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BGH, Urteil vom 14. Dezember 1961 – II ZR 97/59

Vertretung Liquidator

§ 51 GmbHG, § 68 GmbHG, § 70 GmbHG

a) Die Vertretungsmacht eines Liquidators umfaßt die Befugnis, die Gesellschaft mit beschränkter HaftungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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in einem Rechtsstreit zu vertreten, in dem ein Gesellschafter beantragt hat, die Nichtigkeit des Auflösungsbeschlusses festzustellen.

Der Liquidator vertritt die Beklagte aber auch, soweit die Klägerin die Nichtigkeitsklage erhoben hat. Mit dieser Klage wird zwar die Feststellung beantragt, daß der Auflösungsbeschluß von Anfang an nichtig sei; ist die Nichtigkeitsklage begründet, so steht fest, daß der Auflösungsbeschluß keine rechtliche Wirksamkeit erlangt hat und für die Bestellung eines Liquidators kein Raum gewesen ist. Gleichwohl ist der Liquidator aber nicht nur für den Fall gesetzlicher Vertreter, in dem die Nichtigkeitsklage unbegründet ist und damit feststeht, daß der Auflösungsbeschluß zu Recht erlassen ist und gegen die Bestellung des Liquidators keine Bedenken bestehen. Wird mit einer Klage die Nichtigkeit eines Auflösungsbeschlusses geltend gemacht, so wird eine Gesellschaft mit beschränkter HaftungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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nicht etwa vom Geschäftsführer vertreten wenn die Klage begründet, und vom Liquidator, wenn sie unbegründet ist. Die Vertretungsmacht des gesetzlichen Vertreters ist vielmehr unabhängig von dem Ausgang des Rechtsstreits . Es würde sonst in vielen Fällen die Klage wegen Fehlens einer Prozeßhandlungsvoraussetzung durch Prozeßurteil als unzulässig abgewiesen werden müssen, obwohl feststünde, daß die Klage begründet oder unbegründet ist; es könnte hierüber keine Entscheidung getroffen werden, die in Rechtskraft erwüchse. Entweder muß also der Geschäftsführer oder der Liquidator, unabhängig vom Ausgang des Rechtsstreits, die Gesellschaft mit beschränkter HaftungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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im Rechtsstreit in vollem Umfang vertreten können. Der Geschäftsführer scheidet jedoch als gesetzlicher Vertreter aus, obwohl die Klägerin die Nichtigkeit des Liquidationsbeschlusses geltend macht, also davon ausgeht, daß der Liquidator nicht wirksam bestellt worden ist. Hätte die Beklagte, was ihr freigestanden hätte, ihrerseits Klage erhoben und Feststellung der Gültigkeit des Liquidationsbeschlusses begehrt (Schilling in Hachenburg, GmbH-Gesetz, 6. Aufl. § 45 Anm. 13), so wäre sie von dem Liquidator vertreten worden. Die Rechtslage kann nicht anders sein, wenn die Nichtigkeitsklage gegen sie gerichtet wird. Es kommt darauf an, wie die materielle Rechtslage ist, wenn der Antrag der Partei begründet ist, für die der gesetzliche Vertreter auftritt. Entscheidend ist also der Klageabweisungsantrag der Beklagten; ist dieser Antrag gerechtfertigt, dann ist der Liquidationsbeschluß gültig und der Liquidator wirksam bestellt.

