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Thüringer Oberlandesgericht, Urteil vom 29.08.2018 – 2 U 94/18

GmbHG §§ 40, 14, 16, 34, 2, 60, 66, 69; AktG § 246Bitte wählen Sie ein Schlagwort:
AktG
AktG § 246
; ZPO §§ 935, 888

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Meiningen vom 01.02.2018,  Az. (59) HK O 59/17, wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Der Kläger war zumindest bis zur Gesellschafterversammlung der Beklagten vom … Gesellschafter der Beklagten. Auf der Gesellschafterversammlung stimmten die beiden Gesellschafter XXX für den Beschluss, den Kläger aus der Gesellschaft auszuschließen und seinen Gesellschaftsanteil einzuziehen. In der Hauptsache wendet sich der Kläger gegen die Wirksamkeit der Beschlussfassung mit der Feststellungs- und Anfechtungsklage. Die Hauptsache wurde mit Beschluss des Landgerichts vom 29.11.2017 (Blatt 21 der Akte) abgetrennt.

Mit Beschluss vom 04.11.2017 hat das Landgericht die einstweilige Verfügung antragsgemäß erlassen. Hiergegen hat die Beklagte Widerspruch eingelegt. Auf den Widerspruch hin hat das Landgericht mit dem nunmehr angefochtenen Urteil vom 01.02.2018 die einstweilige Verfügung bestätigt. Es wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO ergänzend auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Mit ihrer Berufung trägt die Beklagte vor,

die Gesellschafterversammlung sei ordnungsgemäß und entsprechend den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages einberufen worden und die Beschlussfassung sei mit den Stimmen der Gesellschafter … erfolgt. § 12 Abs. 1 b) des Gesellschaftsvertrages erfasse auch die Kündigung der Gesellschaft. Da ein Austrittstatbestand weder im Gesetz noch im Gesellschaftsvertrag mit dieser Bezeichnung existiere, müsse man auch die Kündigung als Tatbestandsvoraussetzung für den Ausschluss akzeptieren. Die Regelung sei gerade für den Fall der Kündigung geschaffen worden, um es der Gesellschaft zu ermöglichen, ohne störende Einflüsse ihre geschäftliche Tätigkeit fortzuführen. Nachdem ein Gesellschafter, wenn er aus der Gesellschaft Austritt, aus dieser nicht mehr ausgeschlossen werden könne, sei die Überlegung, das die Regelung des § 12 für derartige Fälle vorgesehen sei, unlogisch.

In der zweiten Hälfte des Jahres 2017 sei der Beklagten bekannt geworden, dass in der Einzelfirma des Klägers YYYYY Arbeitnehmer in einem fiktiven Arbeitsverhältnis beschäftigt gewesen seien. Diese seien dem Arbeitsamt als geringfügig beschäftigt und arbeitslos gemeldet worden, hätten tatsächlich aber eine Vollbeschäftigung gehabt. Es liege offensichtlich ein Leistungsbetrug durch den Kläger vor. Auch aus diesem Grunde sei der Kläger ausgeschlossen worden.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Meiningen vom 01.02.2018, Az. HK O 59/17, abzuändern und die einstweilige Verfügung des Landgerichtes Meiningen vom 04.11.2017, Az. HK O 59/17, aufzuheben.

Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger trägt vor,

das Landgericht sei zu Recht davon ausgegangen, dass die Beschlussfassung vom 27.10.2017 nicht wirksam zu Stande gekommen sei. Die Regelung des § 12 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages lasse einen Ausschluss nur zu, wenn der Gesellschafter seinen Austritt aus der Gesellschaft erkläre. Ein Leistungsbetrug liege nicht vor.

II.

Die Berufung ist unbegründet. Das Landgericht hat die beantragte einstweilige Verfügung zu Recht erlassen und auf den Widerspruch der Beklagten mit dem berufungsgegenständlichen Urteil aufrechterhalten.

1.

