Einträge nach Montat filtern

LG Heidelberg, Urteil vom 02.02.2023 – 7 S 1/122

Vermögenswert Genossenschaft

§ 1 S 1 InsO, § 199 S 2 InsO, § 22 Abs 4 S 1 GenG          

Der Insolvenzverwalter darf nur Forderungen einziehen, soweit dies zur Befriedigung der Gläubiger der Insolvenzschuldnerin erforderlich ist. Dem Insolvenzverwalter steht hingegen keine Einziehungsbefugnis zur Durchführung des Innenausgleichs unter den Genossen zu (Anschluss BGH, Urteil vom 15. Dezember 2020 – II ZR 108/19).

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Heidelberg vom 23.09.2022 (Az. 22 C 368/21) aufgehoben und die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten beider Instanzen einschließlich der Kosten der Streithelferin trägt der Kläger.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Der als Insolvenzverwalter über das Vermögen der G. Wohnbaugenossenschaft eG (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin) bestellte (Beschluss des Amtsgerichts Ludwigsburg vom 18.10.2018, Az. 2 IN 250118) Kläger nimmt den Beklagten auf Zahlung von übernommenen Genossenschaftsanteilen in Anspruch.Randnummer2

Die Insolvenzschuldnerin firmierte früher als ”G.t. Wohnbaugenossenschaft eG“.Randnummer3

In der Satzung der Insolvenzschuldnerin (Stand: 22.06.2015, Anl. K1; im Urteil des AG fälschlich.: 21.11.2013) finden sich unter anderem folgende Regelungen:Randnummer4

§ 2 Zweck und GegenstandRandnummer5

(1) Zweck der Genossenschaft ist die wirtschaftliche Förderung und Betreuung der Mitglieder. Die Genossenschaft hat insbesondere das Ziel, ihre Mitglieder mit dauerhaft bezahlbarem Wohnraum zu versorgen. …Randnummer6

§ 33 Geschäftsanteil und GeschäftsguthabenRandnummer7

(1) Der Geschäftsanteil beträgt 100,00 Euro. Die Genossenschaft erhebt ein Eintrittsgeld und/oder eine Abschlussgebühr, dessen Höhe der Vorstand in den jeweils gültigen Allgemeinen Geschäftsbedingungen und den jeweils anzuwendenden Allgemeinen Tarifbestimmungen festlegt.Randnummer8

(2) Für die Mitgliedschaft ist jedes Mitglied verpflichtet, einen Geschäftsanteil zu übernehmen. Dieser Anteil ist ein Pflichtanteil. Jeder Pflichtanteil ist sofort einzuzahlen. Jedes Mitglied, dem eine Wohnung oder ein Eigenheim überlassen werden soll, hat einen angemessenen Betrag zur Aufbringung der Eigenleistung durch Übernahme weiterer Geschäftsanteile zu übernehmen. Die Mitgliedschaft berechtigt zur Teilnahme an dem Optionskaufkonzept. Die Details sind in den „Allgemeinen Geschäftsbedingungen“ und in den „Allgemeinen Tarifbestimmungen“ in der jeweils für den einschlägigen Tarif gültigen Fassung geregelt. Der Vorstand kann Ratenzahlungen zulassen.Randnummer9

(3) Über den Pflichtanteil gemäß Abs. 2 hinaus können die Mitglieder weitere Anteile übernehmen, wenn die vorhergehenden Anteile bis auf den zuletzt übernommenen voll eingezahlt sind und der Vorstand die Übernahme zugelassen hat. Sie sind innerhalb von 300 Monatsraten in gleichbleibenden Teilbeträgen einzuzahlen. Die Einzahlung kann jedoch auch sofort in voller Höhe oder in höheren Teilbeträgen geleistet werden.Randnummer10

Mit Beitrittserklärung vom 04.08.2015 (Anl. K2) trat der Beklagte der Insolvenzschuldnerin als Genosse bei und übernahm einen „Pflichtanteil zur Begründung der Mitgliedschaft“ in Höhe von 100,00 € und 99 weitere Geschäftsanteile zu je ebenfalls 100,00 €.Randnummer11

Mit der auf einem separaten Blatt enthaltenen „G.R.Tarif Tariferklärung“ (Anl. K3; im erstinstanzlichen Urteil fälschlich: „G.B.Tarif Tariferklärung“) verpflichtete sich der Beklagte am 04.08.2015, eine „Soforteinlage“ in Höhe von 4.371,00 € zu leisten; der restliche Betrag in Höhe von 5.629,00 € sollte über 225 Monate (= knapp 19 Jahre) mit einem monatlichen „Stundungsbetrag“ von 25,00 € gestundet werden.Randnummer12

In Bezug auf die weiteren Einzelheiten der Beitrittserklärung sowie der Tariferklärung des Beklagten wird auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils sowie die Anlagen verwiesen.Randnummer13