b) Ist ein Gesellschafter mit beschränkter Haftung nicht zur Gesellschafterversammlung eingeladen worden, so ist ein in dieser Versammlung gefaßter Beschluß nichtig, wenn nicht sämtliche Gesellschafter anwesend sind.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 10. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 11. März 1959 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Ende des Krieges waren die Klägerin und das Deutsche Reich die einzigen Gesellschafter der verklagten Gesellschaft mit beschränkter HaftungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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; der Geschäftsanteil der Klägerin betrug 850000 RM, der des Deutschen Reiches 1000000 RM. Nach dem Kriege war das Vermögen der Klägerin gemäß dem Gesetz Nr. 52 der Militärregierung beschlagnahmt; durch Letter of Appointment vom 2. Juni 1950 wurde der Kaufmann Franz B zu ihrem custodian bestellt. Die Gesellschaftsrechte des Deutschen Reiches wurden auf Grund des Gesetzes Nr. 19 der Amerikanischen Militärregierung treuhänderisch von der Gebietskörperschaft Groß-Berlin wahrgenommen (vgl. § 4 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Reichsvermögens … vom 21. Juli 1951, BGBl I S. 467). Diese war irrtümlich der Auffassung, sie nehme auch die Rechte der Klägerin wahr. Sie lud diese daher nicht zu der Gesellschafterversammlung ein, die sie auf den 30. August 1950 einberufen hatte. In dieser Versammlung, an der die Klägerin nicht teilnahm, wurde der Beschluß gefaßt, die Beklagte aufzulösen. Der Auflösungsbeschluß wurde am 1. November 1950 in das Handelsregister eingetragen. Am 15. Februar 1955 wurde die Klägerin aus der Kontrolle des Gesetzes Nr. 52 entlassen. Sie wird seitdem in vollem Umfange von den Notvertretern vertreten, die bereits am 14. September 1953 bestellt worden waren, bisher aber nur die Aufgabe hatten, die Freigabe des beschlagnahmten Vermögens zu erwirken (AG Charlottenburg 66 AR 1997/52).

Die Klägerin ist der Ansicht, der Auflösungsbeschluß vom 30. August 1950 sei nichtig, jedenfalls anfechtbar. Sie hat demgemäß mit der Klage vom 29. März 1958 in erster Linie die Feststellung begehrt, daß der Beschluß nichtig sei, und hilfsweise beantragt, den Beschluß für nichtig zu erklären. Die Beklagte hat um Klageabweisung gebeten. Sie hält den Auflösungsbeschluß nur für anfechtbar und meint, die für die Erhebung der Anfechtungsklage vorgesehene Frist sei verstrichen gewesen, als die Klägerin die Klage eingereicht habe.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht die Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihre Anträge weiter. Die Beklagte bittet um Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

I.

1. Die Klage ist wirksam erhoben. Der Liquidator, dem die Klage zugestellt worden ist, ist für den vorliegenden Rechtsstreit der gesetzliche Vertreter der verklagten Gesellschaft mit beschränkter HaftungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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. Dies gilt einmal für die Anfechtungsklage. Mit ihr wird angestrebt, die Nichtigkeit des Auflösungsbeschlusses herbeizuführen. Solange das begehrte Urteil nicht ergangen und rechtskräftig geworden ist, ist der Auflösungsbeschluß und damit die Bestellung des Liquidators wirksam (BGHZ 32, 114, 116).

Der Liquidator vertritt die Beklagte aber auch, soweit die Klägerin die Nichtigkeitsklage erhoben hat. Mit dieser Klage wird zwar die Feststellung beantragt, daß der Auflösungsbeschluß von Anfang an nichtig sei; ist die Nichtigkeitsklage begründet, so steht fest, daß der Auflösungsbeschluß keine rechtliche Wirksamkeit erlangt hat und für die Bestellung eines Liquidators kein Raum gewesen ist. Gleichwohl ist der Liquidator aber nicht nur für den Fall gesetzlicher Vertreter, in dem die Nichtigkeitsklage unbegründet ist und damit feststeht, daß der Auflösungsbeschluß zu Recht erlassen ist und gegen die Bestellung des Liquidators keine Bedenken bestehen. Wird mit einer Klage die Nichtigkeit eines Auflösungsbeschlusses geltend gemacht, so wird eine Gesellschaft mit beschränkter HaftungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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nicht etwa vom Geschäftsführer vertreten wenn die Klage begründet, und vom Liquidator, wenn sie unbegründet ist. Die Vertretungsmacht des gesetzlichen Vertreters ist vielmehr unabhängig von dem Ausgang des Rechtsstreits . Es würde sonst in vielen Fällen die Klage wegen Fehlens einer Prozeßhandlungsvoraussetzung durch Prozeßurteil als unzulässig abgewiesen werden müssen, obwohl feststünde, daß die Klage begründet oder unbegründet ist; es könnte hierüber keine Entscheidung getroffen werden, die in Rechtskraft erwüchse. Entweder muß also der Geschäftsführer oder der Liquidator, unabhängig vom Ausgang des Rechtsstreits, die Gesellschaft mit beschränkter HaftungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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im Rechtsstreit in vollem Umfang vertreten können. Der Geschäftsführer scheidet jedoch als gesetzlicher Vertreter aus, obwohl die Klägerin die Nichtigkeit des Liquidationsbeschlusses geltend macht, also davon ausgeht, daß der Liquidator nicht wirksam bestellt worden ist. Hätte die Beklagte, was ihr freigestanden hätte, ihrerseits Klage erhoben und Feststellung der Gültigkeit des Liquidationsbeschlusses begehrt (Schilling in Hachenburg, GmbH-Gesetz, 6. Aufl. § 45 Anm. 13), so wäre sie von dem Liquidator vertreten worden. Die Rechtslage kann nicht anders sein, wenn die Nichtigkeitsklage gegen sie gerichtet wird. Es kommt darauf an, wie die materielle Rechtslage ist, wenn der Antrag der Partei begründet ist, für die der gesetzliche Vertreter auftritt. Entscheidend ist also der Klageabweisungsantrag der Beklagten; ist dieser Antrag gerechtfertigt, dann ist der Liquidationsbeschluß gültig und der Liquidator wirksam bestellt.

