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BGH, Urteil vom 22. Juni 2021 – II ZR 225/20

AktG §§ 113, 114

Die §§ 113, 114 AktG betreffen auch den Fall, dass ein Unternehmen, dessen alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer ein Mitglied des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft ist, einen Vertrag zur Beratung in Angelegenheiten der Aktiengesellschaft nicht unmittelbar mit dieser, sondern mit einem Drittunternehmen schließt, welches seinerseits die Aktiengesellschaft berät.

Tenor

I. Auf die Revision der Klägerin wird der Beschluss des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 30. Juni 2020 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 19. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 18. Juli 2019 über die Abweisung des Klageantrags zu 5 hinaus zurückgewiesen wurde.

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 19. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 18. Juli 2019 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte zu 1 wird verurteilt, an die Klägerin 11.900 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27. Oktober 2017 zu zahlen.

2. Der Beklagte zu 2 wird verurteilt, an die Klägerin 3.369,90 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27. Oktober 2017 zu zahlen.

3. Die Beklagte zu 1 wird verurteilt, an die Klägerin 35.700 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27. Oktober 2017 zu zahlen.

4. Die Beklagte zu 1 wird verurteilt, an die Klägerin 13.387,50 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 4. November 2017 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die weitergehenden Rechtsmittel werden zurückgewiesen.

II. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagte zu 1 95 % und der Beklagte zu 2 5 % zu tragen.

III. Streitwert: bis zu 65.000 €

Von Rechts wegen

Tatbestand

Die Klägerin ist Vermögensverwalterin der P.               AG (im Folgenden: P.      ) und betreut diese bei Kapitalmaßnahmen. Die Beklagte zu 1 ist eine GmbH, die auf die Beratung bei Kapitalmarkttransaktionen spezialisiert ist. Der Beklagte zu 2 ist Geschäftsführer und alleiniger Gesellschafter der Beklagten zu 1 und Mitglied des Aufsichtsrats der P.     .

Am 22. Dezember 2014 schloss die Klägerin mit der Beklagten zu 1 eine als Beratungs-/Vermittlungsvertrag über die Erbringung von Kapitalmarktdienstleistungen überschriebene Vereinbarung (im Folgenden: Beratungsvertrag 2014). Darin ist unter anderem ausgeführt:

„(…) Zentrales Ziel des Beratungsvertrages ist es, dass D.     [Beklagte zu 1] P.     , als Subunternehmer von B.  [Klägerin], eine breitere Kapitalbasis, sei es über die öffentlichen Kapitalmärkte oder über Privatplatzierungen verschafft.

Vor diesem Hintergrund schließen die Parteien den folgenden Beratungsvertrag:

1. Vertragsgegenstand

D.    berät und begleitet B.   aktiv bei allen kapitalmarktrelevanten Aktivitäten für P.     , insbesondere bei der derzeit beabsichtigten Kapitalerhöhung im Rahmen der Listings der P.    -Aktien.

Insbesondere umfasst das Mandat folgende Bereiche:

1. Listing und Kapitalerhöhung bei P.

a) Positionierung von P.        als attraktiver Emittent im deutschsprachigen Kapitalmarkt

b) Beratung, Koordination und Durchführung von IR-PR Aktivitäten

c) Suche und Ansprache geeigneter Investoren/Finanzierungspartner sowie Vorstellung derselben

d) Begleitung der Investorengespräche nebst Pflege der Investorenkontakte

e) Koordination des angestrebten Listings/IPOs

f) Begleitung des Secondary-Markts

2. Projektfinanzierung

a) Beratung bei der Strukturierung des Beteiligungsmodells, insbesondere für die Investitionsprojekte „Erweiterung Werk S.             – Pi.     „,“Werk 11, Ö.     “ und „Werk Sl.      „

b) Suche und Ansprache geeigneter Investoren/Finanzierungspartner sowie Vorstellung derselben

c) Begleitung der Investorengespräche nebst Pflege der Investorenkontakte (…)

3. Vertragshonorar

D.   erhält ein pauschales monatliches Honorar i.H.v. EUR 2.500,00 zzgl. ges. UST. (…).

Für die unmittelbare Platzierung von Aktien, Anleihen und sonstigen Finanzierungsinstrumenten erhält D.    ein Erfolgshonorar i.H.v. 5 % des von ihr nachgewiesenen und eingeworbenen Kapitals zzgl. ges. UST.“

In der Folge vermittelte die Beklagte zu 1 Beratungstermine mit fünf Unternehmen. Für das Jahr 2015 zahlte die Klägerin an die Beklagte zu 1 ein Honorar in Höhe von insgesamt 35.700 € und für die Monate Januar bis Mai 2016 in Höhe von insgesamt 13.387,50 €. Mit Schreiben vom 24. Mai 2016 kündigte die Klägerin den Vertrag mit der Beklagten zu 1 fristlos.

