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OLG München, Urteil vom 21.02.2024 – 7 U 3629/22

Vorstandsvergütung

„Für den Abschluss der vom Kläger behaupteten Vergütungsvereinbarung wäre auf Seiten der Beklagten gemäß § 112 AktG der Aufsichtsrat der Beklagten zuständig, der gemäß § 108 Abs. 1 AktG durch Beschluss entscheidet. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und auch nach der allgemeinen Meinung in der Literatur können Beschlüsse des Aufsichtsrats nur ausdrücklich, nicht jedoch stillschweigend oder konkludent gefasst werden. Denn es muss aus Gründen der Rechtssicherheit gewährleistet sein, dass das Zustandekommen eines Beschlusses festgestellt werden kann. Dies ist bei stillschweigend oder konkludent gefassten Beschlüssen nicht möglich, weil bei diesen nicht die für eine Abstimmung unerlässlichen Feststellungen darüber getroffen werden können, inwieweit Beschlussfähigkeit, Zustimmung, Ablehnung und Stimmenthaltungen gegeben sind (vgl. BGH, Urteil vom 21.06.2010 – II ZR 24/09, Rdnr. 14 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung und Literatur).

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 13.05.2022, Az. 43 O 10588/21, wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Dieses Urteil sowie das in Ziffer 1 des Tenors bezeichnete Urteil des Landgerichts München I sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 76.778,80 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe

A.

Die Parteien streiten um Vorstandsvergütungsansprüche.

Der Kläger war von Oktober 2001 bis zum 30.09.2020 Alleinvorstand der Beklagten. Er war darüber hinaus als selbständiger Unternehmensberater tätig.

Gegenstand des Unternehmens der Beklagten, die eine börsennotierte Aktiengesellschaft ist, sind die Gründung, der Erwerb, die Verwaltung sowie die Veräußerung von Beteiligungen an Firmen des Bank- und Dienstleistungssektors sowie der Industrie. Der Unternehmensgegenstand erstreckt sich ferner auf den Erwerb, die Veräußerung sowie die Verwaltung von Beteiligungen aller Art an Handelsgesellschaften im In- und Ausland. Bis 31.07.2018 war Geschäftsgegenstand der Beklagten darüber hinaus die Herstellung von und der Handel mit Maschinen und Werkzeugen.

Zum Konzern der Beklagten gehörten bis zu ihrem Verkauf an die deutsche Tochter der S. Group am 31.07.2018 auch die Tochterunternehmen der Maschinenbaugruppe.

Die Satzung der Beklagten laut Anl. B 1 lautet auszugsweise wie folgt:

㤠15

(…)

(2) Beschlüsse des Aufsichtsrats werden in Sitzungen gefasst. Schriftliche, telegrafische oder fernmündliche Beschlussfassungen des Aufsichtsrats sind nur zulässig, wenn kein Mitglied des Aufsichtsrats diesem Verfahren widerspricht.

(3) Beschlüsse des Aufsichtsrats bedürfen der Mehrheit der abgegebenen Stimmen.

(…)

§ 16

(…)

(2) Willenserklärungen des Aufsichtsrates und seiner Ausschüsse werden namens des Aufsichtsrats von dem Vorsitzenden abgegeben.“

Vorsitzender des Aufsichtsrats der Beklagten war bis 13.02.2018 J. G., ab 13.02.2018 G.M.R. und ab 13.11.2018 wiederum J. G.

Die Parteien schlossen am 15.07.2017 rückwirkend für den Zeitraum ab 01.04.2017 und bis 30.09.2019 den Vorstandsanstellungsvertrag laut Anl. K 1 (im Folgenden als AV 2017 bezeichnet). Dieser lautete auszugsweise wie folgt:

㤠1 Aufgaben

(1) Herr J. führt die Geschäfte der AG nach Maßgabe der Gesetze, der Satzung der vom Aufsichtsrat erlassenen Geschäftsordnung für den Vorstand, die für die gesamt formulierte Strategie der Gesellschaft und dieses Anstellungsvertrages gelten [sic]. Insbesondere ist Herr J. für den Bereich Finanz- und Rechnungswesen sowie die Berichtserstattung [sic] der AG und des Konzerns verantwortlich. Das Aufgabengebiet umfasst nicht die Geschäftsführung in einer der Tochtergesellschaften innerhalb des Konzerns. Herr J. wird im Rahmen dieser Aufgabe ein Aufsichtsratsmandat bei der W. Maschinenbau GmbH wahrnehmen.

(2) Herr J. ist für die interne und externe [sic] Quartals-, Halbjahres- und Jahresberichte sowie Jahresabschlüsse der AG und des Konzerns zuständig. Er wird der AG seine Arbeitskraft zur Verfügung stellen (…).

(…)

§ 5 Vergütung

(1) Herr J. erhält für seine Tätigkeit gemäß § 1 eine monatliche Bruttovergütung von Euro 1.500,00 sowie eine monatliche Pauschale von Euro 50 für Telefon-, Porto- und Fahrkosten (im Raum München): (…):

(2) Die Firma S. erhält monatlich eine Vergütung in Höhe von 4.000 zuzüglich der gesetzlichen MwSt (zurzeit [sic] 19%), insgesamt Euro 4.760 (…).

(3) Seit dem 20.07.2003 stellt die AG Herrn J. einen Dienstwagen zur Verfügung (…)

(4) Herr J. erhält ein [sic] Bonus in Höhe von Eur 2.000,- wenn die Erstellung des Jahresabschlusses bzw. Durchführung der Hauptversammlung vor Ende Mai statt finden [sic] kann. Des Weiteren erhält Herr J. ein [sic] Bonus in Höhe von 1% von W. Holdings Konzernergebnis nach Steuern (…)“

Eine auf den 01.06.2017 datierte Anlage zum Dienstvertrag 2017 vom 15.07.2017 (Anl. K 1) lautete wie folgt:

„Führt die Geschäfte der AG nach Maßgabe der Gesetzte [sic], der Satzung und der Geschäftsordnung. Der Schwerpunkt liegt im Bereich Finanz-, Rechnungswesen inkl. Berichterstattung des Konzerns und der Tochtergesellschaften.

Ist zuständig für die interne und externe [sic] Monats-, Quartals- und Jahresberichte Konzern und AG

Erstellt Jahresabschluss Konzern und AG sowie Teilkonzern W. I. AG

Unterstützt die Tochtergesellschaften bei der Erstellung der Jahresabschlüsse

Erstellt die Quartalsabschlüsse des Konzern [sic]

Erstellt das Budget für Konzern und AG sowie unterstützt die Tochtergesellschaften bei der Zusammenstellen [sic] der Budgetinformationen

Erstellt BWA für Konzern, AG und Tochtergesellschaften bzw. nach Bereich und/oder Profitcenter sowie Analysen, Kalkulationen und Statistiken zu erstellen und zu präsentieren [sic]

Erstellt Prognosen für Umsatz und Ergebnis Konzern und AG

Steuert und beobachtet der [sic] Liquidationsbedarf im Konzern sowie ist verantwortlich die Kontakte und Verhandlung mit den Kreditinstituten und den Versicherern [sic]

Erstellt Liquiditätsprognosen Konzern und AG

AR-Sitzungen vorbereiten und finanzielle Informationen präsentieren und erläutern

Mitglied des AR im Maschinenbau (bei Bedarf auch in andere [sic] Tochtergesellschaften)“

Im Rahmen der Vorbereitung eines Verkaufs der Maschinenbausparte der Beklagten wurde bei der Beklagten das Team „Sch.“ bestehend aus dem Aufsichtsratsmitglied M. R., H. P.(einem externen Berater) und dem Kläger gebildet, Mit notariellem Kaufvertrag vom 31.07.2018 verkaufte die Beklagte ihren Konzernbereich Maschinenbau mit Schwerpunkt Automotive an die deutsche Tochter der S. Group (im Folgenden als Käuferin bezeichnet). Zur Finanzierung des Kaufpreises für den Konzernbereich Maschinenbau gewährte die Beklagte der Käuferin ein durch die Mutter der Käuferin abgesichertes Verkäuferdarlehen (“vendor loan“), das im Frühjahr 2020 noch mit 660.000 € valutiert war. Zur Verbesserung der weiterhin schlechten Liquiditätslage der Beklagten und aus Sorge, dass die Darlehensrückzahlungsforderung gegen die Käuferin und auch die durch die Mutter der Käuferin gestellte Sicherheit aufgrund der coronabedingt schlechten wirtschaftlichen Entwicklung ausfallen könnten, beschloss der Aufsichtsrat der Beklagten den Verkauf der Darlehensrückzahlungsforderung der Beklagten gegen die Käuferin. Die Forderung wurde unter Beteiligung des Klägers zum Preis von 594.000 € an die Muttergesellschaft der Käuferin veräußert.

Der Aufsichtsrat befasste sich in seinen Sitzungen vom 30.08.2018 (unter TOP 8) und 12.12.2018 (unter TOP 8) mit der Frage der Vergütung für die am Team Sch. Beteiligten.

Im Nachgang zur Aufsichtsratssitzung vom 12.12.2018 übermittelte J. G. dem Kläger am 13.12.2018, 16:43 Uhr die Email laut Anl. K 7 mit folgendem Wortlaut:

„We agreed at yesterday’s ARS that commission should be paid offered [sic] to they [sic] who are instrumental in the successful sales, if we can secure that we do not do anything that can lead to legal problems.

Please find out what we need to do to avoid legal problems, as a result of this, considering that the commission would probably be paid to Vorstand [sic] (= you) and AR (= TE & SA). I do not see a problem with MR, since he is not in any of the Organen of the group“

In der Sitzung vom 28.01.2019 befasste sich der Aufsichtsrat der Beklagten unter TOP 7 „Vergütung Sonderprojekte“ erneut mit der Frage einer Provision für die am Projekt „Sch.“ Beteiligten.