Diese Regelung ist auch sachgemäß. Würde eine Gesellschaft mit beschränkter HaftungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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in einem Rechtsstreit, der die Nichtigkeit des Auflösungsbeschlusses zum Gegenstand hat, durch den Geschäftsführer vertreten, so würde dieser den Antrag auf Abweisung der Klage häufig nicht sachgerecht verfolgen, da er vielfach ein Interesse daran haben wird, daß die Klage begründet, der Liquidationsbeschluß also unwirksam ist. Der Liquidator wird aber in der Regel daran interessiert sein, daß die Nichtigkeitsklage abgewiesen und damit festgestellt wird, daß er zu Recht bestellt worden ist. Die Interessenlage fordert schließlich auch nicht die Annahme, in einem Rechtsstreit, der die Nichtigkeit eines Auflösungsbeschlusses betrifft, könne weder der Geschäftsführer noch der Liquidator die Gesellschaft mit beschränkter HaftungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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vertreten, es müsse vielmehr gemäß § 29 BGB oder § 57 ZPO ein Vertreter vom Gericht bestellt werden. Eine derartige Regelung würde auch zu dem nicht sachgerechten Ergebnis führen, daß die Gesellschaft mit beschränkter HaftungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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in einem Rechtsstreit, der die Nichtigkeitsklage des Auflösungsbeschlusses zum Gegenstand hat, von einer anderen Person vertreten wird, als in einem Prozeß, in dem über die Anfechtungsklage entschieden wird. Die beiden Klagen werden häufig miteinander verbunden. Überdies können die Nichtigkeitsgründe auch mit der Anfechtungsklage geltend gemacht werden.

Nach alledem wird, wenn der Auflösungsbeschluß angegriffen wird, die verklagte Gesellschaft mit beschränkter HaftungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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von dem Liquidator vertreten, gleichgültig, ob eine Nichtigkeitsklage oder eine Anfechtungsklage erhoben worden ist (Weipert in Großkommentar AktG § 203Bitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Anm. 30). Die Vertretungsmacht eines Liquidators umfaßt die Befugnis, die Gesellschaft mit beschränkter HaftungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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in einem Rechtsstreit zu vertreten, in dem beantragt ist, die Nichtigkeit des Auflösungsbeschlusses festzustellen. Die Klage ist also wirksam erhoben worden. Die Revision hat insoweit auch keine Bedenken geltend gemacht.

