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OLG Dresden, Urteil vom 23.03.2022 – 12 U 1822/20

Vorstandshaftung GenossenschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Genossenschaft
Vorstandshaftung
Vorstandshaftung Genossenschaft

GenG §§ 24, 34 Abs. 2, 41, 48 Abs. 1

Tenor

1.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Chemnitz vom 17.07.2020 – 6 0 699/19 – wird zurückgewiesen.

2.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3.

Das Urteil und die erstinstanzliche Entscheidung sind vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leisten.

Beschluss

Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens wird auf 4.902.777,00 € festgesetzt.

Gründe

Gründe:

A.

Die klagende Agrargenossenschaft nimmt die Beklagten als ehemalige Vorstandsmitglieder bzw. als ehemalige Aufsichtsratsmitglieder wegen Verstoßes gegen § 22 Abs. 4 Satz 2 GenG im Zusammenhang mit der Finanzierung der Übertragung der Geschäftsguthaben der Beklagten im Jahr 2014 durch ein Darlehen der Klägerin an die Erwerber in Höhe von ca. 4,9 Mio.€ auf Schadensersatz in Anspruch.

Die Klägerin wurde am 23.03.1992 unter GnR … auf Grund des Umwandlungsbeschlusses vom 03.07.1991 nach dem LAnpG als Rechtsnachfolgerin der LPG … im Genossenschaftsregister des Amtsgerichts Chemnitz eingetragen. Die Beklagten waren bereits zum Zeitpunkt der Umwandlung Mitglieder der Klägerin. Im Jahr 2013 und Anfang 2014 hatte die Klägerin neben den vier Beklagten noch drei weitere Mitglieder (vgl. zur Mitgliederstruktur; Anlage 83, dort Anlage 4.1, BI. 52 Anlagenheft Beklagte). Von dem Gesamtgeschäftsguthaben von 1.987.902,00 € hielten die Beklagten zu 1 und zu 2 seinerzeit je 14,81848 %, der Beklagte zu 3 12,5 % und der Beklagte zu 4 12,3457%, insgesamt beliefen sich die Geschäftsguthaben der Beklagten auf 1.082.915,75 €. Die weiteren Mitglieder waren … (20,679%), der auch Vorstandsmitglied war, … (12,3457%) und … (12,5%), die beide im Aufsichtsrat waren. Die vier Beklagten verfügten, da jedes Mitglied nach § 25 Abs. 2 der Satzung in der im Jahr 2014 geltenden Fassung vom 13.10.1994 (Anlage BK5) eine Stimme hat, über eine Mehrheit von 4/7.

Die Satzung der Klägerin enthält weiter unter anderem folgende Regelungen:

,,§ 4 Ausscheidensgründe

Ein Mitglied scheidet aus durch:

            Kündigung

            Übertragung des Geschäftsguthabens

            …

§ 5

Kündigung

(1) Jedes Mitglied hat das Recht, seine Mitgliedschaft zum Schluss eines Geschäftsjahres zu kündigen.

(2) Die Kündigung muss schriftlich erklärt werden. Sie wird wirksam nach Abschluss von drei

Geschäftsjahren.

(3) ….

§ 6

Übertragung der Geschäftsanteile

(1) Ein Mitglied kann jederzeit, auch im Laufe des Geschäftsjahres, seine Geschäftsanteile durch

schriftlichen Antrag einem anderen übertragen und hierdurch aus der Genossenschaft ohne

Auseinandersetzung Ausscheiden, sofern der Erwerber an seiner Stelle Mitglied wird ….

(2) Die Übertragung der Geschäftsanteile bedarf der Zustimmung des Vorstandes.

§ 9

Auseinandersetzung

(1) …

(2) Dem ausscheidenden Mitglied werden die Geschäftsanteile sowie das von ihm

eingebrachte und erworbene Geschäftsguthaben ausgezahlt ….

Darüber hinaus hat das Mitglied keine Ansprüche auf das Vermögen der

Genossenschaft ….

§ 37

Geschäftsanteil und Geschäftsguthaben

(1) Für die Mitgliedschaft sind mindestens zwei Geschäftsanteilen zu zeichnen.

(2) Ein Geschäftsanteil beträgt 6.000,00 DM.

(3) Der Geschäftsanteil ist sofort in voller Höhe einzuzahlen ….

(4) Jedes Mitglied kann mit Zustimmung des Vorstandes weitere Geschäftsanteile

erwerben. Die Anzahl der Geschäftsanteile ist nicht begrenzt.

(5) Geschäftsanteile und Geschäftsguthaben dürfen solange das Mitglied nicht

ausgeschieden ist, von der Genossenschaft nicht ausgezahlt, nicht aufgerechnet oder

im geschäftlichen Betrieb der Genossenschaft als Sicherheit verwendet werden. Eine

geschuldete Einzahlung darf nicht erlassen werden, gegen diese kann das Mitglied

nicht aufrechnen.

Der Genossenschaft haftet das Auseinandersetzungsguthaben des Mitglieds für einen

etwaigen Ausfall, insbesondere im Konkurs- oder Vergleichsverfahren des Mitglieds.

(6) Abtretung oder Verpfändung von Geschäftsanteilen und Geschäftsguthaben an Dritte

ist unzulässig und der Genossenschaft gegenüber unwirksam. Deren Aufrechnung

durch das Mitglied gegen seine Verbindlichkeiten gegenüber der Genossenschaft ist

nicht statthaft.

§ 38

Gesetzliche Rücklagen

(1) Die gesetzliche Rücklage dient zur Deckung von Bilanzverlusten.

(2) Sie wird gebildet durch eine jährliche Zuweisung von mindestens 20 % des

Jahresüberschusses zuzüglich eines eventuellen Gewinnvortrages bzw. abzüglich eines

eventuellen Verlustvortrages, solange die Rücklage 20 % der Bilanzsumme nicht erreicht.

(3) Über Verwendung der gesetzlichen Rücklage beschließt die Generalversammlung.

§ 39

Andere Rücklagen

Sie sind durch Beschluss der Generalversammlung möglich.

§ 43

Überschussverteilung, Gewinnverwendung und Dividende

(1)

(4) Das Geschäftsguthaben wird jährlich mit mindestens 3 % verzinst.

Zinsen dürfen nur aus den Gewinn gezahlt werden, der in dem betreffenden oder in einem

vorhergehenden Geschäftsjahr erwirtschaftet worden ist.“

Die Beklagten, die insgesamt mit knapp 55% beteiligt waren, beabsichtigten im Jahr 2013 aus Altersgründen aus der Klägerin auszuscheiden. Die übrigen drei Mitglieder wollten weiter Mitglied der Klägerin bleiben und lehnten eine Veräußerung des Unternehmens als Ganzes ab. Die Klägerin holte deshalb ein nur auszugsweise vorgelegtes Gutachten von Dipl.-Ing. … vom 10.10.2013 (Anlage B2, Anlagenheft Beklagte, BI. 9 ff) ein.

Danach betrug der gerundete Vermögenswert „der verflochtenen Gesellschaften … (Klägerin), … und der … 20.371.000,00 €, der Eigenkapitalsaldo lag bei ca. 16.974.000,00 €, der Wert der Beteiligung der vier Beklagten wurde davon ausgehend insgesamt auf 9.246.637,42 € beziffert. Da die verbleibenden drei Mitglieder (fortan auch: Altgenossen) Vorbehalte gegen die Aufnahme „Genossenschaftsfremder“ äußerten, wurde in der Folge gemeinsam ein „genossenschaftsnaher“, ,,genossenschaftsverträglicher“ Wechsel durch eine Anteilsübertragung angestrebt. Die wahl fiel schließlich auf … und … (fortan: Erwerber), die die Geschäftsguthaben der Beklagten an der Klägerin und Führungsaufgaben übernehmen sollten. Die Klägerin beauftragte Rechtsanwalt …, der für sie seit 1991 tätig war und auf das landwirtschaftliche Genossenschaftsrecht spezialisiert ist, mit der rechtlichen Beratung im Zusammenhang mit dem Vollzug und der Finanzierung der Übertragung der Geschäftsguthaben.

Am 04.03.2014 fasste die Generalversammlung der Klägerin zunächst den einstimmigen Beschluss, eine Bürgschaft für die Verbindlichkeiten der Erwerber im Zusammenhang mit der Finanzierung des Kaufpreises für die Geschäftsguthaben zu übernehmen. Dieser Beschluss wurde nicht umgesetzt. Die Generalversammlung der Klägerin beschloss sodann am 26.03.2014 mit den Stimmen der Beklagten einstimmig, dass die Klägerin ein Darlehen in Höhe des von den Beklagten und Erwerben vereinbarten Kaufpreises von 4,9 Mio. € aufnimmt und dieses an die – unbestritten vermögenslosen – Erwerber weiterreicht, damit diese den Kaufpreis an die Beklagten zahlen können. Das Darlehen sollte, was ebenfalls nicht umgesetzt wurde, durch „Abtretung der Geschäftsanteile der neuen Mitglieder“ an die Klägerin gesichert werden.