Der Beklagte entrichtete auf seinen Beitritt hin einen Betrag in Höhe von 7.468,66 €, der entsprechend den G.-AGB unter Abschnitt B Nr. 3 zunächst auf den sofort fälligen Pflichtanteil in Höhe von 100,00 €, danach auf die Abschlussgebühr in Höhe von 1.829,00 € und schließlich in Höhe von 5.539,66 € auf die weiteren, freiwillig übernommenen Anteile verrechnet wurde.Randnummer14

Mit der Klage macht der Kläger die noch verbliebene Einlagenzahlung in Höhe von 4.360,34 € geltend, die sich aus der Differenz zwischen der gesamten Einlagenverpflichtung von 10.000,00 € und den bereits geleisteten Einlagen (Pflichtanteil: 100,00 € + Zahlung auf freiwillig übernommene Anteile: 5.539,66 €) ergibt.Randnummer15

Mit vorgerichtlichem Schreiben vom 13.08.2020 forderte der Kläger den Beklagten erfolglos zur Zahlung des noch ausstehenden Betrags in Höhe von 4.360,34 € auf.Randnummer16

Die Streitverkündungsschrift des Beklagten wurde der Streithelferin am 19.01.2022 zugestellt. Sie ist dem Streit mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 14.02.2022 auf Beklagtenseite beigetreten.Randnummer17

Wegen des erstinstanzlichen Vorbringens und der insoweit gestellten Anträge der Parteien wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.Randnummer18

Das Amtsgericht hat den Beklagten mit Urteil vom 23.09.2022 (Az. 22 C 368/21) zur Zahlung von 4.360,34 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 15.12.2021 an den Kläger verurteilt.Randnummer19

Der Kläger habe gegen den Beklagten Anspruch auf Zahlung von 4.360,34 € aus der Beitrittserklärung vom 04.08.2015 i.V.m. §§ 12 Abs. 1 lit. B, 33 Abs. 2 der Satzung der Insolvenzschuldnerin.Randnummer20

Der geltend gemachte Betrag sei bereits mit dem Beitritt in voller Höhe fällig gewesen, da Stundungsabrede und Ratenzahlungsvereinbarung wegen Verstoßes gegen § 15b Abs. 2 GenG nichtig seien. Eine Ausnahme von der Volleinzahlungspflicht liege nicht vor. Diese bestehe nur bei Pflichtbeteiligungen; um solche gehe es jedoch nicht. Die Beitritts- und Ratenzahlungsvereinbarung könne nicht dahingehend ausgelegt werden, dass die Anteile entsprechend dem Zahlungsfortschritt nur sukzessive hätten übertragen werden sollen.Randnummer21

Die Nichtigkeit der Stundungs- und Ratenzahlungsvereinbarung führe nicht dazu, dass der Beklagte von der Verpflichtung zur Einzahlung der Anteile entbunden wäre.Randnummer22

Ob gemäß § 139 BGB auch eine Gesamtnichtigkeit des Genossenschaftsbeitritts vorliege, könne dahinstehen, denn selbst bei einem unwirksamen Beitritt wäre der Beklagte nach den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft zu vollständigen Zahlung der Einlage verpflichtet. Denn der vollzogene Beitritt zu einer Genossenschaft sei bis zur Geltendmachung des Fehlers wirksam. Vorliegend sei der Beitritt durch Zahlung der 7.468,66 € bereits in Vollzug gesetzt.Randnummer23

Gründe, die der Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft entgegenstünden, seien nicht ersichtlich. Der Zweck der Insolvenzschuldnerin sei weder nach § 138 BGB sittenwidrig noch verstoße er gegen ein gesetzliches Verbot nach § 134 BGB. Der Gesellschaftszweck verstoße auch nicht gegen § 15b Abs. 2 GenG.Randnummer24

Die Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft verstoße nicht gegen Treu und Glauben gem. § 242 BGB. Das mögliche Vertrauen des Beklagten, allenfalls zur Ratenzahlung verpflichtet zu sein, sei im Ergebnis nicht schutzwürdiger als die Belange Dritter als auf den Bestand der Gesellschaft Vertrauender. Nach der Rechtsprechung des BGH gälten die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft selbst dann, wenn der Gesellschafter/Genosse aufgrund arglistiger Täuschung zum Beitritt veranlasst worden sei.Randnummer25

Der vom Beklagten erhobene dolo-agit-Einwand greife nicht. Der Kläger sei als Insolvenzverwalter verpflichtet, rückständige und fällige Einlagen geltend zu machen. Im eröffneten Insolvenzverfahren bestehe der Anscheinsbeweis für eine Unterdeckung. Gemäß § 22 Abs. 4 GenG gelte das Erlassverbot. Diese Grundsätze gälten auch in der Insolvenz.Randnummer26