Mit Schreiben vom 20. Juli 2016 unterbreitete der Vorstand der Klägerin dem Beklagten zu 2 als Geschäftsführer der Beklagten zu 1 folgendes Angebot:

„(…) um der P.     (…) die dringend erforderliche Einladung zur Hauptversammlung in Verbindung mit verschiedenen Kapitalmaßnahmen zur Übernahme von Unternehmen und Aktiva aus der Pelletsbranche zu ermöglichen, sind wir bereit, die von Ihnen geforderten EUR 14.300,00 (…) zu überweisen.

Im Gegenzuge verpflichten Sie sich mit Eingang des Betrages von EUR 11.900,- bei der D.   [Beklagte zu 1] sowie EUR 2.400,00 bei Ihnen persönlich (…) hiermit einschränkungslos und unwiderruflich

(i) auf erste Anforderung eines der beiden bei P.     ergänzten Mitglieder des Aufsichtsrats (…) an einer konstituierenden Sitzung des Aufsichtsrats (…) teilzunehmen und

(ii) an einer in derselben Sitzung durchzuführenden Bestellung des (…) zum Mitglied des Vorstands mitzuwirken und

(iii) an einer in derselben Sitzung durchzuführenden Einladung zur Hauptversammlung mitzuwirken, die wenigstens die in der Anlage dargestellten Tagesordnungspunkte enthalten soll sowie

(iv) nach erfolgten Beschlussfassungen zum Ende der Sitzung ihren Rücktritt als Aufsichtsrat der Gesellschaft mit sofortiger Wirkung zu erklären.

Mit der Durchführung der vorstehenden gegenseitigen Verpflichtungen erteilen sich die Parteien hiermit Generalquittung. Die Generalquittung ist aufschiebend bedingt durch den Nachweis von mindestens zehn ernsthaft interessierten Investoren seitens der D.    zu konkreten Beteiligungsverhandlungen mit P.      , die konkret daran interessiert sind, sich mit einem Gesamtbetrag von mind. EUR 2.000.000,00 an den bevorstehenden Kapitalerhöhungsmaßnahmen der P.      (…) zu beteiligen. (…)“

Der Beklagte zu 2 nahm das Angebot an. Die Klägerin überwies am 21. Juli 2016 die insgesamt 14.300 € an die Beklagten. Der Beklagte zu 2 wirkte in der Folge an den in der Vereinbarung (im Folgenden: Vereinbarung 2016) bezeichneten Aufsichtsratsbeschlüssen mit und trat dann als Aufsichtsrat zurück.

Im Dezember 2018 trat die P.    die ihr gegen die Beklagten aus dem Beratungsverhältnis erwachsenen Rückforderungsansprüche sowie die ihr aus unzulässig abgerechneten Spesen und Auslagen gegenüber dem Beklagten zu 2 erwachsenen Rückforderungsansprüche an die Klägerin ab. Das Landgericht hat der Klage auf Rückzahlung von 969,90 € an den Beklagten zu 2 gezahlter Spesen stattgegeben. Die weitergehende Klage gegen die Beklagte zu 1 auf Rückzahlung der Beratungshonorare in Höhe von 49.087,50 € und auf Grundlage der Vereinbarung 2016 an die Beklagte zu 1 geleisteter 11.900 € und an den Beklagten zu 2 geleisteter 2.400 € sowie auf Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten hat das Landgericht abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Der Senat hat die Revision zugelassen, soweit der Streitgegenstand durch die Organstellung des Beklagten zu 2 als Aufsichtsratsmitglied der P.               AG bestimmt wird. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageanspruch in voller Höhe weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin hat überwiegend Erfolg.