Der Kläger hat einen Anspruch auf vorläufige Untersagung der Einreichung einer geänderten Gesellschafterliste zum Handelsregister und auf seine vorläufige Behandlung als Gesellschafter der Beklagten mit allen Rechten und Pflichten glaubhaft gemacht.

a)

Gemäß § 935 ZPO ist eine einstweilige Verfügung u.a. dann zulässig, wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Damit kann ein gefährdeter Individualanspruch auch durch eine Unterlassungsverfügung gesichert werden (Zöller-Vollkommer, ZPO, 32. A., § 935 ZPO, Rn. 2, 6).

b)

Der Gesellschafter hat aus dem Mitgliedschaftsverhältnis einen Anspruch gegen die Gesellschaft, es zu unterlassen, eine Gesellschafterliste zum Handelsregister einzureichen, die der materiellen Rechtslage nicht entspricht, und einen Anspruch, als Gesellschafter mit allen daraus folgenden Rechten und Pflichten behandelt zu werden, solange das Mitgliedschaftsverhältnis besteht.

aa)

Die Mitgliedschaft eines Gesellschafters besteht in Rechten und Pflichten. Diese Rechte sind Vermögensrechte (Gewinn- und Liquidationsanteil, Bezugsrecht), Mitverwaltungsrechte (Stimmrecht, Anfechtungsrecht) und sonstige Rechte, insbesondere Kontrollrechte (Einsichts- und Auskunftsrecht, Minderheitsrecht) (Lutter/Hommelhoff – Bayer, GmbHG, 19. A. , § 14 GmbHG, Rn. 16). Das Mitgliedschaftsverhältnis begründet mitgliedschaftliche Treuebindungen, aus denen auch ein Anspruch des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft folgen kann (BGH, Urteil vom 30. September 1991 – II ZR 208/90 –, Rn. 8, juris). Die GmbH ist auf der Grundlage der sie bindenden Treuepflicht gehalten, die im mitgliedschaftlichen Bereich liegenden berechtigten Anliegen eines Gesellschafters, deren Erfüllung sachlich möglich und geboten ist, weil eine sachlich gerechtfertigte Ablehnung nicht in Betracht kommt, zu erfüllen. Die Gesellschaft hat somit auf die berechtigten Belange der Gesellschafter Rücksicht zu nehmen (Lutter/Hommelhoff – Bayer, aaO, § 14 GmbHG, Rn. 31).

bb)

Daraus ergibt sich zunächst ein auch klageweise durchzusetzender Anspruch des Gesellschafters, von der Gesellschaft als Gesellschafter mit allen Rechten und Pflichten behandelt zu werden.

cc)

Daraus ergibt sich des Weiteren ein Anspruch gegen die Gesellschaft, die Einreichung einer Gesellschafterliste zum Handelsregister zu unterlassen, die der materiellen Rechtslage nicht entspricht.

(1)

Der Inhalt der zum Handelsregister eingereichten Gesellschafterliste ist wegen deren Legitimationswirkung, § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG, von grundlegender Bedeutung für die Ausübung der mitgliedschaftlichen Mitwirkungsrechte des Gesellschafters. Nach dieser Bestimmung gilt im Verhältnis zur Gesellschaft im Falle einer Veränderung in den Personen der Gesellschaft als Inhaber eines Geschäftsanteils nur, wer als solcher in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste eingetragen ist. Die sich hieraus verfahrensrechtlich ergebenden Konsequenzen gelten für alle mitgliedschaftlichen Rechte und Pflichten, insbesondere auch für die Rechte des neuen Gesellschafters, an der Willensbildung der Gesellschaft mitzuwirken (OLG ZweibrückenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Zweibrücken
, Beschluss vom 15. Dezember 2011 – 3 W 144/11 –, Rn. 5, juris). Unabhängig davon, ob man von einer unwiderleglichen Vermutung oder einer gesetzlichen Fiktion ausgeht, gilt auch im Falle einer materiellrechtlich unrichtigen Liste – von engen, im einzelnen noch streitigen Ausnahmen abgesehen – gegenüber der Gesellschaft nur derjenige als Gesellschafter, der in der Liste als Gesellschafter ausgewiesen wird, selbst dann, wenn  der Gesellschaft die materiellrechtliche Unrichtigkeit bekannt ist (Baumbach/Hueck – Fastrich, GmbHG, 21. A., § 16 GmbHG, Rn. 10, 11, 14 – 16; Henssler/Strohn-Verse, Gesellschaftsrecht, 2. A., § 16 GmbHG, Rn. 11 – 15, 45; Lutter/Hommelhoff – Bayer, GmbHG, aaO, § 16 GmbHG, Rn. 23 – 28, 36; OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Frankfurt
, Beschluss vom 04. November 2016 – 20 W 269/16 –, Rn. 33 – 38, juris).