Schließlich könne sich der Beklagte, da die Stundungsvereinbarung ausdrücklich Vertragsinhalt gewesen sei, nicht auf den Wegfall der GeschäftsgrundlageBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Geschäftsgrundlage
Wegfall der Geschäftsgrundlage
berufen. Die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung greife nicht, weil die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft auch bei arglistiger Täuschung gälten.Randnummer27

Gegen das dem Beklagtenvertreter am 28.09.2022 zugestellte Urteil hat der Beklagte mit am 27.10.2022 beim Landgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 27.11.2022 eingegangenem Schriftsatz begründet.Randnummer28

Der Beklagte vertritt die Auffassung, es fehle bereits an einem Vertragsschluss. Dass die Beitrittserklärung des Beklagten in der erforderlichen Schriftform binnen einer Frist von vier Wochen gemäß § 147 Abs. 2 BGB der Insolvenzschuldnerin im Original zugesendet und auch angenommen worden sei, sei weder dargelegt noch ersichtlich. Die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft seien daher hier nicht anzuwenden.Randnummer29

Zu Unrecht gehe das erstinstanzliche Gericht davon aus, dass die Beitrittserklärung des Beklagten wegen der vereinbarten Stundung und Ratenzahlung insgesamt gemäß §§ 134, 139 BGB wegen Verstoßes gegen § 15b Abs. 2 GenG unwirksam sei. Diese Vorschrift stelle kein Verbotsgesetz dar. Selbst wenn man dies aber bejahte, richte sich dieses ausschließlich gegen den Vorstand, sei somit einseitig und damit wirksam. Soweit davon auszugehen sei, dass der Vorstand den Beklagten konkludent durch die Entgegennahme der Zahlungen und Versendung der Benachrichtigung i.S.d. § 15 Abs. 3 S. 2 i.V.m. § 15 Abs. 2 S. 1 GenG zugelassen habe, gelte für die Zahlungsweise der weiteren Einlagen § 50 GenG, wonach dies – wie hier – durch Satzungsbestimmung festgelegt werden könne. Auf die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft/des fehlerhaften Beitritts komme es daher nicht an.Randnummer30

Durch Zeichnung der Beitrittserklärung habe noch keine vollständige Übernahme der insgesamt 100 Anteile stattgefunden. Bei interessengerechter und gesetzeskonformer Auslegung der Beitrittserklärung habe der Beklagte jedenfalls nicht mehr als die bereits eingezahlten Geschäftsanteile übernommen.Randnummer31

Schließlich verstoße die Klageforderung gegen den Grundsatz dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est, wenn es dem Kläger lediglich um die Einnahme von jenem Kapital gehe, welches er dem Beklagten im Rahmen eines Innenausgleiches später jedenfalls teilweise wieder auskehren müsse. Der Insolvenzverwalter sei nicht für den Innenausgleich zwischen den Genossen zuständig. Der Kläger habe weiteren Kapitalbedarf zur Befriedigung von Gläubigern, die keine Genossen seien, nicht vorgetragen.Randnummer32

Der Beklagte beantragt,Randnummer33

das am 23.09.2022 für Recht erkannte Urteil des Amtsgerichtes Heidelberg zum Aktenzeichen 22 C 368/21 zu ändern und die Klage abzuweisen.Randnummer34

Der Kläger beantragt,Randnummer35

die Berufung zurückzuweisen.Randnummer36

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil und führt ergänzend aus, mit seinem erstmaligen Bestreiten des Zugangs im Original von Beitritts- und Tariferklärung in der Berufungsinstanz sei der Beklagte präkludiert. Im Ergebnis komme es auf einen wirksamen Vertragsschluss aufgrund der faktischen Invollzugsetzung gar nicht an.Randnummer37

§ 15b Abs. 2 GenG sei ein Verbotsgesetz im Sinne eines Zulassungsverbotes; aus § 15b Abs. 3 GenG ergebe sich die Wirksamkeit der Beteiligung trotz Verstoßes mit Zulassung durch den Vorstand. Der Genossenschaftsbeitritt sei vor dem Hintergrund der Invollzugsetzung wirksam, sei es über die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft oder über § 15b Abs. 3 GenG. Nur die Stundungsvereinbarung verstoße gegen § 15b Abs. 2 GenG und sei damit gemäß § 134 BGB nichtig. Der Beitritt seinerseits sei aufgrund des Einheitlichkeitswillens gemäß § 139 BGB nichtig, sodass die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft gälten.Randnummer38

Die Stundungsabrede verstoße gegen § 15b Abs. 2 GenG. Die Satzungsgrundlage, auf die es bei der Auslegung ankomme, sei wegen Verstoßes gegen § 15b Abs. 2 GenG gemäß § 241 Nr. 3 AktG analog nichtig. Ohne Satzungsgrundlage seien weitere Anteile betreffende Ratenzahlungsvereinbarungen ohnehin unwirksam. Ein sukzessiver Erwerb ergebe die Auslegung der SatzungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Auslegung
Auslegung der Satzung
Satzung
nicht.Randnummer39