I. Das Berufungsgericht hat, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Die Klägerin habe über den zugesprochenen Betrag hinaus weder aus eigenem noch aus abgetretenem Recht der P.     Ansprüche gegen die Beklagten.

Die Klägerin habe keinen bereicherungsrechtlichen Anspruch gegen die Beklagten auf Rückzahlung der auf den „Beratungs-/Vermittlungsvertrag“ für die Jahre 2015 und 2016 gezahlten Vergütung aus § 114 Abs. 2 Satz 1 AktG analog wegen einer Verletzung des § 114 Abs. 1 AktG durch den Beklagten zu 2, selbst wenn man eine fehlende Zustimmung oder Genehmigung des Vertrags durch den Aufsichtsrat der P.     unterstelle.

Es fehle schon an der Verpflichtung zu einer „Tätigkeit höherer Art“. Denn eine Tätigkeit höherer Art könne nur eine Beratung im Bereich der durch den Vorstand zu bestimmenden Unternehmenspolitik sein. Die Beklagte zu 1 habe jedoch nicht zu dem grundsätzlichen „Ob“ der Kapitalerhöhung im Vergleich zu anderen Finanzierungsmodellen beraten sollen. Denn über diese grundsätzliche Frage der Unternehmenspolitik habe der Vorstand bereits zugunsten einer Kapitalerhöhung entschieden. Die Beklagte zu 1 habe vielmehr lediglich vor dem Beschluss der Hauptversammlung bei potentiellen Finanzierungspartnern und Investoren für die Kapitalerhöhung werben, also lediglich im Bereich des „Wie“ der Kapitalerhöhung tätig werden sollen, was keine Entscheidungen des Vorstands im Bereich der Unternehmenspolitik tangierende „Tätigkeit höherer Art“ im Sinne des § 114 AktG darstellen dürfte.

Auch habe sich nicht der Beklagte zu 2 als Aufsichtsrat gegenüber der P.    als Aktiengesellschaft verpflichtet, sondern die Beklagte zu 1 gegenüber der Klägerin. Selbst wenn man dabei der Auffassung der Klägerin folgend den Vertrag als Dienstvertrag faktisch zwischen dem Beklagten zu 2 als Geschäftsführer der Beklagten zu 1 und der Klägerin ansähe, lägen die Voraussetzungen des § 114 Abs. 2 AktG nicht vor. Zwar seien nach der Rechtsprechung die §§ 113, 114 AktG über ihren engen Wortlaut hinaus entsprechend § 115 Abs. 3 AktG analog anzuwenden, wenn die Aktiengesellschaft einen (Beratungs-)Vertrag nicht mit einem Mitglied ihres Aufsichtsrats selbst, sondern mit einer Gesellschaft schließe, deren Leitungsorgan dieses Aufsichtsratsmitglied sei. Vertragspartner der Beklagten zu 1 sei jedoch nicht die Aktiengesellschaft P.    , sondern die Klägerin, auch wenn die Beratungsdienstleistungen der Beklagten zu 1 mittelbar der P.    hätten zugutekommen sollen.

Es bestehe auch kein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagten auf Rückzahlung der insgesamt gezahlten 14.300 € aus der im Juli 2016 geschlossenen Vereinbarung.

II. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der Klägerin steht ein Anspruch entsprechend § 114 Abs. 2 Satz 1 AktG in Höhe von 60.987,50 € nebst Zinsen gegen die Beklagte zu 1 und in Höhe von 2.400 € nebst Zinsen gegen den Beklagten zu 2 zu. Die Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.892 € nebst Zinsen kann die Klägerin nicht verlangen.

1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte zu 1 entsprechend § 114 Abs. 2 Satz 1 AktG einen Anspruch auf Rückzahlung der auf der Grundlage des Beratungsvertrags 2014 gezahlten 49.087,50 € nebst Zinsen, weil dieser Vertrag wegen eines Verstoßes gegen § 113 AktG nicht genehmigungsfähig und damit gemäß § 134 BGB nichtig ist.

a) Die §§ 113, 114 AktG betreffen auch den Fall, dass ein Unternehmen, dessen alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer ein Mitglied des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft ist, einen Vertrag zur Beratung in Angelegenheiten der Aktiengesellschaft nicht unmittelbar mit dieser, sondern mit einem Drittunternehmen schließt, welches seinerseits die Aktiengesellschaft berät.

aa) In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass ein Beratungsvertrag zwischen einer Aktiengesellschaft und einem Unternehmen, dessen alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer ein Mitglied ihres Aufsichtsrats ist, in den Anwendungsbereich der §§ 113, 114 AktG fällt.