Die Klägerin nahm am 19.05.2014 (Anlage K1, Anlagenheft Klägerin) bei der … (fortan: …) einen Kredit aus dem Programm Nr. 241 Wachstum . Landwirtschaft der landwirtschaftlichen Rentenbank über 4.950.000,00 € mit einer Laufzeit von 20 Jahren zu einem Nominalzinssatz von 2,4%, der keine Beihilfe enthält, zur „Refinanzierung von Darlehen an Genossen zum Zweck des Erwerbes von Genossenschaftsanteilen in Höhe von ca. 55%“ auf, bestellte als Sicherheit auf Grundstücken mit einer Gesamtfläche von 357 ha (aufgelistet in Anlage 1 zu dem Darlehensvertrag) eine Gesamtbuchgrundschuld in Höhe von 4.950.000,00 € und trat gleichfalls als Sicherheit Ansprüche aus dem Verkauf von Milchreferenzmengen ab. Das Darlehen der … sollte durch die Klägerin innerhalb der Laufzeit von 20 Jahren zurückgeführt werden. Die Klägerin, die den Vertrag zwischenzeitlich, wie sie der … mit Schreiben vom 09.11.2020 (Anlage BK1, AH K, 98) mitteilte, für unwirksam gehalten hat, leistet die Raten weiter vereinbarungsgemäß.

Die Veräußerung der Geschäftsguthaben über insgesamt 1.082.915,75 € erfolgte schließlich am 28.05.2014 an die Erwerber zum Preis von insgesamt 4.902.777,00 € durch schriftliche Verträge mit den Beklagten. Die Klägerin gewährte den Erwerbern am selben Tag ein Darlehen zur Finanzierung der den Beklagten für die Übertragung der Geschäftsguthaben zu zahlenden Beträge. Die Präambel des Darlehensvertrages mit den Erwerbern lautet:

„Die Darlehensnehmer sind seit mehreren Jahren in der Agrargenossenschaft eG … tätig. Sie sollen in Zukunft Führungsaufgaben übernehmen. Durch einstimmigen Beschluss der Generalversammlung wurde die Ausreichung des Darlehens beschlossen. Mit diesen Darlehen leisten die Darlehensnehmer keine Einzahlungen an die Genossenschaft.“

Wegen der weiteren Einzelheiten des Darlehensvertrages, insbesondere wegen der Tilgungsregelungen und der Sicherheiten, wird auf den Darlehensvertrag vom 28.05.2014, Anlage K2, Anlagenheft Klägerin, verwiesen.

Die dingliche Übertragung der Geschäftsguthaben erfolgte nach dem schriftlichen Kauf- und Übertragungsvertrag aufschiebend bedingt durch die zum 01.07.2014 erfolgte Eintragung der Erwerber in die Mitgliederliste. Die Tilgung der Darlehen durch die Erwerber sollte vierteljährlich erfolgen. Tilgungen erfolgten indes seitens der Erwerber nicht. Das Darlehen wurde bislang allein durch Verrechnung mit Ansprüchen der Erwerber aus jährlichen Gewinnausschüttungen bedient.

Die Übertragung der vier Geschäftsguthaben und die Darlehensverträge der Klägerin mit der … und den Erwerbern sind im Jahresabschluss zum 30.06.2014 ausgewiesen. Zum 30.06.2013 und damit vor der Aufnahme des Darlehens der … belief sich die Bilanzsumme auf ca. 10 Mio. €. Die Klägerin hatte 2014 einen Umsatz von ca. 6,8 Mio. €. Das Eigenkapital belief sich zum 30.06.2014 auf 6.362.742,53 €, davon entfielen 1.987.902,00 € auf die Geschäftsguthaben, 4.374.800,00 € auf Rücklagen. Ausweislich der Anlage 1.1 zum Bericht des Genossenschaftsverbandes über die Prüfung gemäß § 53 GenG zum 30.06.2014 betrug die gesetzliche Rücklage 2.461.864,03 €. Der Bilanzgewinn lag im Geschäftsjahr 2013/2014 nach Abzug von 300.000,00 € „“Verzinsung Geschäftsguthaben“ bei 0,00 €. Der Jahresabschluss zum 30.06.2014 wurde vom Prüfverband genehmigt. Mit Beschluss der Generalversammlung der Klägerin vom 28.10.2014 wurden Vorstand und Aufsichtsrat für das Geschäftsjahr 2013/2014 entlastet.

Die Klägerin kündigte die Darlehensverträge mit den Erwerbern am 19.07.2019 wegen Zahlungsverzuges, die Erwerber sollen ihren Zahlungspflichten seit April 2017 nicht mehr nachgekommen sein, weil die Klägerin ihrer Ausschüttungspraxis wegen fehlender Liquidität beenden musste. Nach den Kündigungsschreiben waren die Darlehen seinerzeit in Höhe von 2.468.839,30 € und 2.485.411,00 € jeweils nebst Zinsen offen. Seit dem 30.06.2017 sollen nach der Kündigung keine Zahlungen“ erfolgt sein.

Die Klägerin hat die Beklagten zunächst im Urkundenverfahren mit Klage vom 24.05.2019, eingegangen per Fax am 24.05.2019, als Gesamtschuldner auf Schadensersatz aus §§ 34 Abs. 2, 3 Nr. 5, 41, 22 Abs. 4 S. 2 analog GenG in Höhe von 4,95 Mio. € in Anspruch genommen. Von dem Urkundenverfahren hat die Klägerin erstinstanzlich Abstand genommen. Die Klägerin hat ihre Klage mit Schriftsatz vom 12.06.2020 auf Verurteilung zur Zahlung von 4.902.777,00 € nebst Zinsen beschränkt, den von den Erwerbern an die Beklagten gezahlten Betrag, die Summe der vereinbarten Kaufpreise. Gewinnausschüttungen oder sonstige Zahlungen auf das Darlehen hat sie nicht berücksichtigt, obwohl auch nach ihrem Vortrag bis 2017 zunächst Gewinne ausgeschüttet wurden. Hilfsweise hat die Klägerin erstmals mit Schriftsatz vom 20.01.2020 aus abgetretenem Recht· der Erwerber Rückzahlung der den Beklagten gezahlten Kaufpreise nach § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB verlangt. Mit Schriftsatz vom 11.06.2020 hat die Klägerin die Klage nochmals erweitert und im Verhältnis zur … die Feststellung der Unwirksamkeit des Darlehensvertrages vom 19./26.05.2014 wegen evidenten Missbrauchs der Vertretungsmacht durch die Beklagten beantragt. Dieser Schriftsatz ist der … nicht zugestellt worden. Die erstinstanzlich in der mündlichen Verhandlung vom 16.06.2020 erörterte Abtrennung der Klage gegen die … ist mit Beschluss vom 15.07.2020 erfolgt.

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 17.07.2020 abgewiesen, wegen der Einzelheiten der Begründung wie auch wegen der weiteren erstinstanzlichen Feststellungen wird auf BI. 194 bis 217 d.A. Bezug genommen. Die Klägerin hat gegen das ihr am 10.08.2020 zugestellte Urteil am 10.09.2020 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 10.11.2020 am 10.11.2020 begründet.

Die Klägerin trägt vor:

Sie sei latent zahlungsunfähig. 2018/2019 sei wegen der Wertlosigkeit ihrer Darlehensrückzahlungsansprüche gegen die vermögenslosen Erwerber eine Wertberichtigung in Höhe von 2.473.000,00 € und eine Verrechnung mit der gesetzlichen Rücklage erfolgt.

Sie habe Ansprüche gegen die Beklagten aus §§ 34 Abs. 2, 3, 41 GenG i.V.m § 22 Abs. 4 S. 2 GenG i.V.m § 134 BGB und aus§§ 62 Abs. 1 AktG, 31 Abs. 1 GmbHG und wegen·Untreue. Es sei ein ausschließlich durch die Klägerin fremdfinanzierter und besicherter Teilunternehmenskauf mit einem Abfluss von haftendem Kapital in Höhe von 3.819.862,00 € erfolgt. Ein solches Vorgehen sei nach dem Genossenschaftsgesetz grundsätzlich unzulässig und vorliegend nach §§ 1, 34 Abs. 3 GenG pflichtwidrig, da entgegen den zwingenden Regelungen in §§ 73, 76 GenG im Zusammenhang mit dem Ausscheiden der Beklagten haftendes Kapital in Höhe der Differenz zwischen dem Darlehensbetrag und dem Geschäftsguthaben der vier Beklagten, mithin in Höhe von 3.819.862,00 € abgeflossen sei.