Der Kläger sei auch berechtigt, die Einlageschuld geltend zu machen. Eine Überdeckung liege nicht vor; auf eine solche komme es auch nicht an. Die Zahlungsverpflichtung ergebe sich aus §§ 15, 15b GenG i.V.m. dem Beitrittsvertrag und den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft. Der Kläger verlange die Kapitalaufbringungspflicht als Insolvenzverwalter, um die Insolvenzforderungen quotal befriedigen zu können; um einen Innenausgleich unter den Gesellschaftern gehe es nicht. Der Kläger müsse auch nicht das Eingeforderte wieder an den Beklagten zurückzahlen. Gläubiger festgestellter Forderungen hätten einen Anspruch gegenüber der Masse und die Masse sei nicht die Einlagenverpflichtung. Im Übrigen sei Verfahrensziel des Insolvenzverfahrens auch die Vollabwicklung der Genossenschaft, wenn – wie hier – eine Sanierung nicht gelinge. Dem Beklagten obliege die Darlegungs- und Beweislast bezüglich der Frage, ob die Insolvenzmasse ausreiche, um die angemeldeten Forderungen zu erfüllen. Der Kläger habe mittels Tabellenauszugs hinreichend dargelegt, dass die Einnahmen nicht ausreichten, um die Forderungen zu befriedigen.Randnummer40

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Beklagten führt zu Aufhebung des angefochtenen Urteils und Abweisung der Klage.

I.

Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch aus dessen Beitrittserklärung vom 04.08.2015 in Verbindung mit §§ 12 Abs. 1 lit. b, 33 Abs. 2 der Satzung der Insolvenzschuldnerin auf Zahlung rückständiger Genossenschaftsbeiträge in Höhe von 4.360,34 €.Randnummer43

Denn – unabhängig vom Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs – scheitert die Begründetheit der Klage daran, dass nicht festgestellt werden kann, dass der Kläger berechtigt ist, die gegen den Beklagten gerichtete Forderung geltend zu machen. Der zwar grundsätzlich zur Geltendmachung ausstehender Geschäftsanteile befugte (1.) Kläger hat die Erforderlichkeit der Einziehung der streitgegenständlichen Forderung zur Befriedigung der Gläubiger der Insolvenzschuldnerin (2.) nicht ausreichend dargelegt (3.).Randnummer44

1. Zwar ist der Kläger als Insolvenzverwalter im Grundsatz berechtigt, fällige, rückständige Beiträge der Genossen einzufordern. Denn mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht gemäß § 80 Abs. 1 InsO das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über. Rückständige Beiträge fallen als Sozialansprüche in die Insolvenzmasse, bilden dort einen Aktivposten und müssen grundsätzlich noch geleistet werden (vgl. zur Genossenschaft: BGH, Beschluss vom 16. März 2009 – II ZR 138/08 –, juris, Rn. 17; RGZ 135, 55, 60f.; RGZ 141, 230, 232; Pöhlmann/Fandrich/Bloehs/Fandrich, 4. Aufl. 2012, GenG § 101 Rn. 2; zur BGB-Gesellschaft: Sprau, in: Grüneberg, BGB, 82. Aufl. 2023, § 728, Rn. 1).Randnummer45

2. Der Kläger darf als Insolvenzverwalter jedoch nur Forderungen einziehen, soweit dies zur Befriedigung der Gläubiger der Insolvenzschuldnerin erforderlich ist. Dem Insolvenzverwalter steht hingegen keine Einziehungsbefugnis zur Durchführung des Innenausgleichs unter den Gesellschaftern zu.Randnummer46

a) Hauptzweck des Insolvenzverfahrens ist die gemeinschaftliche Gläubigerbefriedigung. Nach § 1 S. 1 InsO dient das Insolvenzverfahren vorrangig dazu, die Gläubiger des Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem dessen Vermögen verwertet und der Erlös verteilt wird. Die Entstehungsgeschichte von § 1 InsO offenbart, dass der ursprünglich im Regierungsentwurf vorgesehene weitere Zweck des Verfahrens, bei juristischen Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit an die Stelle der gesellschafts- oder organisationsrechtlichen Abwicklung zu treten (vgl. § 1 Abs. 2 S. InsO-E, BT-DS 12/2443, S. 10, 109), der redaktionellen Straffung und der Rückführung auf ihre wesentlichen Elemente wegen gestrichen wurde (vgl. BT-DS 12/7302, S. 155). Aus der in § 199 S. 2 InsO geregelten Ermächtigung des Verwalters, einen nach der Schlussverteilung etwa verbleibenden Überschuss an die Gesellschafter zu verteilen, folgt keine darüberhinausgehende Befugnis oder gar Verpflichtung, durch Einziehung von Ausgleichsbeträgen auch den Innenausgleich der Gesellschafter herbeizuführen (BGH, Urteil vom 15.12.2020 – Az. II ZR 108/19 -, juris, Rn. 72 ff.). Diese Vorschrift setzt voraus, dass bei der Schlussverteilung ein Überschuss bleibt, und regelt nur dessen Verteilung. Sie besagt hingegen nichts darüber, ob und gegebenenfalls wie ein solcher Überschuss zustande kommt (BGH, Urteil vom 5. Juli 2001 – IX ZR 327/99 –, BGHZ 148, 252-261, Rn. 21; Meller-Hannich in: Jaeger: Kommentar zur Insolvenzordnung, § 199 Überschuss bei der Schlussverteilung, Rn. 3).Randnummer47