(2)

Die Geschäftsführung hat bei der Entscheidung über die inhaltliche Gestaltung der einzureichenden Liste die angemeldeten Tatsachen und Nachweise zu prüfen und pflichtgemäßes Ermessen auszuüben (OLG DresdenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Dresden
, Beschluss vom 06. März 1998 – 7 W 1256/97 –, Rn. 32, juris). Dies umfasst die Pflicht zur Korrektur einer falschen Liste, um die Ausübung von Gesellschafterrechten durch Scheingesellschafter im Interesse der Gesellschaft zu verhindern (Baumbach/Hueck – Fastrich, aaO, § 16 GmbHG, Rn. 5, 7).

(3)

Deswegen ergibt sich aus dem Mitgliedschaftsverhältnis u.a. ein Leistungsanspruch des Gesellschafters gegen die Gesellschaft auf Einreichung einer dem materiellen Recht entsprechenden Gesellschafterliste (vgl. Baumbach/Hueck – Fastrich, aaO, § 16 GmbHG, Rn. 5, 8; – Noack, aaO, § 40 GmbHG, Rn. 30,84; Henssler/Strohn – Verse, aaO, §  16 GmbHG, Rn. 36, 43; Lutter/Hommelhoff – Bayer, aaO, § 40 GmbHG, Rn. 36; OLG HammBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Hamm
, Urteil vom 16. April 2014 – I-8 U 82/13 –, Rn. 70, juris; (Senat, Urteil vom 09. Oktober 2013 – 2 U 678/12 –, Rn. 49, juris). Spiegelbildlich umfasst dieser Leistungsanspruch den Anspruch des Gesellschafters, die Einreichung einer materiell unrichtigen Liste zu unterlassen. Dieser Anspruch richtet sich gegen die Gesellschaft, weil ein Rechtsverhältnis des Gesellschafters zu ihr in Frage steht (Senat, Urteil vom 09. Oktober 2013 – 2 U 678/12 –, Rn. 50, juris).

dd)

Diese Individualansprüche des Gesellschafters können durch eine gegen die Gesellschaft zu richtende – und gemäß § 888 ZPO zu vollstreckende – einstweilige Verfügung gesichert werden (vgl. Baumbach/Hueck – Fastrich, aaO, § 16 GmbHG, Rn. 7, 8; – Noack, aaO, § 40 GmbHG, Rn. 30; Lutter/Hommelhoff – Bayer, aaO, § 40 GmbHG, Rn. 36, 74, 76). Der Gesellschafter kann somit im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes erreichen, dass dem Geschäftsführer die Einreichung der geänderten Gesellschafterliste vorläufig untersagt wird, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen, insbesondere neben dem wirksamen Erwerb des Geschäftsanteils ein Verfügungsgrund gegeben ist

(BGH, Urteil vom 17. Dezember 2013 – II ZR 21/12 –, Rn. 39, juris).

c)

Der Kläger hat glaubhaft gemacht, dass das Mitgliedschaftsverhältnis fortbesteht und er deshalb weiterhin als Gesellschafter zu behandeln ist und die Einreichung einer Gesellschafterliste, die den Kläger nicht mehr als Gesellschafter der Beklagten ausweist, der materiellen Rechtslage widersprechen würde.

aa)

Der Kläger war unstreitig jedenfalls bis zur Gesellschafterversammlung am ….2017 Gesellschafter der Beklagten mit einem Gesellschaftsanteil von 5.000.- Euro am Stammkapital der Gesellschaft von 25.000.- Euro (vgl. Gesellschafterliste vom ….2014, Anlage K1; § 3 Gesellschaftsvertrag, Anlage K3).

bb)

Der Kläger hat glaubhaft gemacht, dass er seine Mitgliedschaft nicht durch die Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung am ….2017 verloren hat, weil diese Beschlussfassung anfechtbar ist und der Kläger Klage erhoben hat.

(1)

Der Gesellschaftsvertrag enthält eine ausreichende und hinreichend bestimmte Grundlage für die Zwangseinziehung in § 12 (Anlage K3). Nach § 12 Ziffer 1 b), letzter Spiegelstrich, kann ein Gesellschafter aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden, wenn der Gesellschafter seinen Austritt aus der Gesellschaft erklärt. Nach § 12 Ziffer 2. hat der ausgeschlossene Gesellschafter nach wahl der Gesellschafterversammlung die Einziehung seines Anteiles zu dulden oder den Anteil an die verbleibenden Gesellschafter zu übertragen. Nach § 12 Ziffer 3. hat der betroffene Gesellschafter kein Stimmrecht beim Beschluss über die Art der Verwirklichung der Ausschließung. Nach § 12 Ziffer 4. ist der Einziehungsbeschluss entweder mit einer Kapitalherabsetzung zu verbinden oder sind die Nennbeträge der Geschäftsanteile sind nominell aufzustocken oder ist ein neuer Geschäftsanteil zu bilden. Damit sind die Voraussetzungen und die Durchführung der Zwangseinziehung hinreichend bestimmt geregelt.