Es macht keinen entscheidenden Unterschied, ob das Aufsichtsratsmitglied den Vertrag im eigenen Namen oder im Namen einer von ihm als alleinigem Gesellschafter und Geschäftsführer geführten GmbH abschließt, über die er mittelbar die ausbedungene Vergütung erhält. Dies stellt sich objektiv als eine Umgehung der §§ 113, 114 AktG mit dem Ziel dar, deren Rechtsfolgen zu vermeiden (BGH, Urteil vom 3. Juli 2006 – II ZR 151/04, BGHZ 168, 188 Rn. 9).

Der Beklagte zu 2 war Mitglied des Aufsichtsrats der P.      . Die Revision hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die Klägerin bereits in der Klageschrift vorgetragen hat, dass der Beklagte zu 2 nicht nur Geschäftsführer, sondern auch Alleingesellschafter der Beklagten zu 1 ist. Die Beklagten sind dem nicht entgegengetreten.

bb) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist der Regelungszweck der §§ 113, 114 AktG auch dann betroffen, wenn ein dem Aufsichtsrat zuzurechnendes Beratungsunternehmen einen Vertrag zur Beratung in Angelegenheiten der Aktiengesellschaft nicht unmittelbar mit dieser, sondern mit einem Drittunternehmen schließt, welches seinerseits die Aktiengesellschaft berät (vgl. Hüffer/Koch, AktG, 15. Aufl., § 114 Rn. 4; Drygala in K. Schmidt/Lutter, AktG, 4. Aufl., § 114 AktG Rn. 17).

(1) Die Klägerin hatte die Aufgabe, P.    bei Kapitalmaßnahmen zu betreuen und war deshalb Drittunternehmen in diesem Sinn. Zentrales Ziel des Beratungsvertrags 2014 war es, dass die Beklagte zu 1 die Klägerin, nach dem Wortlaut der Vertragsurkunde als Subunternehmer, bei dieser Beratungstätigkeit unterstützt. Die Beklagte zu 1 sollte die Klägerin aktiv bei allen kapitalmarktrelevanten Aktivitäten für P.     beraten und begleiten. Das Berufungsgericht geht auch davon aus, dass die Beratungsdienstleistungen der Beklagten zu 1 mittelbar der P.    hätten zugutekommen sollen.

(2) Wie der Senat bereits mehrfach ausgeführt hat, ist der Regelungszweck des § 114 AktG im Zusammenhang mit demjenigen des § 113 AktG zu sehen. Danach ist die Entscheidung über die Vergütung für die Amtsführung der Aufsichtsratsmitglieder, soweit dies nicht bereits in der Satzung geregelt ist, allein der Hauptversammlung vorbehalten. Damit sollen im Interesse der Aktionäre und der Gläubiger der Gesellschaft einerseits eine „Selbstbedienung“ der Aufsichtsratsmitglieder, andererseits aber auch die Kompetenz des Vorstands ausgeschlossen werden, über die Vergütung der Mitglieder seines Überwachungsorgans zu befinden. § 114 AktG flankiert diesen Schutzzweck, indem er zwischen Vorstand und einzelnen Aufsichtsratsmitgliedern ausgehandelte Verträge über Dienstleistungen höherer Art, insbesondere Beratungsverträge o.ä. der Zustimmung des Aufsichtsrats und damit einer zwingenden präventiven, die Offenlegung des Vertrags gegenüber dem Aufsichtsrat voraussetzenden Kontrolle daraufhin unterwirft, ob der betreffende Vertrag tatsächlich nur Dienstleistungen außerhalb der organschaftlichen Tätigkeit (vgl. § 114 Abs. 1 AktG) oder aber eine verdeckte Sonderzuwendung zum Gegenstand hat, welche dem einzelnen Aufsichtsratsmitglied unter Umgehung der Entscheidungskompetenz der Hauptversammlung (§ 113 Abs. 1 AktG) gewährt wird und die Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung seiner Kontrolltätigkeit mit sich bringt. Darüber hinaus ist eine präventive Kontrolle von Beratungsverträgen im Hinblick darauf geboten, dass diese auch außerhalb der Gewährung rechtswidriger Sondervorteile zu engen Beziehungen und Verflechtungen zwischen dem Vorstand und einzelnen Aufsichtsratsmitgliedern führen können (BGH, Urteil vom 4. Juli 1994 – II ZR 197/93, BGHZ 126, 340, 346 ff.; Urteil vom 3. Juli 2006 – II ZR 151/04, BGHZ 168, 188 Rn. 9; Urteil vom 20. November 2006 – II ZR 279/05, BGHZ 170, 60 Rn. 9; Urteil vom 10. Juli 2012 – II ZR 48/11, BGHZ 194, 14 Rn. 13 – Fresenius).