Vielmehr verdeutlicht die Gesetz gewordene Fassung des § 1 InsO im Zusammenhang mit ihrer Entstehungsgeschichte, dass die Abwicklung der juristischen Person jedenfalls dann dem als „wesentlich“ hervorgehobenen gesetzlichen Hauptzweck des Gesamtvollstreckungs- oder Insolvenzverfahrens untergeordnet ist, wenn sie die Gläubigerbefriedigung verkürzen würde (BGH, Urteil vom 5. Juli 2001 – IX ZR 327/99 –, BGHZ 148, 252-261, Rn. 20). Dies ist im Falle der Durchsetzung von Ausgleichsansprüchen zum Zwecke des Innenausgleichs durch den Insolvenzverwalter der Fall. Sie würde zu einer zusätzlichen Schmälerung der Verteilungsmasse und damit zu einer Finanzierung des – im Gesellschafterinteresse erfolgenden – Innenausgleichs zu Lasten der Masse und damit der Gläubiger führen. Dies widerspräche aber wiederum dem nach der gesetzlichen Zielsetzung vorrangigen Zweck der Gläubigerbefriedigung (BGH, Urteil vom 15.12.2020 – Az. II ZR 108/19 -, juris, Rn. 76).Randnummer48

b) Bei der Beschränkung der Befugnis des Insolvenzverwalters auf die Einziehung von zur Gläubigerbefriedigung notwendiger Ansprüche handelt es sich um einen allgemeinen Grundsatz des Insolvenzverfahrens (so zur Genossenschaft: Gehrlein, WM 2022, 2249, 2250; zur GmbH: BGH, Urteil vom 15. Oktober 2007 – II ZR 216/06 –, Rn. 13, juris; zur KG: BGH, Urteil vom 15.12.2020 – Az. II ZR 108/19 -, juris, Rn. 63 ff.; BGH, NJW 1981, 2251, 2252; OLG DresdenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Dresden
, Urteil vom 27.06.2019 – 8 U 2001/18 -, ZIP 2019, 2173, 2174; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 7. September 2016 – 9 U 9/16 –, Rn. 32, juris). Dementsprechend lesen sich die Ausführungen des BGH in der Entscheidung vom 15.12.2020 (a.a.O.) auch nicht als auf die Spezifika der KG, der Außenhaftung sowie des Innenausgleichs der Kommanditisten beschränkt (a.A. OLG BrandenburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Brandenburg
, Beschluss vom 17.05.2022 – 7 U 68/21 -, n.v., Anl. K59; OLG CelleBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Celle
, Beschluss vom 28.11.2011 – 9 U 70/22 -, n.v., Anl. K70; OLG Thüringen, Beschluss vom 10.01.2023 – 2 U 302/22 -, Anl. K71). Vielmehr setzt sich der BGH – entsprechend der von ihm zitierten Literatur (vgl. etwa MüKoInsO/Ganter/Bruns, 4. Aufl. 2019, InsO § 1) mit insolvenzrechtlichen Erwägungen auseinander, die allgemein Stellung und Aufgabe des Insolvenzverwalters sowie Bedeutung des Insolvenzverfahrens betreffen (dem BGH zustimmend aus der insolvenzrechtlichen Kommentarliteratur etwa: BeckOK InsR/Nicht, 29. Ed. 15.7.2022, InsO § 199 Rn. 3).Randnummer49

c) Etwaige Besonderheiten des Genossenschaftsrechts rechtfertigen keine andere Beurteilung.Randnummer50