2. Das Berufungsurteil führt neben dem Liquidator als gesetzlichen Vertreter auch den Aufsichtsrat an. Dies ist nicht richtig, wenn auch für die Prozeßentscheidung unerheblich. Eine Aktiengesellschaft wird zwar im Abwicklungsstadium von dem Liquidator und dem Aufsichtsrat vertreten (BGHZ 32, 114). Diese Regelung, die in § 199 Abs. 2 Satz 1 AktG ihren Grund hat, gilt aber nicht für die Gesellschaft mit beschränkter HaftungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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(Baumbach-Hueck, GmbHGesetz, 9. Aufl. § 47 Anm. 4 C; Schilling aaO § 45 Anm. 23; Scholz, GmbH-Gesetz, 4. Aufl. § 45 Anmerk. 19). Der Aufsichtsrat ist grundsätzlich kein notwendiges Organ dieser Gesellschaft. Ist er nach dem Gesellschaftsvertrag zu bestellen, so gelten für ihn die entsprechenden Bestimmungen des Aktiengesetzes wegen der anderen Struktur und Organisation der Gesellschaft mit beschränkter HaftungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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nur zum Teil entsprechend. Zu den anwendbaren Vorschriften gehört § 199 Abs. 2 Satz 1 AktG nicht (vgl. § 52 GmbHG).

II.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Auflösungsbeschluß sei nicht nichtig, sondern nur anfechtbar, und die für die Anfechtungsklage vorgesehene Frist sei bei Erhebung der Klage verstrichen gewesen. Diese Ausführungen halten, wie die Revision zutreffend dargelegt hat, einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der Auflösungsbeschluß ist nichtig. Die Frage, welche Rechtsfolgen die Mangelhaftigkeit eines Gesellschafterbeschlusses hat, ist im GmbH Gesetz nicht geregelt. Die Lücke wird, wie der erkennende Senat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Reichsgerichts und der Rechtslehre entschieden hat (BGHZ 11, 231, 235 mit Nachweisen), dadurch ausgefüllt, daß die im Aktiengesetz enthaltenen Bestimmungen über die Nichtigkeit und Anfechtbarkeit von Beschlüssen der Hauptversammlung und hierbei insbesondere auch die Vorschriften über die Abgrenzung zwischen Nichtigkeit und Anfechtbarkeit auf die Gesellschaft mit beschränkter HaftungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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angesichts der weitgehenden Ähnlichkeit der Sach- und Rechtslage sinngemäß angewandt werden, soweit nicht die Besonderheiten der Gesellschaft mit beschränkter HaftungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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eine Abweichung erfordern. Nach § 195 Nr. 1 AktG in Verbindung mit § 105 Abs. 2 Satz 1 AktG ist ein Beschluß unter anderem nichtig, wenn die Einberufung der HauptversammlungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Einberufung
Einberufung der Hauptversammlung
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nicht in allen Gesellschaftsblättern veröffentlicht worden ist; eine Ausnahme von dieser Regel besteht nur dann, wenn gleichwohl alle Aktionäre in der Hauptversammlung erschienen oder vertreten sind. An die Stelle der Veröffentlichung der Einberufung tritt im Recht der Gesellschaft mit beschränkter HaftungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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(§ 51 Abs. 1 GmbHG) die Einladung der Gesellschafter. Ist ein Gesellschafter, wie im vorliegenden Rechtsstreit, nicht zur Gesellschafterversammlung eingeladen worden, und sind auch nicht sämtliche Gesellschafter anwesend, so ist ein Beschluß, der in dieser Versammlung entgegen § 51 Abs. 3 GmbHG gefaßt worden ist, nichtig.

Diese Regelung ist auch sachgemäß. Bei der Abstimmung werden die Stimmen der Gesellschafter, die sich nicht an der Abstimmung beteiligen, nicht mitgezählt; es kommt auf die Mehrheit der abgegebenen Stimmen an. Die Einladung ist also für einen Gesellschafter von großer Bedeutung. Dies zeigt der vorliegende Fall. Ein Auflösungsbeschluß konnte nur mit 3/4 Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefaßt werden; er hätte also nicht ohne Zustimmung der Klägerin zustande kommen können, wenn diese sich an der Abstimmung beteiligt hätte.

Der Auflösungsbeschluß ist somit nichtig, nicht nur anfechtbar. Es kommt daher, in Gegensatz zur Auffassung des Berufungsgerichts, nicht darauf an, ob die Anfechtungsklage, für die kürzere Fristen maßgebend sind, rechtzeitig erhoben worden ist. Entscheidend ist vielmehr, ob am 29. März 1958 die Frist verstrichen war, die für die Erhebung von Nichtigkeitsklagen gilt.