Im Hinblick auf diesen Schutzzweck macht es keinen Unterschied, ob eine ungerechtfertigte Sonderleistung unmittelbar oder nur mittelbar über ein von der Aktiengesellschaft mit Beratungsleistungen beauftragtes Drittunternehmen an ein dem Aufsichtsratsmitglied zuzurechnendes Beratungsunternehmen und damit wiederum mittelbar an das Aufsichtsratsmitglied fließt, weil aus der Sicht der Gesellschaft die Gefahrenlage dieselbe ist. Deswegen muss ein solcher Beratungsvertrag den Kontrollmechanismen der §§ 113, 114 AktG unterworfen werden. Dies gilt auch dann, wenn das Aufsichtsratsmitglied mit Ausnahme des fraglichen Beratungsvertrags keine gesellschafts(-vertraglichen) Verbindungen zu dem Drittunternehmen hat und wenn die von der Aktiengesellschaft an das Drittunternehmen gezahlte Vergütung mit der von dem Drittunternehmen an das dem Aufsichtsratsmitglied zuzurechnende Unternehmen gezahlten Vergütung betragsmäßig nicht übereinstimmt.

Auch wenn ein Drittunternehmen auf der Seite der Aktiengesellschaft zwischengeschaltet ist, besteht zum einen die Gefahr, dass der Aufsichtsrat von der Aktiengesellschaft mittelbar eine Vergütung für Tätigkeiten erhält, die bereits von der zur Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats gehörenden Beratungspflicht umfasst werden. Ebenso besteht die Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung des Aufsichtsratsmitglieds durch die mittelbare Gewährung einer Sondervergütung, wenn der Vorstand die Vergütung ohne Kontrolle durch den Aufsichtsrat nicht unmittelbar an das Aufsichtsratsmitglied, sondern an ein Drittunternehmen zahlt, welches die Vergütung der Sache nach in gleicher oder geringerer Höhe an das Aufsichtsratsmitglied aufgrund einer Vereinbarung mit diesem oder einem ihm zuzurechnenden Unternehmen lediglich weiterleitet. Die Gefährdungslage wird durch die Einschaltung eines Drittunternehmens sogar verstärkt, weil die Erkennbarkeit und damit die Möglichkeit der Kontrolle für den Aufsichtsrat gegenüber der direkten Vereinbarung zwischen der Aktiengesellschaft und dem Aufsichtsratsmitglied bzw. einem diesem zuzurechnenden Unternehmen erschwert wird.

Ob es sich bei der vertraglichen Konstruktion nach dem von der Revision dargestellten Vortrag der Klägerin um eine bewusste Umgehung handelt, ist unerheblich. Der Schutzzweck der §§ 113, 114 AktG erfordert keinen Vorsatz oder gar Absicht der Beteiligten, sondern will allein den dargestellten objektiven Gefahren entgegenwirken und eine objektive Umgehung der Normen verhindern (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juli 2006 – II ZR 151/04, BGHZ 168, 188 Rn. 10).

b) Der Beratungsvertrag 2014 verstößt gegen § 113 AktG und ist damit gemäß § 134 BGB nichtig, weil er sich auf Tätigkeiten bezieht, die bereits von der zur Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats gehörenden Beratungspflicht erfasst sind.