Entgegen ihrer Verpflichtung nach § 114 Abs. 1 S. 2 WpHG veröffentlichte die Beklagte die Bekanntmachung, ab welchem Zeitpunkt und unter welcher Internetadresse die Rechnungsunterlagen iSd. § 114 Abs. 2 WpHG öffentlich zugänglich sind, sowohl für das Geschäftsjahr 2018 als auch für das Geschäftsjahr 2019 nicht fristgemäß, weshalb die BaFin gegen die Beklagte jeweils ein Bußgeldverfahren nach § 120 Abs. 2 Nr. 4 lit e WpHG einleitete. Bezüglich der Unterlagen für das Geschäftsjahr 2018 endete das Bußgeldverfahren durch den Bescheid der BaFin vom 16.03.2021 laut Anl. B 4, mit dem gegen die Beklagte eine Geldbuße von 12.000 € sowie Verfahrenskosten von 600,00 € festgesetzt wurden, die die Beklagte bezahlte. Das Bußgeldverfahren hinsichtlich der Unterlagen für das Geschäftsjahr 2019 wurde gemäß § 47 Abs. 1 S. 2 OWiG eingestellt.

Durch die Verteidigung in den Bußgeldverfahren entstanden der Beklagten Rechtsanwaltskosten in Höhe von 36.390,00 € netto.

Nach Auslaufen des Dienstvertrages vom 15.07.2017 (Anl. K 1) schlossen die Parteien am 30.09.2019 den bis 30.09.2020 befristeten Dienstvertrag laut Anl. K 2 (im Folgenden als AV 2019 bezeichnet).

Dieser lautete auszugsweise wie folgt:

㤠1 Aufgaben

(1) Herr J. führt die Geschäfte der AG nach Maßgabe der Gesetze, der Satzung der vom Aufsichtsrat erlassenen Geschäftsordnung für den Vorstand, die für die gesamt formulierte Strategie der Gesellschaft und dieses Anstellungsvertrages gelten [sic]. Insbesondere ist Herr J. für den Bereich Finanz- und Rechnungswesen sowie die Berichtserstattung [sic] der AG und des Konzerns verantwortlich und umfasst auch die Geschäftsführung der Tochtergesellschaften innerhalb des Konzerns (siehe Tätigkeitsbeschreibung).

(2) Herr J. ist für die interne und externe [sic] Quartals-, Halbjahres- und Jahresberichte sowie Jahresabschlüsse der AG und des Konzerns zuständig. Er wird der AG seine Arbeitskraft zur Verfügung stellen (…).

(…)

§ 5 Vergütung

(1) Herr J. erhält für seine Tätigkeit gemäß § 1 eine monatliche Bruttovergütung von Euro 2.000,00 sowie eine monatliche Pauschale von Euro 50 für Telefon-, Porto- und Fahrkosten (im Raum München): (…):

(2) Die Firma S. erhält monatlich eine Vergütung in Höhe von 3.000 zuzüglich der gesetzlichen MwSt (zurzeit 19%), insgesamt Euro 3.570 (…).

(3) Seit dem 20.07.2003 stellt die AG Herrn J. einen Dienstwagen zur Verfügung (…)

(4) Ein Bonus in Höhe von Eur 2.000,- wird dann ausbezahlt, wenn die Durchführung der Hauptversammlung vor Ende Mai stattfindet könnte [sic]. Des Weiteren wird ein [sic] Bonus in Höhe von 1% des Konzernergebnisses vor Steuern lt. HGB gewährt.

(5) Tätigkeiten bzw. Leistungen die nicht in der beigefügten Tätigkeitsbeschreibung aufgelistet sind (z.B. Sonderprojekte wie eine [sic] De- bzw. Downlisting der AG-Aktien, die Veräußerung von Vermögenswerte [sic] des Konzerns), werden separat verhandelt und vergütet.“

Die Tätigkeitsliste lautete wie folgt:

„Führt die Geschäfte der AG nach Maßgabe der Gesetzte [sic], der Satzung und der Geschäftsordnung. Der Schwerpunkt liegt im Bereich FinanzRechnungswesen inkl. Berichterstattung des Konzerns und der Tochtergesellschaften.

Ist zuständig für die interne und externe [sic] Berichte Konzern und AG

Erstellt Jahresabschluss Konzern und AG sowie Teilkonzern W. I. AG inkl. Lagebericht und Anhang nach HGB und IFRS (mit Unterstützung externe [sic] Berater)

Unterstützt die Tochtergesellschaften bei der Erstellung der Jahresabschlüsse

Erstellt die Quartalsabschlüsse des Konzern [sic]

Erstellt das Budget für Konzern und AG sowie unterstützt die Tochtergesellschaften bei der Zusammenstellen [sic] der Budgetinformationen

Erstellt BWA für Konzern, AG und Tochtergesellschaften bzw. nach Bereich und/oder Profitcenter sowie Analysen, Kalkulationen und Statistiken zu erstellen und zu präsentieren [sic]

Erstellt Prognosen für Umsatz und Ergebnis Konzern und AG

Steuert und beobachtet der [sic] Liquidationsbedarf im Konzern sowie ist verantwortlich die Kontakte und Verhandlung mit den Kreditinstituten und den Versicherern [sic]

Erstellt Liquiditätsprognosen Konzern und AG

AR-Sitzungen vorbereiten und finanzielle Informationen präsentieren und erläutern

Übernimmt die Position als Vorstand/Geschäftsführer in den Tochtergesellschaften.“

Mit Rechnung Nr. …-007 vom 30.06.2020 laut Anl. K 8 stellte der Kläger der Beklagten ein „Honorar Sonderprojekte W. Gruppe Kompensation Verkauf W. Maschinenbau per 31.07.2018“ in Höhe von 46.053,00 € brutto (1,2% aus 3.232.000 €) in Rechnung.

Mit weiterer Rechnung vom 30.06.2020 (Re.-Nr. …-008) laut Anl. K 9 stellte der Kläger der Beklagten ein „Honorar Sonderprojekte W. Gruppe Provision Verkauf S. L. N. vom 28.05.2020“ in Höhe von 21.205,80 € brutto (3% aus 594.000 €) in Rechnung.

Schließlich stellte der Kläger mit weiterer Rechnung vom 30.06.2020 (Re.-Nr. …-009) laut Anl. K 10 der Beklagten ein „Honorar Sonderprojekte W. Zusatzleistungen die lt. Vertrag gesondert vergütet werden Zeitraum 01.10.2019 – 30.06.2020“ in Höhe von 9.520,00 € brutto (64 Stunden x 125,00 € zzgl. MWSt.) in Rechnung.

Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 09.02.2022 (dort S. 14, Bl. 47 d.A.) rechnete die Beklagte für den Fall, dass sie zur Zahlung von Vergütung an den Kläger verurteilt werden sollte, gegen die Vergütungsansprüche des Klägers mit einem Schadensersatzanspruch gegen den Kläger aus § 93 Abs. 2 S. 1 AktG in Höhe von insgesamt 48.990,00 € (12.600,00 € + 36.390 €) wegen der verspäteten Bekanntmachungen nach § 114 Abs. 1 S. 2 WpHG auf.

Der Kläger behauptete, dass nach der Aufsichtsratssitzung vom 30.08.2018 die Vergütung für das Team „Sch.“ weiter besprochen und eine Vergütung für das Team in Höhe von insgesamt 3% des Gesamtverkaufswertes als angemessen angesehen worden sei (vgl. Klageschriftsatz S. 8 erster Absatz, Bl. 25 d.A.). Darüber habe Einigkeit im Aufsichtsrat der Beklagten geherrscht. Von den 3% stünden ihm 1,2% zu, was bei einem Gesamterlös von 3.232.000 € zu einem Honoraranspruch von 38.700,00 € netto und damit 46.053,00 € brutto führe.

Der Kläger trug des Weiteren vor, dass ihm auf der Grundlage des Aufsichtsratsbeschlusses vom 12.12.2018 (Anl. K 4) für den Verkauf der L. N. an die S. Group eine Provision in Höhe von 3% aus dem Verkaufserlös von 594.000 € zzgl. MwSt und damit in Höhe von 21.205,80 € brutto zustehe.

Schließlich sei ihm durch seine Aktivitäten bezüglich des reverse IPO ein Arbeitszeitmehraufwand von 23,00 Stunden und bezüglich des Verkaufs von Grundstücken der Beklagten in Hagen ein weiterer Arbeitszeitmehraufwand von 64,00 Stunden entstanden, der bei einem ortsüblichen und angemessenen Stundensatz von 125,00 € einen Vergütungsanspruch in Höhe von 9.520,00 € brutto begründe.

Alle diese Tätigkeiten seien Leistungen seinerseits gewesen, die über die im AV 2017 und im AV 2019 ihm zugewiesenen Aufgaben hinausgegangen seien.

Hinsichtlich der Hilfsaufrechnung der Beklagten mit Schadensersatzforderungen gegen ihn wegen verspäteter Bekanntmachungen nach dem WpHG trug der Kläger vor, dass die Verantwortung für die Verzögerungen nicht bei ihm liege, da es beim beauftragten Wirtschaftsprüfer aufgrund zu niedriger Kapazität zu Problemen bei der Bewertung gekommen sei. Diese Kapazitätsprobleme seien von der Wirtschaftsprüferkanzlei auch erst zu spät mitgeteilt worden.

Der Kläger beantragte daher:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 76.778,80 nebst 5% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 27.02.2021 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragte,

Klageabweisung.

Die Beklagte erwiderte, dass die streitgegenständlichen Tätigkeiten des Klägers von ihm bereits nach den beiden Anstellungsverträgen geschuldet und deshalb nicht gesondert zu vergüten seien.

In der mündlichen Verhandlung vom 18.02.2022 wies das Landgericht den Kläger darauf hin, dass er noch genauer dazu vortragen müsse, dass er außerhalb seiner dienstvertraglichen Verpflichtungen als Vorstand tätig geworden sei. Darüber müsse er noch zur Höhe der ihm nach § 612 BGB behauptetermaßen zustehenden Vergütung vortragen (vgl. S. 2 Mitte des Protokolls der mündlichen Verhandlung, Bl. 51 d.A.).

Mit Endurteil vom 13.05.2022, Az. 43 O 10558/21, wies das Landgericht München I die Klage ab.