Die Erwerber hätten das übernommene Geschäftsguthaben nicht erstattet, sondern in fünffacher Höhe den anteiligen Unternehmenswert an die Beklagten gezahlt. Die Regelung in § 22 Abs. 4 S. 2 GenG sei analog anwendbar. Ratio legis dieser Vorschrift sei, dass bei der Übertragung der Geschäftsguthaben kein Eigenkapital abfließen dürfe. Es handele sich um eine Kapitalerhaltungsvorschrift. Ansonsten wäre es einer Genossenschaft rechtlich zulässig, in unbegrenzter Höhe die Übernahme von Geschäftsguthaben durch die Genossenschaft zu finanzieren.

Die Regelung in § 71a Abs. 1 AktG, nach der jedwede Finanzierung oder Sicherung eines Aktienerwerbs verboten sei, sei auch hier zu berücksichtigen. Der den Erwerbern gewährte Kredit sei unzureichend gesichert gewesen. Es sei nicht absehbar gewesen, dass die Ertragslage der Klägerin während der Laufzeit des Darlehens von 20 Jahren dauerhaft Ausschüttungen in ausreichender Höhe erlaube. Dingliche Sicherheiten hätten die Erwerber nicht gewährt. Der als Sicherheit abgetretene Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben sei auf den Betrag des Geschäftsguthabens beschränkt. Eine solche Kreditierung sei im Übrigen auch nach dem Zweck der Genossenschaft unzulässig.

Dieser bestehe in der Förderung der Mitglieder und des gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebes. Ziel sei es vorliegend hingegen allein gewesen, den Beklagten Mittel zukommen zu lassen, die ihnen nach dem Genossenschaftsgesetz wegen der Begrenzung auf das Auseinandersetzungsguthaben nicht zugestanden hätten.

Das Verschulden der Beklagten werde vermutet. Die Voraussetzungen für eine Beweislastumkehr seien entgegen dem Landgericht nicht erfüllt. Die Beklagten hätten sich auch nicht ausreichend entlastet. Sie könnten sich nicht auf die Beratung durch Rechtsanwalt …und … berufen, deren Inhalt sie im Übrigen nicht ansatzweise dargelegt hätten. … habe lediglich ausgehend von der Vorgabe jährlicher Ausschüttungen eine Ausschüttungsplanung erstellt. Rechtsanwalt … habe die Klägerin seit 1991 beraten und sei von ihr auch mit der Beratung zur Umstrukturierung beauftragt worden. Auf diese Beauftragung könnten sich die Beklagten nicht berufen, da Rechtsanwalt … – was den Beklagten bewusst gewesen sei – nach § 43a Abs. 4 BRAO die Wahrnehmung widerstreitender Interessen verboten gewesen sei und die Beklagten anders als sie selbst die Realisierung des fünffachen Wertes ihres Geschäftsguthabens anstrebten. Ein Rat müsse zudem auf Vollständigkeit, Unabhängigkeit und Plausibilität geprüft werden. Dass der Prüfverband die Vorgänge nicht beanstandet habe, sei nicht maßgeblich. Diese Prüfung sei erst im Jahr 2015 durchgeführt worden.

Der Beschluss vom 26.03.2014 (Anlage B5, Anlagenheft Beklagte) wie auch der Beschluss über die Entlastung seien wegen Verstoßes gegen §§ 1, 22 Abs. 4 S. 2, 73, 76 GenG nichtig. Zu den entsprechenden Versammlungen seien keine Unterlagen, insbesondere keine Lageberichte vorgelegt worden. Der Beschluss vom 26.03.2014 und die Entlastung durch die Generalversammlung stellten einen sogenannten satzungsdurchbrechen Beschluss dar, ein solcher sei unwirksam. Zum Zeitpunkt der Entlastung seien die Pflichtverletzungen und die schadensersatzrechtliche Verantwortung der Beklagten auch nicht erkennbar gewesen. Wegen der Verletzung von Kardinalpflichten könnten sich die Beklagten ebenfalls nicht auf die Inanspruchnahme juristischer Beratung und den Entlastungsbeschluss berufen. Ohnedies sei die Entlastungswirkung eingeschränkt, ein Anspruchsverzicht setze einen eindeutig geäußerten Verzichtswillen zu bekannten oder zumindest erkennbaren Ansprüchen voraus. Der Prüfbericht der Genossenschaft sei nicht Gegenstand der Generalversammlung gewesen, habe auch nicht eingesehen werden dürfen. Die Beklagten seien auch nach §§ 62 Abs. 1 GenG, 31 Abs. 1 GmbHG zur Rückzahlung verpflichtet. Sie hätten im Ergebnis Leistungen der Klägerin als Mitglied erhalten.

In der zweitinstanzlichen mündlichen Verhandlung hat die Klägerin den Hilfsantrag nicht weiterverfolgt und die Berufung auf ein Vorgehen gegen die Abweisung ihres Hauptantrags beschränkt.

Die Klägerin beantragt zuletzt,

das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 17.07.2020 – 6 O 699/19 – abzuändern und die Beklagten zu 1) bis 4) als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 4.902.777,00 € nebst 4% Zinsen seit Klagezustellung zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen die angefochtene Entscheidung. Sie tragen vor: In den Jahren 2017 bis 2019 sei es wegen der extremen Trockenheit für jedes landwirtschaftliche Unternehmen schwierig gewesen, auskömmliche Erträge zu erzielen. Die Klägerin sei dadurch aber nicht in eine wirtschaftlich schwache Lage geraten. Die Wertberichtigung, zu der sie sich mit Nichtwissen erklären müssten, bewirke unmittelbar eine Gewinnminderung und führe zu Steuervorteilen.

Sie hätten eine rechtlich zulässige, in der Satzung vorgesehene und übliche Form des Wechsels gewählt. Fraglich sei allenfalls, ob und bejahendenfalls inwieweit die Klägerin den Kaufpreis habe finanzieren dürfen. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass § 22 GenG das Mindesthaftkapital, das Mindestgeschäftsguthaben schütze und die Klägerin seinerzeit nach dem Gutachten … über Reserven in Höhe von mehr als 10 Mio. € verfügt und der Marktwert der übertragenen Anteile bei 9.246.637,42 € gelegen habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen und Urkunden sowie auf das Protokoll der mündlichen

Verhandlung vom 19.01.2022 verwiesen.

B.

Die nach § 511 Abs. 1 ZPO statthafte Berufung ist auch im Übrigen zulässig. Die von der Klägerin vorgelegte Begründung ist auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des BGH mit Beschluss vom 07.06.2018 (1 ZB 57/17) ausreichend im Sinne von§ 520 Abs. 3 ZPO.

I.

Eine Berufungsbegründung muss nach § 520 Abs. 3 ZPO erkennen lassen, aus welchen tatsächlichen oder rechtlichen Gründen das angefochtene Urteil unrichtig sein soll (vgl.: BGH, Beschluss vom 10.07.1990 – XI ZB 5/90). Der Berufungsführer muss dabei konkret auf den Streitfall eingehen (vgl.: BGH, Beschluss vom 30.10.1984 – IX ZB 103/84). Hat das Erstgericht ein klageabweisendes Urteil in einem Schadensersatzprozess auf mehrere selbständig tragende Erwägungen gestützt, muss die Berufung die tragenden Erwägungen des Erstgerichts angreifen und darlegen, warum diese aus Sicht des Berufungsklägers nicht zutreffen; die Begründung muss also – ihre Richtigkeit unterstellt – geeignet sein, das gesamte Urteil in Frage zu stellen (vgl.: BGH, Beschluss vom 21.07.2016 – IX ZB 88/15).

Formularmäßige Sätze und allgemeine Redewendungen genügen nicht. Deshalb reicht es nicht aus, die Auffassung des Erstrichters als falsch oder die Anwendung einer bestimmten Vorschrift als irrig zu rügen. Auch ist eine Bezugnahme auf das – vom Erstgericht angeblich nicht oder unrichtig gewürdigte – Vorbringen unzulässig. Die Berufungsbegründung soll auch aus sich heraus verständlich sein, damit eine Zusammenfassung und Beschleunigung des Rechtsstreits erreicht werden kann (vgl.: BGH, Beschluss vom 07.06.2018 – 1 ZB 57/17; BGH, Urteil vom 09.03.1995- IX ZR 143/94).

II.

Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung der Klägerin gegen die Abweisung ihrer Klage mit dem zweitinstanzlich zuletzt allein noch streitgegenständlichen Hauptantrag auf Schadensersatz aus eigenem Recht.

Das Landgericht hat den Hauptantrag mit der tragenden Begründung abgewiesen, ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagten wegen Pflichtverletzung als Vorstand oder Aufsichtsratsmitglied bestehe nicht, da die Vermutung des Schadens durch die Bedienung der Darlehen mit den jährlichen Gewinnausschüttungen widerlegt sei, und dass ein Verschulden der Beklagten, für das die Klägerin wegen der erfolgten Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat die Darlegungs- und Beweislast trage, nicht nachgewiesen sei (vgl.: Seite 16 des Urteils). Die weitergehenden Ausführungen waren nicht tragend. Eine Pflichtverletzung hat das Landgericht nicht verneint, es hat deren Vorliegen lediglich als bedenklich angesehen, die Frage dann aber letztlich offengelassen (vgl.: S. 19 2. Absatz). Ebenso wenig hat das Landgericht tragend auf das Vorliegen eines Beschlusses der Generalversammlung im Sinne von § 34 Abs. 4 Satz 1 GenG abgestellt, so dass sich die Berufungsbegründung mit diesen Punkten nicht befassen musste, um als zulässig bewertet werden zu können.