1) Soweit der Kläger das Erlassverbot gemäß § 22 Abs. 4 S. 1 GenG heranzieht, wonach eine geschuldete Einzahlung auf das Geschäftsguthaben nicht erlassen werden darf, richtet sich dieses zwar im Grundsatz auch an den Insolvenzverwalter, der im Rahmen seiner Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nicht anders als die Organe der Genossenschaft grundsätzlich (zu Ausnahmen: vgl. Pöhlmann/Fandrich/Bloehs/Pöhlmann, 4. Aufl. 2012, GenG § 22 Rn. 11) nicht befugt wäre, einem Genossen die Einzahlung auf das Geschäftsguthaben zu erlassen. Daraus ist indessen keine von den allgemeinen insolvenzrechtlichen Regelungen abweichende Verpflichtung des Insolvenzverwalters abzuleiten, die Einlageverpflichtung unabhängig von seiner Einziehungsbefugnis geltend zu machen, zumal eine Nichtgeltendmachung auch keinen Erlass darstellte. Dies wird besonders deutlich, wenn man sich den – auch von Klägerseite zutreffend betonten – Zweck des § 22 Abs. 4 S. 1 GenG vor Augen führt. Dabei handelt es sich nämlich um eine der zentralen Vorschriften zum Schutz der Geschäftsguthaben als Teil des den Genossenschaftsgläubigern zur Verfügung stehenden Haftungsfonds der Genossenschaft, gerade weil bei dieser im Gegensatz zu Kapitalgesellschaften kein gesetzliches Mindestkapital vorgeschrieben ist (Henssler/Strohn GesR/Geibel, 5. Aufl. 2021, GenG § 22 Rn. 7, § 8a Rn. 1; Pöhlmann/Fandrich/Bloehs/Fandrich, 4. Aufl. 2012, GenG § 8a Rn. 1, § 22, Rn. 7). Stellt die Vorschrift damit eine Gläubigerschutzvorschrift zur Erhaltung der Haftmasse dar, ist unter Verweis darauf eine Abweichung vom Grundsatz der fehlenden Einziehungsbefugnis des Insolvenzverwalters zur Durchführung des Innenausgleichs gerade im Genossenschaftsrecht kaum zu stützen.Randnummer51

2) Stichhaltige Gründe dafür, dass das Insolvenzverfahren gerade im Genossenschaftsrecht – falls nicht die Sanierung gelingt – auf eine Vollabwicklung gerichtet sei (so aber OLG BrandenburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Brandenburg
, Beschluss vom 17.05.2022 – 7 U 68/21 -, Anl. K59; OLG Thüringen, Beschluss vom 10.01.2023 – 2 U 302/22 -, Anl. K71; einschränkend Pöhlmann/Fandrich/Bloehs/Fandrich, 4. Aufl. 2012, GenG § 101 Rn. 1), bestehen nicht. Denn dem Genossenschaftsrecht sind keine Besonderheiten zu entnehmen, die es rechtfertigten, dem Insolvenzverfahren eine weitergehende Funktion als bei anderen Gesellschaftsformen zuzuschreiben. Selbst in Fällen der Insolvenz einer Publikumsgesellschaft, bei der der Ausgleich unter den Gesellschaftern angesichts der Vielzahl von untereinander nicht persönlich verbundenen Gesellschaftern ohne eine hierzu berufene Person nicht gewährleistet, zumindest aber in unzumutbarer Weise erschwert sein dürfte, ist es nicht Aufgabe des Insolvenzverwalters, diesen vorzunehmen. Stattdessen kann diese Aufgabe gleichermaßen durch einen von den Gesellschaftern nach Abschluss des Insolvenzverfahrens bestellten Liquidator erfüllt werden (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2020 – II ZR 108/19 –, BGHZ 228, 28-56, Rn. 70, 78; vgl. insoweit bereits auch BGH, 1981, 2251 a.E.). So liegt der Fall auch bei der Genossenschaft. Deshalb vermag der in der mündlichen Verhandlung sinngemäß vorgebrachte Einwand des Klägervertreters, dass es, verwehrte man ihm die vollständige Einziehung aller rückständiger Geschäftsanteile, dem Zufall überlassen wäre, welche der Genossen zur Befriedigung der Gläubigerforderungen in Anspruch genommen würden, was letztlich auf eine ungleiche Behandlung der Genossen hinauslaufen würde, zu keinem anderen Ergebnis zu führen. Denn die selektive Inanspruchnahme ist innerhalb der sich der Befriedigung der (echten) Gläubigerforderungen ggfs. anschließenden Liquidation und der Auseinandersetzung zwischen den Genossen zu berücksichtigen (vgl. – zu einer vergleichbaren Erwägung im Zusammenhang mit der Erstattung der Nachschusszahlungen nach § 87a Abs. 2 GenG – Henssler/Strohn GesR/Geibel, 5. Aufl. 2021, GenG § 91 Rn. 2 sowie – zum Ausgleich ggfs. fehlerhafter Verteilungen zw. Mitglieder der LPG in der letzten Liquidationsphase durch § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. GenGBGH, Beschluss vom 23. November 2007 – BLw 4/07 –, Rn. 24, juris). Es spricht nichts dagegen, nach Abschluss des Insolvenzverfahrens noch vorhandenes überschüssiges Vermögen im Wege der Abwicklung nach §§ 78 ff. GenG zu verteilen und die eG als Liquidationsgesellschaft fortbestehen zu lassen, um eine der Satzung entsprechende Verteilung zu sichern (Pöhlmann/Fandrich/Bloehs/Fandrich, 4. Aufl. 2012, GenG § 101 Rn. 1). Aufgabe des Liquidators ist es gemäß § 88 S. 1 GenG unter anderem, Forderungen gegen Mitglieder einzuziehen (vgl. Pöhlmann/Fandrich/Bloehs/Fandrich, 4. Aufl. 2012, GenG § 88 Rn. 4). Hingegen ist es nicht Aufgabe des Insolvenzverwalters, für eine gleichmäßige Heranziehung der Genossen zu sorgen (Gehrlein, WM 2022, 2249, 2253 f.).Randnummer52