Hinsichtlich der vom Kläger gestellten Rechnung Nr. …-007 vom 30.06.2020 über 46.053,00 € führte das Landgericht zur Begründung seiner Entscheidung aus, dass eine auf die Gewährung einer Provision in Höhe von 1,2% aus einem Betrag von 3.232.000,00 € gerichtete Willenserklärung des Aufsichtsrats der Beklagten, aufgrund derer eine dementsprechende Vergütungsvereinbarung mit dem Kläger zustande gekommen wäre, nicht ersichtlich sei. Aus den Protokollen der telefonischen Aufsichtsratssitzungen vom 30.08.2018 laut Anl. K 8 und vom 12.12.2018 laut Anl. K 6 lasse sich, auch wenn dort die Provisionsfrage thematisiert worden sei, eine diesbezügliche Beschlussfassung des Aufsichtsrats nicht entnehmen (LGU S. 7 erster und zweiter Absatz). Die vom Kläger behaupteten mündlichen Provisionszusagen stellten keinen für eine Provisionszusage erforderlichen Aufsichtsratsbeschluss dar, da es sich dabei nur um Gespräche mit einzelnen Aufsichtsratsmitgliedern bzw. um Absprachen zwischen zwei Aufsichtsratsmitgliedern gehandelt habe (LGU S. 7 letzter Absatz).

Zur Begründung seines Zahlungsanspruchs könne sich der Kläger auch nicht auf § 612 BGB berufen. Diese Vorschrift komme nämlich nicht zum Tragen, da die vom Kläger behaupteten Tätigkeiten nicht über das hinausgegangen seien, was der Kläger nach dem zwischen ihm und der Beklagten bestehenden Anstellungsvertrages vom 15.07.2017 laut Anl. K 1 an Leistung geschuldet habe. Ein Anspruch auf zusätzliche Vergütung bestehe weder aufgrund qualitativer noch aufgrund quantitativer Mehrleistung.

Nachdem der Geschäftsgegenstand der Beklagten ausweislich ihrer Satzung u.a. die Veräußerung von Beteiligungen an Firmen der Industrie und von Beteiligungen an Handelsgesellschaften sei, falle der Verkauf der Maschinenbausparte in den vertraglich vereinbarten Aufgabenbereich des Klägers, da dieser Alleinvorstand der Beklagten und nach § 1 Abs. 1 des Dienstvertrages vom 15.07.2017 insbesondere für den Bereich Finanz- und Rechnungswesen sowie die Berichterstattung der AG und des Konzerns verantwortlich gewesen sei (LGU S. 8 und 9).

Es sei auch keine quantitative Mehrleistung ersichtlich, da der Anstellungsvertrag des Klägers kein Stundenhonorar, sondern ein arbeitszeitunabhängiges pauschales Monatsgehalt vorsehe und der Kläger damit nach der vertraglichen Regelung seine gesamte Arbeitszeit und nicht nur einen Teil davon der Beklagten zur Verfügung zu stellen habe. Im Übrigen rechtfertige auch der vom Kläger vorgetragene zeitliche Mehraufwand von 592 Stunden im Zeitraum von Februar 2018 bis Juli 2019 und damit von rund 7,6 Stunden pro Woche bei einem Gesamtaufwand von 20,6 Wochenstunden für die Beklagte kein zusätzliches Honorar. Schließlich habe sich die Beklagte nach dem eigenen Vortrag des Klägers in einer akuten wirtschaftlichen Krisenlage befunden und habe u.a. wegen hoher Beraterkosten die Insolvenz gedroht, sodass allein deshalb im Hinblick auf § 87 Abs. 1 AktG eine zusätzliche Entlohnung des Klägers nicht nach § 612 BGB geschuldet sei (LGU S. 10).

Hinsichtlich der Rechnung des Klägers Nr. …-008 vom 30.06.2020 über 21.205,80 € gelte im Grunde das zur Rechnung Nr. …-007 Gesagte entsprechend mit der Maßgabe, dass für die Beurteilung, ob die vom Kläger erbrachten Tätigkeiten bereits nach dem Dienstvertrag geschuldet waren, nicht der Dienstvertrag vom 15.07.2017 laut Anl. K 1, sondern der Dienstvertrag vom 30.09.2019 laut Anl. K 2 heranzuziehen sei. Der in dem Dienstvertrag vom 30.09.2019 enthaltene Passus, dass Tätigkeiten, die nicht in der beigefügten Tätigkeitsbeschreibung aufgelistet seien, separat zu verhandeln und zu vergüten seien, ändere am fehlenden Anspruch des Klägers nichts. Denn der Verkauf der Darlehensforderungen gegen die deutsche Tochtergesellschaft an die Muttergesellschaft falle unter Punkt 1 der Anlage zu Vertrag vom 30.09.2019. Im Übrigen räume § 5 Abs. 5 des Dienstvertrages vom 30.09.2019 dem Kläger auch nur einen Anspruch auf Verhandlung über etwaige Zusatztätigkeiten ein, nicht aber einen Vergütungsanspruch (LGU S. 11).

Bezüglich der Rechnung Nr. …-009 vom 30.06.2020 über 9.250,00 €, deren Gegenstand die Suche von Interessenten für Immobilien in Hagen war, gelte nichts anderes als das für die Rechnung Nr. …-008 Gesagte. Auch diese Tätigkeit falle unter die nach dem Dienstvertrag vom 30.09.2019 ohnehin vom Kläger Geschuldeten und sei deshalb nicht gesondert zu vergüten (LGU S. 12).

Im Übrigen wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Der Kläger verfolgt unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vortrags mit seiner Berufung sein erstinstanzliches Klageziel vollumfänglich weiter.

Er rügt u.a., dass das Landgericht den Inhalt des Protokolls der Aufsichtsratssitzung vom 28.01.2019 laut Anl. K 12 unberücksichtigt gelassen habe. Darüber hinaus habe es sowohl die Geschäftsfelder der W. Gruppe als auch deren Organisationsstruktur und die Arbeitsaufteilung innerhalb der Gruppe verkannt. Die verschiedenen Bereiche der Beklagten würden durch eine eigene Geschäftsführung und einen eigenen Aufsichtsrat unabhängig von der Beklagten als Muttergesellschaft geführt. Der vom Dienstvertrag des Klägers umfasste Aufgabenbereich sei im wesentlichen auf die Erstellung von Abschlüssen sowie die interne und externe Berichterstattung beschränkt gewesen. Auch in der Vergangenheit seien Sonderaufgaben nicht schriftlich vereinbart, sondern mit dem jeweiligen Aufsichtsratsvorsitzenden mündlich verhandelt und abgestimmt worden. Diese Tätigkeiten seien immer gesondert vergütet worden, da zwischen den Parteien Einigkeit darüber bestanden habe, dass Sondervergütungen von der Grundvergütung gemäß Dienstvertrag nicht erfasst sein sollten (Berufungsbegründung S. 5, Bl. 113 d.A.).

Das Landgericht habe auch nicht berücksichtigt, dass die vom Kläger durchgeführte Financial Due Dilligence nicht die der Beklagten, sondern die der Tochtergesellschaft W. Maschinenbau Gruppe gewesen sei. Bei dieser sei der Kläger aber nach dem Dienstvertrag nur Aufsichtsrat gewesen, zu dessen Aufgaben die Erstellung einer Financial Due Dilligence nicht gehöre (Berufungsbegründung S. 6, Bl. 114 d.A.).

In quantitativer Hinsicht liege die Mehrarbeit um 57% über den Normalstunden.

Auch die mit der Rechnung Nr. …-008 abgerechneten Tätigkeiten seien vom Dienstvertrag nicht abgedeckt gewesen. Bei der Veräußerung der Darlehensrückzahlungsforderung (“loan note“) handle es sich nämlich um die Veräußerung eines Vermögenswertes der Beklagten, die gemäß § 5 Abs. 5 AV 2019 gesondert zu vergüten sei.

Der Rechnung Nr. …/009 vom 30.06.2020 über 9.520,00 € lägen Leistungen des Klägers betreffend „reversed IPO“ und den Verkauf von Tochtergesellschaften bzw. von Grundstücken von Tochtergesellschaften zu Grunde.

Der Kläger beantragt daher:

I. Das Endurteil des Landgerichts München I vom 13.05.2022, Az. 43 O 10588/21 wird aufgehoben.

II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 76.778,80 nebst 5% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 27.02.2021 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers als unzulässig zu verwerfen,

hilfsweise,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte bemängelt, dass die Berufung des Klägers bereits unzulässig sei und verteidigt im Übrigen das landgerichtliche Urteil.

Sie bestreitet, dass die Financial Due Dilligence der W. Maschinenbaugruppe vom Kläger durchgeführt worden sei. Diese sei vielmehr von der Erwerberin vorgenommen worden. Der Kläger habe lediglich unterstützt, Unterlagen für die Due Dilligence zusammenzustellen. Im Übrigen sei der Vortrag des Klägers zur Financial Due Dilligence unsubstanziiert und neu und deshalb zurückzuweisen (Berufungserwiderung S. 5, zweiter Absatz, Bl. 128 d.A.).

Der Senat hat am 21.02.2024 mündlich verhandelt. Er hat einen Hinweis erteilt. Auf den Hinweis vom 13.12.2023, Bl. 142/143 d.A., das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21.02.204, die zwischen den Prozessbevollmächtigten gewechselten Schriftsätze und den übrigen Akteninhalt wird Bezug genommen.

B.

50

Die Berufung des Klägers ist zulässig, da sie den formalen Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO genügt.

51

Sie ist jedoch unbegründet, da dem Kläger kein Anspruch auf die von ihm geltend gemachte Sondervergütung zusteht und das Landgericht deshalb die Klage zu Recht abgewiesen hat.

52

I. In jeder Hinsicht zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass ein Zahlungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte wegen seiner Beteiligung am Verkauf der Maschinenbausparte der Beklagten an die deutsche Tochter der S. Group nicht besteht, da der Kläger weder einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung einer weiteren Vergütung wegen einer qualitativen oder quantitativen Mehrleistung nach § 612 BGB (1.) noch einen Anspruch aufgrund einer zwischen ihm und der Beklagten zustande gekommenen, vom Anstellungsvertrag unabhängigen Provisionsvereinbarung hat (2.).