Mit den tragenden Argumenten hat sich die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung genügend befasst. Sie hat den Abfluss haftenden Kapitals mit 3.819.862,00 € angegeben und vorgetragen, diese gesetzes- und satzungswidrigen Zahlung habe dem unzulässigen fremdfinanzierten Teilunternehmenskauf gedient. Ausschüttungen, mit denen der Kredit bedient worden seien, seien nur bis April 2017 in Höhe von insgesamt jeweils 400.000,00 €

jährlich erfolgt. Zwischenzeitlich sei zudem auch eine Wertberichtigung des Rückzahlungsanspruchs erfolgt. Und zum Verschulden hat die Klägerin insbesondere die Annahme des Landgerichts, dass sie wegen einer Entlastung durch die Generalversammlung beweispflichtig sein soll, argumentativ angegriffen und zusätzlich auf eine planmäßige und beabsichtigte Umgehung zwingender gesetzlicher Regelungen durch die Beklagten während des gesamten Umstrukturierungsprozesses zur Erzielung seines höheren Erlöses aus der Beteiligung abgestellt. Das genügt. Inwieweit dieser Vortrag erheblich ist, ist eine Frage der Begründetheit der Berufung (vgl.: BGH, Beschluss vom 21.05.2003- Vill ZB 133/02).

C.

Die Klage ist zulässig.

I.

Insbesondere ist die Klägerin prozessfähig, sie wird ordnungsgemäß vertreten.

Die Klägerin wird, soweit ihre Klage gegen die Beklagten zu 1 und 2 als ehemalige Vorstandsmitglieder gerichtet ist, nach Wirksamwerden der am 03.12.2019 beschlossenen Satzungsänderung zum Entfallen des Aufsichtsrats gemäß § 39 Abs. 1 S. 1 GenG durch den von der Generalversammlung vom 03.12.2019 zum Bevollmächtigten der Generalversammlung gewählten Rechtsanwalt Gerhard Korth vertreten. Der Vorstand ist für die Prozessführung gegen ehemalige Vorstandsmitglieder nicht zuständig (vgl.: Althanns/Buth/Leißl, GenG, 2. Aufl., 2020, § 39 Rn. 27).

Soweit die Klägerin die Beklagten zu 3 und 4 als ehemalige Aufsichtsratsmitglieder in Anspruch nimmt, wird sie durch ihren Vorstand vertreten. Denn insoweit bedarf es der Bestellung eines besonderen Vertreters, weil eine Interessenkollision nicht zu besorgen ist, nicht (vgl.: Althanns/Buth/Leißl, GenG, 2. Aufl., 2020, § 39 Rn. 72; Geibel in Henssler/Strohn, GesR, 5. Aufl., 2021, GenG § 39 Rn. 5; Pöhlmann/Fandrich/Bloehs/Fandrich, GenG, 4. Aufl., 2012, § 39 Rn. 13; Panetta: Wer vertritt die Genossenschaft bei Klagen gegen ehemalige Mitglieder des Aufsichtsrates? NJOZ 2018, 1201 ).

II.

Nach § 30 lit. h der Satzung in der mit vorliegenden Fassung vom 26.03.2014 setzt die Verfolgung von Regressansprüchen gegen Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder wegen ihrer Organstellung einen Beschluss der Generalversammlung hingegen nur voraus, wenn diese noch im Amt befindlich sind. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt. Ein Organmitglied wurde nicht verklagt.

D.

In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Beklagten haften der Klägerin wegen der Gewährung der streitgegenständlichen durch die DKB finanzierten Darlehen an die Erwerber nicht.

I.

Die Beklagten sind der Klägerin gegenüber nicht als ehemalige Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder wegen Verstoßes gegen § 22 Abs. 4 Satz 2 GenG im Zusammenhang mit der Übertragung ihrer Geschäftsguthaben und deren Finanzierung durch die Klägerin zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet.

1. Eine Übertragung von Geschäftsguthaben ist grundsätzlich möglich.

Nach § 76 Abs. 1 GenG kann ein Mitglied sein Geschäftsguthaben durch schriftliche Vereinbarung auf einen Dritten, der Mitglied der Genossenschaft ist oder die Mitgliedschaft erwirbt, übertragen und damit die Mitgliedschaft ohne Auseinandersetzung beenden. Dadurch wird gewährleistet, dass das Eigenkapital erhalten bleibt. Eine Auseinandersetzung – aber auch eine Einzahlung durch den Übernehmer – erfolgt nicht (vgl.: Althanns/Buth/Leißl, GenG, 2. Aufl., 2020, § 76 Rn. 1 ). Die Übertragung des Geschäftsguthabens setzt voraus, dass der Erwerber entweder schon Mitglied der Genossenschaft ist oder dass er die statutarischen Bedingungen für Mitgliedschaft erfüllt und wirksam der Genossenschaft gern. §§ 15, 15a beigetreten ist (BT-Drs. 16/1025, 93f.). Der Erwerber muss der Genossenschaft beitreten und so viele Anteile übernehmen, wie erforderlich sind, um das Geschäftsguthaben zu erreichen (vgl.: Althanns, aao § 76, 14). Denn die Mitgliedschaft ist nicht übertragbar, sie ist höchstpersönlicher Natur. Wirksam wird die Übertragung erst, wenn die Genossenschaft den Beitritt des Erwerbers zulässt. Das übertragende Mitglied verliert bei Übertragung seines ·gesamten Geschäftsguthabens seine Mitgliedschaft in dem Zeitpunkt, in dem der Erwerber zum Beitritt zugelassen wird. Das neue Mitglied hat Einzahlungen auf die übernommenen Geschäftsanteile zu leisten. Allerdings wird der Betrag der übernommenen Geschäftsguthaben angerechnet (vgl.: Althanns, aao, § 76 Rn. 26). Es ist nicht zweifelhaft, dass die Übertragung von Geschäftsguthaben gemäß § 76 Abs. 1 GenG gegen Entgelt erfolgen kann (vgl.: Althanns, aao, § 76, 12).

Diese Grundsätze wurden berücksichtigt. Die Beklagten haben mit den Erwerbern unter § 1 Abs. 2 der Verträge über die Veräußerung des Geschäftsguthabens bestimmt, dass die dingliche Übertragung aufschiebend bedingt durch die Eintragung der Erwerber als Mitglied der Klägerin in der Mitgliederliste ist, die zum 01.07.2014 erfolgte. Die übernommenen Geschäftsguthaben der Beklagten deckten die von den Erwerbern geschuldeten Einzahlungen, so dass die Erwerber – wovon auch die Klägerin ausgeht – selbst keine Einzahlungen auf Geschäftsanteile zu leisten hatten.

2. Hatten die Erwerber damit keine Leistungen an die Klägerin zu erbringen, war der Kredit der Klägerin nicht nach der Regelung in § 22 Abs. 4 Satz 2 GenG verboten.

Eine Kreditgewährung i.S. des § 22 Abs. 4 Satz 2 GenG ist die Darlehenshingabe seitens der Genossenschaft aus ihren Mitteln zwecks vorschussweiser Finanzierung des geschuldeten Mitgliedsbeitrags (vgl.: BGH, Beschluss vom 16.03.2009 – II ZR 138/08). Demgemäß diente das streitgegenständliche Darlehen auch nicht der Finanzierung der Anteilsbeträge, sondern der Finanzierung der von den Erwerbern an die Beklagten für die Geschäftsguthaben zu leistenden Kaufpreise.

II.

§ 22 Abs. 4 S. 2 GenG ist jedenfalls im vorliegenden Fall auf Grund der konkreten Umstände nicht analog anwendbar, daher bedarf es keiner Entscheidung, inwieweit eine analoge Anwendung des Verbots der Finanzierung neben § 22 Abs. 4 S. 1 GenG überhaupt grundsätzlich in Betracht kommt. Auch wäre der Klägerin die Geltendmachung eines Anspruchs aus § 22 Abs. 4 S. 2 GenG analog nach § 242 BGB verwehrt (vgl. IV).

1. Der nach Ansicht der Klägerin gegebene Zweck der Regelung in § 22 Abs. 4 S. 2 GenG, Missbräuche auszuschließen, gebietet keine analoge Anwendung. Ein Missbrauch der Möglichkeit der Darlehensgewährung gegenüber an der Finanzierungsentscheidung unbeteiligten Mitgliedern ist vorliegend ausgeschlossen.