III.

1. Nach § 196 Abs. 2 AktG kann die Nichtigkeit eines nach § 195 Nr. 1 AktG nichtigen Hauptversammlungsbeschlusses nicht mehr geltend gemacht werden, wenn der Beschluß in das Handelsregister eingetragen ist und seitdem drei Jahre verstrichen sind. Diese starre Frist ist, wie der erkennende Senat entschieden hat (BGHZ 11, 231, 239 ff), nicht in das Recht der Gesellschaften mit beschränkter Haftung zu übernehmen. Es genügt, daß der Kläger mit aller ihm zuzumutenden Sorgfalt vorgeht und die Klage innerhalb angemessener Frist erhebt; hierbei ist die Angemessenheit der Frist zu der Frist des Aktiengesetzes in Beziehung zu setzen. Zwischen der Eintragung des Auflösungsbeschlusses und der Erhebung der Nichtigkeitsklage liegen hier über sieben Jahre. Es müssen deshalb besondere Umstände gegeben sein, wenn die Nichtigkeitsklage gleichwohl rechtzeitig erhoben sein sollte. Solche Umstände könnten vorliegen, wenn bei der Frage, ob die Klage in angemessener Frist eingereicht worden ist, der Zeitraum unberücksichtigt bleibt, in dem das Vermögen der Klägerin gesperrt war und von dem custodian Bremer verwaltet wurde. Die Notvertreter haben erst durch das Schreiben des Landesfinanzamts Berlin (Senator für Finanzen, Sondervermögens- und Bauverwaltung, vgl. § 6 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse des Reichsvermögens … vom 21. Juli 1951) vom 29. November 1955 erfahren, daß zu dem Vermögen der Klägerin auch der Geschäftsanteil an der Beklagten gehört; in der Übernahmeverhandlung vom 15. Februar 1955 war die Beteiligung nicht aufgeführt. Die Notvertreter haben dem Landesfinanzamt Berlin mit Schreiben vom 21. März 1956 geantwortet; sie haben geltend gemacht, daß der Liquidationsbeschluß nichtig, jedenfalls anfechtbar sei, und haben in diesem Schreiben und dem Brief vom 15. Juli 1957 vorgeschlagen, den Liquidationsbeschluß aufzuheben. Sie haben das Landesfinanzamt Berlin nicht in Zweifel darüber gelassen, daß sie die Wirksamkeit des Beschlusses nicht anerkennten, und haben, was insbesondere wegen des öffentlichen Charakters der beiden Gesellschafter angebracht war, des längeren versucht, zu einer Einigung zu gelangen. Der Zeitraum vom 1. November 1950 bis zum 15. Februar 1955 ist jedoch bei der Frage, ob die Nichtigkeitsklage in angemessener Frist erhoben worden ist, mit zu berücksichtigen. Aus diesem Grunde ist die Nichtigkeitsklage nicht rechtzeitig eingereicht worden.

2. Der custodian ist zu den späteren Gesellschafterversammlungen eingeladen worden. Er hat an diesen Versammlungen teilgenommen, teils persönlich, teils durch einen Vertreter. Er hat spätestens in der Versammlung vom 26. November 1951 erfahren, daß der Auflösungsbeschluß in der Versammlung vom 30. August 1950 gefaßt worden war; in der Versammlung vom 26. November 1951, in der das Stammkapital auf 5000 DM neu festgesetzt wurde, wurde der Bericht des Liquidators über die Eröffnungsbilanz in Deutscher Mark verlesen, und in diesem Bericht hieß es, in der Gesellschafterversammlung vom 30. August 1950 sei die Liquidation der Beklagten beschlossen und der Beschluß sei am 1. November 1950 in das Handelsregister eingetragen worden. Der custodian hat sich nicht gegen diesen Beschluß gewandt; er hat vielmehr in der Gesellschafterversammlung vom 27. Februar 1953 daran mitgewirkt, daß der alte Liquidator abberufen und ein neuer bestellt wurde.