53

1. Die Mitwirkung des Klägers am Verkauf der Maschinenbausparte der Beklagten war eine nach dem Anstellungsvertrag laut Anl. K 1 vom Kläger gegenüber der Beklagten geschuldete Tätigkeit.

54

Denn gemäß der Regelung des § 1 Abs. 1 S. 1 AV 2017, die im ersten Spiegelstrich der Anlage zum AV 2017 inhaltsgleich wiederholt wird, umfasst der zwischen den Parteien vertraglich vereinbarte Aufgabenbereich des Klägers die Führung der Geschäfte der Beklagten ohne Beschränkung auf einzelne Bereiche. Dass der Anstellungsvertrag 2017 in § 1 Abs. 1 S. 2 stipuliert, dass der Kläger „(i) nsbesondere (…) für den Bereich Finanz- und Rechnungswesen sowie die Berichtserstattung [sic] der AG und des Konzerns verantwortlich“ ist, ändert – wie sich schon aus der Verwendung des Wortes „insbesondere“ ergibt – an der umfassenden Geschäftsleitungsaufgabe des Klägers nach § 1 Abs. 1 S. 1 AV 2017 nichts.

55

Eine andere, dem klaren Wortlaut des § 1 Abs. 1 S. 1 widersprechende Auslegung des Anstellungsvertrags 2017 laut Anl. K 1 wäre auch nicht interessengerecht. Denn in diesem Fall wäre der Kläger zwar nach § 76 Abs. 1 AktG organschaftlich zur alleinigen Leitung der Gesellschaft unter eigener Verantwortung verpflichtet und berechtigt, da er (wie bereits seit 2001) Alleinvorstand der Beklagten war und es deshalb keine weiteren Vorstandsmitglieder gab, die die Leitungsaufgaben außerhalb des Bereichs Finanz- und Rechnungswesen hätten wahrnehmen können, während sein Vergütungsanspruch gegenüber der Gesellschaft nach dem Anstellungsvertrag 2017 aber auf Tätigkeiten im Bereich Finanz- und Rechnungswesen beschränkt wäre. Für die vom Kläger aufgrund seiner organschaftlichen Verpflichtung zur Geschäftsleitung nach § 76 Abs. 1 AktG zu erbringenden Vorstandstätigkeiten außerhalb des Bereichs Finanz- und Rechnungswesen bestünde ein Vergütungsanspruch gegen die Beklagte dagegen allenfalls nach § 612 BGB mit allen sich daraus ergebenden Unsicherheiten für beide Vertragsparteien sowohl hinsichtlich der Abgrenzung der Tätigkeitsbereiche als solcher als auch bezüglich der Höhe der gegebenenfalls nach § 612 Abs. 2 BGB geschuldeten üblichen Vergütung. Da aber bei der Auslegung von Verträgen davon auszugehen ist, dass die Parteien Vernünftiges wollten (vgl. Ellenberger in Grüneberg, BGB, 83. Auflage, München 2024, Rdnr. 26 zu § 133 BGB m.w.N.), und deshalb keine solche streitbefangene und mit großen Unsicherheiten verbundene Aufgaben- und Vergütungsregelung treffen wollten, ist der Anstellungsvertrag dahingehend auszulegen, dass sich der Anwendungsbereich des Anstellungsvertrags 2017 auf die gesamte Vorstandstätigkeit des Klägers erstreckt und in §§ 5 und 6 AV 2017 deshalb eine abschließende Vergütungs- und Aufwendungserstattungsregelung für die Vorstandstätigkeit des Klägers getroffen werden sollte.

56

Da nach der Satzung der Beklagten Geschäftsgegenstand der Beklagten auch die Veräußerung von Beteiligungen an Firmen der Industrie ist, gehörte die Durchführung des Verkaufs der Maschinenbausparte der Beklagten nach dem Anstellungsvertrag zum Aufgabenbereich des Klägers als deren Vorstand, sodass für die Anwendung von § 612 BGB grundsätzlich kein Raum verbleibt.

57

Dies gilt auch für die Mitwirkung des Klägers an der Durchführung der due dilligence hinsichtlich der zu veräußernden Maschinenbaugruppe der Beklagten. Mit nachgelassenem Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 25.03.2022 (dort S. 2 unten, Bl. 57 d.A.) ließ der Kläger hierzu vortragen, dass er im Rahmen der „Financial Due Dilligence“ im Zeitraum von Februar bis Juni 2018 jeweils 40 Stunden Arbeitszeit für die „Abschlüsse der Gruppe zum 31.12.2017“ und für „Budget/Vorschau der Gruppe 2018 inkl. Erläuterungen zu Bilanz und G& V sowie Auftragseingänge bzw. -bestand“ aufgewandt habe. Wie das Landgericht entgegen der Ansicht der Berufung richtig feststellte (LGU S. 9 unter Punkt B I. 2.3), fallen diese Tätigkeiten nach dem Anstellungsvertrag laut Anl. K 1 in den Aufgabenbereich des Klägers.

58

Zwar war Aufgabe des Klägers sowohl nach § 1 Abs. 2 S. 1 AV 2017 als auch nach dem dritten Spiegelstrich der Tätigkeitsliste nur die Erstellung des Jahresabschlusses der Beklagten sowie des Konzernabschlusses iSd. §§ 290 ff. HGB (“Jahresabschluss des Konzerns“), nicht aber die Erstellung der Jahresabschlüsse der einzelnen Konzernunternehmen. Dies kommt auch im vierten Spiegelstrich der Tätigkeitsliste zum Ausdruck, wonach der Kläger die Tochtergesellschaften bei der Erstellung der Jahresabschlüsse unterstützt, sodass grundsätzlich davon auszugehen ist, dass diese ihre Jahresabschlüsse selbst erstellen. Darum geht es streitgegenständlich aber auch gar nicht. Denn die Beklagte trug im Klageerwiderungsschriftsatz vom 09.02.2022, dort S. 4 erster Absatz, Bl. 37 d.A. vor, dass der Kläger „Unterlagen für die Due Dilligence der S. Group zusammenstellen“ sollte. Diesen Vortrag der Beklagten hat der Kläger im nachgelassenen Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 25.03.2022 nicht bestritten, sondern insoweit auf den Hinweis des Landgerichts zum bislang unsubstanziierten Vortrag des Klägers zu seinen Tätigkeiten (vgl. den Hinweis in der mündlichen Verhandlung vom 18.02.2022 ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung, Bl. 51 d.A.) ergänzend vorgetragen, welche Unterlagen er für die Due Dilligence der S. Group zusammengestellt habe und mit welchem zeitlichen Aufwand dies für ihn verbunden gewesen sei, nämlich die „Abschlüsse der Gruppe zum 31.12.2017“ und die „Budget/Vorschau der Gruppe für 2018 inkl. Erläuterungen zu Bilanz und G& V sowie Auftragseingänge bzw. -bestand“. Da die Mitwirkung an der Due Dilligence der S. Group aber dem Verkauf der Maschinenbaugruppe dienen sollte und dieser – wie oben dargelegt – Geschäftsgegenstand der Beklagten war, gehörte auch die Vorbereitung von Unterlagen für die Due Dilligence der S. Group zum vertraglichen Aufgabenbereich des Klägers, sodass insoweit ein Rückgriff auf § 612 BGB nicht möglich ist.

59

Wenn der Kläger nunmehr in der Berufung (vgl. Berufungsbegründung S. 6, Bl. 114 d.A.) vortragen lässt, dass er die Due Dilligence der Maschinenbaugruppe durchgeführt habe, dies aber, da er für die Maschinenbaugruppe nicht tätig gewesen sei, nicht von seinem Aufgabenbereich umfasst gewesen sei, so handelt es sich dabei um neuen Vortrag iSd. § 531 ZPO, der auch nicht nach § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen ist. Denn in erster Instanz war – wie oben ausgeführt – unstreitig, dass die Due Dilligence hinsichtlich der Maschinenbaugruppe von der S. Group durchgeführt wurde (“Due Dilligence der S. Group“) und der Kläger insoweit nur Unterlagen bezüglich der Maschinenbaugruppe zusammenstellte. Dieser neue Vortrag wäre daher in der Berufung nur zuzulassen, wenn er unstreitig wäre. Dies ist aber nicht der Fall, da die Beklagte in ihrer Berufungserwiderung (dort S. 5 zweiter Absatz, Bl. 128 d.A.) ausdrücklich bestritt, dass der Kläger eine Due Dilligence der Maschinenbaugruppe durchgeführt habe, und insoweit den erstinstanzlich übereinstimmenden Vortrag der Parteien wiederholte.

60

Im Übrigen und ohne, dass es darauf noch ankäme, ist die neue klägerische Behauptung auch nicht nachvollziehbar, da im Rahmen eines Unternehmenskaufs die Due Dilligence hinsichtlich der Zielgesellschaft (d.h. der Maschinenbaugruppe) regelmäßig weder vom Verkäufer (d.h. der Beklagten) noch von der Zielgesellschaft selbst vorgenommen wird, sondern vom Käufer. Der Verkäufer oder die Zielgesellschaft stellt dem Käufer regelmäßig lediglich Unterlagen zum Zwecke der Durchführung der Due Dilligence zur Verfügung. Diese im Rahmen eines Unternehmenskaufs übliche Vorgehensweise entspricht dem in erster Instanz übereinstimmenden Parteivortrag.

61

§ 612 Abs. 1 BGB ist jedoch auch anzuwenden, wenn über die vertraglich geschuldete Tätigkeit hinaus vom Dienstnehmer Sonderleistungen erbracht werden, die durch die vereinbarte Vergütung nicht abgegolten sind, und vertraglich nicht geregelt ist, wie diese Dienste zu vergüten sind. Wird vom Dienstnehmer eine quantitative oder qualitative Mehrleistung gegenüber der vertraglich vereinbarten Leistung erbracht, schuldet der Dienstberechtigte hierfür die übliche Vergütung, wenn die Arbeit den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist (vgl. Müller-Glöge in Münchener Kommentar zum BGB, 9. Auflage, München 2023, Rdnr. 19 zu § 612 BGB). Wie das Landgericht richtig erkannt hat, liegt streitgegenständlich weder eine quantitative (a.) noch eine qualitative Mehrleistung vor (b.).