Die Anknüpfung an die Erklärung des Austrittes durch den Gesellschafter benennt einen zulässigen sachlichen Grund (Baumbach/Hueck – Fastrich, aaO, § 34 GmbHG, Rn. 10) und ist ungeachtet des Streites der Parteien über die Auslegung des Begriffes hinreichend bestimmt. Entscheidend ist, dass die Satzungsregelung bezüglich der Voraussetzungen einer Zwangseinziehung so genau und vollständig ist, dass die Subsumtion eines konkreten Geschehens unter sie – mögen auch die Tatsachen bestritten sein – möglich und gerichtlich nachprüfbar ist. Wie bei unbestimmten Rechtsbegriffen ist das Vorliegen des solchermaßen beschriebenen Grundes und die Subsumtion im Rechtsstreit um die Einziehung unbeschränkt durch Auslegung und Subsumtion gerichtlich nachprüfbar (vgl. Scholz- Westermann, GmbHG, 12. A., § 34 GmbHG, Rn. 13, 16 ). Zwar soll in einer Satzungsregelung, die bestimmt, dass die Gesellschaft einen Gesellschafter durch Beschluss ausschließen und von diesem verlangen kann, seinen Geschäftsanteil abzutreten oder die Einziehung des Anteiles zu dulden, noch keine Ermächtigung für eine Zwangseinziehung liegen (Henssler/Strohn – Fleischer, aaO, § 34 GmbHG, Rn. 5; BGH, Urteil vom 17. September 1991 – II ZR 245/99-, Rn. 10). Im vorliegenden Fall wird aber durch § 12, Ziffer 3. und 4. deutlich gemacht, dass die Gesellschafterversammlung über die Art der Verwirklichung der Ausschließung zu beschließen hat, und zwar gegebenenfalls durch Einziehungsbeschluss. Daraus ergibt sich hinreichend deutlich das Recht zur Zwangseinziehung durch Beschlussfassung.

(2)

Die Beschlussfassung zum Ausschluss des Klägers und zur Einziehung seines Geschäftsanteiles ist anfechtbar, weil die in der Satzung aufgestellten Tatbestandsvoraussetzungen, § 12 Ziffer 1 b), letzter Spiegelstrich, nicht vorlagen, denn in der auf der Grundlage von § 14 des Gesellschaftsvertrages erklärten ordentlichen Kündigung des Klägers lag nicht zugleich ein Austritt aus der Gesellschaft im Sinne des § 12 Ziffer 1.

Insoweit kommt es nicht darauf an, ob entsprechend der Auffassung des Landgerichtes eine Feststellungsklage oder eine Anfechtungsklage entsprechend § 246 AktG zu erheben war, weil der Kläger – auch – eine Anfechtungsklage rechtzeitig erhoben hat, denn die Beschlussfassung erfolgte am ….2017 und die Klage  – u.a. mit einem Anfechtungsantrag – wurde am 02.11.2017 anhängig und am 20.11.2017 zugestellt.

§ 12 enthält eine körperschaftliche Bestimmung, da sie nicht nur diejenigen Gesellschafter betrifft und bindet, die den Gesellschaftsvertrag vereinbart haben, sondern auch künftige Gesellschafter. Für sie gilt daher das Erfordernis objektivierter Auslegung (Baumbach/Hueck- Fastrich, aaO, § 2 GmbHG, Rn. 29, 31; OLG KoblenzBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Koblenz
, Urteil vom 20. Dezember 2007 – 6 U 1161/07 –, Rn. 20, juris). Satzungsbestimmungen, denen körperschaftsrechtliche Bedeutung zukommt, müssen nach objektiven Gesichtspunkten einheitlich aus sich heraus ausgelegt werden. Wortlaut, Sinn und Zweck der Regelung kommt dabei ebenso maßgebende Bedeutung zu wie dem systematischen Bezug der Klausel zu anderen Satzungsvorschriften. Umstände, für die sich keine ausreichenden Anhaltspunkte in der Satzung finden, können zur Auslegung grundsätzlich nicht herangezogen werden. Außerhalb der Satzung liegende Sachzusammenhänge können unter Umständen dann berücksichtigt werden, wenn deren Kenntnis bei den Mitgliedern und Organen allgemein vorausgesetzt werden kann (BGH, Urteil vom 11. Oktober 1993 – II ZR 155/92 –, Rn. 15, juris). Da der Ausschluss zudem Ausnahmecharakter hat, gilt der Grundsatz einer engen Auslegung (Lutter/Hommelhoff – Lutter/Kleindiek, aaO, § 34 GmbHG, Rn. 31).