Der custodian wäre aber berechtigt gewesen, die Nichtigkeitsklage zu erheben. Der Umfang der Befugnisse eines custodian richtet sich nach seiner Bestallung. Durch Letter of Appointment – Form 63 (MC/PC/13) – vom 2. Juli 1950 war der custodian als managing custodian bestellt worden (vgl. Dölle/Zweigert, Gesetz Nr. 52 S. 219 ff); er war ermächtigt, im eigenen Namen für die Klägerin alle Handlungen vorzunehmen, die nicht nach den Bestimmungen der Militärregierung oder nach deutschem Recht verboten waren (Nr. 6: „This Letter of Appointment … gives you authority to … act for the owner in any dealings not prohibited by Military Government or German Law.“). Es kann in diesem Zusammenhang offen bleiben, ob und gegebenenfalls in welchem Umfange der custodian bei der Verwaltung des Vermögens der Klägerin an die Beschränkungen des Gesetzes Nr. 52 gebunden war. Jedenfalls verbot dieses Gesetz nicht die Erhebung der Nichtigkeitsklage. Das Tun und Unterlassen des custodian wirkt also für und gegen die Klägerin, an deren Stelle er durch seine Bestellung zum Verwalter getreten war. Bei der Frage, ob die Nichtigkeitsklage mit der erforderlichen Beschleunigung und in angemessener Frist erhoben worden ist, muß sich demgemäß die Klägerin die Untätigkeit des custodian anrechnen lassen.

Der erkennende Senat hat, im Gegensatz zur Auffassung der Revision, keine andere Auffassung vertreten. In der Entscheidung (BGHZ 11, 231, 244), die die Revision heranzieht, hat der Senat zwar in Betracht gezogen, daß die Klägerin nichts habe unternehmen können, solange der ihr aufgezwungene Geschäftsführer noch als solcher tätig gewesen sei. Der Geschäftsführer hatte dort aber das nichtige Geschäft selbst vorgenommen. Überdies war – und auf diesen Gesichtspunkt hat der Senat es vor allem abgestellt – die Verordnung, auf Grund deren der Sachwalter der Klägerin bestellt worden war, ungültig (BGHZ 11, 231, 233, 245). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Rechtsstreit nicht gegeben. Der custodian ist wirksam bestellt worden; er hat an dem nichtigen Beschluß nicht mitgewirkt.

Auch die Tatsache, daß der custodian B Angestellter des Berliner Senator für Finanzen war, der seinerseits die Gesellschaftsrechte des Deutschen Reiches wahrnahm, hat nicht zur Folge, daß der Zeitraum, innerhalb dessen der custodian das Vermögen der Klägerin verwaltete, bei der Frage, ob die Nichtigkeitsklage vom 29. März 1958 rechtzeitig erhoben worden ist, unberücksichtigt zu bleiben hat. Die Klägerin hat nicht dargetan, daß der custodian im Interesse des Berliner Senators von der Erhebung der Nichtigkeitsklage abgesehen hat; ebenso wenig hat sie dartun können, daß er dies auf Druck oder gar auf Anweisung des Senators getan hätte.

Nach alledem war die Frist zur Erhebung der Nichtigkeitsklage bereits am 15. Februar 1955 verstrichen, als das Vermögen der Klägerin entsperrt wurde und die Vermögensverwaltung auf die Notvertreter überging. Das gleiche gilt für die hilfsweise erhobene Anfechtungsklage, für die jedenfalls keine längeren Fristen gelten als für die Nichtigkeitsklage.

IV.

1. An dieser Rechtslage ändert nichts, daß der Auflösungsbeschluß möglicherweise auch auf Grund des Gesetzes Nr. 52 nichtig ist. Diese Möglichkeit könnte gegeben sein, weil das Verbot, über gesperrtes Vermögen zu verfügen, nicht nur für den Vermögensinhaber, sondern für jedermann bestand (Dölle/Zweigert aaO S. 226). Die – zusätzliche – Nichtigkeit oder Unwirksamkeit des Beschlusses auf Grund des Gesetzes Nr. 52 hat aber keinen Einfluß auf die Befugnis des custodian, die Nichtigkeitsklage zu erheben. Seine Untätigkeit geht deshalb auch in dem Fall, daß der Beschluß gegen das Verfügungsverbot des Gesetzes Nr. 52 verstoßen haben sollte, zu Lasten der Klägerin.