62

a. Auf eine quantitative Mehrleistung im Hinblick auf die vom Kläger behauptetermaßen wegen des Verkaufs der Maschinenbaugruppe der Beklagten im Zeitraum von Februar 2018 bis Juli 2019 über seine durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von 13 Wochenstunden hinaus geleisteten 592 Arbeitsstunden (vgl. Schriftsatz der Klägervertreterin vom 25.03.2022, S. 2 und 3, Bl. 57 und 58 d.A.), kann sich der Kläger nicht berufen, da der Anstellungsvertrag 2017 schon keine Regelung zur wöchentlichen Arbeitszeit des Klägers enthält und es deshalb nicht möglich ist, den nach dem Anstellungsvertrag 2017 grundsätzlich zeitmäßig geschuldeten wöchentlichen Umfang seiner Tätigkeit zu bestimmen. Vielmehr ergibt sich aus dem Anstellungsvertrag 2017, dass die Parteien bewusst keine wöchentliche Arbeitszeit festlegen wollten, da in § 1 Abs. 2 S. 2 AV 2017 ohne Stipulierung eines Arbeitszeitumfangs geregelt ist, dass der Kläger der Beklagten seine Arbeitskraft zur Verfügung stellen wird.

63

Unabhängig davon setzt ein Vergütungsanspruch wegen quantitativer Mehrarbeit nach § 612 BGB eine Vergütungserwartung voraus. Diese ist aber objektiv nur gegeben, wenn der Dienstnehmer keine Dienste höherer Art iSd. § 627 BGB schuldet (vgl. Müller-Glöge in Münchener Kommentar zum BGB, 9. Auflage, München 2023, Rdnr. 22 zu § 612 BGB; Maties in BeckOGK BGB, Stand: 01.09.2023, Rdnr. 67 zu § 612 BGB). Da ein Vorstand einer Aktiengesellschaft jedoch derartige Dienste schuldet, besteht bei quantitativer Mehrarbeit keine Vergütungserwartung und kann ein Vergütungsanspruch nach § 612 BGB nicht darauf gestützt werden.

64

b. Ein Fall qualitativer Mehrarbeit liegt schon deshalb nicht vor, weil die Mitwirkung am Verkauf der Maschinenbaugruppe – wie oben dargelegt – Teil des nach § 1 Abs. 1 S. 1 AV 2017 vertraglich vereinbarten Aufgabenbereichs des Klägers ist und deshalb von ihm geschuldet war.

65

2. Zu Recht hat das Landgericht auch angenommen, dass der Vortrag des Klägers zum Abschluss einer Vereinbarung zwischen den Parteien über die Zahlung einer Sondervergütung wegen des erfolgreichen Verkaufs der Maschinenbaugruppe schon nicht schlüssig ist und deshalb ein Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Sondervergütung nicht besteht.

66

a. Für den Abschluss der vom Kläger behaupteten Vergütungsvereinbarung wäre auf Seiten der Beklagten gemäß § 112 AktG der Aufsichtsrat der Beklagten zuständig, der gemäß § 108 Abs. 1 AktG durch Beschluss entscheidet. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und auch nach der allgemeinen Meinung in der Literatur können Beschlüsse des Aufsichtsrats nur ausdrücklich, nicht jedoch stillschweigend oder konkludent gefasst werden. Denn es muss aus Gründen der Rechtssicherheit gewährleistet sein, dass das Zustandekommen eines Beschlusses festgestellt werden kann. Dies ist bei stillschweigend oder konkludent gefassten Beschlüssen nicht möglich, weil bei diesen nicht die für eine Abstimmung unerlässlichen Feststellungen darüber getroffen werden können, inwieweit Beschlussfähigkeit, Zustimmung, Ablehnung und Stimmenthaltungen gegeben sind (vgl. BGH, Urteil vom 21.06.2010 – II ZR 24/09, Rdnr. 14 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung und Literatur).

67

Ein demnach erforderlicher ausdrücklicher Beschluss des AufsichtsratsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Beschluss
Beschluss des Aufsichtsrats
über die Gewährung einer Sondervergütung aufgrund der Beteiligung des Klägers am Verkauf der Maschinenbaugruppe im Team „Sch.“ liegt jedoch nicht vor. Ausweislich der vom Kläger vorgelegten Protokolle von Aufsichtsratssitzungen hat sich der Aufsichtsrat der Beklagten am 30.08.2018, 12.12.2018 sowie am 28.01.2019 mit der Frage der Gewährung einer Sondervergütung für die Mitglieder des Teams „Sch.“ befasst, ohne einen ausdrücklichen Beschluss hierüber gefasst zu haben.

68

aa. Wenn die Berufung (vgl. Berufungsbegründung S. 2 unten, Bl. 110 d.A. und Schriftsatz des Klägervertreters vom 05.02.2024, S. 1 zweiter Absatz, Bl. 152 d.A.) meint, dass sich alle Aufsichtsratsmitglieder in der Aufsichtsratssitzung vom 30.08.2018 darüber einig gewesen seien, dass es sich bei der Tätigkeit im Team „Sch.“ um eine zu vergütende Sonderleistung handle, so mag dies ausweislich des Protokolls der Sitzung laut Anl. K 5 zutreffen. Diese (unterstellte) Einigkeit der Aufsichtsratsmitglieder im Grundsatz wurde aber explizit von der den Aufsichtsratsmitgliedern problematisch erscheinenden und deshalb erst noch zu klärenden rechtlichen Zulässigkeit einer solchen Sondervergütung abhängig gemacht (vgl. S. 2 letzter Absatz des Protokolls der Aufsichtsratssitzung vom 30.08.2018 laut Anl. K 5), sodass – zumal das Protokoll eine Beschlussfassung nicht erwähnt – daraus nicht geschlossen werden kann, der Aufsichtsrat hätte in seiner Sitzung vom 30.08.2018 einen Beschluss über die Gewährung einer Sondervergütung für den Kläger gefasst. Dies wurde vom Kläger erstinstanzlich auch gar nicht behauptet (vgl. Schriftsatz der vormaligen Klägervertreterin vom 17.01.2022, S. 7 letzter Absatz, Bl. 24 d.A.).

69

Wenn nunmehr im Schriftsatz des Klägervertreters vom 05.02.2024, S. 2 dritter Absatz, Bl. 153 d.A. erwogen wird, dass es sich dabei um einen konkludenten Beschluss des AufsichtsratsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Beschluss
Beschluss des Aufsichtsrats
gehandelt haben könnte, ersetzt dies jedoch nicht den stets notwendigen ausdrücklichen Aufsichtsratsbeschluss.

70

bb. Ebenso wenig kommt es auf das vom Kläger behauptete off-the-record-Gespräch im Anschluss an die Aufsichtsratssitzung vom 30.08.2018 an, in dem eine Einigung dahingehend erfolgt sei, dass das Team Sch. in Höhe von 3% des Gesamtverkaufswertes vergütet werden solle (vgl. Berufungsbegründung S. 3 erster und zweiter Absatz, Bl. 111 d.A.), an.

71

(1) Zum einen ist dies nämlich neuer Vortrag iSd. § 531 ZPO, da der Kläger in erster Instanz nur behauptete, dass in dem off-the-record-Gespräch vom 30.08.2018 „(e) ine Vergütung an das Team von 3% des Gesamtverkaufswertes (…) als angemessen angesehen“ worden sei (vgl. Schriftsatz der damaligen Klägervertreterin vom 17.01.2022, S. 8 erster Absatz, Bl. 25 d.A.), was unterstellt werden kann, nicht aber, dass in dem off-the-record-Gespräch vom 30.08.2018 auch ein ausdrücklicher Beschluss über eine Sondervergütungsgewährung gefasst worden sei. Nachdem die Beklagte im Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 09.02.2022, dort S. 5 Rdnr. 24, Bl. 38 d.A., eine Beschlussfassung in dem off-the-record-Gespräch vom 30.08.2018 ausdrücklich bestritten hatte, ist der neue Vortrag der Klägerseite zu einer Beschlussfassung in dem off-the-record-Gespräch vom 30.08.2018 gemäß § 531 Abs. 1 ZPO nicht zuzulassen.

72

(2) Zum anderen wäre ein solcher (unterstellter) ausdrücklicher Beschluss auch unwirksam, da er nach dem eigenen Vortrag des Klägers außerhalb einer Aufsichtsratssitzung (“off-the-record“) gefasst worden wäre. Dies verstößt aber gegen § 15 Abs. 2 S. 1 der Satzung der Beklagten, wonach Beschlüsse des Aufsichtsrats in Sitzungen gefasst werden, da es sich dabei auch nicht um eine nach § 15 Abs. 2 S. 2 der Satzung (das Einverständnis aller Aufsichtsratsmitglieder unterstellt) grundsätzlich zulässige „schriftliche, telegrafische oder fernmündliche“ Beschlussfassung gehandelt hätte.

73

Aus diesem Grund war das Landgericht auch entgegen der Ansicht der Berufung nicht gehalten, zu dem off-the-record-Gespräch vom 30.08.2018 Beweis zu erheben.

74

cc. In der Aufsichtsratssitzung vom 12.12.2018 wurde unter TOP 8 zwar ein Beschluss hinsichtlich der „Vergütung Sonderprojekte“ gefasst. Entsprechend dem Vorschlag des Aufsichtsratsvorsitzenden J. G. wurde aber nur beschlossen, dass eine Vereinbarung erarbeitet werden solle, die die Provisionsvergütung (3% des Verkaufswertes oder der Wertschöpfung) im Falle eines Verkaufs von Vermögenswerten des Konzerns regelt (vgl. S. 3 des Protokolls der Aufsichtsratssitzung vom 12.12.2018 laut Anl. K 6). Damit wurde jedoch nur die Vorbereitung einer Sondervergütungsvereinbarung beschlossen, nicht jedoch bereits eine Sondervergütungsvereinbarung selbst.

