§ 141 ZPO, § 348 ZPO, § 448 ZPO, § 538 ZPO, Art 101 GG
a) Nach § 538 Abs. 1 ZPO hat das Berufungsgericht grundsätzlich die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden. Ob das Verfahren im ersten Rechtszuge an einem wesentlichen Mangel leidet, der nach § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO ausnahmsweise eine Zurückverweisung an das Gericht des ersten Rechtszugs ermöglicht, ist allein aufgrund des materiell-rechtlichen Standpunkts des Erstgerichts zu beurteilen.
b) Sieht der Geschäftsverteilungsplan keine Spezialzuständigkeit einer Zivilkammer nach § 348 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e ZPO vor, ist bei einer Entscheidung durch den Einzelrichter nicht schon wegen des Umstands, dass Arzthaftungssachen grundsätzlich vom voll besetzten Spruchkörper zu verhandeln sind, ein Verstoß gegen den Anspruch auf den gesetzlichen Richter gegeben.
Aus den Gründen
Die Revision hat Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Sache verfahrensfehlerhaft auf der Grundlage des § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO an das LG zurückverwiesen. Dies rügt die Revision mit Recht.
Nach § 538 Abs. 1 ZPO hat das Berufungsgericht grundsätzlich die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden. Es darf gem. § 538 Abs. 2 ZPO die Sache nur ausnahmsweise an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückverweisen, u.a. soweit das Verfahren im ersten Rechtszuge an einem wesentlichen Mangel leidet und aufgrund dieses Mangels eine umfangreiche oder aufwendige Beweisaufnahme notwendig ist und eine Partei die Zurückverweisung beantragt (§ 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO ). In diesem Fall kommt eine Zurückverweisung nur in Betracht, wenn das erstinstanzliche Verfahren an einem so wesentlichen Mangel leidet, dass es keine Grundlage für eine Instanz beendende Entscheidung sein kann. Ob ein solcher Mangel vorliegt, ist allein aufgrund des materiell-rechtlichen Standpunkts des Erstgerichts zu beurteilen, auch wenn das Berufungsgericht ihn nicht teilt (vgl. BGH, Urt. v. 10.12.1996 – VI ZR 314/95 , MDR 1997, 388 = NJW 1997, 1447; v. 13.7.2010 – VI ZR 254/09 – Rz. 8, MDR 2010, 1072 = VersR 2010, 1666; Urt. v. 1.2.2010 – II ZR 209/08 – Rz. 11, MDR 2010, 650 = NJW-RR 2010, 1048; v. 14.6.2012 – IX ZR 150/11 – Rz. 14, MDR 2012, 988 = NJW-RR 2012, 1207 m.w.N.). Hiernach begründet es keinen Fehler im Verfahren der Vorinstanz, wenn das Berufungsgericht Parteivorbringen materiell-rechtlich anders beurteilt als das Erstgericht (vgl. BGH v. 13.7.2010, a.a.O. – Rz. 15; v. 1.2.2010, a.a.O. – Rz. 14; v. 14.6.2012, a.a.O.). Ein Verfahrensfehler kann in einem solchen Fall auch nicht mit einer Verletzung der richterlichen Hinweis- und Fragepflicht (§ 139 ZPO ) begründet werden. Eine unrichtige Rechtsansicht des Erstrichters darf nicht auf dem Umweg über eine angebliche Hinweispflicht gegenüber den Parteien in einen Verfahrensmangel umgedeutet werden, wenn auf der Grundlage der Auffassung des Erstgerichts kein Hinweis geboten war. Das Berufungsgericht muss vielmehr auch insoweit bei Prüfung der Frage, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, den Standpunkt des Erstgerichts zugrunde legen (BGH v. 10.12.1996, a.a.O.; v. 13.7.2010, a.a.O.; v. 14.6.2012, a.a.O.).
Nach diesen rechtlichen Maßstäben scheidet im Streitfall eine Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Erstgericht schon deswegen aus, weil das erstinstanzliche Verfahren nicht an einem so wesentlichen Mangel leidet, dass es keine Grundlage für eine Instanz beendende Entscheidung sein kann.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts rechtfertigt auch der Umstand, dass der Einzelrichter entschieden hat, nicht eine Zurückverweisung an das LG. Dessen Geschäftsverteilungsplan sieht keine Spezialzuständigkeit einer Zivilkammer für das Sachgebiet
a) Ein wesentlicher Verfahrensmangel liegt nicht darin, dass das LG seine Überzeugung auf die Parteivernehmung des Bekl. zu 1 gestützt hat. Nach den Ausführungen des Gerichtssachverständigen reichte die Gabe von lediglich drei Erythrozytenkonzentraten nicht aus. Bei dieser Sachlage oblag es den Beklagten, darzulegen und zu beweisen, dass ein Behandlungsfehler dennoch nicht vorlag, weil die Klägerin die Gabe weiterer Blutkonserven abgelehnt hat. Unter diesen Umständen war es nicht verfahrensfehlerhaft, den Bekl. zu 1 gem. § 448 ZPO dazu zu vernehmen, ob es zu einer Verweigerung weiterer Bluttransfusionen seitens der Kl. gekommen ist, nachdem das LG die Parteien darauf hingewiesen hatte, dass eine solche Vernehmung beabsichtigt sei, und den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hatte, ohne dass die Kl. hiergegen Einwände erhoben hätte. Der Grundsatz der Waffengleichheit, der Anspruch auf rechtliches Gehör sowie das Recht auf Gewährleistung eines fairen Prozesses und eines wirkungsvollen Rechtsschutzes erfordern, … dass einer Partei, die – wie die Bekl. – für ein Vier-Augen-Gespräch keinen Zeugen hat, Gelegenheit gegeben wird, ihre Darstellung des Gesprächs in den Prozess persönlich einzubringen. Zu diesem Zweck ist die Partei gem. § 448 ZPO zu vernehmen oder gem. § 141 ZPO anzuhören.
Löffler I www.K1.de I www.gesellschaftsrechtskanzlei.com I Gesellschaftsrecht I GmbHRecht I Erfurt I Thüringen I Sachsen I Sachsen-Anhalt I Hessen I Deutschland 2022
Schlagworte: Vier-Augen-Gespräch, Waffengleichheit