aa) Gemäß § 113 AktG hat über die Aufsichtsratsvergütung allein die Hauptversammlung zu entscheiden. Beratungsverträge einer Aktiengesellschaft mit einem Aufsichtsratsmitglied oder mit einer ihm zuzurechnenden Gesellschaft über Tätigkeiten, die das Aufsichtsratsmitglied schon aufgrund seiner Organstellung im Rahmen der auch die vorsorgende Beratung einschließenden Überwachung erbringen muss, sind nach der ständigen Rechtsprechung des Senats nicht nach § 114 AktG genehmigungsfähig. Sie stellen vielmehr eine nach § 113 AktG unzulässige Vergütungsvereinbarung dar und sind daher gemäß § 134 BGB nichtig (BGH, Urteil vom 25. März 1991 – II ZR 188/89, BGHZ 114, 127, 129; Urteil vom 4. Juli 1994 – II ZR 197/93, BGHZ 126, 340, 344 f.; Urteil vom 3. Juli 2006 – II ZR 151/04, BGHZ 168, 188 Rn. 16; Urteil vom 20. November 2006 – II ZR 279/05, BGHZ 170, 60 Rn. 13; Urteil vom 2. April 2007 – II ZR 325/05, ZIP 2007, 1056 Rn. 15). Zulässig nach § 114 AktG sind nur Verträge über Dienst- oder Werkleistungen, die nicht in den Aufgabenbereich des Aufsichtsrats fallen. Um Umgehungen des § 113 AktG zu verhindern, muss der Beratungsvertrag eindeutige Feststellungen darüber ermöglichen, ob die zu erbringende Leistung außer- oder innerhalb des organschaftlichen Pflichtenkreises des Aufsichtsratsmitglieds liegt und ob der Vertrag darüber hinaus keine verdeckten Sonderzuwendungen, etwa in Form einer überhöhten Vergütung, enthält (BGH, Urteil vom 4. Juli 1994 – II ZR 197/93, BGHZ 126, 340, 344 f.; Urteil vom 3. Juli 2006 – II ZR 151/04, BGHZ 168, 188 Rn. 16; Urteil vom 20. November 2006 – II ZR 279/05, BGHZ 170, 60 Rn. 13; Urteil vom 2. April 2007 – II ZR 325/05, ZIP 2007, 1056 Rn. 15).

bb) Der zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1 geschlossene Beratungsvertrag 2014 ist danach nichtig. Die, hier mittelbar über die Klägerin zu erbringende, aktive Beratung und Begleitung bei allen kapitalmarktrelevanten Aktivitäten für die P.    , insbesondere bei der beabsichtigten Kapitalerhöhung im Rahmen der Listings der P.   -Aktien ist eine Tätigkeit, die dem Beklagten zu 2 schon aufgrund seiner Organstellung obliegt (vgl. BGH, Urteil vom 20. November 2006 – II ZR 279/05, BGHZ 170, 60 Rn. 14). Nichts anderes gilt für die Beratung bei der Strukturierung des Beteiligungsmodells für die im Beratungsvertrag genannten Investitionsprojekte „Erweiterung Werk S.              – Pi.     „, „Werk 11, Ö.       “ und „Werk Sl.      „. Die allgemeine Beratungsleistung betriebswirtschaftlicher Art zählt zu den Pflichten eines Aufsichtsratsmitglieds (vgl. BGH, Urteil vom 20. November 2006 – II ZR 279/05, BGHZ 170, 60 Rn. 14; Beschluss vom 27. April 2009 – II ZR 160/08, ZIP 2009, 1661 Rn. 7). Soweit einzelne der im Beratungsvertrag 2014 angeführten Beratungsleistungen außerhalb der Tätigkeit des Beklagten zu 2 im Aufsichtsrat der P.     liegen sollten, verstößt die Vereinbarung mangels Abgrenzung gegenüber der vorgenannten Organtätigkeit des Aufsichtsrats gegen § 113 AktG und ist daher einer Zustimmung durch den Aufsichtsrat als Gesamtorgan gemäß § 114 Abs. 1 AktG nicht zugänglich (BGH, Urteil vom 4. Juli 1994 – II ZR 197/93, BGHZ 126, 340, 344 f.; Urteil vom 3. Juli 2006 – II ZR 151/04, BGHZ 168, 188 Rn. 15 f.).