75

Wenn der Kläger nunmehr mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 05.02.2024, dort S. 1 und 2, Bl. 152/153 d.A., vortragen lässt, dass der Aufsichtsrat in seiner Sitzung vom 12.12.2018 einen ausdrücklichen Beschluss über die Gewährung einer Sondervergütung an das Team Sch. gefasst habe, der nur nicht in der gebotenen und notwendigen Klarheit verschriftlicht worden sei, so handelt es sich dabei um neuen Vortrag iSd. § 531 ZPO. Denn erstinstanzlich hat der Kläger eine derartige Behauptung nicht erhoben. Vielmehr hat er in erster Instanz mit Schriftsatz seiner damaligen Prozessbevollmächtigten vom 17.01.2022, dort S. 8 zweiter Absatz, Bl. 25 d.A., nur darlegen lassen, dass der Aufsichtsrat einem Vorschlag des J. G. gefolgt sei, eine Vereinbarung zu erarbeiten, die eine Provisionsvergütung regeln solle (was dem Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 12.12.2018 laut Anl. K 6 entspricht). Im Schriftsatz der seinerzeitigen Klägervertreterin vom 25.03.2022, dort S. 4 vierter Absatz, Bl. 59 d.A., wurde sogar ausdrücklich ausgeführt, dass „im Aufsichtsrat ein Beschluss über die Sondervergütung nicht gefasst wurde“ und bezüglich der Aufsichtsratssitzung vom 12.12.2018 nur auf die diesbezüglichen Ausführungen im Schriftsatz vom 17.01.2022, dort S.8, Bezug genommen (vgl. Schriftsatz der Klägervertreterin vom 25.03.2022, S. 11, zweiter Absatz, Bl. 66 d.A.). Dieser neue Klägervortrag ist – wie in der mündlichen Verhandlung vom 21.02.2024 ausführlich mit dem Klägervertreter erörtert wurde – nach § 531 ZPO nicht zuzulassen. Er ist insbesondere nicht unstreitig, da die Beklagte bereits in erster Instanz vorgetragen hatte, dass der Aufsichtsrat in seiner Sitzung vom 12.12.2018 keinen Beschluss über eine Sondervergütung gefasst habe (vgl. Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 09.02.2022, S. 7, vorletzter Absatz, Rdnr. 37, Bl. 40 d.A.). Im Übrigen hat die Beklagte diesen neuen Vortrag des Klägers auch mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 19.02.2024, S. 2 oben, Bl. 161 d.A. (nochmals) ausdrücklich bestritten.

76

Dass auch die Aufsichtsratsmitglieder davon ausgingen, dass in der Aufsichtsratssitzung vom 12.12.2018 nur Beschluss über die Vorbereitung einer Vergütungsvereinbarung, nicht aber über die Gewährung einer Sondervergütung gefasst wurde, und es deshalb auch keinerlei tatsächliche Anhaltspunkte für den neuen Vortrag des Klägers gibt, folgt im Übrigen aus der Email des Aufsichtsratsvorsitzenden an den Kläger vom 13.12.2018, 16:43 Uhr laut Anl. K 7, mit der der Kläger in Umsetzung des Aufsichtsratsbeschlusses vom 12.12.2018 beauftragt wurde, einen juristischen gangbaren Weg zu finden, um die vom Aufsichtsrat beabsichtigte Sondervergütung für das Team „Sch.“ zu ermöglichen. Aus diesem Grund kann entgegen der Ansicht des Klägers (vgl. Schriftsatz des Klägervertreters vom 05.02.2024, S. 2 dritter Absatz, Bl. 153 d.A.) aus dem Aufsichtsratsbeschluss vom 12.12.2018 auch nicht die Bestätigung eines in der Aufsichtsratssitzung vom 30.08.2018 behauptetermaßen gefassten „konkludenten“ Beschlusses abgeleitet werden.

77

dd. Soweit die Berufung rügt, das Landgericht habe den Sachvortrag des Klägers zur Aufsichtsratssitzung vom 28.01.2019 und das diesbezügliche Protokoll laut Anl. K 12 übergangen (vgl. Berufungsbegründung S. 4 zweiter Absatz, Bl. 112 d.A.), dringt sie auch insoweit nicht durch. Denn auch in der Sitzung 28.01.2019 fasste der Aufsichtsrat keinen Beschluss über die Gewährung einer Sondervergütung für die Mitglieder des Teams Sch. Vielmehr wurde dort vom Aufsichtsratsvorsitzenden unter TOP 7 nur das Ergebnis der zwischenzeitlich veranlassten Prüfung der rechtlichen Zulässigkeit einer Sondervergütung bekanntgegeben, wonach eine „Provisionszahlung“ „nur an Personen außerhalb der Gesellschaften der WHAG“, nicht aber an Aufsichtsratsmitglieder möglich sei (vgl. S. 2 letzter Absatz des Protokolls der Aufsichtsratssitzung vom 30.08.2018 laut Anl. K 12).

78

ee. Ob – wie der Kläger behauptet (vgl. Schriftsatz der damaligen Klägervertreterin vom 25.03.2022, S. 11 erster Absatz, Bl. 66 d.A.) – in den off-the-record-Gesprächen im Zeitraum von Februar 2018 bis Juli 2018 „mehrfach festgelegt (worden sei), dass das Team Sch. insgesamt eine Sonderzahlung in Höhe von 3% des Verkaufswertes erhalten“ solle, ist unerheblich. Denn selbst wenn dem so wäre, würde sich daraus kein wirksamer Aufsichtsratsbeschluss ableiten lassen. Denn zum einen haben an diesen off-the-record-Gesprächen nach dem eigenen Vortrag des Klägers die beiden damals von der Arbeitnehmerseite entsandten Aufsichtsratsmitglieder nicht teilgenommen, da der Verkauf der Maschinenbausparte der Beklagten soweit wie möglich geheim gehalten werden sollte, um die Belegschaft der Maschinenbausparte nicht zu beunruhigen. Zum anderen sind – wie bereits oben unter bb (2)) dargelegt – Beschlüsse im Rahmen von off-the-record-Gesprächen nach der Satzung der Beklagten nicht zulässig.

79

Nach alledem kann der Kläger in Ermangelung eines ausdrücklichen Aufsichtsratsbeschlusses über die Gewährung einer Sondervergütung für die Mitglieder des Teams „Sch.“ zur Begründung keine solche Sondervergütung beanspruchen.

80

b. Dass einer der beiden zeitlich in Betracht kommenden Aufsichtsratsvorsitzende R. oder G. – ohne einen dementsprechenden Aufsichtsratsbeschluss und dementsprechend als Vertreter ohne Vertretungsmacht – dem Kläger mündlich die beanspruchte Sondervergütung zugesagt hätte, hat der Kläger erstinstanzlich nicht behauptet. Eine solche Behauptung liegt auch nicht in dem Vortrag „Damit wurde die Provision auf Basis der mündlichen Vereinbarung fällig“ im Schriftsatz der damaligen Klägervertreterin vom 17.01.2022, S. 7 Mitte, Bl. 24 d.A., da sich daraus schon nicht entnehmen lässt, von wem die behauptete Zusage abgegeben worden sein soll. Auch in der Berufungsbegründung wird nicht behauptet, einer der beiden zeitlich in Betracht kommenden Aufsichtsratsvorsitzenden hätten eine solche Zusage erteilt. Wenn nunmehr im Schriftsatz des Klägervertreters vom 05.02.2024, dort S. 2 und 3, Bl. 153/154 d.A. ausgeführt wird, dass das Fehlen eines Aufsichtsratsbeschlusses über die Gewährung einer Sondervergütung die Rechtsgültigkeit einer vom Aufsichtsratsvorsitzenden dem Kläger erteilten mündlichen Zusage über die Gewährung einer Sondervergütung im Verhältnis des Klägers zur Beklagten nicht berühren würde, so handelt es sich dabei um abstrakte Rechtsausführungen, die jedoch keine Behauptung einer solchen Zusage durch einen der beiden zeitlich in Betracht kommenden Aufsichtsratsvorsitzenden (R. oder G.) enthalten.

81

Da die Beklagte bereits in erster Instanz (vorsorglich) bestritten hatte, dass eine mündliche Vereinbarung zwischen den Parteien über die beanspruchte Sondervergütung erfolgt sei, wäre nunmehriger Vortrag zu einer Zusage durch die Aufsichtsratsvorsitzenden R. oder G. auch nach § 531 ZPO nicht zuzulassen.

82

Letztendlich kommt es darauf aber entscheidungserheblich gar nicht an, da selbst wenn man – wie nicht – von einer mündlichen Zusage durch einen der beiden zeitlich in Betracht kommenden Aufsichtsratsvorsitzenden ausgehen sollte, eine solche Zusage nach § 177 Abs. 1 BGB zunächst schwebend unwirksam gewesen wäre, da der Aufsichtsratsvorsitzenden in Ermangelung eines Aufsichtsratsbeschlusses über die Sondervergütungsgewährung (dazu siehe oben unter a) als Vertreter ohne Vertretungsmacht gehandelt hätte (vgl. Spindler in BeckOGK AktG, Stand 01.10.2023, Rdnr 57 zu § 112 AktG). Spätestens durch den Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 09.02.2022 im streitgegenständlichen Verfahren, in dem die durch ihren Aufsichtsrat vertretene Beklagte den (später in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht auch gestellten) Klageabweisungsantrag ankündigte, wurde die Genehmigung des (unterstellten) vom Aufsichtsratsvorsitzenden geschlossenen Vertrages über die Gewährung einer Sondervergütung verweigert und der (unterstellte) Vertrag damit endgültig unwirksam.

83

Einer Beweiserhebung zum Vorliegen einer mündlichen Zusage einer Sondervergütung bedurfte es daher ebenfalls nicht.