3. Der Vortrag des darlegungsbelasteten Klägers (a)) lässt nicht erkennen, ob die Einziehung des gegenüber der Beklagten geltend gemachten Anspruchs zur Befriedigung von zu berücksichtigenden angemeldeten Gläubigerforderungen erforderlich ist (b)).Randnummer53

a) Der Kläger trägt jedenfalls die sekundäre Darlegungslast für seinen Kapitalbedarf.Randnummer54

Offenbleiben kann, ob der Insolvenzverwalter nicht sogar von vornherein die Beweislast für seinen Kapitalbedarf trägt (vgl. dazu BGH, Urteil vom 09.02.2021 II ZR 28/20 -, juris Rn. 14), wobei ihm unter Umständen ein Anscheinsbeweis dafür zugute kommen könnte, dass in dem eröffneten Verfahren die Insolvenzmasse nicht ausreicht, um alle Gläubigeransprüche zu befriedigen (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Februar 2020 – IX ZR 5/19 –, juris, Rn. 4). Denn vorliegend wäre der Anscheinsbeweis erschüttert, weil feststeht, dass der Kläger Forderungen in der Tabelle berücksichtigt, die keine Insolvenzforderungen im Sinne des § 38 InsO darstellen (vgl. unten b) 2)).Randnummer55

Selbst wenn aber den Beklagten die Darlegungs- und Beweislast träfe, hat der Kläger die insoweit bedeutsamen Verhältnisse darzulegen, soweit nur er dazu imstande ist (vgl. BGH, Urteil vom 30.01.2018 – II ZR 95/16 – juris, Rn. 59 zum Liquidator; BGH, Urteil vom 3. Juli 1978 – II ZR 54/77, WM 1978, 898; Urteil vom 5. November 1979 – II ZR 145/78, ZIP 1980, 192, 194).Randnummer56

b) Der Kläger ist vorliegend trotz Hinweises in der mündlichen Verhandlung vom 27.01.2023 seiner ihm obliegenden Darlegungslast nicht gerecht geworden. Vor dem Hintergrund seines Vortrags kann vorliegend nicht festgestellt werden, dass die Einziehung des gegen den Beklagten geltend gemachten Anspruchs zur Befriedigung der – nach dem oben Gesagten zu berücksichtigenden – Gläubiger erforderlich ist. Denn er berücksichtigt Forderungen in der Insolvenztabelle (1)), die keine Insolvenzforderungen sind (2)), ohne dies trennbar aufzuschlüsseln, obwohl nur er dazu imstande ist (3)).Randnummer57

1) Der Kläger hat erstinstanzlich mit Schriftsatz vom 10.03.2022 (S. 12) unter Vorlage einer teilweise geschwärzten Insolvenztabelle, aus der nicht einmal die Namen der Gläubiger zu entnehmen sind (vgl. Anl. K31), vorgetragen, es seien bislang 2382 Forderungen in Höhe von insgesamt 38.390.111,81 € im Rang des § 38 InsO zur Insolvenztabelle angemeldet. Die bisherigen Einnahmen beliefen sich auf rund 13,5 Mio. €, sodass – ohne Berücksichtigung der Ausgaben – eine Unterdeckung in Höhe von rund 25,0 Mio. € zu verzeichnen sei. Abgesehen davon, dass für die Beurteilung die Umstände zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung maßgeblich sind (BGH, Urteil vom 30. Januar 2018 – II ZR 95/16 –, BGHZ 217, 237-263, Rn. 59 – 60), steht der Kläger dabei – zu Unrecht (vgl. nachfolgend unter 2)) – auf dem Standpunkt, dass auch Auseinandersetzungs- und Schadensersatzansprüche bei Insolvenzeröffnung noch aktiver Genossen als Insolvenzforderungen im Sinne des § 38 InsO gälten, sodass sie in dem Gesamtbetrag der angemeldeten Forderungen – neben Forderungsanmeldungen von Nichtgenossen und Ansprüchen von vor Insolvenzeröffnung ausgeschiedenen Genossen – beinhaltet sind.Randnummer58