Hierbei ist unerheblich, ob der custodian ohne Genehmigung der Militärregierung für die Auflösung der Beklagten hätte stimmen können (vgl. hierzu BGH WM 1955, 1448 = BB 1955, 1112; Dölle/Zweigert aaO S. 219 ff; Haidinger MDR 1948, 295; Lehnert, Die Rechtsstellung des Custodians bei der Vermögenskontrolle nach dem Gesetz Nr. 52 der Militärregierung, S. 84 mit weiteren Nachweisen). Selbst wenn er hierzu nicht berechtigt gewesen wäre, hätte er jedenfalls dadurch, daß er es unterließ, die Nichtigkeitsklage zu erheben, die Rechtslage herbeiführen können, daß die Nichtigkeitsklage nicht mehr geltend gemacht werden könnte. Diese Unterlassung hat weitergehende Rechtsfolgen als die Teilnahme an der Abstimmung. Dies folgt für das Aktienrecht aus § 196 Abs. 2 AktG und für das Recht der Gesellschaften mit beschränkter Haftung aus der Regelung, daß die Nichtigkeitsklage innerhalb der angemessenen Frist erhoben werden soll. Ein Gesellschafter kann z.B. auch einen sittenwidrigen Beschluß nicht rechtswirksam fassen; gleichwohl bleibt es bei diesem Beschluß, wenn die Nichtigkeitsklage nicht rechtzeitig eingereicht wird.

2. Es kann auch dahingestellt bleiben, ob die Nichtigkeit eines Beschlusses auf Grund des Gesetzes Nr. 52 unter Umständen insoweit weitergehende Rechtsfolgen als die Nichtigkeit nach deutschem Recht haben kann, als für die Geltendmachung der NichtigkeitBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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auf Grund des Gesetzes Nr. 52 in bestimmten Fällen die Beschränkungen unanwendbar wären, die im Aktienrecht und im Recht der Gesellschaft mit beschränkter HaftungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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gelten. Derartige Rechtsfolgen kämen höchstens in Betracht, wenn die Bestellung des custodian zur Folge gehabt hätte, daß ohne Genehmigung der Militärregierung kein wirksamer Auflösungsbeschluß hätte zustande kommen können. Diese Voraussetzungen wären aber selbst dann nicht vorhanden, wenn der custodian ohne Genehmigung der Militärregierung nicht für die Auflösung der Beklagten hätte stimmen können. Jedenfalls hätte er sich an der Abstimmung nicht zu beteiligen brauchen und dadurch ermöglichen können, daß das Landesfinanzamt Berlin für den anderen Gesellschafter die Auflösung wirksam beschlösse. Der angegriffene Auflösungsbeschluß könnte, wenn überhaupt, nur deshalb gegen das Verfügungsverbot des Gesetzes Nr. 52 verstoßen haben, weil der custodian nicht zur Gesellschafterversammlung eingeladen war und deswegen keine Gelegenheit hatte, seine Rechte wahrzunehmen. Wäre der custodian geladen worden und hätte er sich nicht an der Abstimmung beteiligt, dann hätte der andere Gesellschafter wirksam die Auflösung beschließen können. Dadurch, daß das Vermögen eines Gesellschafters gesperrt wird, wird in die Befugnisse der anderen Gesellschafter nicht eingegriffen, wenn der custodian, der das gesperrte Vermögen verwaltet, zu der Gesellschafterversammlung eingeladen worden ist. Hätte die Militärregierung verhindern wollen, daß der andere Gesellschafter die Auflösung der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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beschlösse, dann hätte sie das Vermögen der Gesellschaft mit beschränkter HaftungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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als solcher beschlagnahmen müssen (Dölle/Zweigert aaO S. 153). Die Beklagte unterlag aber im Jahre 1950 keiner Kontrolle nach dem Gesetz Nr. 52.

V.

Die Rügen der Revision sind somit nicht begründet. Die Revision war daher zurückzuweisen. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 ZPO.

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