84

3. Wenn der Kläger meint (vgl. Schriftsatz des Klägervertreters vom 05.02.2024, S. 6 und 7, Bl. 157/158 d.A.), die beanspruchte Sondervergütung ließe sich aus § 87 Abs. 1 AktG ableiten, so kann er damit schon deshalb nicht durchdringen, da § 87 AktG ausschließlich dem Schutz der Gesellschaft sowie ihrer Gläubiger, Aktionäre und Arbeitnehmer vor übermäßigen Bezügen von Vorstandsmitgliedern dient, damit keine Schutznorm zugunsten von Vorstandsmitgliedern ist und letztere deshalb aus ihr keinen Anspruch auf ein angemessenes Gehalt ableiten können (vgl. Koch, in ders., AktG, 17. Auflage, München 2023, Rdnr. 1 zu § 87 AktG).

85

4. Ob der am Team Sch. beteiligte externe Berater P. für seine Tätigkeit eine Vergütung erhalten hat, spielt für die Frage eines Vergütungsanspruchs des Klägers keine Rolle. Denn ausschlaggebend sind insoweit ausschließlich die von der Beklagten mit den Teammitgliedern getroffenen oder gerade nicht getroffenen Abmachungen. Einen Anspruch des Klägers gegenüber der Beklagten auf Gleichbehandlung aller Teammitglieder gibt es nicht.

86

II. Im Ergebnis nicht zu beanstanden ist die Klageabweisung durch das Landgericht auch hinsichtlich der Rechnung Nr. …-008 wegen der Mitwirkung des Klägers am Verkauf der L. N. vom 28.05.2020.

87

1. Der in den AV 2019 gegenüber dem AV 2017 neu aufgenommene § 5 Abs. 5 sieht vor, dass Tätigkeiten, die nicht in der Anlage zum AV 2019 aufgeführt sind, separat zu verhandeln und zu vergüten sind. Aus der richtigen Feststellung des Landgerichts, dass der Verkauf der L. N. an die Muttergesellschaft der S. Group nach § 1 Abs. 1 S. 1 AV 2019 zum vertraglichen Aufgabenbereich des Klägers als Vorstand der Beklagten gehörte, allein weil es ein von der Beklagten durchgeführtes Geschäft ist, folgt zunächst nur, dass auch der Verkauf der L. N. eine vom Kläger der Beklagten gegenüber vertragliche geschuldete Tätigkeit ist. Auf einen Anspruch aus § 612 BGB wegen des Verkaufs der L. N. kann sich der Kläger – wie beim AV 2017 bezüglich des Verkaufs der Maschinenbaugruppe – auch unter der Geltung des AV 2019 nicht berufen. Eine vergütungspflichtige Mehrarbeit in quantitativer Hinsicht liegt aus den zum AV 2017 genannten Gründen nicht vor, da auch der AV 2019 keine Regelung zur wöchentlichen Arbeitszeit enthält, der Kläger nach wie vor Dienste höherer Art iSd. § 627 BGB schuldet und er laut § 1 Abs. 2 S. 2 AV 2019 verpflichtet ist, der Beklagten seine Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen. In qualitativer Hinsicht besteht ebenfalls kein Anspruch nach § 612 Abs. 1 BGB, da – wie oben ausgeführt – der Verkauf der L. N. zur Führung der Geschäfte der Beklagten gehört und der Kläger deshalb zu dieser Tätigkeit verpflichtet war.

88

2. Entgegen der Ansicht des Landgerichts kann daraus jedoch nicht gefolgert werden, dass insoweit eine gesonderte Vergütung in jedem Fall ausscheidet. Denn da der Kläger Alleinvorstand der Beklagten war und – wie beim AV 2017 – auch der AV 2019 sich auf die gesamte Vorstandstätigkeit des Klägers erstreckt und damit eine umfassende Aufgabenzuweisung enthält, wäre nach Ansicht des Landgerichts eine Zusatzvergütung stets ausgeschlossen. Damit würde der Regelung des § 5 Abs. 5 AV 2019 jedoch jeglicher Anwendungsbereich genommen, was gegen die allgemeine Auslegungsregel, wonach davon auszugehen ist, dass jede Regelungen eine rechtserhebliche Bedeutung haben soll (vgl. Ellenberger in Grüneberg, 83. Auflage, München 2024, Rdnr. 26 zu § 133 BGB), verstoßen würde. Offensichtlich sollte mit § 5 Abs. 5 AV 2019 dem Vorstand jedoch anders als nach den Regelungen des AV 2017 bei „Sonderprojekten“ eine Zusatzvergütung gewährt werden. Es ist deshalb davon auszugehen, dass der Passus „Tätigkeiten bzw. Leistungen die nicht in der beigefügten Tätigkeitsbeschreibung aufgelistet sind“ nicht die allgemeine Tätigkeitsbeschreibung im ersten Spiegelstrich der Anlage zum AV 2019 laut Anl. K 2, sondern die in den weiteren Spiegelstrichen konkret bezeichneten Tätigkeiten meint.

89

3. Da der „Verkauf der L. N.“ nicht unter die in den weiteren Spiegelstrichen der Anlage zum, AV 2019 laut Anl. K 2 aufgelisteten Tätigkeiten fällt, kann dieser Verkauf grundsätzlich eine Zusatzvergütung rechtfertigen, wenn es sich dabei um ein „Sonderprojekt wie (…) die Veräußerung von Vermögenswerte(n) des Konzerns“ handelt. Dies ist jedoch nach Ansicht des Senats nicht der Fall.

90

Mit dem Verkäuferdarlehen (“vendor l.“) wurde der Käuferin, der deutschen Tochter der S. Gruppe, von der Beklagten die letzte Rate der Kaufpreisforderung aus dem Verkauf der Maschinenbaugruppe der Beklagten gestundet. Nachdem laut des insoweit unstreitigen Vortrags der Beklagten im Frühjahr 2020 vor dem Hintergrund der beginnenden Coronapandemie aufgrund der wirtschaftlichen Situation der Käuferin zu befürchten war, dass die Käuferin mit der Rückzahlung des Verkäuferdarlehens ausfallen würde, und gleichzeitig zu besorgen war, dass aufgrund der ebenfalls schwierigen wirtschaftlichen Situation der Mutter der Käuferin die von der Mutter gestellte Sicherheit für die Darlehensrückzahlung entwertet sein würde, vereinbarte die Beklagte mit der Mutter der Käuferin, dass die Mutter die Darlehensrückzahlungsforderung gegen ihre Tochter gegen Zahlung eines Betrages von 594.000 €, d.h. mit einem Abschlag von 10% ablösen könne. Bei dem Verkauf der L. N. ging es also bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise ausschließlich um die möglichst vollständige Beitreibung der letzten Kaufpreisrate aus dem Verkauf der Maschinenbaugruppe der Beklagten an die deutsche Tochter der S. Gruppe, für den dem Kläger – wie oben dargelegt – keine gesonderte Vergütung zustand, unter Einbeziehung der Mutter der Käuferin als Sicherungsgeberin (vgl. Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 09.02.2022, S. 7, Bl. 40 d.A.: „Dadurch wurde die Absicherung des Darlehens durch die Muttergesellschaft relevant“). Die Realisierung einer im Kaufvertrag vereinbarten, von der Muttergesellschaft der Käuferin gestellten Sicherheit ist aber kein „Sonderprojekt“ iSd. § 5 Abs. 5 AV 2019 und auch keine Veräußerung eines „Vermögenswertes des Konzerns“.

91

Nachdem entgegen der Ansicht des Klägers (vgl. S. 12 Mitte des Schriftsatzes der Klägervertreterin vom 25.03.2022, Bl. 67 d.A.) – wie bereits oben unter I 2 dargelegt – ein Aufsichtsratsbeschluss über die Gewährung einer Sondervergütung an den Kläger für welches Projekt auch immer nicht gefasst wurde, ergibt sich ein Vergütungsanspruch des Klägers wegen des Verkaufs der L. N. auch nicht aus einem Aufsichtsratsbeschluss.

92

III. Schließlich hat das Landgericht die Klage auch hinsichtlich der Rechnung Nr. …-009 (Anl. K 10) zu Recht abgewiesen.

93

Auch hier gilt – wie bei der Vergütung bezüglich des Verkaufs der L. N. ausgeführt –, dass in Ermangelung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 612 Abs. 1 BGB oder eines Aufsichtsratsbeschlusses ein Vergütungsanspruch ausschließlich aus § 5 Abs. 5 AV 2019 abgeleitet werden kann.

94

1. a. Hinsichtlich der „Aktivitäten Reversed [sic] IPO 10-2019 bis 06-2020“, d.h. einer Manteltransaktion, scheidet ein Vergütungsanspruch nach § 5 Abs. 5 AV 2019 allerdings schon deshalb aus, weil eine derartige Manteltransaktion unstreitig nicht durchgeführt wurde, mag der Kläger – was die Beklagte bestreitet – auch Aktivitäten an den Tag gelegt haben, die auf die Durchführung einer solchen Maßnahme abzielten (Erstellung von Unterlagen für potentielle Interessenten sowie Präsentationen und Verhandlungen mit Interessenten, vgl. Berufungsbegründung S. 9, Bl. 117 d.A.). Denn wie sich den in § 5 Abs. 5 AV 2019 beispielhaft aufgeführten „Sonderprojekten“ entnehmen lässt, soll ein Vergütungsanspruch nach § 5 Abs. 5 AV 2019 den erfolgreichen Abschluss des jeweiligen Sonderprojekts voraussetzen, was dadurch deutlich wird, dass die Sonderprojekte in der Erfolgsform aufgeführt sind: „De- bzw. Downlisting der AG-Aktien“ und „Veräußerung von Vermögenswerten“. Dies ist auch allein interessengerecht, da damit aus Sicht der Gesellschaft die Erfolgsorientierung des Vorstands gefördert werden soll. Der Gesellschaft erwächst nämlich ein wirtschaftlicher Vorteil, auf den es für sie allein ankommt und den sie durch die Vergütungsgewährung fördern will, nur aus dem erfolgreichen Abschluss eines Projekts, nicht aber bereits aus dem bloßen diesbezüglichen Bemühen des Vorstands.