Die Gesellschafter haben mit ihrer Wortwahl in § 14 und § 12 des Gesellschaftsvertrages ausdrücklich zwischen Kündigung und Austritt unterschieden. Sie haben jedem Gesellschafter nur das Recht zu einer ordentlichen Kündigung eingeräumt; ein Austritt konnte daher nur als Notmaßnahme des betroffenen Gesellschafters aus wichtigem Grund erfolgen (Baumbach/Hueck – Fastrich, aaO, Anh. § 34 GmbHG, Rn. 20, 21). Die Unterscheidung zwischen Kündigung und Austritt ist in rechtlicher Hinsicht auch nicht sinnlos. Denn die Rechtsfolgen der auf der Grundlage von § 14 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages erklärten Kündigung sind zunächst offen: räumt die Satzung ein Kündigungsrecht ein, ist es Auslegungsfrage, ob damit eine Auflösung der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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oder ein Austrittsrecht begründet wird (Baumbach/Hueck – Fastrich, aaO, Anh. § 34 GmbHG, Rn. 27). Tatsächlich lässt der Gesellschaftsvertrag in § 14 Satz 2, § 15 Ziffer 2. Satz 1 die Fortsetzung der Gesellschaft unter Abtretungsverlangen der übrigen Gesellschafter wie auch deren Auflösung zu. Der Austritt hingegen führt zu dem Ausscheiden des betreffenden Gesellschafters unter Fortsetzung der Gesellschaft. Es ist auch nicht sinnlos, der Gesellschafterversammlung ein Recht zum Ausschluss des Gesellschafters einzuräumen, der seinen Austritt erklärt hat. Denn im Falle des Austrittes bleibt die betreffende Person Gesellschafter bis zur Übertragung seines Anteiles oder dessen Einziehung (Baumbach/Hueck-Fastrich, aaO, Anh. § 34 GmbHG, Rn. 26; Lutter/Hommelhoff – Lutter/Kleindiek, aaO, § 34 GmbHG, Rn. 76; BGH, Urteil vom 26. Oktober 1983 – II ZR 87/83 –, Rn. 10, 11, juris), wohingegen die Gesellschafterstellung im Falle des Ausschlusses bereits mit der Beschlussfassung verlorengeht (Lutter/Hommelhoff – Lutter/Kleindiek, aaO, § 34 GmbHG, Rn. 64a; OLG HammBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Hamm
, Urteil vom 07. Oktober 1992, GmbHR 1993, 743, 745; BGH, Urteil vom 26. Oktober 1983 – II ZR 87/83 –, Rn. 14, juris). Der Ausschluss ermöglicht den übrigen Gesellschaftern im Falle des Austrittes also, den betreffenden Gesellschafter unabhängig von der ausstehenden Umsetzung des Austrittes sofort von jeglicher Willensbildung fernzuhalten, auch dann, wenn für die Umsetzung des Austrittes die Übertragung des Gesellschaftsanteiles verlangt wird.

(3)

Sonstige Ausschlussgründe im Sinne des § 12 des Gesellschaftsvertrages wurden nicht in prozessual zulässiger Weise vorgetragen und sind deshalb unbeachtlich.

Die Beklagte trägt mit Schriftsätzen vom 19.06.2018 und 19.07.2018 im Berufungsverfahren erstmals vor, der Kläger habe mehrere Personen in seiner Firma YYYYY vollbeschäftigt, diese aber nur als geringfügig angestellt gemeldet und damit einen Leistungsbetrug begangen. Es kann offen bleiben, ob dies einen wichtigen Grund für den Ausschluss des Klägers aus der Beklagten abgeben kann (§ 12 Ziffer 1 des Gesellschaftsvertrages), denn jedenfalls handelt es sich um neuen Tatsachenvortrag, dessen Berücksichtigung unzulässig ist, §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO. Die Behauptung hat der Kläger bestritten. Die behaupteten Tatsachen sollen der Beklagten nach ihrem Vortrag in der zweiten Jahreshälfte 2017 bekannt geworden sein und sollen zu der Kündigung und dem Ausschluss des Klägers geführt haben. Sie wären daher bereits in der ersten Instanz vorzutragen gewesen.