In die Entscheidungen im Zusammenhang mit der Abwicklung des Genossenwechsels und dessen Finanzierung durch die Klägerin waren sämtliche Genossen, sowohl die gegenwärtigen als auch die neu aufzunehmenden Erwerber involviert. Und diese hatten alle anstehenden Maßnahmen und insbesondere auch das Darlehen, das die Klägerin den Erwerbern gewährte, einstimmig gebilligt, so dass es kein Mitglied gab, das übergangen oder überstimmt wurde. In dieser Konstellation besteht zum Schutz der Genossenschaft und ihrer Mitglieder keine Regelungslücke, die durch eine analoge Anwendung des § 22 Abs. 4 S. 2 GenG geschlossen werden müsste. Es kann dahinstehen, ob dies in anderen Konstellationen, in denen einzelne Genossen nicht zugestimmt und mitgewirkt haben, anders zu beurteilen wäre (so wohl Lang/Weidmüller/Holthaus/Lehnhoff, GenG, 39. Aufl., Rn. 17 zu § 22). Der Gläubigerschutz erfordert die analoge Anwendung nicht auf Grund des Schutzes durch die weiten Kapitalerhaltungsvorschriften.

2. Unabhängig davon handelten die Beklagten nicht schuldhaft.

Sie haben auf den von der Klägerin in Auftrag gegebenen umfassenden Rat von Rechtsanwalt …, der über die insoweit maßgeblichen Einzelheiten informiert war, vertraut. Dieser hat die Finanzierung des Kaufpreises durch die Klägerin nach dem nicht in erheblicher Weise bestrittenen Vortrag der Beklagten als unbedenklich bezeichnet und über sein Anderkonto abgewickelt. In der Präambel des Darlehensvertrages wurde zudem ausdrücklich hervorgehoben, dass mit dem von der Beklagten gewährten Darlehen von den Darlehensnehmern keine Einzahlungen an die Genossenschaft geleistet werden (vgl.: Anlage K2, Anlagenheft Klägerin). Die Klägerin hat den Vortrag der Beklagten zu dem Inhalt der Beratung zu der Frage des Verstoßes gegen § 22 Abs. 4 S. 2 GenG nicht in erheblicher Weise bestritten. Sie hat insbesondere, obwohl sie Auftraggeberin war, weder ein schriftliches Gutachten von Rechtsanwalt … vorgelegt oder den Inhalt eines mündlich vorgetragenen Gutachtens beschrieben. Auch hat sie nicht dargelegt, welchen konkreten Hintergrund die Übernahme der Kosten der von Rechtsanwalt … für dieses Mandat abgeschlossenen Haftpflichtversicherung hatte. überdies hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 10.01.2022 vorgetragen, dass es den Mitgliedern der Generalversammlung im Oktober 2014 überhaupt nicht bewusst gewesen sei, dass wegen Verstoßes gegen § 22 Abs. 4 S. 2 GenG Schadensersatzansprüche gegen die Beklagten entstanden sein könnten oder eine Pflichtverletzung des Vorstands oder Aufsichtsrat vorliege. Aus welchem Grunde die Beklagten dann aber über weitergehende Kenntnisse verfügt haben sollen, aus denen sich ergeben haben könnte, dass ihr Handeln nach § 22 Abs. 4 S. 2 GenG pflichtwidrig sein könnte, ist – was für ein erhebliches Bestreiten geboten gewesen wäre – von der Klägerin nicht ansatzweise dargelegt worden. Insoweit ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass der Genossenschaftsverband, dem die insoweit maßgeblichen Tatsachen ausweislich des Prüfberichts vom 28.10.2014 (Anlage 83, Anlagenheft Beklagte) bekannt waren, keine Beanstandungen erhoben.

Die Beklagten können sich auf diesen Rat berufen. Sie waren seinerzeit Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats der Klägerin und haben in dieser Funktion an den Beratungen teilgenommen. Auf den in diesem Rahmen eingeholten Rechtsrat können sie sich berufen, auch wenn die Klägerin Rechtsanwalt … vergütet hat.

III.

Die Klägerin hat auch selbst dann keinen Schadensersatzanspruch wegen verdeckter Auszahlungen im Sinne von § 22 Abs. 4 S. 1 GenG, § 30 Abs. 1 Satz 2 GmbHG, wenn die Auszahlungen der Darlehensvaluta an die vermögenslosen Erwerber zur Finanzierung der Übertragung der Geschäftsguthaben der Beklagten jedenfalls teilweise gegen die Kapitalerhaltungsregelungen verstoßen sollte.

1. Bei der Genossenschaft ist das Eigenkapital nur teilweise geschützt.

a. Zum Eigenkapital zählen nach § 266 Abs. 3 A HGB das gezeichnete Kapital, die Kapitalrücklage, die Gewinnrücklagen, Gewinnvortrag/Verlustvortrag Jahresüberschuss oder Jahresfehlbetrag.

Bei der Genossenschaft tritt an die Stelle des gezeichneten Kapitals der Betrag der Geschäftsguthaben, § 337 Abs. 1 HGB. Das Geschäftsguthaben beschreibt als veränderliche Rechengröße die tatsächliche Höhe der finanziellen Beteiligung des Mitglieds an der Genossenschaft. Das Geschäftsguthaben des einzelnen Mitglieds ermittelt sich aus seinen Einzahlungen zuzüglich etwaiger Gewinnzuschreibungen und abzüglich Verlustzuweisungen (vgl.: Hüttemann in: Staub, HGB, 5. Aufl. 2012, § 337 Vorschriften zur Bilanz, Rn. 2).

Anstelle der Gewinnrücklagen sind die Ergebnisrücklagen auszuweisen, dabei ist zwischen der gesetzlichen Rücklage und anderen Ergebnisrücklagen zu unterscheiden, § 337 Abs. 2 HGB. Die gesetzliche Rücklage dient wegen ihrer Zweckbestimmung in § 7 Nr. 2 GenG der Deckung eines sich aus der Bilanz ergebenden Verlustes, sie darf daher nicht ausgezahlt werden (vgl.: Geibel in Henssler/Strohn, GesR, 5. Aufl., 2021, GenG § 8a Rn. 1). Ausweislich der Anlage 4.2 zum Bericht des Genossenschaftsverbandes über die Prüfung gemäß§ 53 GenG zum 30.06.2014 ist bei der Klägerin nach § 38 der Satzung eine gesetzliche Rücklage in Höhe von 20% des jährlichen Überschusses gebildet worden (vgl.: AH B, 53); diese belief sich nach dem Jahresabschluss zum 30.06.2014 (Anlage 1.1 zum Bericht des Genossenschaftsverbandes über die Prüfung gemäß§ 53 GenG) auf 2.461.864,03 € (vgl.: AH B, 30).

Die anderen Ergebnisrücklagen sind verfügbar. Das Genossenschaftsgesetz verbietet, anders als § 57 AktG, nicht die Auszahlung sonstigen Eigenkapitals, wie der freiwilligen Rücklage und der anderen Ergebnisrücklagen (vgl.: Althanns/Buth/Leißl, GenG, 2. Aufl., 2020, § 22 Rn. 37).

b. Das Geschäftsguthaben darf, weil es den wesentlichen Teil des den Genossenschaftsgläubigern zur Verfügung stehenden Haftungsfonds bildet, einem Mitglied gemäß § 22 Abs. 4 S. 1 Fall 1 GenG nicht ausgezahlt werden, solange es nicht ausgeschieden ist, es darf auch nicht abgetreten oder verpfändet werden. Das Verbot umfasst auch verdeckte Auszahlungen; insoweit gelten die zu § 30 GmbHG entwickelten Grundsätze, soweit nicht das GenG abweichende Regelungen beinhaltet, entsprechend (vgl.: Pöhlmann/Fandrich/Bloehs/Pöhlmann, GenG, 4. Aufl., 2012, § 22 Rn. 8; Beuthien, GenG, 16. Aufl., 2018 § 22 Rn. 16). Solange das Mitglied nicht endgültig aus der eG ausgeschieden ist – anderenfalls gilt § 73 GenG – darf das Geschäftsguthaben daher nicht zurückbezahlt oder sonst wirtschaftlich verwertet werden, unabhängig davon, ob es durch Pflichteinzahlungen, freiwillige Zahlungen oder Gewinnzuschreibungen gebildet wurde (vgl.: Pöhlmann/Fandrich/Bloehs/Pöhlmann, 4. Aufl. 2012 Rn. 7, GenG § 22Bitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Rn. 7). Es besteht ein absolutes Auszahlungsverbot (vgl.: Althanns/Buth/Leißl, GenG, 2. Aufl., 2020, § 22 Rn. 34). Soweit die Genossenschaft Leistungen unter Verstoß gegen dieses Verbot erbracht hat, steht ihr ein Rückforderungsanspruch zu (vgl.: Müller, GenG, 2. Aufl., 2000, § 22 Rn. 40), Verstand und Aufsichtsrat haften nach §§ 34 Abs. 2, 41 GenG (vgl.: Pöhlmann/Fandrich/Bloehs/Pöhlmann, GenG, 4. Aufl., 2012, § 22 Rn. 9).