95

b. Selbst wenn aber – wie nicht – eine Manteltransaktion erfolgreich durchgeführt worden sein sollte, so wäre in Ermangelung einer Regelung in § 5 Abs. 5 AV 2019 zur Höhe der Vergütung oder eines diesbezüglichen Aufsichtsratsbeschlusses (wie bereits oben unter I 2 dargelegt hat der Aufsichtsrat keine Sondervergütung für den Kläger beschlossen) gemäß § 612 Abs. 2 BGB auf die übliche Vergütung abzustellen.

96

aa. Obwohl das Landgericht den Kläger in der mündlichen Verhandlung ausweislich des Protokolls darauf (vgl. S. 2 Mitte des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 18.02.2022, Bl. 51 d.A.) hingewiesen hatte, dass sein bisheriger Vortrag in der Anspruchsbegründung (dort S. 10, Bl. 27 d.A.) (auch) zur Höhe der nach § 612 BGB gegebenenfalls geschuldeten ortsüblichen Vergütung für seine behaupteten Tätigkeiten nicht hinreichend sei, erfolgte mit nachgelassenem Schriftsatz der Klägervertreterin vom 25.03.2022 (vgl. dort bspw. S. 12, Bl. 67 d.A.) zur Vergütung der Tätigkeiten bezüglich des reverse IPO überhaupt kein weiterer Vortrag.

97

Auch in der Berufung wurde ergänzend nur vorgetragen, dass der Kläger Unterlagen für potentielle Interessenten erstellt und Verhandlungen mit Interessenten geführt habe (vgl. Berufungsbegründungsbegründung S. 9, Bl. 117 d.A.). Auch auf den Hinweis des Senats vom 13.12.2023 (Bl. 142/143 d.A.) auf die immer noch anzunehmende Unsubstanziiertheit des klägerischen Vortrags zu der behaupteten Mehrarbeit erfolgte klägerseits mit dem Schriftsatz des Klägervertreters vom 05.02.2024 (Bl. 152/159 d.A.) keine Präzisierung.

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bb. Demnach ist der Vortrag des Klägers zu einer Vergütung für seine Tätigkeiten bezüglich eines reverse IPO auch nach den Hinweisen des Landgerichts und des Senats vom 13.12.2023 (bl. 142/143 d.A.) weiterhin unsubstanziiert und scheitert ein diesbezüglicher Vergütungsanspruch des Klägers auch deshalb.

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(1) Da der Kläger sich zur Begründung der Höhe der von ihm nach § 5 Abs. 5 AV 2019 geltend gemachten Sondervergütung auf die von ihm behauptetermaßen geleistete Mehrarbeit im Umfang von insgesamt 23,00 Stunden im Zeitraum von Dezember 2019 bis Juni 2020 beruft (vgl. Anspruchsbegründung S. 10 unten, Bl. 27 d.A.), muss er entsprechend der Rechtsprechung zu den Anforderungen an die Darlegung von Mehrarbeit von Arbeitnehmern zumindest vortragen, an welchen Tagen und zu welcher Zeit er tätig geworden sein soll (vgl. Preis in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 24. Auflage, München 2024, Rdnr. 467 zu § 611a BGB). Nicht ausreichend ist daher, die in der Anspruchsbegründung gemachte pauschale Angabe eines mehrwöchigen (01.01. – 24.01.2020) Zeitraums. An der Angabe der Tageszeit fehlt es bei jeder der in der Anspruchsbegründung behaupteten Tätigkeiten.

100

(2) Darüber hinaus können an die substanziierte Darlegung der geltend gemachten Stunden beim Vorstand einer AG keine geringeren Anforderungen gestellt werden als bei der Geltendmachung von Ansprüchen aus der Honorarvereinbarung eines Rechtsanwalts mit seinem Mandanten. Denn beim ausschließlichen Abstellen auf den Zeitaufwand muss die nahe liegende Gefahr ins Auge gefasst werden, dass dem Aufsichtsrat der tatsächliche Aufwand des Vorstands verborgen bleibt und ein unredlicher Vorstand deshalb ihm nicht zustehende Zahlungen beansprucht. Insoweit ist die Gefahr, der begegnet werden muss, keine andere als im Verhältnis des Anwalts zu seinem Mandanten (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 04.02.2010 – IX ZR 18/09, Rdnr. 77). Aus diesem Grund erfordert eine schlüssige Darlegung der geltend gemachten Stunden, dass über pauschale Angaben hinaus die während des abgerechneten Zeitintervalls getroffenen Maßnahmen konkret und in nachprüfbarer Weise dargelegt werden. Insoweit ist deshalb anzugeben, in welchen Handlungen die Vorbereitung von Gesprächen mit Interessenten bestand, zu welche Themen sodann mit welchem Gesprächspartner wann eine Besprechung oder eine fernmündliche Unterredung geführt wurde und welche Unterlagen zusammengestellt und/oder präsentiert wurden. Pauschale Angaben wie „Zusammenstellung Unterlagen und eine Präsentation“, „Vorbereitung Gespräch“, „Besprechung bzw. Telko“ reichen nicht aus (vgl. zu den diesbezüglichen Anforderungen BGH, Urteil vom 04.02.2010 – IX ZR 18/09, Rdnr 79). Bei den Besprechungen und Gesprächen ist beispielsweise nicht nachvollziehbar, was darin konkret erörtert wurde. Die Angabe „Aktivitäten Reversed IPO“ ist nicht hinreichend.

101

(3) Ohne dass es deshalb entscheidungserheblich noch darauf ankäme, ist ohnehin zweifelhaft, ob es für die Ortsüblichkeit einer Vorstandsvergütung für ein „Sonderprojekt“ überhaupt auf den dafür geleisteten Arbeitsaufwand ankommt. Denn nach der Kenntnis des Senats aus den von ihm geführten Verfahren über Vorstandsvergütungsansprüche werden Erfolgsprämien wie die streitgegenständliche in § 5 Abs. 5 AV 2019 nicht vom Arbeitsaufwand, sondern von einer Ergebniszahl abhängig gemacht.

102

2. Wie bereits oben unter 1 a dargelegt setzt auch eine Sondervergütung im Hinblick auf den Verkauf von Grundstücken in Hagen nicht nur auf den Verkauf gerichtete Tätigkeiten des Klägers, sondern darüber hinaus einen tatsächlich erfolgten Verkauf voraus. Dazu schweigt sich der Kläger auch nach dem diesbezüglichen Hinweis des Senats vom 13.12.2023 (Bl. 142/143 d.A.) jedoch aus (der Schriftsatz des Klägervertreters vom 05.02.2024, Bl. 152/159 d.A. enthält hierzu keine Ausführungen, auch in der mündlichen Verhandlung vom 21.02.2024 gelang es dem Kläger trotz mehrfacher Nachfragen des Gerichts nicht, hierzu vorzutragen), sodass mangels diesbezüglichen Vortrags des Klägers ein solcher Verkauf nicht anzunehmen ist.

103

Letztendlich kommt es darauf aber entscheidungserheblich auch gar nicht an. Denn selbst wenn die Grundstücke in Hagen veräußert worden sein sollten, so wäre die diesbezügliche Klage aufgrund ihrer Unsubstanziiertheit abzuweisen gewesen. Denn wie hinsichtlich des reverse IPO hat der Kläger trotz des Hinweises des Landgerichts auf die Unsubstanziiertheit seines Vortrags zu § 612 Abs. 2 BGB in der mündlichen Verhandlung vom 18.02.2022 (vgl. S. 2 Mitte des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 18.02.2022, Bl. 51 d.A.) auch bezüglich der Grundstücksgeschäfte in Hagen in erster Instanz mit dem nachgelassenen Schriftsatz vom 25.03.2022 nichts weiter vorgetragen. Der in der Berufungsbegründung erfolgte weitere Vortrag zu den Grundstücksgeschäften (vgl. Berufungsbegründung S. 9, Bl. 117 d.A.) ist aus den oben unter 1 b genannten Gründen nicht zuzulassen und würde den erstinstanzlichen Vortrag im Übrigen auch nicht substanziiert machen.

104

Zum notwendigen Grad der Substanziierung des klägerischen Vortrags zur im Hinblick auf den Grundstücksverkauf geleisteten Mehrarbeit gilt das oben unter 1 b bb Gesagte entsprechend. Auch bezüglich des Verkaufs der Immobilien der Beklagten werden in der Tätigkeitszusammenstellung in der Anspruchsbegründung unzulässigerweise Zeiträume anstatt konkreter Zeitpunkte angegeben (09.10.-11.10.2019 und 01.-06.2020), werden keine Tageszeiten angeführt und erfolgen zu den behaupteten Gesprächen, Besprechungen, Präsentationen nicht die erforderlichen Präzisierungen zu den Inhalten. Auch nach dem Hinweis des Senats vom 13.12.2023 (Bl. 142/143 d.A.) auf die Unsubstanziiertheit seiner Darlegungen erbrachte der Kläger keinen weiteren Vortrag hierzu.

105

IV. Da nach alledem dem Kläger der streitgegenständliche Vergütungsanspruch nicht zusteht, war über die von der Beklagten erklärte Hilfsaufrechnung nicht mehr zu entscheiden.

C.

106

I. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO, da die Berufung des Klägers keinen Erfolg hatte.

107

II. Die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

108

III. Die Revision war nicht zuzulassen, da ein Revisionsgrund nicht vorliegt.

D.

109

Da über die Hilfsaufrechnung der Beklagten nicht zu entscheiden war, wirkte sich diese nicht streitwerterhöhend aus und war der Streitwert für das Berufungsverfahren entsprechend dem Zahlungsantrag des Klägers auf 76.778,80 € festzusetzen.

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Schlagworte: AktG § 108, AktG § 112, AktG § 113, AktG § 114, AktG §114, Angemessenheit Vorstandsvergütung, Anstellungsvertrag, Aufsichtsratsbeschluss, Aufsichtsratssitzung, Feststellung des Beschlussergebnisses, Feststellung des Beschlussergebnisses und Verkündung, Provisionsvereinbarung, Sondervergütung, Vergütung, Vorstandsbezüge, Vorstandsvergütung