Da der Beratungsvertrag 2014 nichtig und nicht nach § 114 AktG genehmigungsfähig ist, kommt es nicht darauf an, dass das Berufungsgericht bereits den Anwendungsbereich des § 114 AktG als nicht eröffnet angesehen hat, weil sich die Beklagte zu 1 nicht zu Tätigkeiten höherer Art verpflichtet habe. Ungeachtet dessen verkennt das Berufungsgericht mit seiner Auffassung, eine Tätigkeit höherer Art könne nur eine Beratung im Bereich der durch den Vorstand zu bestimmenden Unternehmenspolitik sein, den Regelungszusammenhang der §§ 113, 114 AktG. Gerade die Beratung des Vorstands im Bereich der Unternehmenspolitik ist eine Tätigkeit, die dem Aufsichtsrat schon aufgrund seiner Organstellung obliegt und deshalb nicht Gegenstand eines mit Zustimmung des Aufsichtsrats zulässigen Vertrags im Sinne des § 114 AktG sein kann (vgl. BGH, Urteil vom 25. März 1991 – II ZR 188/89, BGHZ 114, 127, 129 f. mwN).

c) Folge der Nichtigkeit des Beratungsvertrags 2014 ist die Verpflichtung der Beklagten zu 1, die ihr von der Klägerin gewährte Vergütung zurückzuzahlen.

aa) Grundlage des Rückzahlungsanspruchs ist die entsprechend heranzuziehende Vorschrift des § 114 Abs. 2 AktG. Der Anspruch richtet sich bei der entsprechenden Anwendung der Norm nicht nur gegen das Mitglied des Aufsichtsrats, sondern auch gegen die ihm zuzurechnende Gesellschaft als Empfängerin der Vergütung (BGH, Urteil vom 20. November 2006 – II ZR 279/05, BGHZ 170, 60 Rn. 16). Bei der Erstreckung des Anwendungsbereichs der §§ 113, 114 AktG auf die vorliegende Vertragsgestaltung ist das von der Aktiengesellschaft beauftragte Drittunternehmen, das die Vergütung an das dem Aufsichtsrat zuzurechnende Unternehmen leistet, in gleicher Weise aktivlegitimiert, als wenn die Aktiengesellschaft selbst die Vergütung gezahlt hätte. Der Gesetzgeber hat in § 114 Abs. 2 AktG einen aktienrechtlichen Rückgewähranspruch statuiert, der nach seinem Sinn und Zweck in allen Fällen von gemäß §§ 113, 114 AktG unwirksamen Beratungsverträgen eingreift (BGH, Urteil vom 3. Juli 2006 – II ZR 151/04, BGHZ 168, 188 Rn. 20).

bb) Der von der Revisionserwiderung erhobene Einwand aus § 817 Satz 2 BGB, weil die Parteien in kollusivem Zusammenwirken die Verträge so gestaltet hätten, dass der Aufsichtsrat nicht zustimmen müsse, hat keinen Erfolg. § 817 Abs. 2 BGB ist als Einwendung gegen den Anspruch aus § 114 Abs. 2 Satz 1 AktG auch bei entsprechender Anwendung ausgeschlossen.

§ 114 Abs. 2 AktG ist im Fall der Nichtigkeit des Beratungsvertrags wegen eines Verstoßes gegen § 113 AktG auch hinsichtlich der Rechtsfolgen entsprechend heranzuziehen, um einen effektiven Rückgewähranspruch zu gewährleisten (BGH, Urteil vom 20. November 2006 – II ZR 279/05, BGHZ 170, 60 Rn. 16). Die Zuerkennung dieses eigenständigen aktienrechtlichen Rückgewähranspruchs auch im Falle des Verstoßes gegen § 113 AktG, soll eine auch von dem bei Bereicherungsansprüchen einschlägigen Einwendungspotenzial einschließlich des § 817 Abs. 2 BGB befreite Rückgewähr ermöglichen (vgl. Henssler in Henssler/Strohn, GesR, 5. Aufl., § 114 AktG Rn. 22; Grigoleit/Tomasic in Grigoleit, AktG, 2. Aufl., § 114 Rn. 20; Hüffer/Koch, AktG, 15. Aufl., § 114 Rn. 11; Heidel/Breuer/Fraune, AktG, 5. Aufl., § 114 Rn. 12; Drygala in K. Schmidt/Lutter, AktG, 4. Aufl., § 114 Rn. 25; MünchKommAktG/Habersack, 5. Aufl., § 114 Rn. 32 f.; Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 5. Aufl., § 114 Rn. 82; vgl. BGH, Urteil vom 3. Juli 2006 – II ZR 151/04, BGHZ 168, 188 Rn. 12, 29).