2. Nach den aus dem Jahresabschluss zum 30.06.2014 ersichtlichen finanziellen Verhältnissen der Klägerin, Vortrag zur Lage zum Auszahlungsstichtag fehlt, ist es möglich, dass die Auszahlung des Darlehens über knapp 5 Mio. € an die Erwerber, die ausschließlich im Hinblick auf deren Beitritt als Mitglied und die Übernahme von Geschäftsanteilen von mehr als 1 Mio. € erfolgte, weil die freie Rücklage nicht aufgelöst wurde und die gesetzliche Rücklage nicht angegriffen werden durfte, zumindest teilweise einen Rückgriff auf das geschützte Geschäftsguthaben zur Folge hatte. Der Darlehensrückzahlungsanspruch war nicht werthaltig.

a. Dass die Klägerin 2014 über erhebliche stille Reserven verfügt haben soll, ist insoweit nicht maßgeblich. Etwaige stille Reserven bleiben – anders als in der Überschuldungsbilanz im Rahmen des § 19 lnsO – außer Betracht. Damit soll die Unterbilanzrechnung im Interesse des Gläubigerschutzes von den Unsicherheiten, mit denen die Bewertung etwa vorhandener stiller Reserven häufig verbunden ist, entlastet werden. Auch im Übrigen bleiben Positionen außer Betracht, die nach den Vorschriften des Handelsbilanzrechts nicht aktivierungsfähig sind, wie etwa die in § 248 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 HGB angeführten Positionen (vgl. Verse in: Scholz, GmbHG, 12. Aufl., 2018 ff., § 30 GmbHG, Rn. 59).

b. Die Werthaltigkeit der Rückzahlungsansprüche gegen die Erwerber waren nicht zweifelsfrei. Sie verfügten nicht über Vermögen und haben demgemäß nicht eine einzige Rate aus ihrem Vermögen geleistet. Die Darlehen wurden bis 2017 ausschließlich mit Gewinnausschüttungen zurückgeführt. Ausreichende Gewinnausschüttungen waren aber auch nach dem Vortrag der Klägerin, den die Beklagten nicht in erheblicher Weise bestritten haben, für die Laufzeit der Darlehen von 20 Jahren nicht in einer Höhe zu erwarten, dass – wie in § 4 des Darlehensvertrages vereinbart – vierteljährlich die Zinsen gezahlt und das Darlehen getilgt werden konnte. Nach dem als Anlage BK3 (Anlagenheft Klägerin) vorgelegten Ausschüttungs- und Tilgungsplan sollte das Darlehen selbst bei einer jährlichen Gewinnausschüttung von insgesamt 400.000,00 €, die nicht gewährleistet war und auch teilweise nicht erfolgte, und unter Berücksichtigung von jährlichen Steuervorteilen in Höhe von mehr als 32.000,00 € in 10 Jahren nur in Höhe von ca. 750.000,00 € auf 4.151.589,30 € zurückgeführt werden. Unter Berücksichtigung von Ausschüttungen und Steuererstattungen über 751.187,70 € sollten am 31.03.2024 noch offen sein 4.151.589,30 €, während die Klägerin innerhalb dieses Zeitraums von zehn Jahren aus ihrem Vermögen Raten in Höhe von 2.506.360,00 € an die … zahlen sollte. Die Ausschüttungen hätten, wären sie tatsächlich erfolgt, wohl auch in 20 Jahren nur zu einer Tilgung in Höhe von ca. 1,6 Mio. € geführt, so dass nach 20 Jahre noch 3,3 Mio. € offen gestanden hätten. Damit bestand auch das Risiko einer – angeblich zwischenzeitlich auch tatsächlich erfolgten – Inanspruchnahme der gesetzlichen Rücklage im Wege der Wertberichtigung wegen fehlender Vollwertigkeit des Rückzahlungsanspruchs.

Die Klägerin verfügte auch nicht über weitergehende belastbare Sicherheiten, die im Wert ihrem Darlehensrückzahlungsanspruch entsprachen. Der – sicherungshalber abgetretene – Anspruch auf Zinsen und Gewinn aus dem Geschäftsguthaben war nicht dauerhaft gesichert. Grundschulden wurden – soweit ersichtlich – von den Erwerbern nicht bestellt, auch sonst wurden keine dinglichen Rechte eingeräumt. Die sicherungshalbe Abtretung des Auseinandersetzungsguthaben und jeglicher ohne Weiteres ansatzfähig. Der Auseinandersetzungsguthaben wird erst mit Veräußerungserlöse ist nicht Anspruch auf das Kündigung der Mitgliedschaft realisierbar. Die Kündigung kann aber nur das Mitglied erklären, nicht der Sicherungsnehmer. Auch die Veräußerung ist nur dem Mitglied möglich.

Kündigung und Weiterveräußerung waren im Übrigen nicht geplant. Schließlich ist die Abtretung wegen des Verpfändungsverbots in § 22 Abs. 4 GenG bedenklich, der BGH hat diese Frage mit Urteil vom 08.01.2009 – IX ZR 217/07 ausdrücklich offengelassen (vgl.: Althanns/Buth/Leißl, GenG, 2. Aufl., 2020, § 73 Rn. 31; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 06.09.2001 – 5 U 100/00; AG Karlsruhe, Urteil vom 22.06.2007 – 12 C 97/07 -, Rn. 16 – 18, juris mwN). Unabhängig davon ist, wenn man die Abtretung überhaupt als wirksam betrachtet, zu berücksichtigen, dass der Wert der Geschäftsguthaben, die den Erwerbern übertragen wurden, sich 2014 auf ca. 1 Mio. € belief, sich der Wert durch zwischenzeitliche Verluste verringert haben kann und nach § 9 Abs. 2 der Satzung eine Auszahlung in Raten verteilt auf fünf Jahre erfolgen kann, wenn das die wirtschaftliche Situation der Genossenschaft erfordert. Es ist schließlich nicht ersichtlich, ob und bejahendenfalls in welcher Höhe die Erwerber eine Risikolebensversicherung abgeschlossen haben, die das Darlehen sichert.

Inwieweit der Anspruch werthaltig war und durch die Auszahlung auf geschütztes Kapital zurückgegriffen wurde oder von Anfang an, eine Wertberichtigung und eine Inanspruchnahme der gesetzlichen Rücklage beabsichtigt waren, kann aber letztlich dahinstehen.

3. Die Beklagten sind entlastet worden.

Nach dem Prüfbericht des Genossenschaftsverbandes erfolgte die Entlastung am 28.10.2014, was die Klägerin zweitinstanzlich zuletzt auch nicht mehr in Zweifel gezogen hat, durch Beschluss der Generalversammlung gemäß § 48 Abs. 1 GenG. Zudem ist von einer als Erlassvertrag zu wertenden vertraglichen Abrede der Beklagten und der Mitglieder der Klägerin über einen wechselseitigen Verzicht auf Ansprüche hinsichtlich des Vollzugs des Generationswechsels im Rahmen der Generalversammlung vom 28.10.2014, zu der die Beklagten eingeladen worden sind, auszugehen. Die Generalversammlung der Klägerin – die Altmitglieder und die Erwerber – und die Beklagten waren sich in der Generalversammlung vom 28.10.2014 einig, dass diesbezügliche Ansprüche insbesondere gegen die ausgeschiedenen Beklagten aber auch gegen die ebenfalls zum Vorstand oder Aufsichtsrat bestellten Altmitglieder ausgeschlossen sein sollen. Dies bewirkt, dass die Beklagten vorliegend nicht auf Schadensersatz wegen der streitgegenständlichen Vorgänge in Anspruch genommen werden können.

a. Dem wirksamen Entlastungsbeschluss ist eine Verzichtswirkung beizumessen.