2) Im Insolvenzverfahren der eingetragenen Genossenschaft kann der Genosse weder sein Geschäftsguthaben noch einen etwaigen Schadenersatzanspruch wegen Verletzung der Aufklärungspflichten als Insolvenzgläubiger beanspruchen. Denn Mitgliedschaftsrechte der Teilhaber einer Gesellschaft begründen im Insolvenzverfahren über das Gesellschaftsvermögen keine Insolvenzforderungen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Januar 2022 – II ZR 199/20 –, Rn. 13, und Urteil vom 10. Oktober 2017 – II ZR 353/15 –, Rn. 24, jew. juris, zu Forderungen von Kommanditisten auf Auszahlung der Einlage/ Rückzahlung bereits zurückgezahlter Ausschüttungen). Die Einlagen der Gesellschafter bilden den Grundstock des Gesellschaftsvermögens und damit der den Gesellschaftsgläubigern im Insolvenzverfahren der Gesellschaft zugewiesenen Haftungsmasse. Der Gesellschafter oder Genosse bringt das den Gläubigern haftende Kapital mit auf. Mithin kann und darf gemäß § 90 GenG nur das nach Befriedigung aller, auch der nachrangigen Gläubiger verbleibende Vermögen der durch die Verfahrenseröffnung aufgelösten Gesellschaft an die Gesellschafter verteilt werden (vgl. Henckel in: Jaeger, Insolvenzordnung, 1. Aufl. 2004, § 38 Begriff der Insolvenzgläubiger, Rn. 31; MüKoInsO/Ehricke/Behme, 4. Aufl. 2019, InsO § 38, Rn. 63; BGH, Beschluss vom 30.06.2009 – IX ZA 21/09 -, Rn. 2 zu Aktionären). Nichts anderes gilt für etwaige Ansprüche auf Schadenersatz wegen Verletzung der AufklärungspflichtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Aufklärungspflicht
Verletzung der Aufklärungspflicht
im Zusammenhang mit dem Beitritt, sind sie doch in der Sache auf Rückzahlung geleisteter Einlagen gerichtet. Es wäre widersprüchlich, einerseits zum Schutz genossenschaftsfremder Gläubiger nach den Grundsätzen des fehlerhaften Beitritts zur Gesellschaft/Genossenschaft eine Beitragspflicht ungeachtet einer etwaigen Täuschung zu bejahen, andererseits aber in der Insolvenz darauf gestützte Schadenersatzansprüche von Genossen mit den Forderungen der außenstehenden Gläubiger gleichzustellen und damit zur Verkürzung von deren Haftungsmasse beizutragen. Dies würde dazu führen, dass die zum Schutz Dritter entwickelten Grundsätze der fehlerhaften, in Vollzug gesetzten Gesellschaft ausgehöhlt würden.Randnummer59

Lässt der Kläger solche Forderungen zu, zielt er letztlich darauf ab, auch den Innenausgleich zwischen den Genossen und damit die Vollabwicklung der Genossenschaft vorzunehmen. Gleichzeitig erschüttert er selbst einen etwaigen Anscheinsbeweis dafür, dass die Insolvenzmasse nicht ausreicht, um alle Gläubigeransprüche zu befriedigen.Randnummer60

3) Aus dem Vortrag des Klägers wird nicht ersichtlich, welchen Anteil die Forderungen ausmachen, die keine Insolvenzforderungen sind, und umgekehrt, in welcher Höhe Forderungen echter Insolvenzgläubiger bestehen. Die Höhe der einzelnen Kategorien der zur Insolvenztabelle angemeldeten Forderungen hat der Kläger anhand der Forderungsschreiben der Anspruchsteller vorzunehmen und darzulegen, denn dem Beklagten ist es selbst bei Einsichtnahme in die Insolvenztabelle nicht möglich, die erforderliche Differenzierung sachgerecht vorzunehmen und die Auseinandersetzungs- und Schadenersatzansprüche der bei Insolvenzeröffnung noch aktiven Genossen auszusondern.

II.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1 und 2, 709 S. 2 ZPO.Randnummer62

2. Die Revision wird zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO). Mit der vorliegenden Entscheidung weicht das Gericht in entscheidungserheblicher Weise bezüglich der Frage der Einziehungsbefugnis des Insolvenzverwalters in der Insolvenz der Genossenschaft von der Rechtsprechung mehrerer Oberlandesgerichte (vgl. etwa OLG KarlsruheBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Karlsruhe
, Urteil vom 21.11.2022, – 1 U 45/22 -, n.v.; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 7. Dezember 2022 – 4 U 61/22 –, Rn. 44, juris; OLG CelleBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Celle
, Beschluss vom 28.11.2011 – 9 U 70/22 -, n.v., Anl. K70) ab, die diese nicht an den Kapitalbedarf zur Befriedigung echter Insolvenzgläubiger knüpfen.

Löffler I www.K1.de I www.gesellschaftsrechtskanzlei.com I Gesellschaftsrecht I GmbH-Recht I Gesellschafterstreit I Erfurt I Thüringen I Sachsen I Sachsen-Anhalt I Hessen I Deutschland 2022

Schlagworte: Agrargenossenschaft, Genossenschaft, Genossenschaft Vermögenswert, Genossenschaftsanteil, Genossenschaftsrecht, Innenausgleich Genossen, Kauf von Agrargenossenschaft, Verkauf von Agrargenossenschaft