2. Die Klägerin hat entsprechend § 114 Abs. 2 Satz 1 AktG einen Anspruch auf Rückzahlung der auf der Grundlage der Vereinbarung 2016 gezahlten 11.900 € gegen die Beklagte zu 1 und 2.400 € gegen den Beklagten zu 2, jeweils nebst Zinsen, weil diese Vereinbarung wegen eines Verstoßes gegen § 113 AktG gemäß § 134 BGB nichtig ist.

a) Mit dieser Vereinbarung wird der Beklagte zu 2 gegen die Zahlung von 14.300 € im Wesentlichen verpflichtet, an einer Aufsichtsratssitzung der P.     teilzunehmen und in bestimmter Weise abzustimmen. Von der vereinbarten Gegenleistung sollten 11.900 € an die Beklagte zu 1 und 2.400 € an den Beklagten zu 2 überwiesen werden. Die Klägerin weist zu Recht darauf hin, dass die Teilnahme an Sitzungen des Aufsichtsrats ohnehin zu den Aufgaben eines Aufsichtsratsmitglieds gehört und der Beklagte zu 2 dafür keine gesonderte Vergütung verlangen könne.

b) Wie bereits ausgeführt ist ein Vertrag mit einem Mitglied des Aufsichtsrats bzw. einer ihm zuzurechnenden Gesellschaft, durch den dem Aufsichtsratsmitglied eine zusätzliche Vergütung für seine Aufsichtsratstätigkeit gewährt wird, wegen Umgehung des § 113 AktG nach § 134 BGB nichtig (BGH, Urteil vom 25. März 1991 – II ZR 188/89, BGHZ 114, 127, 129; Urteil vom 4. Juli 1994 – II ZR 197/93, BGHZ 126, 340, 344 f.; Urteil vom 3. Juli 2006 – II ZR 151/04, BGHZ 168, 188 Rn. 9, 16; Urteil vom 20. November 2006 – II ZR 279/05, BGHZ 170, 60 Rn. 13; Urteil vom 2. April 2007 – II ZR 325/05, ZIP 2007, 1056 Rn. 15).

Aus den unter II. 1. a) bb) genannten Gründen gilt dies auch dann, wenn ein solcher Vertrag nicht unmittelbar mit der Aktiengesellschaft, sondern mit einem Drittunternehmen geschlossen wird, welches die Aktiengesellschaft berät und die verbotswidrig zusätzlich vergütete Tätigkeit des Aufsichtsratsmitglieds den Zweck verfolgt, das Drittunternehmen bei der Erfüllung seiner Beratungsverpflichtung gegenüber der Aktiengesellschaft zu unterstützen. Das ist hier der Fall. Nach der Vereinbarung 2016 sollte der Beklagte zu 2 im Beratungsfeld der Klägerin, der Betreuung der P.        bei Kapitalmaßnahmen mitwirken, um der P.      die erforderliche Einladung zur Hauptversammlung in Verbindung mit verschiedenen Kapitalmaßnahmen zur Übernahme von Unternehmen und Aktiva aus der Pelletsbranche zu ermöglichen.

Der Beklagte zu 2 und die ihm zuzurechnende Beklagte zu 1 haben die auf der Grundlage der nichtigen Vereinbarung an sie geflossenen Beträge entsprechend § 114 Abs. 2 Satz 1 AktG zurückzuerstatten (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juli 2006 – II ZR 151/04, BGHZ 168, 188 Rn. 20; Urteil vom 20. November 2006 – II ZR 279/05, BGHZ 170, 60 Rn. 16).

3. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.892 € nebst Zinsen.

Die Revision hat zwar ohne Einschränkungen beantragt, nach den Schlussanträgen der Klägerin in der Berufungsinstanz zu entscheiden. Die Beklagten haben die Höhe und die Berechtigung der Kosten der Rechtsverfolgung bestritten. Weder das Berufungsgericht noch das Landgericht treffen Feststellungen, aus denen sich ein solcher Anspruch ergeben könnte. Die Revisionsbegründung befasst sich nicht mit einem Anspruch wegen Verzögerung der Leistung nach § 280 Abs. 2, § 286 BGB auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten.

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