuch für einen Setzer mehr Werbekraft zu geben. An dem Abdruck einer solchen Anzeige, die mit einem vorgetäuschten Stellenbedarf aufgefüllt ist, besteht jedoch kein von der Rechtsordnung zu schützendes Interesse. Insoweit war daher die Revision zurückzuweisen. Randnummer20
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO.
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Schlagworte: Abwerbeverbot, Mandantenschutzklausel, Sperrabrede, Wettbewerbsverbot