1) Einer Entlastung durch die Generalversammlung kann auch bei der Genossenschaft Verzichtswirkung beizumessen sein. Bei der Genossenschaft beschränkt sich die Verzichtswirkung der Entlastung (§ 48 Abs. 1 GenG) auf (Bereicherungs- und Schadensersatz-)Ansprüche, die dem entlastenden Organ bekannt sind oder bei sorgfältiger Prüfung bekannt sein konnten. Ansprüche, die aus den Rechenschaftsberichten des Vorstandes und den der Mitgliederversammlung bei der Rechnungslegung unterbreiteten Unterlagen nicht oder in wesentlichen Punkten nur so unvollständig erkennbar sind, dass die Verbandsmitglieder die Tragweite der ihnen abverlangten Entlastungsentscheidung bei Anlegung eines lebensnahen vernünftigen Maßstabes nicht zu überblicken vermögen, werden von der Verzichtswirkung nicht erfasst. Das gilt insbesondere für solche Ansprüche, die erst nach eingehendem Vergleich und rechtlicher Auswertung verschiedener Unterlagen ersichtlich sind, die in der Verbandsversammlung bei Abfassung des Entlastungsbeschlusses nicht oder nicht vollständig vorliegen. Eine unbillige Benachteiligung des zu entlastenden Organs ist darin schon deshalb nicht zu erblicken, weil es bereits zum pflichtgemäßen Inhalt des jährlichen Rechenschaftsberichts gehört, die Verbandsmitglieder über alles zu unterrichten, was nach Verkehrsanschauung und vernünftigem Ermessen zur sachgemäßen Beurteilung der Entlastungsfrage durch die Mitgliederversammlung erforderlich ist. Auch im Übrigen liegt es bei dem Vorstand, durch hinreichende Offenheit gegenüber der Mitgliederversammlung die Tragweite der erbetenen Entlastung selbst zu bestimmen. Dagegen kann von den einzelnen Mitgliedern regelmäßig nicht erwartet werden, dass sie aus eigener Kenntnis der Zusammenhänge und aufgrund selbständiger Untersuchungen imstande sind, das Ausmaß der ihnen mit der in der Mitgliederversammlung beantragten Entlastung abverlangten Verzichtserklärung zu überblicken (vgl.: BGH, Urteil vom 03.12.2001 – II ZR 308/99). Ein Haftungsverzicht kann aber auch mit Zustimmung der Generalversammlung wirksam vereinbart werden, z.B. in Aufhebungsverträgen (Althans, aaO., § 34 Rn. 137).

2) Vorliegend waren sich am 28.10.2014 alle Mitglieder der Klägerin und damit die Mitglieder der Organe der Klägerin über eine Entlastung einig, dies wurde gegenüber den Beklagten dadurch bekräftigt, dass diese zu der Entscheidung über die Entlastung eingeladen worden sind und der Genossenschaftsverband über die Entlastung unterrichtet wurde, so dass er die Entlastung in seinem Prüfbericht aufführen konnte.

Die Entlastung lag auch nicht nur im Interesse der Beklagten, sondern auch der Altgenossen und Erwerber. Wäre eine Entlastung nicht erfolgt, hätten nämlich neben den Beklagten auch die weiteren drei Altmitglieder gehaftet, die an den Vorgängen als Aufsichtsrat oder Vorstandsmitglieder beteiligt waren. Diese waren zwar nicht Nutznießer der Darlehen, haben aber die Auszahlung der Darlehensvaluta, die zu einer Inanspruchnahme der Geschäftsguthaben zumindest partiell geführt hat, mitgetragen und mitbewirkt. Daher musste gerade im Interesse einer weiteren vertrauensvollen Zusammenarbeit der Mitglieder der Klägerin gewährleistet sein, dass die verbleibenden Altmitglieder, keinen Haftungsrisiken wegen der Gewährung eines Darlehens in Höhe von ca. 4,9 Mio. € ausgesetzt sind.

Zum Zeitpunkt der Entlastungsentscheidung vermochten die Altmitglieder und die Erwerber die Tragweite der Entlastungsentscheidung bei Anlegung eines lebensnahen vernünftigen Maßstabes auch durchaus zu überblicken. Ihnen war bewusst, dass die klagende Genossenschaft fremdfinanziert 1/3 ihrer dadurch auf ca. 15 Mio. € erhöhten Bilanzsumme an die Erwerber darlehensweise auszahlt, dass diese zur Rückzahlung aus eigenen Mittel nicht in der Lage waren und dieses auch überhaupt nicht angestrebt wurde. Damit bestand für alle Beteiligten ersichtlich die Gefahr, dass – was erkennbar eine Verletzung der Pflichten als Vorstand oder Aufsichtsrat darstellt – das geschützte Kapital teilweise angegriffen werden könnte oder nach einer Teilwertberichtigung des Darlehensrückzahlungsanspruchs der Klägerin gegen die Erwerber auf die gesetzliche Rücklage zurückgegriffen werden muss. Nach der Ausschüttungsplanung für die folgenden 10 Jahre (Anlage BK3) hätten die Erwerber jährlich einen Gewinn von knapp 150.000,00 € netto erhalten. Während der Laufzeit der …-Darlehens von 20 Jahren wären dies also ca. 3 Mio. €, so dass auch bei günstigem Verlauf und ohne die vereinbarte Verzinsung bei einem Zinssatz von 2,4% jährlich – dies macht bei 4,9 Mio.€ 117.600,00 € Zinsen im Jahr – und unter Berücksichtigung von anzurechnenden Steuervorteilen eine Lücke von knapp 2 Mio. € bestand.

Es ist nicht davon auszugehen, dass die am 28.10.2014 anwesenden Beklagten und die gegenwärtigen Mitglieder der Klägerin gleichwohl übereinstimmend davon ausgingen, dass im Zusammenhang mit dem Mitgliedswechsel, weil dieser nicht mit Risiken für die Klägerin verbunden ist, jedwede Haftung der Beklagten und der weiteren Beteiligten ausgeschlossen ist. Der Wechsel war, was sie wussten, risikobehaftet. Die Erwerber konnte das Darlehen über knapp 5 Mio. € nicht aus eigenen Mitteln zurückführen, die Ausschüttungsansprüche, die mit den Darlehensrückzahlungsansprüchen verrechnet werden sollten, blieben – wie dargelegt – von Beginn an deutlich hinter den von der Klägerin an die Bank zu leistenden Jahres Raten zurück.

3)

Der Entlassungsbeschluss, der nicht angefochten wurde, ist wirksam.

a) Ein Beschluss ist nichtig, wenn er lediglich anfechtbar war, seine Unwirksamkeit in einem Anfechtungsverfahren aber rechtskräftig festgestellt wurde. Darüber hinaus kann Nichtigkeit nur dann angenommen werden, wenn der Beschluss der Art seines Zustandekommens oder dem Inhalt nach gegen zwingende gesetzliche oder satzungsmäßige Vorschriften schwerwiegend verstößt oder zu einem rechtlich und sittlich unvertretbaren Ergebnis führen würde. Wegen inhaltlicher Mängel ist ein Beschluss nichtig, wenn er seinem Inhalt nach gegen die guten Sitten verstößt, die Mitglieder zu einer Leistung verpflichtet, die keine Grundlage in der Satzung bzw. im Gesetz hat, oder wenn besondere Rechte einzelner Mitglieder beeinträchtigt werden (vgl.: Pöhlmann/Fandrich/ Bloehs/Fandrich, GenG, 4. Aufl., 2012, GenG § 51 Rn. 5-7).

Davon ist vorliegend nicht auszugehen. An dem Beschluss waren alle Mitglieder beteiligt, es gab auch keine Gegenstimme. Es bestehen zudem keine Anhaltspunkte, dass die Altmitglieder und die Erwerber zum Zeitpunkt der Entlastung in verwerflicher Weise eine Benachteiligung von Gläubigern anstrebten. Sie wussten um erhebliche stille Reserven der Klägerin und hatten in der Generalversammlung vom 28.10.2014 nach dem Prüfbericht des Genossenschaftsverbandes auch eine Verzinsung der Geschäftsguthaben mit 15,09 % und eine Ausschüttung der Zinsen beschlossen. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass ein Verzicht oder Vergleich nach § 34 Abs. 5 S. 2 GenG den Gläubigern gegenüber nicht wirksam ist, soweit sie von der Genossenschaft keine Befriedigung erlangen können.

b) Dieser Beschluss ist auch nicht als ein eintragungspflichtiger satzungsdurchbrechender und daher mangels Eintragung nach § 16 Abs. 6 GenG unwirksamer Beschluss zu qualifizieren.

Satzungsdurchbrechende Beschlüsse sind Beschlüsse, die mit dem Inhalt der Satzung unvereinbar sind. Eine satzungswidrige Dauerregelung ist unzulässig und wegen Fehlens der gebotenen Form nichtig; Satzungsregelungen können weder mit qualifizierter Mehrheit noch einstimmig außer Kraft gesetzt werden, ohne dass den Formalien der Satzungsänderung Genüge getan wird. Praktisch stets vorhandene tatsächlich-wirtschaftliche Folgewirkungen punktueller Abweichungen von Satzungsvorgaben begründen grundsätzlich keine (nichtige) Satzungsdurchbrechung mit Dauerwirkung. Eine satzungswidrige Einzelentscheidung ist, weil sie keinen satzungsändernden Inhalt hat, nicht nichtig (vgl.: Karsten Schmidt/Bochmann in: Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2018 ff., § 45 GmbHG, Rn. 34b).

Davon ausgehend liegt kein satzungsdurchbrechender BeschlussBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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vor. Der Beschluss betrifft eine Entlastungsentscheidung. Die Entscheidung über die Entlastung beruht auf § 30 lit. c. der Satzung und ist auch in § 48 Abs. 1 GenG vorgesehen.

c) Der von der Klägerin im Zusammenhang mit der Entlastung angesprochene Gedanke der Unwirksamkeit einer etwaigen Stimmabgabe der Mitglieder wegen Interessenkollision nach § 47 Abs. 4 GmbHG analog greift nicht.