2.

Die Dringlichkeit ergibt sich aus der Beeinträchtigung des Mitgliedschaftsrechtes des Klägers, wenn er auf der Grundlage des angegriffenen Ausschlusses nicht mehr als Gesellschafter der Beklagten behandelt und aus der zum Handelsregister einzureichenden Gesellschafterliste gestrichen wird. Der Verfügungsgrund ist durch den Ablauf der Kündigungsfrist nicht entfallen.

a)

Der Kläger hat mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 31.08.2017 (Anlage K4) die Kündigung des Gesellschaftsverhältnisses zum 31.03.2018, hilfsweise zum nächst zulässigen Termin erklärt. Zur Begründung hat er sich auf die Regelung in § 14 des Gesellschaftsvertrages (Anlage K3) bezogen. Es handelt sich um eine ordentliche Kündigung.

b)

Zulässigkeit und Wirkung der Kündigung richtet sich in erster Linie nach den Regelungen im Gesellschaftsvertrag (Baumbach/Hueck – Haas, GmbHG, 21. A., § 60 GmbHG, Rn. 90; Henssler/Strohn-Fleischer, Gesellschaftsrecht, 2. A., § 34 GmbHG, Rn. 24, 27; OLG DresdenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Dresden
, Urteil vom 19. September 2003 – 16 U 236/02-, Rn. 40 – 42, juris; BGH, Urteil vom 12. Dezember 1996 – II ZR 243/95, Rn. 5).

aa)

Nach § 14 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages kann jeder Gesellschafter die Gesellschaft jederzeit unter Einhaltung einer Frist von sechs Monaten zum Ende eines Geschäftsjahres kündigen, erstmals zum 31.03.2016. Nach § 5 Ziffer 2. ist das Geschäftsjahr der Zeitraum vom 01.04. eines Jahres bis zum 31.03. des darauf folgenden Jahres. Der Kläger kündigte die Gesellschaft damit vertragsgemäß und fristgerecht zum 31.03.2018.

bb)

Der Fristablauf führte aber nicht ohne weiteres zu einer Beendigung der Gesellschafterstellung des Klägers.

Nach § 14 Satz 3 des Gesellschaftsvertrages hat der Kündigende auf Verlangen der anderen Gesellschafter seinen Anteil an diese zu übertragen. Nach § 15 Ziffer 1. kann dieses Verlangen nur innerhalb von sechs Monaten nach Ausspruch der Kündigung gestellt werden. Nach § 15 Ziffer 2. Satz 1 gilt die Gesellschaft bei Kündigung als aufgelöst, wenn das Verlangen nicht oder nicht rechtzeitig gestellt wird. Für die Entscheidung über die Berufung kommt es nicht darauf an, ob die Gesellschaft vorliegend aufgelöst und damit zu liquidieren ist, oder ob der Kläger seine Gesellschaftsanteile zu übertragen hat. Denn die aufgelöste und in Liquidation befindliche (§ 66 Abs. 1 GmbHG) Gesellschaft ist mit der werbenden Gesellschaft identisch und der Gesellschaftsanteil des Klägers besteht bis zur Beendigung der Liquidation und Vollbeendigung der Gesellschaft fort, § 69 Abs. 1 GmbHG. Aber selbst wenn die anderen Gesellschafter rechtzeitig ein Übertragungsverlangen gestellt hätten und die Gesellschaft daher nicht aufgelöst wäre, hätte der Ablauf der Kündigungsfrist auf die Stellung des Klägers keinen Einfluss, denn seine Gesellschafterstellung wäre dann erst mit der Übertragung seines Gesellschaftsanteiles beendet (Lutter/Hommelhoff – Lutter/Kleindieck, GmbHG, 19. A., § 34 GmbHG, Rn. 75a – 77; BGH, Urteil vom 30. November 2009 – II ZR 208/08-, Rn. 11, juris; BGH, Urteil vom 26. Oktober 1983 – II ZR 87/83-, Rn. 10, 11, juris).

3.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Die Entscheidung ist rechtskräftig, da die Revision nicht statthaft ist, § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Ein Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit entfällt daher.

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