Alle Mitglieder, die an der Beschlussfassung mitgewirkt haben, waren in die Auszahlung des risikobehafteten Darlehens involviert, entweder als Vorstand oder als Aufsichtsrat oder als Erwerber. Sind wie hier alle Mitglieder vom Ausschlusstatbestand gleichermaßen betroffen, fehlt eine Interessenkollision; alle sind stimmberechtigt (vgl. zur GmbH: MüKoGmbHG/Drescher, 3. Aufl., 2019. Rn. 188, GmbHG § 47 Rn. 188).

b.) Das unstreitig auch nach dem Vortrag der Klägerin am 28.10.2014 in Anwesenheit der Beklagten, die nicht mehr Mitglieder der Klägerin waren, erzielte Einvernehmen über die „Entlastung“ von Vorstand und Aufsichtsrat der Klägerin im Geschäftsjahr 2013/2014 ist aus den vorstehenden Erwägungen unter a. unabhängig davon dahingehend auszulegen, dass die Beklagten wie auch die übrigen Anwesenden, die seinerzeit im Vorstand und Aufsichtsrat der Klägerin waren, im Zusammenhang mit dem vollzogenen Mitgliedswechsel, keinen Schadensersatzansprüchen der Klägerin ausgesetzt sein sollen, §§ 133, 157 BGB.

IV.

Selbst wenn zugunsten der Klägerin unterstellt würde, dass die Klägerin gegen die Beklagten einen Schadensersatzanspruch aus §§ 34 Abs. 2, 41 GenG hat, wäre ihr die Geltendmachung nach Treu und Glauben wegen widersprüchlichen Verhaltens verwehrt, § 242 BGB.

Die Klägerin hat sich im Bewusstsein der Vermögenslosigkeit der Erwerber und der Risiken der Finanzierung des Kaufpreises dazu entschlossen, den Generationswechsel durch den Kredit an die Erwerber zu ermöglichen. Dem haben alle Mitglieder zugestimmt.

Die Verträge wurden zudem von ihr fast fünf Jahre gelebt, auch nachdem sich das Ausbleiben der erwarteten jährlichen Ausschüttungen im Jahr 2017/2018 abzeichnete. Die Klage vom 24.05.2019 wurde erst knapp fünf Jahre nach Unterzeichnung des Darlehensvertrages der Klägerin mit der DKB am 26.05.2014 eingereicht. Trotz Hinweises des Landgerichts vom 20.01.2020 erfolgte keine substantiierte Auseinandersetzung mit dem Umstand, dass die Verträge knapp 5 Jahre ohne Bedenken gelebt wurden. Die Kündigung des Darlehensvertrags mit den Erwerbern erfolgte erst nach Erhebung der vorliegenden Klage mit Schreiben vom 19.07.2019 (Anlage K13, Anlagenheft Klägerin, BI. 66), obwohl nach der Begründung der Kündigung seit dem 30.06.2017 keine Zahlungen mehr erfolgten.

Die Klägerin nimmt vorliegend sehr knapp vor Ablauf der fünfjährigen Verjährungsfrist nur die ausgeschiedenen Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch, obwohl alle sieben Altmitglieder auf Grund ihrer unstreitigen Mitgliedschaft in einem Organ der Klägerin – entweder dem Vorstand oder dem Aufsichtsrat – und ihrer Beteiligung an den entscheidenden Beschlüssen über die Finanzierung des Kaufpreises durch die Klägerin befasst waren. Sie alle wussten Bescheid, alle Schritte waren einvernehmlich abgestimmt und von Rechtsanwalt … begleitet worden. Dabei legten die Beklagten, die über eine Mehrheit verfügten, großen Wert darauf, den Vorstellungen der verbleibenden Mitglieder, die von der Klägerin nicht in Anspruch genommen wurden, bei der Auswahl der Erwerber Rechnung zu tragen. Ortsfremde Investoren schieden für sie als Erwerber trotz höherer Angebote aus. Es ist insoweit nicht richtig, dass die Erwerber lediglich als Strohmänner der Beklagten fungierten. Sie wurden in die Organisation der Genossenschaft von Anfang an von den Altmitgliedern involviert, sie wurden sofort mit Führungsaufgaben betraut. Herr … war von 2014 bis 2019 im Vorstand der Klägerin, Herrn … wurde mit Beschluss vom 28.05.2014 zum 01.07.2014 in den Aufsichtsrat berufen.

Die Beklagten berücksichtigten bei dem Generationswechsel die Interessen der Klägerin und verzichteten auf eine Gewinnmaximierung oder ein auf die Treuepflicht gestütztes Verlangen,

stille Reserven aufzudecken. Der von der Klägerin beauftragte Dipl-Ing…. ermittelte einen Wert der Beteiligungen der Beklagten von ca. 10 Mio. und den die Parteien – soweit ersichtlich – nicht in Frage gestellt haben und von dessen Richtigkeit im Zuge des Mitgliedswechsels ausgegangen worden ist. Ihre Beteiligung war wegen zwischenzeitlich wegen gestiegener Bodenpreise angeblich noch höherer – stiller Reserven sehr werthaltig, der Vermögenswert der Klägerin wurde einschließlich der von ihr gehaltenen Unternehmensbeteiligungen auf 20.371.000,00 € beziffert, der Eigenkapitalsaldo auf 16.974.000,00 €. In der Bilanz zum 30.06.2014 wurden die immateriellen Vermögenswerte mit 30.595,64 €, die Grundstücke mit 2.874.412,48 €, die technischen Anlagen 1.797.134,00 € angesetzt, dies ergibt gerundet 4.702.142,00 €. Der Privatgutachter … bewertete Grund und Boden mit 4.927.000,00 €, Gebäude und technische Anlagen mit 6.721.000,00 € und die immateriellen Vermögenswerte mit 962.000,00 €, mit insgesamt 12.610.000,00 €. Allein daraus ergeben sich stille Reserven in einer die Darlehen übersteigenden Höhe (12.610.000,00 € – 4.702.142,00 € = 7.907.858,00 €).

Es ist auch zu berücksichtigen, dass die Beklagten ihre Mitgliedschaft hätten durch Kündigung beenden können und dann nach § 73 GenG zumindest einen Anspruch auf Auszahlung ihres Geschäftsguthabens über ca. 1 Mio. € gehabt hätten. Nun aber sollen sie zum 30.06.2014 aus der Klägerin ausgeschieden sein und ihre Anteile auf die Erwerber übertragen haben, gleichwohl aber den gesamten erhaltenen Kaufpreis an die Klägerin zahlen, dafür auch noch gesamtschuldnerisch haften. Sie würden „leer“ ausgehen, obwohl sie im Interesse der Klägerin und der anderen Mitglieder eine genossenschaftsnahe Lösung gesucht und die Guthaben an die von den Altgenossen bestimmten Erwerber verkauft haben. Das von allen Beteiligten und den Altmitgliedern bewusst in Kauf genommene Risiko der Insolvenz der ausgesuchten Kandidaten wird so auf Beklagten verlagert. Dies widerspricht Treu und Glauben.

V.

Aus den vorstehenden Erwägungen sind auch Ansprüche aus den weiteren von der Klägerin angesprochenen, insbesondere der deliktischen Anspruchsgrundlagen, und Ansprüche wegen Missbrauchs der Vertretungsmacht nicht gegeben. §§ 71 a, 57 Abs. 1, 62 AktG sind neben §§ 22 Abs. 4, 34, 41 GenG nicht entsprechend anwendbar (vgl. zu § 57 AktG Beuthien, GenG, 16. Aufl., 2018, § 22 Rn. 16).

E.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wurde gemäß §§ 47 Abs. 1, 45 Abs. 1 GKG festgesetzt. Der Hilfsantrag war auch nicht streitwerterhöhend zu berücksichtigen, da über ihn nicht entschieden worden ist. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf§§ 708 Nr. 10, 711, 709 S. 2 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision sind nicht erfüllt, § 543 Abs. 2 ZPO.

Das Urteil beruht auf den konkreten Umständen des vorliegenden Einzelfalls.

Löffler I www.K1.de I www.gesellschaftsrechtskanzlei.com I Unternehmenskauf I   Erfurt I Thüringen I Sachsen I Sachsen-Anhalt I Hessen I Deutschland 2022

Schlagworte: Auszahlungsverbot Unterbilanz, Entlastung, Entlastung des Aufsichtsrats, Entlastung Vorstand, Erlassvertrag, GenG § 22, Haftung angestellter Geschäftsführer GmbH, Haftungsbeschränkung und Entlastung, stille Reserven, Übertragung stiller Reserven, Verzichtsvereinbarung, Verzichtswirkung, Vorstandshaftung, Vorstandshaftung Genossenschaft, Wert Geschäftsguthaben, widersprüchliches Verhalten